Protocol of the Session on May 22, 2014

Sie weiß an der Stelle sehr genau, wie dringend Wohnungen in unserer Stadt benötigt werden. Anders, als Sie es sagten, sind das Problem in Berlin fehlende Wohnungen

[Udo Wolf (LINKE): Bezahlbare Wohnungen!]

doch! – und auch bezahlbare Wohnungen. Frau Kapek hat gesagt, dass es hier möglicherweise einen vermeintlichen Bedarf an Wohnraum gibt.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Da staune ich nun tatsächlich, weil es eben die Fachpolitiker in jeder Ausschusssitzung und beinahe in jeder Plenarsitzung in der Fragestunde thematisieren, was sich in unserer Stadt verändert. Sie müssen gar nicht gut finden, was wir in der Stadtentwicklungsverwaltung machen. Sie müssen auch meine Zahlen nicht glauben.

[Martin Delius (PIRATEN): Machen wir auch nicht!]

Allein das Erleben in der Stadt macht deutlich, dass sich etwas verändert, dass es voller wird, dass es knapper wird, dass Wohnraum dringend benötigt wird, dass es insbesondere innerhalb des S-Bahnrings, wohin so viele Menschen drängen, teurer wird, wenn man neuen Wohnraum sucht und nicht in seiner alten Wohnung bleibt. Natürlich ist es richtig, etwas für den Bestand zu tun, regulierend einzugreifen. Es ist doch aber unter den Fachpolitikern in den letzten Jahren unstrittig gewesen, dass wir auch zusätzlichen neuen Wohnungsbau in der ganzen Stadt brauchen.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Aber nicht auf dem Tempelhofer Feld!]

Darum geht es, dass wir das jetzt endlich ermöglichen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Menschen kommen. Das kann man auch auf Parteitagen der Grünen nicht einfach wegbeschließen. Die Menschen kommen in diese Stadt. Sie brauchen oder wollen die städtische Infrastruktur. Das hat auch etwas mit der demografischen Entwicklung in unserer Gesellschaft zu tun. Immer mehr Menschen wollen wegen der städtischen Infrastruktur in den Städten leben. Sie kommen hierher, auch weil sie Arbeitsplätze brauchen und suchen. Sie kommen hierher, um auch Heimat zu finden. Dafür braucht man auch ein Zuhause. Man braucht auch die Solidarität der Stadtgesellschaft.

[Zuruf]

Man braucht nicht nur ein soziales Engagement, sondern auch die Solidarität der Stadtgesellschaft, die uns allen miteinander wichtig ist, damit wir hier in dieser Stadt gut auch in Zukunft zusammen wohnen können, damit für alle Menschen Arbeiten, Wohnen und Erholungsflächen vorhanden sind und eben auch die Solidarität der Stadtgesellschaft. Das ist wichtig. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten.

[Beifall bei der SPD – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Jetzt wieder zum Thema!]

Dazu brauen wir die Bauflächen in der ganzen Stadt. Es ist richtig: Ich habe überall Bauflächen für 220 000 Wohnungen für die nächsten 20 Jahre. Sie wissen – Sie vielleicht nicht, Herr Wolf, aber vielleicht weiß es Frau Lompscher –, dass das unterschiedliche Planungsstände hat. Manchmal kann ich morgen anfangen zu bauen, manchmal aber auch erst in drei Jahren. Das Potenzial an Flächen ist tatsächlich da.

Wie ist denn aber die Lebenswirklichkeit? Wir gehen in die Bezirke. Wir gehen nach Neukölln. Die Wohnungsbaugenossenschaft Ideal möchte in ihren Beständen verdichten. Die DEGEWO möchte im Süden Neuköllns bauen. Es gibt heftigste Widerstände und Auseinandersetzungen, weil die Leute sagen: Wie kommt ihr überhaupt darauf? Das ist hier ein so dicht bebauter Bezirk, und jetzt kommt ihr hier an und wollt zusätzliche Wohnungen bauen? Wie soll das funktionieren? Geht doch einmal bitte nach Steglitz-Zehlendorf! Dort ist alles schön grün; dort ist alles schön frei. Dann sagen wir: Gut! Da gehen wir hin. Dann gehen wir nach Steglitz-Zehlendorf, nach Lichterfelde Süd, zur Parks Range. 2 000 Wohnungen sollen dort gebaut werden. Es gibt heftigste Widerstände und Fragen, ob wir denn bekloppt sind, auf einer solche schönen grünen Fläche, die so einmalig ist, mit ganz vielen Tieren, jetzt Wohnungen bauen zu wollen. Geht doch mal bitte zum Tempelhofer Feld, da gibt es eine innerstädtische Fläche, und alles ist frei. Also gehen wir zum Tempelhofer Feld. Da sagen natürlich wieder

(Bürgermeister Michael Müller)

alle: Das kann doch wohl nicht wahr sein, was ihr hier bauen wollt. Hier ist doch Sportnutzung, das, was wir dringend in der Innenstadt brauchen. Hier darf sich nichts verändern. Das ist die Mentalität, mit der man sich auseinandersetzen muss, die man aber auch überwinden muss. Wir brauchen in der ganzen Stadt eben auch alle Flächen. Man darf sie nicht gegeneinander ausspielen.

Auch BUND sagt: Macht doch erst einmal Verdichtung, macht doch erst einmal Dachgeschosse! Natürlich! Toll! Dachgeschosse gehören mit dazu. Aber man kann das doch nicht gegen andere Baumaßnahmen in anderen Größenordnungen ausspielen. Es sind Dachgeschossausbauten im Wesentlichen in privaten Wohnhäusern mit dem entsprechenden Standard in einer privaten Situation, wo ganz andere Mieten erhoben werden.

[Martin Delius (PIRATEN): Es gibt dort andere Interessen!]

Das, was Sie jeden Tag kritisieren, Luxusausbauten, soll die Geheimwaffe gegen die Wohnungsnot in der Stadt sein?

Dann kommt die dollste Nummer: Gestern beim „taz“Leserforum sagt ein Vertreter der Initiative „100 Prozent Tempelhof“ das erste Mal, worum es eigentlich geht. Er sagt, es sei alles viel zu kleinteilig und viel zu kleinkariert. Berliner Politik muss doch einmal über den Tellerrand hinausschauen. Man kann auch wunderbar im Speckgürtel wohnen. Das muss man einmal mit einbeziehen und nicht immer nur über innerstädtisches Wohnen reden.

[Udo Wolf (LINKE): Wer kann sich denn die Wohnungen in Tempelhof leisten?]

Was das heißt das eigentlich? Wir alle miteinander lieben diese Stadt. Wir alle miteinander wohnen hier gern. Wir genießen diese Innenstadt, dass die Kinder nur 100 Meter bis zum nächsten Bus laufen, dass wir Sportvereine, Einkaufsmöglichkeiten vor der Tür haben. Wenn neue Menschen in die Stadt kommen, sagen wir: Herzlich willkommen! Schön, dass ihr da seid, im Übrigen: Man kann hervorragend wohnen – in Zossen.

[Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU]

Das ist die Debatte, die wir ernsthaft miteinander führen wollen?

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ja, man kann auch gut in Zossen wohnen. Das kann man auch. Dafür kann man sich auch bewusst entscheiden. Damit es kein Missverständnis gibt, möchte ich das hier noch einmal ganz klar sagen: Es gibt auch kein Recht darauf, immer und überall für jeden innerhalb des SBahnrings zu wohnen. Es gibt hervorragende Wohnmöglichkeiten in Reinickendorf, in Spandau, in TreptowKöpenick, in der ganzen Stadt. Wir haben eben in all unseren Berliner Bezirken die komplette Infrastruktur mit Gesundheits-, Bildungseinrichtungen und ÖPNV. Auch

wenn Sie es immer nicht glauben, es ist tatsächlich außerhalb von Friedrichshain-Kreuzberg möglich zu leben. Auch dafür muss man werben.

[Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU]

Auch das muss man deutlich machen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir brauchen eben auch Tempelhof. Ich bedauere es sehr, dass die Grünen doch wieder in diese parteipolitischen Spielereien zurückgefallen sind und sich nicht an dem orientiert haben, was sie im Januar schon einmal selbst gesagt haben.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Frau Kapek, ich will es aus dem Plenarprotokoll vorlesen:

Denn auch die Bürgerinitiative muss sich jetzt beweglich zeigen. Denn 100 Prozent heißt NullLösung.

Sie selbst haben gesagt, diese Initiative ist Null-Lösung.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Dieser wollen aber viele Berlinerinnen und Berliner, wie auch wir Grüne im Abgeordnetenhaus nicht zu 100 Prozent folgen. Denn wir brauchen auf der großen Freifläche, die auch wir erhalten wollten, trotz alledem mindestens schattenspendende Bäume, mehr Bänke, Fahrradverbindungen, barrierefreie Infrastruktur, zudem

Frau Kapek, wie Sie selbst sagen, und jetzt gut zugehört

sind auch wir für moderate Randbebauung.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Jetzt lesen Sie mal die Passagen zu Ihren Vorschlägen vor!]

Sie selbst waren im Januar noch dafür. Frau Lompscher – im gleichen Protokoll, ist nachzulesen – war für Wohnbebauung am T-Damm und sogar noch für eine Bibliothek.

[Unruhe bei den Grünen und bei der Linken]

Sie haben sich dann auch parteipolitischer Taktiererei von dieser Position wegbewegt.

[Zurufe von den Grünen – Joachim Esser (GRÜNE): Nichts davon wolltet ihr unterschreiben!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht bitte ein bisschen ruhiger!

[Lautstarke Zurufe von den Grünen – Zurufe von Joachim Esser (GRÜNE)]

(Bürgermeister Michael Müller)

Lebhafte Debatte, ja, aber man muss sich gegenseitig auch verstehen können. Herr Kollege Esser! Das gilt auch für Sie.