Protocol of the Session on January 29, 2015

Die Menschen in der Stadt, die darüber diskutieren wollen, stehen bereit. Das sind die Leute vom Landesjugendhilfeausschuss – das haben Sie selbst benannt. Gestern hat die BVV Friedrichshain-Kreuzberg dazu den Beschluss gefasst, dass Sie aufgefordert sind, einen Gesetzentwurf einzubringen – dem hat auch Ihre eigene Fraktion zugestimmt.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eggert?

Ja, mache ich.

Bitte schön, Herr Kollege Eggert!

Vielen Dank! – Frau Burkert-Eulitz! Sie als Juristin wissen ja auch die Aufgaben der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen gut einzuordnen. Können Sie mir sagen, wann Sie und Ihre Fraktion einen solchen Gesetzesantrag eingebracht haben oder weshalb Sie das bis jetzt noch nicht getan haben?

Wir arbeiten eng mit der Fraktion der Linken zusammen – und mit anderen.

[Zuruf von den PIRATEN: Nicht mit uns!]

Ihr eigener Fraktionsvorsitzender hat vorhin im Gespräch gesagt, dass er von der Thematik, dass es da einen Gesetzentwurf geben sollte, noch nie etwas gehört hat. Vielleicht sollten Sie da einmal den Kontakt suchen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Ansonsten würde ich empfehlen, dass Sie sich die entsprechenden Jugendfördergesetze, die es in Deutschland gibt, einmal ansehen. Ich habe das gemacht. Insbesondere das Jugendfördergesetz aus Nordrhein-Westfalen finde ich sehr sympathisch. So, wie es gestern von der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen worden ist, sollten wir nicht nur die Jugendarbeit dort einbringen, sondern auch die Familienförderung nach § 16 und auch die Jugendsozialarbeit. Die haben nämlich das gleiche Problem wie die Jugendarbeit. Bei der Familienförderung stehen wir oft noch am Anfang. Es wäre wichtig, dass wir das alles auf einen guten Weg bringen. Da haben Sie und die Senatsverwaltung uns an Ihrer Seite. Ich freue mich auf einen Diskurs, und dann sollten wir Gesetzesvorschläge auch zeitnah diskutieren. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Simon das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Burkert-Eulitz! Wenn man Ihre Aussage weiterdenkt, könnte man fragen, weshalb das Bezirksamt oder die Grünen-Mitglieder des Bezirksamts in Friedrichshain-Kreuzberg nicht zurücktreten.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD – Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Weil sie Verantwortung übernehmen!]

Ich finde sie ein bisschen merkwürdig, die Logik, die Sie da an den Tag gelegt haben.

Ich will aber zu den beiden Anträgen kommen. Wir diskutieren heute die Anträge „Kinder- und Jugendförderung gesetzlich regeln!“ und „Jugendfreizeitstättenbericht fortschreiben“. Ich finde, man könnte für beide die inhaltliche Überschrift wählen: Finanzierung der Jugendarbeit. Das ist es, um was es geht. Fachpolitisch haben wir bei diesem Thema auf Landesebene eher graduell unterschiedliche Auffassungen. Wir wollen doch alle nicht, dass die Bezirke bei der Jugendarbeit weiter Jahr für Jahr weniger Mittel aufwenden. Die Koalition wird sich auch gern weiterhin mit dem Thema befassen. Ob eine gesetzliche Änderung, die Sie in Ihrem Antrag „Kinder- und Jugendförderung gesetzlich regeln!“ fordern, der richtige Weg für eine Stabilisierung der Jugendarbeit sein kann, werden wir gern prüfen. Hierzu freuen wir uns über die heutige und auch auf weitere Debatten – auch im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie.

Ob aber die Fortschreibung des Jugendfreizeitstättenberichts uns beim Thema wirklich weiterbringen kann, sieht die CDU-Fraktion zurzeit eher skeptisch. Die Verwaltung würde, wenn der Antrag nach der Diskussion im zuständigen Ausschuss dieses Hauses hier beschlossen werden würde, aufwendig Daten zu erheben und einen ausführlichen Bericht zu erstellen haben. Was wäre das Ergebnis? – Eine Bestätigung der schon bekannten, entscheidenden Daten zum Bestand, zur Finanzierung, zur Nutzung und zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung der Jugendfreizeitstätten. Es gäbe wohl kaum einen Erkenntnisgewinn. Dann kann die Senatsverwaltung sich aus unserer Sicht aber auch anderen Themen widmen. Das brächte uns mehr. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt Herr Kowalewski – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Simon! Die Daten, die wir haben, sind zehn Jahre alt. Seitdem wurde unheimlich viel gespart. Ich weiß nicht, ob uns diese Daten unbedingt weiterhelfen. Es gab schon vor zweieinhalb Jahren die Aufforderung der Linksfraktion an den Senat – und zwar zu Recht –, ein Konzept zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung und die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit zu entwickeln. Ber

linweit sollten vergleichbare Qualitäts-, Fach- und Ausstattungsstandards in der Jugendarbeit entwickelt werden. Dabei geht es natürlich um die Planungssicherheit für die Jugendarbeit und auch um eine Qualitätssicherung in der Leistungserbringung. Der Antrag wurde, wie wir gehört haben, leider abgelehnt.

Da wir jetzt einen vergleichbaren Antrag haben, lässt sich feststellen: Die Sicherung der Kinder- und Jugendförderung, der Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere ihre Finanzierung und Ausstattung ist es wert, erneut und immer wieder diskutiert zu werden – und zwar mit allen Beteiligten. Die Notwendigkeit erfordert natürlich eine Begründung, und die ergibt sich, wenn man sich die Debatte der letzten zweieinhalb Jahre vor Augen führt. – Ich muss ein bisschen schneller sprechen, denn das ist relativ komplex.

Der von der Kollegin Möller erwähnte Brandbrief vom 23. November 2012 hat uns – und auch die Senatorin für Jugend und den Senator für Finanzen – darauf aufmerksam gemacht, dass die Bezirke an den Jugendeinrichtungen sparen, Angebote einstellen oder nur noch unter ganz fragwürdigen Bedingungen fortführen. Ganze Einrichtungen werden geschlossen, bezirkliche Infrastruktur wird ausgedünnt und abgewickelt. Die jährlichen Kürzungen lägen insgesamt bei 4 bis 7 Millionen Euro – wohl gemerkt: jährlich. Aufgrund dieses Brandbriefes gab es dann eine Anhörung im Jugendausschuss und dabei haben wir gehört, dass nicht die 10 Prozent die die Ausführungsgesetz zum SGB VIII festgesetzt sind, aufgewendet werden, sondern pro Bezirk zwischen 2,6 und 4,3 Prozent, Tendenz weiter sinkend. Wenn man das überschlägt, kommt man auf 180 Euro pro Kind oder Jugendlichem zwischen 6 und 20 Jahren.

Der Rat der Bürgermeister – das haben wir auch von der Kollegin Möller gehört – hat dann am 23. Mai 2013 ein Moratorium für die Jugendarbeit beschlossen, um bis zur Aufstellung des Haushalts 2016/2017 ein nachhaltiges Modell zur Sicherung der fachlichen, personellen, sächlichen und vor allem strukturellen Standards zu erarbeiten.

Der Landesjugendhilfeausschuss hat beschlossen, das Abgeordnetenhaus aufzufordern, den Beschluss des Rats der Bürgermeister im Haushalt abzusichern, woraufhin der Finanzsenator geschrieben hat, der Vorschlag der Bezirksbürgermeister fordere zusätzliche Ressourcen ein, und die gebe es nicht. Also: nicht.

Während der Haushaltsberatungen für 2014/2015 hat der Landesjugendhilfeausschuss beschlossen, den Senat einen Vorschlag erarbeiten zu lassen, wie denn die Angebote finanziert werden sollen. Das haben die Koalitionsfraktionen im AGH dann im Dezember endgültig abgelehnt, das Moratorium, und ignorieren damit sämtliche Forderungen des Rats der Bürgermeister, des Landesjugend

(Roman Simon)

hilfeausschusses und der Jugendhilfeausschüsse der Bezirke.

[Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Am 29. November 2014 hat das Jugendforum im Abgeordnetenhaus stattgefunden. Die Jugendparlamente haben uns unter dem Motto „Hole deine 10 Prozent“ aufgefordert, 10 Prozent der Mittel für die Jugendhilfe und die Jugendarbeit zu verwenden, und zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit wären, mit den jugendpolitischen Sprecherinnen und Sprechern des Abgeordnetenhauses ins Gespräch zu kommen. Die jugendpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Koalitionsfraktionen waren zu dem Zeitpunkt leider nicht mehr da. In der Folge hat mein Kollege Martin Delius zu der Forderung eine schriftliche Anfrage gestellt. In der Antwort hieß es, die Arbeitsgruppe hätte ihre Arbeit beendet und ihre Arbeitsergebnisse in einem Bericht zur produktbezogenen Finanzierungssystematik der bezirklichen allgemeinen Kinder- und Jugendförderung zusammengefasst. Der Bericht sollte, so der Senat, dem Unterausschuss Bezirke im Januar 2015 vorgelegt werden. Der Januar hat jetzt noch zwei Tage.

Wir stellen fest: Bis heute fehlen irgendeine Haltung, Stellungnahme oder ein Vorschlag des Abgeordnetenhauses zu einer standardgemäßen Finanzierung der Jugendarbeit, obwohl das Thema seit zweieinhalb Jahren immer wieder diskutiert wird. Es fehlt die Vorlage des Senats für das von Frau Staatssekretärin Klebba angekündigte Jugendförderungsgesetz, und es fehlt noch immer der erwähnte Bericht.

In den letzten zweieinhalb Jahren gab es unzählige Debatten. Im Senat hat sich inzwischen zwar wenig, aber immerhin etwas bewegt. Wir haben inzwischen Haushaltsüberschüsse in Höhe von fast 1 Milliarde Euro. Inzwischen haben wir im Senat konkrete Arbeitsgruppen und Planungen, und zwar genau für das, was Die Linke in ihrem Antrag fordert. Das Abgeordnetenhaus ist inzwischen das einzige Gremium, das noch überhaupt nichts zu dem Thema beschlossen hat.

[Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Wollen wir die Politik weiter auf allen Seiten an uns vorbeiziehen lassen, Herr Kollege Simon? – Das wäre auch ein Affront gegen die Arbeit des Senats. Das kann sich die Koalition eigentlich nicht leisten. Deswegen fordern wir Sie dazu auf, nach zweieinhalb Jahren endlich eine klare Haltung des Abgeordnetenhauses herbeizuführen. Es wird Zeit, die Jugendarbeit standard- und bedarfsgerecht zu finanzieren. Jugendzentren sind kein „Nice-toHave“, sie sind wichtige Einrichtungen auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Für viele Jugendliche sind sie eine zweite Familie, in der sie Hilfe und Unterstützung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Erzieherinnen und Erziehern erhalten, eine Hilfe, die langfristig dazu führt, Kinder und Jugendliche vernünftig zu sozialisieren und auf dem Weg ins Erwachsenenleben zu begleiten, was langfristig zu Kostenersparnissen führt, denn: Wer

bei der Jugendförderung spart, muss am Ende mehr Geld in die Bereiche Arbeit, Gesundheit, Justiz und Polizei stecken. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 19 steht als vertagt auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 20 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 3.2.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 21:

Vergabebericht endlich vorlegen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2063

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Olalowo, bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Berlin hat ein gutes Vergabegesetz. Wir haben den Mindestlohn, wir haben ökologische wie auch soziale Kriterien in der Vergabe geregelt – das Thema ILO-Kernarbeitsnormen. Wir haben eine ordentliche Frauenförderung darin enthalten, und wir haben die Forderung nach Ausbildungsplätzen bei der Vergabe zu berücksichtigen. Die letzte Novellierungsdebatte fand im Jahr 2012 statt. Im Zuge dessen haben wir den Mindestlohn auf 8,50 Euro hochgesetzt. Uns Grünen hat nicht so gut gefallen, dass dabei die Schwellenwerte für die Anwendung der ökologischen und sozialen Kriterien hochgesetzt worden sind. Wir finden, dass das zu hoch ist. Das muss schon bei geringeren Auftragswerten erfolgen – aber gut.

Wer aber mit diesem Vergabegesetz scheinbar nicht zufrieden ist, das ist die Union. Die Senatorin führt in der Stadt Gespräche zur Novellierung des Gesetzes, sie legt aber den entsprechenden Bericht nicht vor, auf dessen Grundlage eine Debatte über das Gesetz stattfinden könnte. Das Gesetz sagt ausdrücklich:

Der Senat legt alle zwei Jahre einen Vergabebericht vor, der die Wirkung dieses Gesetzes sowie die Arbeit der Vergabestellen und der nach Satz 2 vorgesehenen Kontrollgruppe untersucht und

(Simon Kowalewski)

Basis der fortschreitenden Evaluation des Gesetzes ist.

Dies hätte Juni 2014 erfolgen müssen.

Anstatt endlich diesen Bericht vorzulegen, auf Grundlage dessen dieses Haus mit der Wirtschaft, mit der Verwaltung, mit der Zivilgesellschaft über die Weiterentwicklung des Vergabegesetzes diskutieren könnte, lesen wir im letzten Aktionsplan Handwerk, in dem Sie mit der Handwerkskammer Absprachen getroffen haben, Sie wollen zukünftig Jahreszeiten- und Rahmenverträge einführen. Sie wollen eine Veränderung der Wertgrenzen der öffentlichen Ausschreibungen, und Sie wollen ein Modellprojekt zur Optimierung der innovativen und nachhaltigen Beschaffung einführen. Das sind alles Punkte, über die wir hier reden können, das ist überhaupt kein Problem.

Aber, und das ist ein weiterer Punkt, der darin enthalten ist: Sie wollen eine Evaluierung der Auswirkungen des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes hinsichtlich der Zielerreichung und der Handhabung im Baubereich. Genau das ist Inhalt des Berichtes, den wir von Ihnen fordern. Den fordern wir schon seit einem halben Jahr, solange ist dieser Bericht überfällig. Legen Sie ihn endlich vor!