Protocol of the Session on February 20, 2014

Die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger ist klar: Politik ist ein verkommenes Geschäft. Im Wahlkampf wird von der SPD der Kampf für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerhinterziehung so vollmundig propagiert, dass manche schon Angst hatten, der Kanzlerkandidat

Steinbrück zieht gegen die Schweiz in den Krieg. Hier in Berlin gibt es nicht einmal eine disziplinarrechtliche Prüfung. Erst als die ganze Sache herauskommt, besorgt sich der Regierende Gutachten, die seine Handlungsweise decken sollen. Das ist ganz schön armselig.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Diese Koalition stolpert ideen- und strategielos durch die Landespolitik, sie fährt die Stadt auf Verschleiß und verspielt ihre Zukunftschancen. Herr Schneider! Wenn Sie bei den Haushaltsberatungen richtig aufgepasst hätten, hätten Sie erfahren, was wir im Unterschied zu Ihnen mehr bei Personaleinstellungen gefordert haben. Diese Koalition ist, Kriterien, politischen Anstand und Kultur betreffend, ein einziges Desaster.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Da gibt es den Mitternachtsnotar als Justizsenator, den falschen Doktor als Fraktionschef, den Staatssekretär in der rechtsextremen Burschenschaft, den mangelnden Aufklärungswillen, das Herumgelüge in Sachen NSUSkandal, das Tricksen mit Zahlen in Haushaltsberatungen und, und, und. Und jetzt kommt noch die Steuerhinterziehungsaffäre.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, lieber Kollege Schneider, lieber Raed Saleh! Sie sind am Zug. Welche Konsequenzen wollen Sie ziehen? Oder soll das alles wieder mit dem allgemeinen Bekenntnis der Sozialdemokratie zur linken Politik mit der CDU ausgesessen werden? Machen Sie deutlich, dass Steuerhinterziehung nicht einfach etwas Grenzwertiges ist, wie hier manche formulieren, sondern dass hier klar eine Grenze überschritten wurde! Machen Sie einen kleinen Schritt zu Ihrer eigenen politischen Resozialisierung! Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Heiko Melzer. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Schmitz ist sicher ein politischer Grenzfall, der sich breiter öffentlicher Kritik ausgesetzt sieht.

[Evrim Sommer (LINKE): Gerade haben wir über Grenzfälle gesprochen!]

Wir hoffen, dass jetzt endlich das letzte Kapitel in dieser Steueraffäre offengelegt ist. Dies liegt wie die juristische und dienstrechtliche Dimension natürlich auch weiterhin in der Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters. Er hat sich dazu in den Fachausschüssen, auch heute in der Presse, noch einmal deutlich bekannt.

[Uwe Doering (LINKE): Warum nicht hier?]

Schon im Rechtsausschuss in der vergangenen Woche hier im Parlament, Herr Doering, haben wir ausführlich über das Steuervergehen, die Kommunikation und deren Auswirkungen debattiert. Dort ist übrigens die Opposition den Gegenbeweis schuldig geblieben – den Gegenbeweis zu zwei Rechtsgutachten vorzulegen, die beide zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ein Disziplinarverfahren nicht zu führen gewesen war. Auch gestern im Hauptausschuss waren die Steuern von Herrn Schmitz ein Thema. Heute drehen Sie das Rad einen Tag weiter und versuchen, diese öffentliche Debatte zu verlängern. Wirklich neue Fragestellungen haben Sie dabei bislang nicht vorgebracht. Es ist wenig Sachliches, viel Kampagnensprech. Es drängt sich tatsächlich der Verdacht auf, die Opposition in Fraktion von Linken, Grünen und höchstwahrscheinlich auch den Piraten haben das höhere Interesse daran, öffentlichkeitswirksam Nektar aus dieser Affäre zu ziehen, statt aufzuklären und konstruktive Vorschläge zu unterbreiten.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Ja – weil es alle Kollegen gesagt haben –, Steuerhinterziehungen sind keine Kavaliersdelikte und gehören konsequent verfolgt. Wenn man in der Sache diskutiert, bedeutet das, dass wir über die Ausstattung der Steuerverwaltung reden müssen. Mindestens jetzt in Zeiten gestiegener Selbstanzeigen von Steuerhinterziehungen wird sehr intensiv gearbeitet. Es geht darum, hier angemessen mit Personal auszustatten.

Wir haben in den Koalitionsverhandlungen und in den Doppelhaushaltsberatungen darüber nicht nur geredet, es nicht nur unter irgendeinem Spiegelstrich gefordert, sondern als Koalition aus SPD und CDU gehandelt und 75 neue Stellen für die Bereiche der Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen durchgesetzt und damit erste Verbesserungen im Doppelhaushalt auf den Weg gebracht. Das ist ein erster Schritt. Hier muss es weitergehen. Wir sind als CDU-Fraktion bereit dazu, diese Schwerpunktsetzung auch weiterhin zu verstärken, wenn es um die Sachdiskussion geht und nicht nur um politische Kampagnen.

[Beifall bei der CDU]

Vor dem Hintergrund der letzten Monate werden wir die Situation in den Berliner Finanzämtern stärken müssen. Mehr Personalentwicklung, verstärkte Ausbildung, auch über die Zahlung von Zulagen im Bereich von Steuerfahndungen und Betriebsprüfungen wird zu diskutieren sein.

(Udo Wolf)

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Bonussystem!]

Eine qualifizierte und motivierte Steuerverwaltung ist das Rückgrat von Steuereinnahmen. Es ist auch das beste Mittel für Steuerehrlichkeit, wofür wir alle gemeinsam streiten sollten.

Was macht aber die Opposition?

[Uwe Doering (LINKE): Sie stellt einen Antrag!]

Sie schreibt einen verkappten Missbilligungsantrag. Einzige inhaltliche Andeutung ist unter einem kleinen Spiegelstrich, etwas im Bereich der Steuern zu tun. Wir sind bereit, das mit Leben zu erfüllen. Liebe Kollegen der Grünen, der Linken und der Piraten: Ihren Nachhilfeunterricht braucht dafür weder die CDU-Fraktion noch unser Koalitionspartner.

[Beifall bei der CDU – Joachim Esser (GRÜNE): Wir machen einen gemeinsamen Antrag!]

Alles, was sich um die Vorgänge der letzten Wochen und Jahre rankt, wiederholt das, was in den Ausschusssitzungen im Rechtsausschuss und im Hauptausschuss bereits besprochen worden ist. Eine sofortige Information der Öffentlichkeit über das Steuervergehen von Herrn Schmitz wäre mindestens durch ihn selbst schon 2012 der richtige und konsequente Weg gewesen.

[Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN]

Selbstverständlich sind Steuerhinterziehungen keine Kavaliersdelikte und gehören sehr konsequent verfolgt und bestraft. Wir werden dafür auch zusätzliche notwendige Maßnahmen ergreifen.

Das Hin und Her in der Frage der Entlassung oder dem Ruhestand ist sicherlich auch kein Glanzstück, weder von Herrn Schmitz noch seinem Dienstherrn.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sowohl die disziplinarrechtlichen als auch die beamtenrechtlichen Fragen scheinen aber rechtlich klar zu sein. Das haben selbst die Oppositionsfraktionen im Rechtsausschuss klargemacht. Insofern bleibt hier eine dünne Entschließung mit verstecktem Hinweis auf Missbilligung übrig. Die Debatte hat gezeigt, dass wir viel stärker etwas anderes tun müssen: in der Sache darüber zu diskutieren, wie man stärker Steuerehrlichkeit fördern und die Finanzämter besser ausstatten kann. Wir sind als Fraktion der CDU gern bereit, mit Ihnen in einen intensiven Dialog zu treten und zu Lösungen zu kommen. Wem es aber nur um politische Kampagnen und die Wiederholung dessen geht, was seit mehreren Tagen in den Ausschüssen gesagt wurde, dem rufe ich zu, dass dies nicht weiterführt: Lassen Sie uns in der Sache an Lösungen arbeiten, anstatt zu polemisieren. Wir sind dazu bereit. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, lieber Kollege Melzer! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Höfinghoff. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Dann werde ich noch einmal ein wenig Nektar saugen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau einem Jahr hat sich das Abgeordnetenhaus sehr ausführlich mit dem von Herrn Wowereit zu verantwortenden BER-Debakel auseinandergesetzt. Damals wurde dem Regierenden Bürgermeister von mir und anderen aus den Reihen des Parlaments vorgeworfen, er hätte den von Ihnen im Jahr 2001 großspurig verkündeten Berliner Mentalitätswechsel selbst gar nicht vollzogen. Damals reagierte Wowereit mit flotten Sprüchen, Beschimpfungen in Richtung Opposition.

Die Affäre um den ehemaligen Kulturstaatssekretär Schmitz zeigt jedoch eines: Wowereit und seine Genossinnen haben trotz aller Skandale der Vergangenheit immer noch nichts dazu gelernt.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Im Gegenteil! Hier wird mal eben ein Steuerbetrüger gedeckt. Als das herauskommt, wird ein bisschen herumlaviert, dann wird der Staatssekretär entlassen. Zu guter Letzt wird die Entlassung zurückgenommen, um dem Steuerbetrüger seine Übergangsgelder zu sichern. Diese Kehrtwende geht auf Betreiben des Regierenden Bürgermeisters zurück.

Es ist wirklich dreist, dass der Regierende zunächst versucht hat, die Steuerhinterziehung des Herrn Schmitz als Lappalie und Privatangelegenheit zu verkaufen. Man kann jetzt mit irgendwelchen Gutachten wedeln und sagen, es sei rechtlich noch irgendwie vertretbar. Das mag sein. Politisch nicht vertretbar ist allerdings, was der Regierende Bürgermeister hier mal wieder angerichtet hat.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wenn es keine rechtliche Pflichtverletzung war, wie Herr Wowereit in der ganzen Sache verfahren ist – was noch zu prüfen sein wird –, dann war es eine politische Pflichtverletzung, und zwar eine enorme. Es besteht nämlich in der ganzen Affäre der starke Verdacht, dass man sich unter Berliner Genossinnen – oder soll ich besser sagen: Amigas – schon nicht im Stich und im Fall des Falles auch einmal Fünfe gerade sein lässt oder eben Steuerhinterziehung politisch deckt. Das geschieht, während sich die Sozialdemokraten im Bund immer wieder als oberster Steuerrichter zu profilieren versuchen.

(Heiko Melzer)

Wir haben über den Hauptausschuss erfahren, was dieses wowereitische Manöver die Landeskasse und damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet. Allein das gefällige Gutachten, mit dem Herr Wowereit Herrn Schmitz schuldfrei sprechen lassen will, hat die Steuerzahlerin 7 500 Euro gekostet. Eine Entlassung des Herrn Schmitz wäre mit 150 000 Euro zu Buche geschlagen, weil man ihm die Rentenbeiträge hätte nachzahlen müssen. Ansonsten wäre die Angelegenheit erledigt gewesen.

Durch die Versetzung in den Vorruhestand bekommt Wowereits Amigo 300 000 Euro an Übergangsgeldern und eine sechsstellige Summe an Pension. Das Motto der Koalition und des fraktionslosen Abgeordneten ist also: Steuerbetrug muss sich wieder lohnen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Glückwunsch, Herr Schmitz! An Ihre öffentliche Ankündigung, das Geld zu spenden, möchten wir hier aus Gründen auch gern noch mal erinnern.

[Beifall bei den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN]

Mit Ihrem Gebaren erinnert die Wowereit-SPD an den Berliner Sumpf der Achtzigerjahre. Wahrscheinlich wird dieser Zustand noch ein bisschen anhalten. Wir wissen doch alle, Herr Wowereit: Sie sitzen nur noch auf der Regierungsbank, weil der SPD Berlin schlicht das Personal fehlt, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu benennen. Würde die SPD nämlich über geeignetes Personal verfügen, wären Sie schon längst abgesetzt! Dass Sie sich überhaupt noch im Sattel halten können, liegt nicht an Ihrer Stärke, Herr Wowereit, sondern an der Schwäche Ihrer Möchtegernnachfolger.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Berlin hat also derzeit einen Bürgermeister, der längst nichts mehr darauf gibt, welchen Schaden er für diese Stadt anrichtet, denn er weiß, egal, welchen Bock er schießt, er bleibt im Amt. – Herr Wowereit! Ihr Mentalitätswechsel bedeutet, dass die SPD Steuerhinterzieher deckt, dass der Berliner Sumpf immer weiter anwächst und dass die Glaubwürdigkeit der Politik immer weiter den Bach hinuntergeht. Das Traurigste an der ganzen Geschichte ist aber: Es ist nur eine von vielen, nur eine von unzähligen Fehlentscheidungen, derer Sie sich schuldig gemacht haben, Herr Wowereit! Ihre Deckung eines Steuerhinterziehers und Ihr Pensionsbeschaffungsprogramm sind nur ein weiterer Beweis dafür, dass es Ihnen grundsätzlich an politischem Gespür und an Integrität fehlt.