Protocol of the Session on September 18, 2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier als Vorlage zur Beschlussfassung eine sehr maßvolle Anpassung des Berliner Polizeirechts zur Beratung. Mit dieser Vorlage greifen wir tatsächliche Entwicklungen auf, die, wenn wir sie nicht beachten würden, dazu führen würden, dass wir unsere Pflichten verletzen. Wir müssen gucken, welche Probleme in den Sachverhaltsbearbeitungen aufgetreten sind, und als Gesetzgeber gegebenenfalls reagieren, und das tun wir hiermit.

Die SPD unterstützt diesen Gesetzentwurf vor allen Dingen, weil es uns wichtig ist, die organisierte Kriminalität effizienter zu bekämpfen. Da wollen wir alles tun, was möglich ist, um dort zu besseren Ergebnissen zu kommen. Wir haben im Laufe der Jahre einige kleinere Regelungslücken identifiziert, die wir mit diesem Gesetzentwurf schließen wollen. Die Senatorin hat es angedeutet: Es geht erstens darum, dass wir der Berliner Polizei eine Rechtsgrundlage für Ermittlungen im Ausland geben. Wenn die Polizei der Schleuserbande im Wege der Nacheile bis nach Litauen folgt, soll sie auch nach Berliner Landesrecht die Möglichkeit haben, dort Tätigkeiten

auszuüben, natürlich im Einvernehmen mit dem dortigen Staat.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Dann wollen wir umgekehrt, dass, wenn Manchester United im Olympia-Stadion gegen Hertha in der Champions League spielt, britische Polizisten, die ihre Gewalttäter kennen, mitkommen und im Zweifel auch eingreifen können – auf der Grundlage des geltenden Rechts, Herr Lux. Das ist kein tieferer Grundrechtseingriff als der, der hier in Berlin ohnehin möglich ist. Das kann sinnvoll sein; ob wir es erleben werden, weiß ich nicht.

Wir haben drittens das Kfz-Scanning. Das ist eine Sache, die nicht neu ist, sondern die schon vorgenommen wird, und zwar bisher auf der allgemeinen Observationsnorm des § 25. Ähnliche Vorschriften hatten zum Beispiel Schleswig-Holstein und Hessen. Deren Anwendung hat das Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt, weil diese Vorschriften zu unpräzise sind. Auch unsere ist zu unpräzise. Deswegen haben wir gesagt, wir schreiben eine genaue, präzise Rechtsgrundlage für das KfzScanning ins Gesetz. Dies hat den Vorteil, dass auch die Löschungsvorschrift ausdrücklich im Gesetz steht. Wenn es bei diesem Kfz-Scanning keinen Treffer gibt, sind die Daten, die keine Bedeutung haben, sofort zu löschen. Das ist dann eine Frage der Kontrolle,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Und der Technik!]

wie man das nachher macht, aber sie sind zu löschen. Es wird kein umfangreicher Datenanfall sein, sondern es sind wirklich ganz präzise Aktionen. Wichtig ist, dass wir den Tatbestand enger gefasst haben als Brandenburg. Dort kann man das machen, wenn bloß Straftaten drohen. Wir haben es an erhebliche Straftaten geknüpft. Nur bei wirklich schweren Delikten ist das möglich.

Vierter Punkt ist das Wegweisungsrecht, das haben Sie erwähnt. Wir finden es ganz besonders bedeutsam, dass diese Lücke im Wortlaut geschlossen wird. Nicht nur die bisherige gemeinsame Wohnung des Opfers mit dem Gewalttäter, sondern auch die neue, das war bisher unklar, ist geschützt. Es gibt jetzt einen flächendeckenden Schutz der Opfer bei häuslicher Gewalt, das ist sehr wichtig.

Der Unterbindungsgewahrsam wird nicht sehr oft angewendet. Er wird auch nicht immer nach der neuen Rechtsgrundlage vier Tage angewendet, sondern bis zu vier Tagen. Wir gehen davon aus, dass nicht immer bis zu vier Tagen nötig sind. Das wird im Einzelfall zu entscheiden sein. Wichtig ist, es ist ein Richtervorbehalt. Das ist nun wirklich ein Grundrechtseingriff, der unter Richtervorbehalt steht. Da gehen wir von einer maßvollen Anwendung aus. Deswegen, glaube ich, ist das vertretbar.

Ansonsten haben wir einige Übernahmen von Bundesrecht und Rechtstechnik. Deswegen können wir sagen,

(Benedikt Lux)

dieses Gesetz ist ein vernünftiges Gesetz. Ich freue mich auf die Beratung. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für Die Linke jetzt Kollege Taş. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Seit drei Jahren ist Frank Henkel nun Innensenator. Skandale, versiebte V-MannInformationen, geschredderte Neonazi-Akten, menschenunwürdige Flüchtlingspolitik und stetige Verschärfungen des Polizeigesetzes kennzeichnen seine Amtszeit.

Mit den nun angestrebten Änderungen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes führt er seine Linie der Verschärfung unter Schwarz-Rot fort. Was soll in Berlin geändert werden? Wir haben ja Frau Yzer gerade gehört. – Frau Yzer, Sie haben nichts dazu gesagt, unter welchen Bedingungen Berliner Polizisten im Ausland eingesetzt werden sollen, oder umgekehrt, unter welchen Bedingungen ausländische Polizeibeamtinnen und -beamte in Berlin eingesetzt werden sollen und wer für die jeweiligen Polizeibeamten in dem jeweiligen Land die Verantwortung trägt. Dann haben Sie zu den Lesesystemen von Nummernschildern noch etwas gesagt, damit die geklauten Autos besser oder schneller gefunden werden können.

Getreu dem henkelschen Motto „Liberal war einmal“ wird unter anderem die Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams auf vier Tage angestrebt. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfen Personen nach § 30 ASOG Berlin von der Polizei maximal zwei Tage in Gewahrsam genommen werden. Bisher konnte Herr Henkel den Mitgliedern des Innenausschusses aber keinen einzigen Fakt nennen, weshalb eine Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams auf vier Tage nötig ist. Dazu habe er keine Daten, heiß es. Richtig! Aus einer Antwort von Herrn Henkel auf eine schriftliche Anfrage vom 17. Februar 2014 – das ist noch nicht so lange her – geht nämlich hervor, dass der Senat bisher weder weiß, wie viele Menschen überhaupt aufgrund der Regelung des § 30 ASOG festgehalten worden sind, noch weiß er, wie lange sie jeweils festgehalten worden sind, noch weiß er, aus welchen konkreten Gründen sie festgehalten worden sind. Nichts zu wissen und sich dennoch hier nach vorne zu stellen – und dann auch noch so zu tun, als ob man es wüsste –, ist nicht nur ein politisches Armutszeugnis, sondern obendrein auch noch dreist und peinlich.

[Beifall bei der LINKEN]

Eine Antwort bliebe der Senat somit auch bei Inkrafttreten der Verschärfung der Polizeigesetze weiterhin schul

dig. Als rettender Ast, an den sich Herr Henkel in dieser Sache klammert, werden die andauernden polizeilichen Großlagen wie der 1. Mai oder sportliche Großveranstaltungen angegeben. Ein sehr dünner Ast, wie ich finde. Wie wir aber nun wissen, verläuft der 1. Mai in Berlin seit Jahren friedlich und verzeichnet enorm rückläufige Zahlen von Straftatbeständen. Der 1. Mai bietet somit keine Argumentationsfläche mehr für ein uraltes CDUAnliegen vom Ende der Neunzigerjahre.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Problematisch wird es insoweit erst recht, wenn man versteht, wem der Unterbindungsgewahrsam tatsächlich droht. Der Unterbindungsgewahrsam gehört in das sogenannte Feindstrafrecht und soll nicht Verdächtige festhalten oder Schuldige bestrafen, sondern Unschuldige daran hindern, straffällig zu werden. Eine solche Regelung ist mit Artikel 104 Grundgesetz nicht vereinbar.

[Beifall bei der LINKEN]

Dabei handelt es sich bei Weitem nicht nur um potenzielle Straftäter, die nach § 30 ASOG in Gewahrsam genommen werden können. Richterliche Entscheidungen zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme haben gezeigt, dass ein Drittel der Betroffenen in den Jahren 2006 bis 2011 zu Unrecht weggesperrt wurde. Auch das steht in der Antwort des Senats. Wenn Herr Henkel weiterhin an seinen Aussagen festhält, dass eine solche Verschärfung unerlässlich sei, um die Begehung von Straftaten bei Großlagen und Versammlungen zu verhindern, nimmt er billigend in Kauf, gegen geltende rechtstaatliche Grundsätze zu verstoßen. Er widerspricht mal wieder diametral der Unschuldsvermutung unseres Grundgesetzes, da es sich mit der Unterbindungsgewahrsam um einen Freiheitsentzug ohne Straftat handelt. So sieht es auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, welche den unverhältnismäßigen Unterbindungsgewahrsam außerhalb eines Strafverfahrens als unzulässig erachtet.

Ich erinnere: Vor den gleichen rechtstaatlichen Problemen stand der Senat auch bereits bei den verdachts- und personenunabhängigen Kontrollen der kriminalitätsbelasteten Orte in Berlin. Man gewinnt allmählich den Eindruck, als lerne der rot-schwarze Senat nichts dazu. Verschärfungen, Verschärfungen und Verschärfungen – kennen Sie auch einmal etwas anderes?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Die Videoüberwachung habt aber ihr eingeführt!]

Wäre es nicht sinnvoller, wenn Sie bei Herrn Henkel einmal nachfragen, er ist ja nicht da, aber Sie können es ihm ja weitergeben, was die bisherigen Verschärfungen überhaupt gebracht haben? Auf die Verlängerung der Videoaufzeichnungen im öffentlichen Nahverkehr hatte er nicht einmal die BVG Lust.

(Frank Zimmermann)

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber ihr!]

Sie sah in ihrem Evaluationsbericht noch nicht einmal eine Rechtfertigung der Videoaufzeichnung von 24 Stunden, während Sie eine Verlängerung auf 48 Stunden forderten. Und wenn der Berliner Polizeipräsident feststellt, dass der bisherige, auf zwei Tage befristete Unterbindungsgewahrsam vollkommen ausreiche und noch nie voll ausgeschöpft sei, Gott sei Dank bei dieser Politik, dann zeigt es nur, welche Repressionslogik hinter der Neuregelung tatsächlich steckt. Die SPD-Fraktion – davon sind nicht mehr viele jetzt hier im Saal – im Berliner Abgeordnetenhaus ist aufgefordert, lieber Herr Zimmermann, die grundgesetzlichen Law-and-Order-Politik von Innensenator Henkel nicht mitzumachen und der Änderung des Polizeigesetzes nicht zuzustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die CDU-Fraktion jetzt Herr Dr. Juhnke, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist legitim, dass man in einer Legislaturperiode darüber nachdenkt, ob es zu ASOG-Änderungen kommen sollte. Wir haben einige Vorgaben, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, die wir an dieser Stelle dann abarbeiten, also eine weitere Erfüllung der Aufgaben, die wir uns gemeinsam als Koalition in dieser Stadt gestellt haben. Insgesamt kommen wir zu einigen wenigen Änderungen, weil sich das ASOG im Großen und Ganzen bewährt hat. Das sieht man auch daran, dass z. B. die Worte von Herrn Lux, die er heute gefunden hat, für seine Verhältnisse erstaunlich moderat und konstruktiv waren. So ganz groß die Menschenrechtstrommel zu rühren, ist, glaube ich, an dieser Stelle verfehlt. Von Herrn Taş war das zu erwarten. Deshalb muss ich darauf nicht weiter eingehen.

[Hakan Taş (LINKE): Na, wunderbar, dann brauchen wir nicht weiterzureden!]

Ich will stattdessen einige Punkte aufgreifen, die für uns besonders wichtig sind. Ich denke, entscheidend ist das grenzübergreifende hoheitliche Handeln, wobei es hier auch um einen wichtigen Nebenaspekt geht, nämlich auch um die Frage der Möglichkeit von Bundespolizisten, außerhalb ihres eigentlichen Zuständigkeitsbereichs tätig zu werden, der sich auf Bahnhöfe oder Ähnliches erstreckt.

[Hakan Taş (LINKE): Nennen Sie doch einen Grund dafür!]

Auch das war bisher eine Regelungslücke, die wir hier schließen. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt dieser

Regelung, der bisher hier noch keine Erwähnung in der Debatte gefunden hat.

Zu der automatischen Kennzeichenerfassung ist jetzt zu sagen: Das wird ja generell schon manuell gemacht. Natürlich wissen wir, dass eine automatische Anlage eine viel größere Effizienz hat. Wenn man das rechtstreu macht – und ich glaube, wir haben eine Regelung gefunden, die uns das erlaubt –, dann ist das auch eine sinnvolle Sache.

Kommen wir zum größten Streitpunkt, dem Unterbindungsgewahrsam. Es handelt sich hier um ein rechtlich völlig unstrittiges Mittel. Sie können gerne das Verfassungsgericht anrufen und können gerne wieder einen Bauchklatscher erleben wie bei den Übersichtsaufnahmen. Wir sehen das an dieser Stelle relativ gelassen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was ist jetzt die Begründung für den veränderten Unterbindungsgewahrsam?]

Ich denke, in dieser Position ist darauf hinzuweisen, dass sich Berlin trotz dieser Veränderung nach wie vor weit an der unteren Skala dessen befindet, was in Deutschland möglich ist. Wir haben einige Bundesländer, in denen es einen solchen Unterbindungsgewahrsam bis zu 14 Tage gibt. Es gibt auch teilweise Bundesländer, die das gar nicht regeln. Insofern ist es verfehlt, jetzt hier an dieser Stelle übermäßig zu schreien. Auf andere Dinge ist schon eingegangen worden. Ich glaube die fachlichen Diskussionen werden wir noch im Ausschuss führen, da wo sie auch hingehören.

Ich unterstreiche zum Schluss, dass wir hier insgesamt ein Regelungspaket geschaffen haben, welches die Balance hält zwischen der Rechtsstaatlichkeit auf der einen Seite mit den freiheitsbeschneidenden Maßnahmen, die es auf ein notwendiges Minimum beschränkt, anderseits aber auch die erklärte Absicht verfolgt, in Fällen von Straftaten und bei der Gefahrenabwehr die Behörden auch mit den notwendigen Handwerkszeug auszustatten, und einige wenige, aber maßvolle Regelungen, von denen ich glaube und optimistisch bin, dass sich dafür die verständige Mehrheit im Ausschuss und in diesem Haus finden lässt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Lauer. – Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diesen Gesetzesentwurf kann man so zusammenfassen: Die Berliner Polizei soll vom Senat ein neues Spielzeug bekommen bzw. neue Rechtsgrundlagen für ihr

(Hakan Taş)

Spielzeug. Eines möchte ich hier vorab sagen: Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass Frau Yzer als Wirtschaftssenatorin hier den erkrankten Senator vertritt, obwohl der Staatssekretär, der für Inneres zuständig ist, auch hier anwesend wäre.

[Lars Oberg (SPD): Geschäftsordnung!]

Wie ich das sehe – Entschuldigung, wenn er hier nach neuer Geschäftsordnung Fragen beantworten kann, dann wird er wohl hier auch erklären können,