Protocol of the Session on June 19, 2014

(Canan Bayram)

und versuchen Sie, den Lebensstil der Menschen wenigstens in der Gerhart-Hauptmann-Schule zu verbessern!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist doch keine Stilfrage!]

Ich sage Ihnen das mit aller Deutlichkeit: Ich an Ihrer Stelle würde mich schämen, den Oranienplatz zwei Jahre miterlebt zu haben, verschuldet vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Ich würde mich dafür schämen, eine Gerhart-Hauptmann-Schule zu haben, wo ein Mensch sein Leben opfern musste. Ich habe nicht erlebt, dass Sie sich dazu geäußert hätten, dass Sie darüber entsetzt sind, was in dieser Schule passiert ist.

[Beifall bei der CDU – Anja Kofbinger (GRÜNE): Dann müssen Sie mal die Presseerklärungen lesen, Herr Wansner! – Martin Delius (PIRATEN): Schäm dich, Canan! – Canan Bayram (GRÜNE): Mach ich, wenn ich mal Zeit habe!]

Vielen Dank, Herr Wansner! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wansner! Sie selbst – aber auch Ihre Fraktion – sollten sich wirklich schämen!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das Demonstrationsrecht gilt in dieser Stadt für alle Menschen, auch für die Flüchtlinge am Oranienplatz.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sie sind für die Situation, für die menschenunwürdigen Zustände, für die inhumane Flüchtlingspolitik und für die unmenschliche Unterbringung der Flüchtlinge in dieser Stadt mit verantwortlich.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Heute Morgen ist das Infozelt der Flüchtlinge am Oranienplatz angezündet worden. Diese erschreckende Tat zeigt uns, dass Flüchtlinge in Berlin immer noch in Angst leben müssen. Es ist zu hoffen, dass alles getan wird, um diese Tat aufzuklären, dass die Polizei alles tut, um die Flüchtlinge zu schützen.

Umso trauriger ist vor diesem Hintergrund, was sich derzeit in der Berliner Flüchtlingspolitik tatsächlich tut. Da haben sich Flüchtlinge aus ganz Deutschland aufgemacht, um am Berliner Oranienplatz für ein Bleiberecht und eine andere Asylpolitik zu demonstrieren. Nach einer Besetzung von anderthalb Jahren räumten die Flüchtlinge das Camp schließlich, da ihnen feste Unterkünfte und ein

Abschiebeschutz bis zur ausländerrechtlichen Einzelfallprüfung versprochen wurden. Wir haben bereits damals darauf aufmerksam gemacht, dass die Vereinbarung der Integrationssenatorin Dilek Kolat mit den Flüchtlingen keineswegs eine solide Basis für einen vertrauensvollen Umgang beider Seiten miteinander darstellt. Und heute? – Mehr als drei Monate nach der Vereinbarung sehen wir sehr deutlich, dass wir leider recht hatten, als wir gesagt haben, die Vereinbarung stinkt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wie weit ist der Senat inzwischen mit den zugesagten Einzelfallprüfungen? Woche für Woche bekommen wir zu hören, dass damit noch in dieser Woche begonnen werden soll. Darüber hinaus erreichen uns zahlreiche Meldungen über Flüchtlinge vom Oranienplatz, die trotz der Senatsvereinbarung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Abschiebebescheid erhalten haben. Auch der Fall des 27-jährigen nigerianischen Flüchtlings, der kürzlich seiner Abschiebung aus Sachsen-Anhalt nach Italien nur knapp durch Gerichtsbeschluss entkommen konnte, hat uns verdeutlicht, mit welcher „Ernsthaftigkeit“ der Berliner Senat mit seinem Versprechen umgeht.

Mit Bezug auf diesen Fall erklärte die Berliner Integrationsbeauftragte Monika Lüke in der „Berliner Morgenpost“ von vor einer Woche:

Es ist schwierig, einem Flüchtling außerhalb des eigenen Geltungsbereiches zu helfen.

Die Integrationssenatorin legte noch eins drauf:

Nicht jeder, der nach Berlin kommt und sich auf einen Platz setzt, hat auch ein Recht, in Berlin zu bleiben. Alle anderen Proteste, die es in der Stadt gibt, muss man schnell wieder auflösen.

Frau Senatorin Kolat! Sie haben sich wohl in Ihrer Funktion geirrt. Sie sind Integrationssenatorin und nicht Innensenatorin!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Und was macht eigentlich der Innensenator, der gerade nicht im Raum ist?

[Staatssekretär Bernd Krömer: Ist entschuldigt!]

Die Vertretung sitzt ja hier. Bis jetzt haben Sie sich nicht dazu geäußert, was Sie tun, um die Vereinbarung umzusetzen, Herr Krömer. Wenn wir von Ausreiseaufforderungen der Ausländerbehörde hören, drängt sich eher der Eindruck auf, dass Sie die Vereinbarung, die Frau Kolat ausgehandelt hat, sabotieren.

Wir wollen Klarheit für die Flüchtlinge, und deshalb liegt Ihnen unser Antrag vor. Auch die Flüchtlinge in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule werden allein gelassen. 200 Geflüchtete, die sich aus Angst vor einer Abschiebung nicht haben registrieren lassen, warten immer

(Kurt Wansner)

noch vergeblich auf eine Unterbringung. Der Regierende Bürgermeister hat, Frau Radziwill, im Parlament erklärt, dass Berlin in Not geratenen Menschen helfe und ihnen zeige, dass sie willkommen seien. Er hat dabei auch klar gemacht, dass die Vereinbarung auch für die Menschen aus der Gerhart-Hauptmann-Schule gelten muss. Und was ist den Worten des Regierenden gefolgt? – Bislang nichts.

Berlin vergisst sein Versprechen. Zu einer Demokratie gehört aber eben immer auch eine Opposition, die die Regierenden an ihr Geschwätz von gestern erinnert. Das wiederum sehen wir als unsere Verpflichtung an. Wir fordern den Senat auf, die Flüchtlinge nicht auf halber Strecke links liegen zu lassen. Halten Sie Ihre Versprechen und bieten Sie den Flüchtlingen ordentliche Unterkünfte! Sorgen Sie dafür, dass die Flüchtlinge nicht mehr von einer bevorstehenden Abschiebung bedroht werden! Bieten Sie ihnen menschenwürdige Umstände bis zum Abschluss ihre Einzelfallprüfung und darüber hinaus! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 11

Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterentwickeln (II) – Geschichtsdokumentation und Forschung

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1683

Ich habe den Antrag vorab federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales überwiesen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Warum eigentliche?]

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Abgeordnete Becker. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag bekräftigt, dass die Aufarbeitung der LSBTI-Geschichte von Emanzipation und Verfolgung ein wichtiges Anliegen des Landes Berlin ist – also die Sicherung des kulturellen Erbes von Lesben, Schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen.

Seit 2009 hat der Senat viele bemerkenswerte Aktivitäten unternommen. Gemeinsam entwickeln wir die Akzeptanz sexueller Vielfalt in unserer Gesellschaft stetig weiter. Dazu bringen wir als rot-schwarze Koalition nach und nach parlamentarische Anträge ein und behandeln jetzt den zweiten von acht Anträgen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Wir fordern den Senat auf, ein wichtiges Ziel der Initiative „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ weiter voranzubringen. Es geht um das Handlungsfeld Geschichtsdokumentation und Aufarbeitung sowie Forschung mit LSBTI-Bezug. Es ist an der Zeit, einen institutionalisierten Verbund bestehender Archive aufzubauen,

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Hört, hört!]

die die berlinbezogene LSBTI-Geschichtsforschung unterstützt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): 2018!]

Es ist zudem zu prüfen, wie Forschungsvorhaben stärker initiiert werden können. Fachlichen Sachverstand haben wir bereits mit dem Landesarchiv Berlin, das bei der Kulturverwaltung angesiedelt ist.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Seit wann regiert ihr denn hier?]

Wie das Magnus-Hirschfeld-Institut wieder eingerichtet wird, soll unter der Annahme geprüft werden, ob die geplanten Vorhaben mit einer gebündelten zentralen Archiveinrichtung genau dort auch richtig angesiedelt sowie berechtigt sind im Hinblick auf die aktuelle Situation bestehender Vielfalt-Netzwerke.