Meine Würde ist antastbar, wie ich lernen musste, weil ich auf Grundlage meiner HIV-Infektion gesellschaftlich diskreditiert werde. Ich werde mit einem Etikett „Ansteckungsgefahr“ versehen, obwohl das nachweislich falsch ist. Nebenbei bemerkt: Wenn ich in Großbritannien Chirurg wäre, könnte ich als behandelter HIV-Positiver dort operieren. Hier erklären CDU und SPD allerdings, dass ich für einen Polizisten, eine Polizistin eine Gefahr bin,
Ich weiß – und sicherlich werden Herr Zimmermann und Herr Juhnke uns darüber aufklären –: Nicht jeder HIVPositive kommt in diese Dateien. Wie man aber in die Dateien kommt, das, so der Berliner Datenschutzbeauftragte, ist für ihn selbst nicht erklärbar. Insofern müssen alle damit rechnen, dass sie in Situationen kommen, wo sie dort gespeichert werden.
Dieses Vorgehen – auf Grundlage eines Merkmals diskreditiert zu werden – nennt man Stigmatisierung. Was Sie hier tun, ist stigmatisierend. Diese Speicherung ist stigmatisierend!
Sie argumentieren mit Eigensicherung. Eigensicherung – wenn es um die Krankheiten geht, die hier angeführt worden sind, Hepatitis B, Hepatitis C und HIV – geht anders. Gegen Hepatitis B kann man sich impfen lassen. Wer eine berufliche Exposition hat, dem ist nach der Empfehlung der ständigen Impfkommission eine Impfung sogar empfohlen. Bei Hepatitis C gibt es mittlerweile wirksame Behandlungen, die ein Ausheilen innerhalb weniger Wochen zur Folge haben. Bei HIV gibt es mittlerweile eine erfolgreiche Postexpositionsprophylaxe, also die „Pille danach“. Mit dieser Speicherung gaukeln Sie den Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei eine falsche Sicherheit vor. Ich finde, Ihr Vorgehen ist verlogen!
Ausgrenzung und Diskriminierung töten, sagt die Deutsche Aidshilfe, und ich finde, sie hat recht. Wer Angst haben muss, aufgrund seines HIV-Status‘ ausgegrenzt zu werden, vermeidet einen HIV-Test wahrscheinlich, während derjenige, der sich Klarheit schafft und in Behand
lung begibt, sein Leben retten kann. Ihr Vorgehen, zum ersten Mal seit Ausbruch der Aidsepidemie eine namentliche Speicherung zu ermöglichen, bricht mit der liberalen Aidspolitik in Deutschland, die in den Achtzigerjahren entwickelt wurde. Also: Gauweiler reloaded. Damals haben Rita Süssmuth – eine CDU-Politikerin – und in Berlin Ulf Fink für eine liberale Aidspolitik gesorgt. Was hier nun passiert, ist das genau Gegenteil, wie gesagt: Gauweiler reloaded. Eine Politik, die sich gegen aktuelle Erkenntnisse richtet, verdient den Namen reaktionär. Das ist im Jahr 2014 ein veritabler Skandal!
In der Abstimmungsempfehlung, die Sie uns vorlegen, schlagen Sie vor, die Ausgrenzung mit einem neuen Namen zu versehen. Darum geht es aber nicht. Es geht nicht darum, einen neuen Namen zu finden, sondern diese diskriminierende und ausgrenzende Praxis zu beenden.
Gestatten Sie mir zum Schluss eine persönliche Bemerkung. Denen aus den Koalitionsfraktionen, die heute aus Anlass des Welt-Aids-Tages, der ja in wenigen Tagen stattfindet, die rote Schleife tragen, möchte ich sagen: Machen Sie das ab! Ihre Solidarität ist Heuchelei, und ich finde das unerträglich!
Vielen Dank, Kollege Schatz! – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Kollege Zimmermann, dem ich damit das Wort erteile. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier abzuwägen in der Frage der Aufgabenerfüllung der Polizei: Welche Daten braucht die Polizei für ihre Ermittlungsarbeit? Welche braucht sie zur Gefahrenabwehr? Welche Begriffe sind so stigmatisierend, dass wir sie nicht akzeptieren können? Da muss man ein bisschen differenziert draufgucken, was wir hier veranstalten.
Wenn in einer polizeilichen Datenbank z. B. der Begriff „einschlägig vorbestraft“ steht, ist das in gewisser Weise auch ein bisschen stigmatisierend, aber für die Ermittlungstätigkeit möglicherweise von erheblicher Bedeutung und nicht unzulässig, dass so etwas in einer Datenbank steht.
Ich will nichts vergleichen, es kann aber sinnvoll sein, ein bestimmtes Merkmal in einer Datenbank zu haben. Darauf können wir uns vielleicht verständigen, ohne dass man gleich, weil es ein Merkmal ist, den Vorwurf des Stigmas erhebt. – Wir haben aber Ihr Petitum im Ausschuss und in Ihrem Antrag überhaupt nicht von Vornherein abgelehnt, und wir haben das auch nicht rundweg zurückgewiesen,
sondern wir haben gemeinsam überlegt, wie man die bisher verwendeten Begriffe in den polizeilichen Datenbanken von unnötigen stigmatisierenden oder gar diskriminierenden Wirkungen befreien kann, und das ist unser gemeinsames Ziel. Auch das wollten wir, und das müssen Sie nicht diffamieren.
Wir haben eine Beschlussempfehlung vorgelegt, mit der wir bestimmte problematische Begriffe aufgreifen, die wir geändert haben wollen. – Das ist z. B. der Begriff „geisteskrank“. Der ist nicht nur antiquiert, sondern er ist auch vollkommen unspezifisch und stammt aus einer Zeit, in der tatsächliche oder vermeintliche psychische Erkrankungen allgemein als etwas Unnormales oder von Vornherein Verdächtiges oder vielleicht sogar als etwas Gefährliches betrachtet wurden. Dies ist tatsächlich stigmatisierend und vollkommen unangemessen und muss verändert werden. Wenn Erkenntnisse über psychische Erkrankungen irgendwie relevant sind, dann muss dafür auch in einer polizeilichen Datenbank ein adäquaterer Begriff gefunden werden.
Für die „Ansteckungsgefahr“, Herr Kollege Schatz, gilt Ähnliches. Dieser Begriff ist sehr unspezifisch. Er ist ungenau. Er ist nicht angemessen. Sie haben natürlich vollkommen recht, dass allgemein eine festgestellte Erkrankung überhaupt nicht bedeutet, dass unmittelbar eine Ansteckungsgefahr besteht. Deswegen muss man auch hier differenzierter vorgehen, und auch das wollen wir mit unserer Beschlussempfehlung erreichen, dass dieser Begriff von den Innenministern in der IMK noch einmal überprüft und möglicherweise ein anderer gefunden wird.
Was wir aber gleichzeitig wollen, und das unterscheidet uns, ist, dass es möglich sein muss, in den polizeilichen Datenbanken Merkmale zu halten, die dazu geeignet sind, polizeiliche Einsätze und Polizistinnen und Polizisten auch zu schützen.
Wir wollen nicht alles speichern. Darauf komme ich gleich noch. Auf Ihre Legendenbildung, Herr Lux, komme ich noch.
Vielen Dank! – Herr Zimmermann! Erklären Sie doch noch einmal, weil Sie es gerade sagten, wie konkret ein Polizeibeamter – ich bin nicht im Innenausschuss und weiß das nicht – oder eine Polizeibeamtin geschützt werden durch das, was der Kollege Schatz gerade eindrucksvoll beschrieben hat.
Ich habe gerade gesagt, dass das, was Herr Kollege Schatz beschrieben hat, eine sehr unspezifische und auch aus unserer Sicht nicht haltbare Klassifizierung ist, dass mit dem Begriff „Ansteckungsgefahr“ pauschal ein solcher Verdacht ausgesprochen wird.
Aber einen Schutz vor einer ansteckenden Krankheit – es gibt andere ansteckende Krankheiten, die vorhanden sind – generell den Polizisten abzusprechen, hielten wir für falsch.
Wenn es Erkenntnisse gibt, dass für eine Maßnahme eine bestimmte Erkenntnis in einer Datenbank vorhanden ist, würden wir nicht von Vornherein ausschließen, dass damit eine Erkenntnis für die Einsätze geliefert werden kann.
Also: Die Eigensicherung der Polizei ist kein zu vernachlässigendes Gut, sondern wichtig, und das werden wir immer beachten. Deswegen, Herr Lux, ist Ihr Vorwurf, den Sie immer wieder wider besseres Wissen erhoben haben, wir würden eine HIV-Datei aufbauen, die es vorher nicht gegeben habe, absoluter Unsinn. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich erklären. Es geht nur um Verdachtsfälle oder Straftaten, die in den polizeilichen Datenbanken enthalten sind, und es werden keine zusätzlichen Daten über Infektionen oder Infizierte hinzugenommen. Das ist völliger Unsinn, und das wird nicht passieren, Herr Lux.