Sehr geehrte Präsidentin! Geehrte Kollegen und Gäste! Das finde ich wahnsinnig, dass die CDU durchgesetzt hat, dass man endlich bei der BVG in den Bussen die Fahrräder mitnehmen kann. Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen.
Aber die rot-schwarze Koalition ist ja 2011 mit dem Versprechen angetreten, Berlin zur fahrradfreundlichen Stadt zu machen.
Wir müssen aber sagen: Zwei Jahre später hat der Senat nachgelegt und seine Radverkehrsstrategie beschlossen. Durch den Ausbau von Fahrradrouten, durch Kapazitätserweiterungen und innovative Lösungen in der Radverkehrsplanung soll das Fahrrad auch auf längeren Strecken, sogar bis nach Kopenhagen, wie wir eben gehört haben, eine Alternative zum Auto werden. Ich bin gespannt, wer hier aus dem Haus mal bis nach Kopenhagen mit dem Fahrrad fährt. Herr Friederici! Wie wäre es mit einer kleinen Reise?
Die Ausweisung von Fahrradstraßen bietet sich hierfür geradezu an. Fahrradstraßen sind sicher, sie machen den Radverkehr sichtbarer und auch für längere Strecken und gemeinsame Fahrten attraktiver. Sie sind vergleichsweise mit geringem Finanzaufwand einzurichten und können ein Zusatzangebot zur vielerorts überlasteten Radverkehrsinfrastruktur schaffen. Fahrradstraßen bieten eigentlich nur Vor- und kaum Nachteile. Wie wir bereits gehört haben, sagt das inzwischen sogar auch die Automobillobby, die sich hier mit der Fahrradlobby eins ist.
Aber wie sieht die Realität aus? – Sie sieht ein bisschen anders aus, als Herr Friederici uns zu erklären versucht hat.
Die Zobtener Straße in Rummelsburg etwa gibt ein Beispiel, wie alle Vorteile von Fahrradstraßen mit einem Handstreich zunichte gemacht werden können. Für den Weg aus Karlshorst oder Friedrichsfelde in Richtung Innenstadt bietet sich die Route entlang der S-Bahngleise, weitgehend abseits des Autoverkehrs geradezu an. Doch an der Kreuzung zur Schlichtallee endet die Fahrradstraße und damit jede sinnvolle Radverkehrsführung. Das passiert übrigens nicht nur dort, sondern an vielen Stellen. Die Radfahrer werden zunächst auf einen linksseitigen, noch dazu holprigen Radweg gezwungen und dann auf einen benutzungspflichtigen Gehweg entlang der Hauptstraße geführt. Konflikte mit dem Fuß- und Autoverkehr sind da vorprogrammiert.
Auch wenn man sich mal die Verkehrsführung in der Innenstadt ansieht, genau hier nebenan, in der Leipziger Straße, so gibt es parallel zur Leipziger Straße ruhige Nebenstraßen, die sich aus meiner Sicht optimal dafür eignen würden, zu Fahrradstraßen zu werden. Sie haben damit im Übrigen zwei Effekte: Einmal hat der Radverkehr genügend Raum, um sich weiterzuentwickeln. Und er fließt nicht mehr die Leipziger Straße entlang, wo es in der letzten Zeit zu krassen Unfällen und zu Ausschreitungen von Autofahrern gegen Radfahrer gekommen ist. Dort wurde tatsächlich jemand zusammengeschlagen, weil es einen Nutzungskonflikt gab oder weil sich das daran entzündet hat. Das ist nicht die Regel, aber man merkt, dass es hier eine sehr angespannte Situation gibt, die nicht angenehm ist, insbesondere nicht für die Fahrradfahrer, die keine Blechkarosserie um sich herum spazieren fahren.
Die aktuell 17 Fahrradstraßen in Berlin werden gut angenommen, machen Radfahrern aber oft das Leben schwer. Sie enden wie die Zobtener Straße im Nichts, oder der eigentlich bevorrechtigte Radverkehr wird durch Autofahrerinnen und Autofahrer massiv behindert. Mit diesem Problem ist die Linienstraße in Mitte auf dem dritten Platz der meistgenannten Konfliktschwerpunkte im sog. Onlinedialog zur Radverkehrssicherheit gelandet, den der Senat vor einem Jahr durchführte.
Dem Senat ist das alles bekannt. Ein Konzept, wie sich vorhandene und neue Fahrradstraßen in die Radverkehrsinfrastruktur einfügen, ist nicht erkennbar. Aus diesem Grund unterstützt die Piratenfraktion diesen Antrag der Grünen, mit einem Fahrradstraßennetz Ordnung in das bisherige Chaos zu bringen. Nur wenn vorhandene Fahrradstraßen aus ihrem Nischendasein befreit und sinnvoll miteinander verbunden werden können, können sie die überlastete Radverkehrsinfrastruktur in der Innenstadt entlasten.
Anstatt sich aber ernsthaft mit dem Konzept zu beschäftigen, steckt die Koalition den Kopf in den Sand und bezweifelt, dass es rechnerisch und verkehrsplanerisch überhaupt möglich sei, ein Fahrradstraßennetz zu schaffen. Die Stadt Braunschweig ist nur ein Beispiel dafür, dass das Gegenteil wahr ist. Dort war es möglich, innerhalb weniger Jahre ergänzend zum ausgeschilderten Fahrradroutennetz einen nahezu geschlossenen Innenstadtring sowie eine Ost-West-Verbindung als Fahrradstraßenrouten einzurichten. Das zeigt, dass es hier eben nicht darum geht, irgendwelche Fahrradrouten innerhalb der Stadt durch Fahrradstraßen zu ersetzen, sondern dass ein sinnvolles Nebeneinander möglich ist. Da stellt sich doch die Frage, warum das in Berlin nicht möglich sein soll, wo doch sonst alles mit der großen Koalition in Berlin möglich ist.
Mit der allergrößten Koalition! – Der Umgang mit Fahrradstraßen ist nur ein Beispiel unter vielen für die große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Radverkehrspolitik des rot-schwarzen Senats. Der Senat lässt sich für die Erhöhung der Mittel für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur feiern, schöpft die Mittel aber bei Weitem nicht aus. Vom angekündigten Ziel, pro Jahr und Person 5 Euro für den Radverkehr auszugeben, wie noch kürzlich formuliert wurde, will er inzwischen gar nichts mehr wissen. Der Senat verspricht den Ausbau eines stadtweiten Fahrradroutennetzes; tatsächlich wurden aus Senatsmitteln pro Jahr sage und schreibe auf vier – ich wiederhole: vier – Straßenabschnitten neue Radfahrstreifen angelegt. Wenn das keine Leistung ist! Der Senat kündigt vollmundig weitere Konzepte, Masterpläne, Modellprojekte zum Fahrradparken und zur besseren Integration in den Nahverkehr oder zur Förderung von Elektro- und Lastenfahrrädern an. Tatsächlich passiert ist auch hier wenig bis gar nichts.
Wir stellen fest: Die rot-schwarze Fahrradpolitik ist bisher vor allem eines: Stillstand und Stückwerk. Ich hoffe, dass sich das vielleicht noch – auch mit dem neuen Regierenden Bürgermeister – ändert. Unter ihm wurden immerhin richtige und wichtige Maßnahmen beschlossen, wie Berlin den Fahrradverkehr fördern, anstatt den Radfahrerinnen und -fahrern weiterhin das Leben schwer machen kann. Wir fordern nun den Senat auf, dem Radverkehr die nötige Priorität einzuräumen, ein Fahrradstraßennetz wäre da ein attraktives Nahziel.
Herr Geisel! Ein wirklich gut gemeinter Tipp zum Schluss: Sie dürfen als Senator auch ohne Parlamentsbeschluss regieren und sinnvolle Maßnahmen umsetzen. Ein Fahrradstraßennetz wäre eine solche sinnvolle Maßnahme. Ich bin gespannt, was wir von Ihnen zum Thema Radverkehrspolitik in Berlin zu hören bekommen. – Danke!
Vielen Dank, Herr Baum! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/1721 empfiehlt der Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die SPDFraktion, die CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterentwickeln (II) – Geschichtsdokumentation und Forschung
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 20. November 2014 Drucksache 17/1991
Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zu dem Antrag Drucksache 17/1683 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig bei Enthaltung Grüne, Linke und einer Stimme der Piraten die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/1991 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die Piratenfraktion.
[Torsten Schneider (SPD): Ein kraftvolles Ja der Opposition! – Martin Delius (PIRATEN): Unser schärfstes Schwert!]
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 8. Dezember 2014 Drucksache 17/2008
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Berlin braucht eine Ombudsstelle für den Bereich Kita und Tagespflege,
an die sich Eltern bei Problemen und bei Beschwerden wenden können. Herr Schneider! Das funktioniert im Bereich Jugendhilfe sehr gut.
Da läuft ein Pilotprojekt für eine Ombudsstelle erfolgreich, seit dort die Arbeit aufgenommen wurde, noch ohne nennenswerte Bekanntheit.
Wollen Sie vielleicht rausgehen so lange? – Es sind dort von Juni bis Dezember schon 80 Anfragen gestellt worden. Das zeigt, wenn ein sinnvolles Angebot da ist, wird es auch genutzt. Das Gleiche brauchen wir für den Frühförderbereich. Derzeit sind es die bezirklichen Jugendämter, die Kitaleiterinnen oder die Kitaaufsicht auf Senatsebene, die sich mit den zumeist Kommunikations- und Verständnisproblemen von Eltern beschäftigen müssen. Das tun sie, das ist Teil ihrer Arbeit. Allerdings fehlt ihnen zunehmend die Zeit, weil dieser Besprechungsbedarf kontinuierlich steigt. Das beschreiben alle Beteiligten so, besonders Kitaleiterinnen kommen vor lauter Beratungs- und Klärungsgesprächen kaum noch zur Erledigung ihrer zentralen Aufgaben. Unsichere oder besorgte Eltern haben zudem mitunter Vorbehalte gegenüber Behörden und rennen auch nicht gleich wegen jedes Problems mit der Kita zum Jugendamt oder zur Kitaaufsicht. Überdies ist die Hemmschwelle, sich zu beschweren, gerade wenn es um die Betreuung von Kleinkindern geht, relativ hoch, zumal in Zeiten von Kitaplatzmangel. Es hilft oft einmal ein klärendes Gespräch auf Augenhöhe und der fachkundige Hinweis einer unabhängigen Vertrauensperson.
Wir brauchen also ein niedrigschwelliges Hilfsangebot zur Entlastung der Kitas und Behörden und als Angebot für die Berliner Eltern. Es ist angesichts des Handlungsbedarfs unverständlich, warum so eine sachlich sinnvolle und leicht umsetzbare Ombudsstelle von der Koalition abgelehnt wurde.
Besonders nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Senatsklausur meinen wir, jetzt brauchen wir sie erst recht. Der Senat lässt ja nichts aus, um die Stadtgesellschaft, die Eltern und die Kitaträger fortlaufend mit völlig sachfremden Entscheidungen zu verunsichern.