Protocol of the Session on March 6, 2014

Was tut der Senat, um auf Krankheitsfälle und die auf die Belastung gegründeten Burnouts zu reagieren? – Bisher hat der Senat noch gar nichts getan. Und aufgrund Ihrer Aufmerksamkeitsspanne gehe ich davon aus, dass das in Zukunft auch nicht geschehen wird.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Hinzu kommend sind die geplanten Zielzahlen keine vernünftigen oder plausibel begründeten. Es gibt keine Machbarkeitsstudie, keine Bedarfsgrundlage. Sie wurden komplett willkürlich und nicht zielführend festgelegt.

Aber wir wollen auch einmal konstruktiv sein. Wie hätten Sie es also besser machen können? – Erstens den konkreten Bedarf der Leistungsberechtigten an Beratung, Unterstützung und Förderung überprüfen, zweitens den Rechtsanspruch berücksichtigen und drittens Programme und Initiativen des Landes Berlin und insbesondere die in dem Netzwerk Kinderschutz vorgegebenen Maßnahmen berücksichtigen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Leider haben Sie das nicht aber getan. Damit werden Sie den Kindern und Familien, die in Not sind und Hilfe zur Erziehung benötigen, nicht gerecht.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Interessiert die gar nicht!]

Ich merke schon, ich könnte mir das auch sparen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Weder den Finanzsenator noch den Regierenden Bürgermeister interessiert das Thema! – Zuruf des Regierender Bürgermeisters Klaus Wowereit]

Und für den Personalabbau ist dementsprechend auch das Parlament zuständig. Ja, aber Rot-Schwarz orientiert sich aber nun mal an Ihnen als Senat, also sind Sie auch mit antwortlich.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Wir sind hier alle verantwortlich!]

Deswegen rede ich ja hier, weil ich mit verantwortlich bin.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wissen Sie, es ist nicht immer schlimm, Fehler zu machen. Meistens kann man sie wieder beheben. Man muss sie sich nur eingestehen und dann gemeinsam an einer Lösung arbeiten, und hier hätten Sie nun die Chance dazu.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss

(Roman Simon)

für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 21 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nur zur

lfd. Nr. 22:

Die „Pille danach“ rezeptfrei machen

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1474

In der Beratung beginn die Piratenfraktion. – Herr Kollege Kowalewski, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir reden hier über einen Antrag, der ein hässliches Loch in der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung, die ein wichtiges Menschenrecht ist, schließen soll. In Notfällen, wenn beispielsweise der Verdacht besteht, dass andere Verhütungsmittel versagt haben könnten oder gerade in Fällen von sexualisierter Gewalt gar nicht zur Anwendung kamen, soll der Zugang zur Pille danach auf der Basis von Levonorgestrel, ein Gestagen, das bereits seit 1966 in verschiedensten Zusammenhängen genutzt wird und insofern bestens erforscht ist, vereinfacht werden. Momentan sind die Frauen, die befürchten, schwanger zu werden, nämlich einem Spießrutenlauf ausgesetzt, um ein Rezept für dieses Präparat zu erhalten. Immer wieder hören wir von Krankenhäusern, gerade aus dem katholizistischen Umfeld, die grundlos die Ausstellung verweigern, und von Ärztinnen und Ärzten, die unpassende Fragen stellen, sinnlose Untersuchungen vornehmen und die ohnehin verunsicherten Frauen in extrem belastende Situationen bringen. Wer sich davon abschrecken lässt und von daher dann vielleicht dieses Notfallverhütungspräparat nicht bekommt, findet sich im Zweifelsfall ein paar Wochen später in der Schwangerschaftskonfliktberatung wieder. Das ist ja auch etwas, das gerade die Kolleginnen und Kollegen von der Christdemokratie nicht unbedingt wollen können.

Eine Befürchtung bei der Vereinfachung des Zugangs zu diesen Präparaten zur postkoitalen Empfängnisverhütung ist, dass sie andere Empfängnisverhütungsmittel verdrängen könnten und damit auch zu höheren Inzidenzen bei sexuell übertragbaren Krankheiten oder sogar zu mehr ungewollten Schwangerschaften führen könnten. Aber diese Befürchtung wirkt doch arg konstruiert. Immerhin können reguläre Verhütungsmittel in jedem Drogeriemarkt erworben werden oder sind einfach bei Familien- und Gesundheitsberatungszentren erhältlich. Sie können Personen mit geringem Einkommen auch erstattet werden. Andere Verhütungsmethoden sind sogar kostenlos und haben keine Nebenwirkungen. Die „Pille danach“ hingegen kostet 35 Euro – das ist so viel wie 5 kg Smar

ties, um noch kurz auf diesen völlig unpassenden Vergleich von Herrn Spahn einzugehen – und muss von allen Menschen über 20 selbst bezahlt werden. Schon daran zeigt sich, dass sie in der Praxis wohl wirklich nur zur Notfallverhütung angewandt werden wird.

Auch die Beratung, die in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein kann, muss nicht zwangsläufig durch eine Ärztin oder einen Arzt erfolgen. Jede Apotheke in Deutschland wird von einer approbierten Apothekerin oder einen approbierten Apotheker geführt, und auch die Ausbildung der pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenten und Assistentinnen ist sehr gut. Es fordert tatsächlich niemand, auch wenn das gern unterstellt wird, die „Pille danach“ in Kondomautomaten oder per Amazon prime.

Sinnlose, medizinisch nicht indizierte Untersuchungen wie vaginaler Ultraschall jedoch, die Ärztinnen und Ärzte vor der Verschreibung der „Pille danach“ gern machen, schon allein deswegen, weil sie sie abrechnen können, stellen für die Betroffenen nur eine zusätzliche Schikane dar. Selbst wenn die Person, die Notfallverhütungsmittel erwerben möchte, bereits schwanger sein sollte: Levonorgestrel schädigt den Embryo nicht. Es gibt also keine Gefahr, dass es zu irgendwelchen ethischen Problemen kommt.

Trotzdem ist so oder so klar: Zu einer guten sexuellen Aufklärung für alle Mädchen und Jungen, bevor diese sexuelle Erfahrung sammeln und mit Fragen der Verhütung konfrontiert werden, gibt es ohnehin keine Alternative. Diese Aufklärung sollte flächendeckend, gründlich und ohne schädliche Scheu dort passieren, wo alle Kinder erreicht werden können, nämlich in der Schule. – So weit dazu. Ich bin gespannt, was jetzt noch alles gesagt wird. Wir werden den Antrag stark befürworten. Das entspricht auch unserem Programm, und wir freuen uns, wenn wir wenigstens in Berlin diese Frage abschließend klären können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion der Kollege Isenberg. – Bitte schön, Herr Kollege!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Demokraten aus der Linksfraktion! Sie haben mit diesem Antrag einen wirklich sehr spannenden Antrag eingebracht. Die „Pille danach“ muss her. Sie muss möglichst schnell rezeptfrei in Deutschland zur Verfügung stehen. Es kann nicht sein, dass Frauen, die eine schnelle Hilfe brauchen, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung willkürlich vorenthalten wird. Deswegen verteilt auch die SPDFraktion zum Weltfrauentag an diesem Wochenende auf

(Präsident Ralf Wieland)

ihren Flugzetteln ganz klar die Forderung: Wir brauchen möglichst schnell die „Pille danach“!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die Tatsache, dass wir sie nicht haben, ist keine medizinische Fragestellung. Es ist lediglich eine gesellschaftspolitische, eine Gewissensentscheidung, ob man für oder gegen die „Pille danach“ ist. Es ist keine parteipolitische, fachpolitische Fragestellung, und das möchte ich zum Auftakt dieser Beratung im Parlament ganz klar sagen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, gegen die „Pille danach“ zu stimmen, im Gegenteil. Wir brauchen sie.

Ich möchte das fachpolitisch begründen. Das Europaparlament hat schon seit 2002 die Mitgliedsländer aufgefordert, die „Pille danach“ einzuführen, und es ist von der Sachverständigenkommission, wo die Pharmakologen sagen: Wie gefährlich ist denn dieses Medikament? –, empfohlen worden, dass man hier eine Ausnahme schafft und die Rezeptpflicht aufhebt, auch in Deutschland so wie in über 20 anderen Ländern innerhalb der EU und weltweit noch mehrere Dutzend, die diese schon seit über 15 Jahren angewandt haben. Es ist nicht zu erkennen, dass die Frauen dort einen Überkonsum haben, sich willkürlich die Präparate einschmeißen, sondern ganz im Gegenteil.

[Evrim Sommer (LINKE): Schmeckt auch nicht!]

Jede Frau, jedes Paar, das sich für die „Pille danach“ entscheidet, handelt verantwortungsvoll und bedarf einer gesellschaftlichen Unterstützung statt Ächtung.

Lassen Sie mich noch kurz beim medizinischen Part bleiben. Die „Pille danach“ bewirkt einen verzögerten Eisprung, sodass keine Befruchtung stattfindet bzw. kann auch das Einnisten eines befruchteten Eies verhindern, und das ist der Gewissenskonflikt, wo die unterschiedlichen Religionen ganz unterschiedlich die Frage beantworten: Ab wann ist ein Mensch ein Mensch? Ab wann ist das Schutzgut des menschlichen Lebens höher gestellt als die Frage der Emanzipation von Frauen und ihrer Partnerinnen und Partner? – Die katholische Kirche ist hier eindeutig. Sie sagt, von dem Augenblick an, in dem eine Eizelle befruchtet ist, beginnt ein neues Leben. – Mit dieser Argumentation ist sie gegen die „Pille danach“ so wie auch gegen andere Verhütungsmethoden wie beispielsweise die Spirale.

Medizinische Gründe gibt es nicht. Es gibt lediglich gesellschaftspolitisch relevante wichtige Argumente, aber ich darf Ihnen ganz klar sagen: Wer Frauenrechte, wer die Rechte der Menschen verteidigt und diese höher schätzt als andere Debatten, hat nur die Option, sich für die „Pille danach“ einzusetzen, und die Bunderegierung ist hier unter einem Handlungsdruck, dem sie bei Weitem nicht nachgekommen ist. Berlin muss endlich eindeutig auf der Seite der Bundesländer stehen, der Mehrheit der Bundesländer, die mehrfach in den letzten Jahren, erneut vor einigen Monaten, die Bundesregierung aufgefordert

haben, durch eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine entsprechende Änderung vorzunehmen. Die Bundesregierung hat das nicht getan. Das gesamte Parlament muss diese Gewissensentscheidung – nicht Parteifrage – treffen. Jeder von Ihnen wird sich in den zukünftigen Abstimmungen entscheiden müssen, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, wie er sich dort positioniert. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Grünen Kollege Thomas. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle kennen das Zitat Matthäus 5, 37:

Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein! Was darüber ist, das ist vom Übel.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Kenne ich nicht!]

Dann haben Sie es jetzt kennengelernt, Frau Kollegin. – Herr Senator Czaja! Sie sagen uns bitte heute, wie Sie persönlich zu dieser Frage stehen und wie Sie im Bund agieren wollen. Ich frage das deshalb, weil Ihre Staatssekretärin im Jahr 2012 auf eine Nachfrage von mir geantwortet hat, dass Sie einer Initiative aus Bremen zugestimmt haben, die die rezeptfreie Abgabe ermöglicht hätte. Sie haben damals aber gesagt, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, warum Rot-Rot in Brandenburg dem nicht zugestimmt hätte. Das hat mich auch gewundert. Es hat mich vor allem gewundert, dass ich ein Jahr später von Ihrem Staatssekretär höre, dass Sie sich gegen die nächste Initiative, die schlicht und ergreifend durch eine veränderte Bundesratsmehrheit zustande gekommen ist, ausgesprochen haben und offensichtlich die Koalitionskarte zu diesem Zeitpunkt gezogen haben. Lieber Herr Senator, was ist Ihre Politik in dieser Frage? Ist es das Motto „Zustimmung, wenn Ablehnung gesichert“? Wir werden jetzt hoffentlich über diese Frage im Ausschuss entscheiden können, und das ist gut so. Dort liegt ein Antrag auch von uns – ich glaube, schon anderthalb Jahre. Deshalb finde ich es sehr gut, dass die Linke jetzt noch einmal die Initiative ergreift und auch einen Antrag einbringt. An ein paar Stellen werden wir diskutieren, da gehen wir ein bisschen weiter. Aber ich denke, wir werden da sehr schnell einig werden.

Ich füge hinzu: Es eilt! Die EU wird voraussichtlich sehr zeitnah ein französisches Produkt EU-weit freigeben. Ein übrigens weitaus weniger getestetes Produkt, wie Ihr gesundheitspolitischer Sprecher im Bund, Herr Spahn, selber einräumt. Er würde eher das LevonorgestrelPräparat bevorzugen, das sei unbedenklicher, also genau das, was der Bundesgesundheitsminister weiterhin rezeptpflichtig verschreiben lassen will. Rational ist das

(Thomas Isenberg)