Im vergangenen Jahr kam es am Rande des Marsches für das Leben zu nicht nur verbalen Auseinandersetzungen, sondern auch zu Handgreiflichkeiten. Das zeigt, wie eingeschworen und verhärtet die Fronten bei diesem sensiblen Thema sind. Beide Standpunkte sind durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Entsprechend sollten beide Seiten versuchen, die jeweils andere Meinung zumindest zu tolerieren. Meine Fraktion empfiehlt die Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Nummer, die die SPD hier abgezogen hat, unseren Antrag in den Ausschuss zu überweisen, kann ich nur an Frau Czyborra appellieren: Diese Nummer könnten Sie bitte lassen, weil unser Antrag eine besondere Aktualität hat, weil Samstag die Demonstration ist. Den Antrag einfach in den Ausschuss zu versenken und ihn nie wieder zu behandeln, das kennen wir zur Genüge. Das können Sie bitte lassen!
Jeder Mensch hat das Recht, über sich selbst bestimmen zu können. Jeder Mensch hat das Recht, über seinen
eigenen Körper selbst zu bestimmen. Jeder Mensch hat das Recht zu lieben, wen er oder sie lieben will. Das sind basale Rechte, Rechte, für die wir lange genug gekämpft haben, Rechte, die niemand hier im Raum, auch Sie nicht, Frau Czyborra – Sie haben sich ständig widersprochen –, so denke ich, einem Menschen absprechen will. Diese Rechte bilden gewissermaßen das Fundament unserer Gesellschaft. Sexuelle Selbstbestimmung ist das Recht, über den eigenen Körper entscheiden zu können. Es ist in der Tat ein hart erkämpftes Recht, das nach wie vor für alle Frauen auf der ganzen Welt gelten muss.
Gerade deshalb darf niemand, aber auch gar niemand Frauen dieses elementare Recht absprechen, auch nicht die sogenannten Lebensschützer.
Jedes Jahr marschieren um den 20. September herum selbsternannte Lebensschützer unter dem Motto „Marsch für das Leben“ zum Bundeskanzleramt. Sie fordern die Beschränkung der sexuellen Selbstbestimmung. Sie entmündigen Frauen und entreißen ihnen das Recht, ihre Lebens- und Familienplanung selbstständig durchzuführen zu können. Sie stigmatisieren Menschen wegen ihrer sexuellen Präferenz. In unserer Gesellschaft – das geht auch an die CDU – existiert ein humanistisch-demokratischer Konsens. Dieser Konsens erteilt diesen religiösen Fundamentalisten eine klare und deutliche Absage,
Nein, lassen Sie mich erst einmal vortragen – zum Schluss! – egal, wo sie agieren: im Nahen Osten, in Amerika, in Europa.
Die Radikalität und auch die Aggressivität dieser radikalen Abtreibungsgegner sind erschreckend. Die selbsternannten Lebensschützer greifen Ärzte, Ärztinnen sowie Beratungseinrichtungen an. Sie schüchtern Menschen ein, die Frauen helfen wollen. Dabei machen sie auch vor physischer Gewalt nicht halt.
Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland ist, wie wir alle wissen, gesetzlich verankert. Und niemand darf diese Entscheidungsfreiheit über den Körper von Frauen infrage stellen, auch diese religiösen Fundamentalisten nicht.
Zur Wahrheit gehört auch, dass zu lange die Gefahr dieser frauenverachtenden Ideologie der sogenannten Lebensschützer ignoriert wurde. Das muss ein Ende haben. Deswegen haben wir diesen Antrag eingereicht, um hier ein Stoppschild zu setzen. Solche gewaltbereiten Fundamentalisten dürfen kein Podium haben. Vor allem aus den Reihen bekennender Christen sollte hier auch ein Zeichen gesetzt werden, denn solche Entmündigung von Frauen hat nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun, meine Damen und Herren von der CDU. Das sollten Sie sich mal auf die Fahne schreiben!
Über Jahrhunderte hinweg predigte die Kirche, dass lustvolle Liebe und Sexualität ohne Zeugung eine Sünde sei. Dieses mittelalterliche Menschenbild gehört, ein Glück, mittlerweile in den meisten Teilen Europas der Vergangenheit an. Schwule und lesbische Beziehungen werden mehr und mehr von der Gesellschaft, auch von der Kirche, akzeptiert. Die Frau vornehmlich als Gebärerin und Dienerin ihres Mannes zu sehen, entspricht nicht unserer Realität.
Deshalb darf es keine Stigmatisierung von Frauen geben, die ihr Recht auf selbstbestimmte Entscheidung über ihren Körper und ihr Leben in Anspruch nehmen. Mitarbeiterinnen von Schwangerschaftsberatungskonfliktstellen oder Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbruch gemäß diesen gesetzlichen Regelungen vornehmen, dürfen nicht verunglimpft, bedroht oder tyrannisiert werden. Es ist an der Zeit, dass das Abgeordnetenhaus den gewalttätigen fundamentalistischen Abtreibungsgegnern Einhalt gebietet. Die Politik darf sie nicht verharmlosen. Wir müssen uns gemeinsam –
Komme ich. – diesen Fundamentalisten entgegenstellen. Sie haben keinen Platz in einer weltoffenen, toleranten Stadt wie Berlin. Deshalb haben wir, alle drei Oppositionsfraktionen, –
unsere Initiative als dringlichen Antrag heute eingebracht. Und ich hatte gehofft, dass die SPD und CDU unserem Antrag zustimmen würden, um diesem religiösen Fundamentalismus in Form der radikalen Abtreibungsgegner eine klare und deutliche Absage zu erteilen.
Vielen Dank, Frau Sommer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete.
Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke und die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag überwiesen.
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung findet jetzt nicht mehr statt. Es wird die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Es gibt keinen Widerspruch zu dieser Überweisung. Dann ist das so.
Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung – das wird die 53. Sitzung sein – findet am Donnerstag, dem 2. Oktober 2014 um 11 Uhr statt.
Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus von Berlin (Petitionsgesetz)