Protocol of the Session on November 27, 2014

Unter Rot-Rot wurde erstmals ernsthaft mit einer Bildungsreform begonnen, die darauf setzt, Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln. Es gab einen Paradigmenwechsel in der Integrations- und Partizipationspolitik, den wir heute wieder mühsam verteidigen müssen. Die Weichen für die Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge wurden gestellt. Und dass Berlin heute wirtschaftlich so gut dasteht – Sie haben es selbst angesprochen –, hat bei Rot-Rot seine Wurzeln. Das waren wichtige Jahre für Berlin, und es waren gute Jahre. Wir sind auch stolz darauf, dass wir daran mitwirken durften. Dass Berlin heute nicht mehr spießige Provinzialität atmet, sondern das Image einer modernen, weltoffenen Metropole hat, ist Ihr historischer Verdienst, und dafür gebührt Ihnen unser Dank.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Absturz bei den Beliebtheitswerten von Klaus Wowereit, die miserablen Zustimmungswerte zu der SPDCDU-Koalition, die letztlich diesen jetzt lange angekündigten Rücktritt herbeigeführt haben, liegen sicher nicht nur am Flughafen. Ja, ich habe den Klaus Wowereit, den ich kannte, in dem miserablen Krisenmanagement beim BER nicht wiedererkannt. Der Mann, der am Kabinettstisch den kleinsten Fehler in einer Senatsvorlage entdeckt hat und imstande war, so unnachsichtig zu bohren, dass selbst gestandene SPD-Senatoren bei uns um Asyl nachgesucht haben, dieser Mann, war gegenüber der Flughafengesellschaft seltsam hilflos.

Der entscheidende Fehler war aber, dass Sie, lieber Klaus Wowereit, sich gegen den Willen der übergroßen Mehrheit Ihrer Wählerinnen und Wähler 2011 für ein Zusammengehen mit der CDU entschieden haben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Seit jetzt drei Jahren demonstriert diese Koalition in jeder wichtigen Sachentscheidung Blockade, Stillstand oder Stümperei. Diese Koalition hat keine strategische Gemeinsamkeit. Da regiert zusammen, was nicht zusammen gehört!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und nach dem Tempelhof-Volksentscheid und dem permanenten Zickenkrieg in der Koalition, lieber Klaus Wowereit, haben Sie gesehen, dass auf dieser Veranstaltung kein Segen mehr liegt. Der Regierende hat diese Koalition für sich beendet. Er ist sicher nicht an allem, für das er verantwortlich gemacht wird, alleine schuld – im Guten wie im Schlechten –, aber er weiß, dass nicht

nur in der Politik der Erfolg viele Väter hat, der Misserfolg aber eine Waise ist. Es ehrt Klaus Wowereit, dass er die ganze Last alleine wegtragen will, aber ich sage auch ganz ehrlich: Ich finde es unangemessen.

Ich bleibe dabei: Als im Sommer feststand, dass der Regierende Bürgermeister seinen Hut nimmt, hätten SPD und CDU den Weg für Neuwahlen frei machen müssen. Das wäre die ehrliche Lösung gewesen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Lieber Klaus! – Ja, wir duzen uns ja schon eine Weile. – Du hast ganz persönlich die Landespolitik über mehr als ein Jahrzehnt geprägt. Ich freue mich, dass du dieser Tage überall in Berlin noch mal richtig gefeiert wirst. Ich gönne dir das auch von ganzem Herzen und finde das auch angemessen.

Jetzt ist es Zeit, Tschüss und Danke zu sagen. Wir hätten uns dafür auch einen würdigeren Rahmen vorstellen können, aber das wollte die Koalition irgendwie nicht. Dann also diese Rausschmeißernummer am Sitzungsende. Wenn es aber für dich okay ist, ist es für uns auch okay. Ich wünsche dir alles Gute, wir sehen uns!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die CDU-Fraktion nun der Kollege Graf.

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Lieber Klaus Wowereit! Zwei Wochen noch, dann werden Sie auf eigenen Wunsch aus diesem Amt scheiden und nach dreizehneinhalb Jahren so etwas wie ein Privatmann werden. Dreizehneinhalb Jahre an der Spitze verschiedener Senate – eine wirklich stattliche, eine intensive Zeit. Ich würde mich freuen – oder hätte eigentlich auch den Anspruch gehabt –, wir würden das weniger parteipolitisch als staatspolitisch würdigen,

[Beifall bei der CDU, der SPD und den PIRATEN]

eine Zeit, in der Sie ganze 26 Fraktionsvorsitzende erlebt und die meisten politisch überlebt haben,

[Heiterkeit]

eine Zeit, in der Sie 440 Mündliche Anfragen, davon 278 spontan, beantwortet haben, vor allem aber eine Zeit, in der Sie die Möglichkeit hatten, für Ihre Heimatstadt die Geschicke der Stadt zu lenken und zu gestalten. Für diesen Einsatz, denke ich, sind Ihnen die Berlinerinnen und Berliner dankbar und wir, parteiübergreifend als Abgeordnetenhaus, auch.

[Allgemeiner Beifall]

Ich muss nicht betonen, dass wir als CDU natürlich überhaupt nicht einverstanden damit waren, wie und mit welchen Mehrheiten Sie ins Amt gekommen sind.

[Heiterkeit bei CDU und SPD]

Bei der Frage können selbst Christdemokraten so richtig nachtragend sein. Wir haben auch nicht vergessen, dass wir zehn Jahre gegen Ihre rot-rote Politik gekämpft und viele Entscheidungen kritisiert haben.

[Udo Wolf (LINKE): Das klingt mir ja fast ein bisschen parteipolitisch, was Sie da sagen!]

Wir haben uns harte Auseinandersetzungen geliefert – so ist das nun mal zwischen Opposition und Regierung. Doch als es 2011 darum ging, eine stabile Mehrheit zu bilden, waren wir dazu in der Lage. In diesen drei Jahren der gemeinsamen Zeit haben wir gut und erfolgreich zusammengearbeitet.

[Zuruf von Dr. Manuela Schmidt (LINKE)]

Unsere gemeinsame Bilanz ist gut: Die Wirtschaftsentwicklung der Stadt ist gut. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Wir haben begonnen, Schulden zu tilgen. Zum Ende Ihrer Amtszeit können Sie mit Zufriedenheit feststellen: Berlin hat sich in dieser Zeit als internationale Metropole entwickelt, sie hat an Anziehungskraft, an Attraktivität gewonnen. Berlin hat neben den Stärken in Wissenschaft und Forschung sich gerade wirtschaftlich zu einem Ort der Ideen, Innovationen, zur Hauptstadt der Gründer entwickelt. Von Jahr zu Jahr erleben wir einen Tourismusboom. Berlin lebt auch von seiner Kultur und seiner Geschichte. Der Kunst und der Kultur hat es genutzt, dass Sie als Regierungschef auch Kultursenator waren, weil Sie so die Kunst und Kultur in ein besonderes Licht rücken konnten. Ich fand es sehr bemerkenswert, als der Intendant der Staatsoper Berlin, Jürgen Flimm, vor einigen Wochen in der „Berliner Morgenpost“ – zusammengefasst – gesagt hat, wie er das sieht:

Die Kulturleute in Hamburg, München und anderswo sahen mit großem Erstaunen, wie sich Berlin unter seinen

also Wowereits –

Fittichen mit Siebenmeilenstiefeln auch zur kulturellen Hauptstadt mauserte. Sie investierten dort, renovierten, engagierten kluge Köpfe. … Die Stadt hatte noch die tiefen Wunden der Teilung zu verarzten, die Kultur half.

Ja, Sie haben es angesprochen: Wir werden als Koalition die Stärken dieser Stadt – Kultur, Kunst, Tourismus, Wissenschaft und Forschung – weiter ausbauen. Das ist das, wofür wir arbeiten.

[Zuruf von Dirk Behrendt (GRÜNE)]

Sie haben in Ihrer Amtszeit natürlich auch das eine oder andere Auf und Ab erleben dürfen. Für die Nachfolger bleibt auch noch genug zu tun, so ist das. Und, na klar,

(Udo Wolf)

hätten Sie den Flughafen BER gerne eröffnet. Dass es Ihnen nicht gelungen ist, wird das größte ungelöste Problem Ihrer Amtszeit bleiben. Es hat Ihnen ja auch wahrlich jede Menge Ärger, Häme eingebracht. Sie mussten ganz schön einstecken und auch erfahren, wie es ist, vom Spitzenreiter der Beliebtheit auf die hinteren Plätze verwiesen zu werden. Aber, Sie haben es gesagt, Sie konnten es wegstecken. Sie waren vorher aber auch im Austeilen ganz gut. Wer mit Ihnen die Auseinandersetzung suchte, der hat sie meistens auch bekommen.

[Heiterkeit und Allgemeiner Beifall]

Ich bin mir sicher, lieber Herr Wowereit, dass Sie ein interessierter Beobachter der Landespolitik bleiben werden. Es entzieht sich heute noch unserer Vorstellungskraft, Sie uns als Altbürgermeister vorzustellen. Warten wir es gemeinsam ab, wie Sie die Rolle einnehmen. Es muss ja nicht gerade sein, dass Sie Ihren Vorgängern als Kolumnist bei der „B. Z.“ nachfolgen, vielleicht haben Sie da noch etwas Zeit.

[Heiterkeit]

Der französische Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand sagte einmal:

Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht.

Sie gehen diesen Schritt nun auf eigenen Wunsch. Das macht den Abschied vielleicht auch etwas leichter. Ich jedenfalls wünsche Ihnen, dass Sie es für sich gut hinbekommen. Für die vor Ihnen liegende Zeit wünsche ich Ihnen alles Gute! – Herzlichen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion nun der Kollege Delius.

Der Kollege Wolf hat es gesagt: Es ist sehr schwer, so eine Rede in fünf Minuten zu halten. Das ist mir auch aufgefallen, und deswegen versuche ich es gar nicht erst. Ich war ja auch den Großteil der Zeit, in der Sie, lieber Klaus Wowereit, regiert haben, nicht dabei. Rot-Rot bestand für mich als Student an der TU Berlin aus Unistreiks, dem Kampf gegen die Kürzungen, die Sie mit zu verantworten haben, und das Schimpfen auf „die da oben“.

Die letzten dreieinhalb Jahre habe ich das anders erlebt. Die letzten dreieinhalb Jahre habe ich Sie als jemanden erlebt, dem ich von diesem Platz oder aus verschiedenen Konstellationen von den Lippen ablesen konnte und der auch spitze Bemerkungen gegenüber der eigenen Fraktion auf der Senatsbank nicht anderen überlassen hat. – Nein, nein!

[Nein! von den Piraten – Heiterkeit]

Ich kann ja jetzt alles behaupten, Sie können das Gegenteil ja nicht beweisen.

Ich habe Sie auch als ein sehr streitbares Gegenüber und als jemanden erlebt, der, gerade zum Schluss, jedes Mal, wenn ich an das Rednerpult getreten bin, einen spitzen Spruch auf den Lippen hatte und auch die Zwischenrufe nicht unterlassen konnte. Das fand ich sehr sympathisch, und dafür bedanke ich mich auch, weil es das Ganze ein bisschen aufgelockert hat.

Das ist die letzte Runde, es wurde schon angesprochen. Sie waren jetzt zwei Monate unterwegs und haben eine Abschiedstour hingelegt. Ich finde das gut. Das hat dem einen oder anderen zu lange gedauert. Auch Ihr Koalitionspartner hat ja da schon ein bisschen gemurrt. Ich gönne Ihnen das. Vor allen Dingen gönne ich Ihnen, dass es Ihnen offensichtlich seit Ihrer Entscheidung, zurückzutreten, in diesem Jahr mit dieser Stadt und der Politik besser geht.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]