Protocol of the Session on May 22, 2014

auch deutlich machen, was die Prioritäten der Regierungsfraktionen waren. Wir haben – zusammen mit dem Kollegen Evers – gesagt, dass für 2014 unsere Priorität noch mal ein Stück weit auf dem Doppelhaushalt liegt. Da haben wir etliches bewegt. Es wurden beispielsweise ca. 500 000 Euro für den Bereich der Queerpolitik bereitgestellt.

[Martin Delius (PIRATEN): Berliner Jungs!]

Wir konnten zum einen vieles umsetzen, was man vielleicht von der Koalition nicht erwartet hätte. Zum anderen haben wir uns als Regierungsfraktionen dafür entschieden, dass wir nicht einen Gesamtantrag zu dem Thema schreiben, sondern dass wir diesen Antrag in acht Einzelanträgen im Parlament einbringen und letzten Endes auch hier beraten wollen. Heute beginnen wir mit dem Themenbereich Soziales und Gesundheit. Das Thema steht auch deutlich in der Überschrift: Vielfalt in der Pflege und im Alter!

Genau das tun wir, und ich bin froh und dankbar, dass wir sicherlich in dem zugehörigen Ausschuss eine intensive Beratung und Debatte haben werden, dass wir im nächsten Plenum über den Bereich Dokumentation und Forschung zu diskutieren beginnen können und dass die weiteren sechs Anträge bis Ende des Jahres nicht nur eingebracht sind, sondern hoffentlich dann auch umgesetzt werden. Es soll damit auch deutlich werden, dass wir beherzt, aber auch beharrlich an dem Thema weiterarbeiten, unabhängig davon, ob man uns seitens der Opposition vorwerfen sollte, das hätte alles schon vor ein oder zwei Jahren passieren müssen. Wir sagen ganz klar: Priorität hatte zuvor der Doppelhaushalt. Das war uns sehr wichtig. Und in diesem Jahr sind wir dabei, die ISV auch parlamentarisch zu verankern und festzuziehen. Deswegen freue ich mich auf die Fachdebatte im Ausschuss. Wir haben am Montag eine Anhörung zum Thema Pflege, und ich würde anregen, dass wir möglicherweise in der Auswertung der Anhörung diesen Antrag mit einfließen lassen und letzten Endes diesen dann auch beschließen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank auch unsererseits, Kollege Schreiber! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Birk das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Tom Schreiber! Ich dachte, Sie sagen vielleicht auch irgendein Wort zum Inhalt des Antrags.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Zum Thema Gesundheit steht da gar nichts drin. Aber es ist wahr: Endlich hat das Warten ein Ende, und das vor zwei Jahren gegebene Versprechen der Koalition, eigene Anträge zur Akzeptanz sexueller Vielfalt einzubringen, wird heute mit einem ersten Antrag eingelöst. Das freut uns grundsätzlich auch als Opposition, weil uns das Thema wirklich wichtig ist.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE) – Senator Mario Czaja: Vor allem, wo!]

Die hier einstimmig beschlossene Initiative zur Akzeptanz sexueller Vielfalt muss, wie im Koalitionsvertrag versprochen, weitergehen und qualifiziert werden, denn viele Gründe sprechen dafür: die gleichbleibend hohe Zahl der Übergriffe mit schwulen-, lesben- und transfeindlichem Hintergrund, der Versuch reaktionärer Kräfte, Deutschland und Europa über ein Rollback zurück in die Zeit vor der Emanzipation zu führen, und die Tatsache, dass zwei Bestsellerautoren mit Homophobie, Rassismus und Frauenfeindlichkeit Kasse machen können. Alles das sind Argumente, Diversity und die Akzeptanz sexueller Vielfalt auch mit Blick auf den kommenden Sonntag auf der Tagesordnung zu behalten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Unser umfassender Antrag dazu liegt seit zwei Jahren vor. Linke und Piraten haben vor anderthalb Jahren nachgezogen. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass wir alle gemeinsam unsere Anträge zur Grundlage der letzten Haushaltsberatung hätten heranziehen können, statt mühselige Abwehrkämpfe gegen Kürzungen in diesem Bereich vornehmen zu müssen. Deswegen ist das Interessanteste an dem vorliegenden Antrag die römische Eins in der Überschrift, die darauf hindeutet, dass noch weitere Anträge mit hoffentlich substanziellerem Inhalt folgen werden.

Zum Inhalt dieses Antrags: Sie machen den Einstieg in das Thema der sexuellen Vielfalt im Bereich Alter und Pflege und nichts sonst. Wahrscheinlich wäre es schwerer gewesen, sich im Bereich Bildung zu einigen. Es gibt aber auch gewichtige Gründe, die für diesen Einstieg sprechen, denn alte Menschen können nicht mehr warten, und pflegebedürftigen Menschen fehlt oft die Lobby – erst recht, wenn sie lesbisch, schwul oder transgender sind. Wirklich neu ist in Ihrem Antrag aber fast nichts. Bis auf die Anregung, ein beratendes Mitglied mit LSBTI-Kompetenz in den Landespflegeausschuss zu berufen, finden sich die Vorschläge fast eins zu eins in den Berliner Leitlinien zur Politik für Seniorinnen und Senioren aus dem Jahre 2005 und erst recht in deren Fortschreibung 2013 wieder. Selbstverständlich war das Thema Alter und Pflege auch schon in dem Beschluss zur Initiative sexuelle Vielfalt 2009 enthalten.

Auch der Landespflegeausschuss hat bereits 2011 einen wegweisenden Beschluss mit ähnlichem Inhalt gefasst. Dieser Beschluss enthält allerdings einen Vorschlag, den

ich in Ihrem Antrag vermisse, nämlich eine Umfrage oder eine Studie zur Umsetzung dieses Beschlusses zu gegebener Zeit. Ich meine, drei Jahre später oder mit Blick auf den kommenden Haushalt meinetwegen auch fünf Jahre später – also 2016 – wäre diese Zeit gegeben. Deswegen werden wir Ihren Antrag auch um diesen Punkt ergänzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Schon heute gibt es wunderbare Inseln der Vielfalt in der Alten- und Seniorenarbeit. Ein paar Beispiele aus meinem Bezirk: Da tanzte ein türkischer Bauchtänzer bei der Seniorenweihnachtsfeier im HUZUR auf den Tischen und brachte den Saal mit alten Menschen jeglicher Herkunft zum Kochen. Auf einer anderen Feier des russischen Harmonie e. V. und des Lesben- und Schwulenverbandes sangen russische Großmütter mit mir deutsche und russische Weihnachtslieder um die Wette. Da bringt die Seniorengruppe des Schwulenprojekts Mann-O-Meter durch seine Bepflanzung und Pflege den Nollendorfplatz zum Erblühen. Schön wäre es, wenn sich diese Durchmischung auch in den Gremien widerspiegeln würde, zum Beispiel im Seniorenbeirat.

In Charlottenburg gibt es das wunderbare Wohnprojekt Lebensort Vielfalt für vornehmlich schwule Männer. Das Pendant für lesbische Frauen, initiiert vom Verein Rat und Tat ist im Werden und erhält hoffentlich auch eine ähnliche Unterstützung.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Das ist gelebte Vielfalt, in geschützten Räumen. Aber es sind Inseln.

In den herkömmlichen Einrichtungen ist es sicherlich immer noch nicht leicht, sich als lesbische Frau oder schwuler Mann zu outen, oder als Transmensch mit der eigenen Biografie anerkannt zu werden. Deswegen muss Diversity als fester Grundsatz in der Praxis in den Rahmenvereinbarungen und in der Aus- und Fortbildung verankert werden – auch in der Qualitätssicherung und im Qualitätsmanagement.

Wenn in dem Antrag nicht nur Altenpflege gemeint ist, müssen wir auch an Menschen mit Behinderungen denken. Hier ist in den Strukturen das Thema Sexualität so stark tabuisiert, dass wir erst dieses allgemeine Tabu brechen müssen, um die Akzeptanz sexueller Vielfalt ernsthaft angehen zu können. Auch da werden wir ohne verbindliche Verpflichtungen der Träger wahrscheinlich nicht vorankommen. Nur so wird aus den Inseln der Vielfalt ein bunt geknüpfter Teppich.

Noch etwas zum Argument, dass alte Menschen nicht warten können. Die Nachkriegsgeneration der schwulen Männer hat unter dem § 175 – und im Ostteil unter dem § 151 – gelitten. Diese Männer warten auf eine Rehabilitierung und Entschädigung. Unsere Berliner Bundes

ratsinitiative dazu blieb leider erfolglos. Dies Anliegen noch einmal in einem weiteren Antrag zu bekräftigen, könnte sicher nicht schaden.

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Also, die Anträge II bis X, wir wollen Sie bald sehen – und bitte mit mehr Substanz!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Birk! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Krüger das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Seit ca. 15 Jahren ist das Diversityprinzip Leitbild in der EU. Auch ein Grund, positiv auf die EU zu gucken. Seit dem Jahr 2006 gilt in der Bundesrepublik Deutschland die Charta der Vielfalt. Ich denke, das ist ein Grund – es ist angesprochen worden –, dass wir uns in diesem Jahr sehr stark und intensiver als bisher, dieser Problematik annehmen. Grundgedanke: Jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit zu respektieren. Vielfalt zeigt sich im Respekt vor Behinderung, vor nationaler und kultureller Herkunft, vor Hautfarbe, vor Religion und auch vor sexueller und geschlechtlicher Ausprägung. Es geht uns hier – das sage ich ausdrücklich für die CDUFraktion – um ein uneingeschränktes Bekenntnis zur Selbstbestimmung und Würde jedes einzelnen Menschen.

Vielfalt – das betone ich sehr gerne, ich habe es immer wieder bei den Einbürgerungsreden in CharlottenburgWilmersdorf gesagt – ist auch ein Gewinn für die Gesellschaft als Ganzes. Erfahrungen über kulturelle Verschiedenheit, über vielfältige Lebens- und Verhaltensentwürfe, über die praktischen Erfahrungen der Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Verwurzelungen auszutauschen, und damit respektieren zu lernen, sie als Alternative, als Bereicherung wahrzunehmen, ohne sie im Einzelnen immer selbst leben zu müssen, stärkt und weitet unseren gesellschaftlichen Erfahrungshorizont. In diesem Sinne und mit diesem Bekenntnis bereiten wir bereits an vielen Stellen der Vielfalt in unseren Bezirken und im Land Berlin einen Weg. Wenn ich an die sehr würdigen Feierlichkeiten zur Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in den Bezirken denke, wenn ich an die Willkommenskultur bei der Einbürgerung denke und wenn – wie es eben schon vom Kollegen Birk angesprochen wurde – man an die Entwicklung vielfältiger Wohnformen im Rahmen vom „Lebensort Vielfalt“, eine Einrichtung in der Niebuhrstraße, denkt, aber auch, wenn wir an viele Initiativen denken, die den Bereich der Inklusion angehen – natürlich haben wir es hier auch mit Fragen von Menschen mit Behinderungen

zu tun, und wenn dann beides zusammenkommt – Sie haben es völlig richtig angesprochen –, dann stellt das eine besondere Problematik dar.

Unser gemeinsames Ziel ist und sollte es sein, Akzeptanz von Vielfalt zur sozialen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit durch alle Politikbereiche hindurch zu machen.

Kollege Krüger! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schatz?

Ich denke, die können wir im Ausschuss diskutieren. Ich möchte erst einmal hier vortragen.

Alles klar!

Der vorliegende Antrag ist einer – das ist schon angesprochen worden – aus einer Serie von Anträgen, die die Koalition zur Durchsetzung und Stärkung der Akzeptanz von Vielfalt gerade auch im sexuellen Bereich einbringt und einbringen will.

Wir haben hier mit Gesundheit begonnen, mit dem Alter. Im Alter, bei den Menschen, die in wachsender Zahl nicht mehr allein ein komplett selbstbestimmtes Leben durchsetzen können, sind die ihnen entgegenzubringende Menschenwürde und das Verstehen ihrer angestammten Lebensweise – und auch ihrer Sexualität – besonders wichtig. Wer von Demenz bedroht ist, wer gepflegt werden muss, sei es in einer Tagespflege oder in einer geschlossenen Pflegeeinrichtung, sollte auf Menschen stoßen, die vorbereitet sind, in Ausbildung, Fortbildung und in täglicher Erfahrung zum Beispiel mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verständnisvoll und souverän umgehen zu können. Die Vertiefung, das Wissen um Vielfalt, die Einbeziehung verschiedener Verhaltens- und Erfahrungshorizonte bei der Konzeptionierung von öffentlich geförderten Seniorenangeboten – Sie haben es eben angesprochen – sind Ziel unserer Initiative.

In vielen Bereichen hat der Senat bereits inhaltlich und finanziell deutliche Akzente gesetzt. Das achte Kapitel der Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik widmet der Senat älteren Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen mit klaren Aussagen zu dieser Thematik. Hier knüpfen wir ganz bewusst an.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wenn der Text, um den es hier geht, feststellt, dass die Situation dieser Bevölkerungsgruppen nach wie vor von Diskriminierung,

(Thomas Birk)

Ungleichheit und rechtlicher Unsicherheit geprägt ist, so ist das für uns eine wichtige Aufgabe, dass es dabei nicht bleibt. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege Krüger! – Für die Fraktion Die Linke erteile ich jetzt dem Kollegen Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am vergangenen Sonnabend, dem internationalen Tag gegen Homophobie, brachte das „Heute-Journal“ einen Bericht, und zwar nicht nur einen Bericht über die große ENOUGH-is-ENOUGH!-Demonstration, sondern auch über den Lebensort Vielfalt, auf den Herrn Birk schon eingegangen ist, ein Angebot der Schwulenberatung hier in Berlin. Ich fand, das war ein sehr einfühlsamer und kluger Bericht über das Altwerden von Lesben, Schwulen und Transmenschen. Ja, auch Queers werden alt, sie werden sichtbar alt, und sie brauchen altersgerechte Zuwendung, Pflege und auch Bleibe. In dem Bericht wurde geschildert, was notwendig ist, zum Beispiel entsprechende Projekte und Angebote, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Queers eingehen. Dabei geht es nicht um „den sexuellen Bereich“, Herr Krüger, wie Sie es formuliert haben, sondern um die Menschen in ihrer Gesamtheit als Persönlichkeiten. Es geht hier nicht um Sexualität, sondern es geht um sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität. Das ist etwas anderes.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Zum Beispiel könnte der Senat preiswerte Immobilien und Grundstücke bereitstellen, um dem gewachsenen Bedarf gerecht zu werden.

Nun hat die Koalition heute einen Antrag vorgelegt, der sich vorgeblich des Themas annimmt, wobei die beiden Redner noch nicht so ganz klar gemacht haben, was jetzt eigentlich das Thema des Antrags ist. Sie haben viel über Serien geredet. Dazu sage ich: Über Serien rede ich erst, wenn ich sie kenne. Bisher kenne ich nur den Antrag I. Dieser Antrag ist ein Manifest der Ahnungslosigkeit, des Wortgeklingels und der Phrasendrescherei und, lieber Herr Krüger, ja, der Bekenntnisse, der Bekenntnisse im schlechtesten Sinne, nämlich der Sonntagsreden, auf die in der Regel nichts folgt.

[Beifall bei der LINKEN]

Diesen Antrag als Weiterentwicklung der Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt zu bezeichnen, das hat die ISV wirklich nicht verdient!

Gehen wir einmal in die Details: Die Koalition begrüßt unter Punkt a die Verankerung des Diversityprinzips als festen Bestandteil von Altenhilfe und Pflegediensten und bittet den Senat, das „zu verstetigen, zu vertiefen und weiter auszubauen“. Mich erinnert das an die Propagandasprache der DDR. Es muss alles, was schon jetzt eigentlich super ist, noch ein bisschen schöner werden. Aber davon abgesehen: Woher weiß die Koalition eigentlich, dass das da schon verankert ist? In der Antwort auf meine Kleine Anfrage 17/10511 teilt der Senat mit, dass ihm kein ausreichendes Datenmaterial zur Verankerung dieser Standards für die Akzeptanz sexueller Vielfalt in der Altenhilfe vorliegt. Er weist auf die Grenzen hin, freien Trägern in Bezug auf diese Frage Vorgaben zu machen. Der Senat stellt keine Gelder bereit, um mit möglichen wissenschaftlichen Analysen oder Erhebungen bessere Datengrundlagen zu bekommen, und die Koalition behauptet einfach, es sei schon alles wunderbar verankert. Das ist die Hybris der Koalition, das ist die Ablösung von jeder Faktengrundlage, die diese Koalition in dem Themenbereich kennzeichnet.