Protocol of the Session on January 29, 2015

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Dafür brauchen wir aber mehr Geld!]

Wie es funktioniert hat, sehen wir ja: Deutschlands Wirtschaft ist der Konjunkturmotor in Europa. Zur Beschleunigung hat man höhere Wertgrenzen beschlossen.

Dann haben wir hier in Berlin einen ganz typischen Politikerfehler gemacht. Wir haben gesagt: „Jetzt läuft es gut. Jetzt brauchen wir es nicht mehr schnell. Jetzt machen wir es wieder langsam. Jetzt tun wir so, als wäre langsam dann auch gründlicher.“ Dann haben wir es wieder heruntergefahren. Vorgestern schilderte die Schulsenatorin Schwierigkeiten bei der Auftragsvergabe. Wäre Frau Scheeres Ministerin in einem der Bundesländer Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NRW oder Schleswig-Holstein, hätte sie diese Probleme nicht gehabt.

[Joachim Esser (GRÜNE): Aber in Bayern!]

In diesen Ländern gelten die Auftragsvergabegrenzen des Konjunkturpaketes II noch heute. Bei uns haben wir sie heruntergeschraubt auf ein Zwanzigstel von dem, was bei K II war. Das liegt daran, dass die anderen Bundesländer offensichtlich alle doof sind und wir eben richtig liegen, oder es liegt daran, dass wir noch Diskussionsbedarf innerhalb der großen Koalition haben. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Mayer das Wort. – Bitte schön!

[Martin Delius (PIRATEN): Jetzt werden wir aufgeklärt und erfahren, wie es wirklich ist!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kollegen! Werte Gäste! Ich werde mich hier jetzt gleich zwischen alle Stühle setzen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Bravo!]

Der Vergabebericht – das muss ich sagen – war noch im November für das vergangene Jahr versprochen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Guter Mann!]

Ich habe jetzt gehört, dass die Verspätung einer Umbildung des Senats geschuldet ist,

[Martin Delius (PIRATEN): Echt?]

der damit verbundenen Stillstandszeit, personeller Veränderungen und Neuabstimmungen und so weiter. Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn sich Dinge aufgrund von Störungsereignissen verzögern. Ich finde aber, dass es schon zum guten Ton gehört, dass wir über Verspätungen informiert werden, wenn Zusagen nicht eingehalten werden.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ein solcher Hinweis hätte sicherlich auch vermieden, dass wir jetzt noch diese Rederunde halten müssen. Ich gehe aber davon aus, dass wir diesen Bericht früher oder später zu Gesicht bekommen. Auch ohne diesen Bericht bin ich mir relativ sicher zu wissen, dass das Vergabegesetz eigentlich ziemlicher Murks ist.

Ein Vergabebericht, in dem nicht auf schwerwiegende Probleme mit diesem Gesetz hingewiesen wird, wäre ohnehin das Papier nicht wert, auf dem er steht.

[Beifall bei den PIRATEN]

Dass es hinsichtlich des Vergabegesetzes deutliche Differenzen in der Koalition gibt, zeigt auch die vergangene Debatte um das Reförmchen dieses Gesetzes, was für mich persönlich ein intellektueller Tiefpunkt parlamentarisch vorangetriebener Gesetzgebung war.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Das Ergebnis war nämlich ein noch undurchführbareres Gesetz, als es ohnehin schon ist. Es ist in Kernpunkten logisch nicht sinnvoll.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Bravo!]

Auch wenn die Intentionen gut sind, glaube ich, dass die Auswirkungen einfach fatal sind. Das Gesetz schafft mit Sicherheit jede Menge Probleme in der Berliner Verwaltung und in der Berliner Wirtschaft. Wir reden hier häufig darüber, wie überlastet die Verwaltung, wie hoch der Krankenstand, wie problematisch die Motivation der Mitarbeiter ist. Ich bin mir sicher, dass dieses Vergabegesetz zu diesen Missständen klar beiträgt.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Michael Dietmann (CDU)]

Ein besserer Name für dieses Gesetz wäre wohl Vergabeverhinderungs- und -verteuerungsgesetz.

[Heiterkeit]

Hauptziel einer jeden Vergabe muss sein, den Bedarf erst einmal schnell, preiswert und qualitativ angemessen zu decken. Was hilft es, das beste und schönste Vergabegesetz zu haben, wenn die Leute am Ende auf die Sachen,

(Jürn Jakob Schultze-Berndt)

die sie haben müssen, warten müssen, um ihre Arbeit zu tun? Das ist sicherlich in niemandes Sinne.

Natürlich ist es sinnvoll, jetzt Lieferanten und Produkte aus ethischen oder politischen Gründen von der Belieferung auszuschließen. Das machen auch alle großen Unternehmen, alle großen Konzerne so. Die kaufen auch nicht von jedem, weil es zu Problemen führt. Dort ist es eben auch so, dass man Positiv- oder Negativlisten für Produkte und Lieferanten hat und es eben mit Rahmenverträgen regelt. Das ist halt so, wie man es macht. Ein Gesetz sollte sich darauf beschränken, Mindeststandards zu definieren und nicht Dinge zu fordern, die faktisch nicht umsetzbar sind.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Michael Dietmann (CDU)]

Nehmen wir die ILO-Kernarbeitsnormen. Das ist erst einmal alles ganz schön und gut. Sie sind in Deutschland ohnehin Gesetz, in den USA beispielsweise nicht. Die haben nur zwei der acht Normen unterzeichnet. Dort allein die notwendigen Nachweise zu führen, gestaltet sich teilweise sehr schwierig. Es ist zwar dann durch die Liste beschränkt, für welche Produktgruppen es gilt. Die ist aber in Berlin mit am längsten im Vergleich zu anderen Bundesländern.

Ich habe den Eindruck, dass das Gesetz Dinge fordert, die praktisch nicht machbar sind und unnötigen Aufwand zur Umgehung verursachen. All das ist auch nicht durch eine Anhebung der Freigrenzen bei Auftragswerten zu erreichen. Eigentlich muss das gesamte Gesetz komplett in den Papierkorb und neu geschrieben werden, wobei darauf zu achten ist, dass darin auch wirklich Machbares steht. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Michael Dietmann (CDU)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag hat die antragstellende Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und an den Hauptausschuss. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung an den Wirtschaftsausschuss und an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Piraten, die Grünen und Die Linke. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag überwiesen.

Der Tagesordnungspunkt 22 war Priorität der Fraktion der CDU unter der lfd. Nr. 3.5.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste, die 60. Sitzung, findet am Donnerstag, dem 19. Februar 2015 um 11.00 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg!

[Schluss der Sitzung: 18.29 Uhr]

(Pavel Mayer)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 7:

Arbeit der Jobcenter effektiver gestalten!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 8. Januar 2015 Drucksache 17/2040

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0973

mehrheitlich – gegen GRÜNE bei Enthaltung LINKE und PIRATEN – auch mit geänderten Berichtsdatum „30. Juni 2015“ abgelehnt

Lfd. Nr. 10: