Protocol of the Session on December 12, 2013

Ihre Ideen zur Industriepolitik fangen in Tegel an und hören bei der Elektromobilität auf. Dabei haben Sie selbst, Frau Yzer, doch mehrfach verbindliche Ziele angemahnt. Ich fordere Sie auf, uns heute zu erklären: Was sind diese Ziele, und wie wollen Sie diese erreichen?

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber es gibt noch mehr Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Sie heute sozusagen im Blindflug beschließen werden. Oder liegt Ihnen ein Maßnahmenplan der bereits im Sommer fusionierten Berlin Partner TSB vor? Auch Ihr neuestes Projekt, das Stadtwerk, konnten Sie während der Haushaltsberatungen nicht konkretisieren, dabei sind doch Sie die Chefin. Ich hoffe, Sie können uns heute erklären, wie und mit welchen Mitteln Sie dieses umsetzen wollen.

Und wo ist das Sanierungskonzept für das ICC? Sie stellen kein Geld dafür in den Haushalt, sondern warten auf einen ominösen Partner, der das dann richten soll. Derweil zahlen Sie fleißig weiter jährlich knapp 12 Millionen Euro an die Messe Berlin. Dabei werden durch die Schließung des ICC über 4 Millionen Euro jährlich an Unterhalt gespart. Aber das haben ja dann auch die Haushaltsberatungen ans Licht gebracht: Die Zahlungen an die Messe Berlin können gar nicht abgesenkt werden, denn ohne diese wären die Kredite für den City-Cube nicht möglich. Ob mit oder ohne das ICC, das Land ist für

(Frank Jahnke)

viele Jahre gezwungen, weiter zu zahlen – eine sehr fragwürdige Kreditabsicherung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zu guter Letzt komme ich zur neuen EU-Förderperiode, die in nicht einmal drei Wochen startet. Sie wollten die Förderprogramme in der zweiten Jahreshälfte neu sortieren. Nichts davon ist bisher zu sehen. Statt hinter verschlossenen Türen einen OP-Entwurf zu stricken, der das Alte fortführt, nur mit weniger Etat, sollten Sie die Chance nutzen, mit der neuen Förderperiode auch neue Instrumente zu etablieren.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Doch um ernsthaft zu diskutieren, wohin die Förderpolitik des Landes will, braucht man natürlich auch eine Idee zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Stadt. In diesem Haushaltsplan ist davon jedoch nicht viel zu sehen. Frau Yzer! Sie sind uns und der Berliner Wirtschaft nach wie vor Ihr Konzept für Berlin schuldig, und wir fordern Sie auf, das heute nachzuholen. Mit klarer Fokussierung z. B. auf Green Economy und auf Zukunftstechnologien könnten Sie Berlin wirtschaftlich langfristig stärken und dabei nachhaltig Arbeitsplätze schaffen. Verspielen Sie diese Chance nicht! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Melzer – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Frau Ludwig! Sie haben in dunkelsten Farben über die Themen ICC, Messe, Europa, Industriepolitik und vieles andere mehr gesprochen – wider besseres Wissen. Es ist vielleicht die Aufgabe der Opposition, immer und überall zu kritisieren,

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Ja!]

es ist aber vielleicht auch Aufgabe des Abgeordnetenhauses, Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Fakt ist: Die Wirtschaftspolitik und die Wirtschaftskraft in Berlin entwickeln sich sehr positiv. Das ist nicht nur, aber auch ein Verdienst der richtigen Weichenstellungen der Koalition aus SPD und CDU.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich möchte drei Beispiele und drei Zahlen nennen, die das auch belegen: 1,7 Millionen – das ist die Zahl der Menschen, die in Berlin Arbeit gefunden haben, ein historischer Höchstwert in der Stadt. Zum ersten Mal – wir haben es vorhin schon gehört – seit 20 Jahren gibt es weniger als 200 000 Arbeitslose, ohne Frage immer noch zu viel, aber kontinuierlich kommen immer mehr Berliner

in Arbeit. Deswegen freuen wir uns zunächst einmal darüber, dass Berlin endlich die rote Laterne unter den Bundesländern bei der Arbeitslosigkeit abgegeben hat. Das ist ein guter Zwischenschritt, noch nicht der Punkt, wo wir hinwollen, aber darüber freuen, dass die Entwicklung angesprungen ist, können wir uns doch allemal.

[Beifall bei der CDU]

Zweite Zahl: 1,2 Prozent – das ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2012 und voraussichtlich auch im Jahr 2013. Das zeigt: Die Wirtschaft brummt. Im Bundesvergleich sind wir auf der konjunkturellen Überholspur, bei der Dynamik sogar in der Poleposition. Und ja, Sie reden natürlich auch diese Zahlen schlecht. Ich bitte Sie, einfach auch mal andere Stimmen zur Kenntnis zu nehmen, beispielsweise die des „Tagesspiegels“, der vom „Wachstumswunderland Berlin“ spricht. Auch das – das sage ich sehr deutlich – ist kein Anlass zu Selbstzufriedenheit oder dafür, sich zufrieden zurückzulehnen, es ist aber ein weiterer Beleg dafür, dass eine Trendwende eingeleitet worden ist und dass wir eine überdurchschnittliche Entwicklung verzeichnen, und auch darüber können wir uns doch zumindest freuen und sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg, und wir müssen weitergehen.

44 000 neue Unternehmen pro Jahr in der Stadt sind in Gründung. Wir sind Gründerhauptstadt. Die Stadt hat sich zu einem dynamischen Zentrum für Gründer und Start-ups entwickelt. Wir haben das kürzlich hier auch im Rahmen einer Aktuellen Stunde besprochen. Deswegen finden wir es richtig und unterstützen es ausdrücklich, dass Frau Senatorin Yzer auf der Wirtschaftsministerkonferenz, die kürzlich stattfand, ihre Kollegen nach Berlin eingeladen hat, um sich anzusehen, was hier in Berlin mit dem neuen Fokus „Innovation und Gründungen“ alles stattfindet. Nirgendwo anders kann man die neue Gründerzeit besser begutachten. Das liegt nicht nur, aber auch an den Rahmenbedingungen, die wir setzen. Auch das ist ein positives Signal in der wirtschaftlichen Ausrichtung der Stadt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben für die Fortentwicklung der Zukunftsorte gesorgt. Zwei Beispiele will ich nennen, zum einen die Fabeckstraße im Südwesten der Stadt. Hier kann man über die Ideen- und Unternehmensschmiede an der Freien Universität sagen: Es wurde lange diskutiert, jetzt wird finanziert und realisiert – allemal besser, als nur darüber zu diskutieren.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und wir setzen mit der Planung und Entwicklung am Zukunftsort Tegel ein weiteres entscheidendes Zukunftssignal für Industrie und Technologie. Urbane Technologien für die Stadt von morgen, das ist ein Konzept, das von IHK bis DGB Zustimmung in der Stadt findet. Auch hier – noch mal „Tagesspiegel“ – konstatiert die Öffentlichkeit, die 6 Millionen Euro mehr jährlich im Haushalt

(Nicole Ludwig)

sind gut angelegtes Geld. Ich schließe mich dieser Position an.

[Beifall bei der CDU]

Insgesamt geht es darum, eine stärkere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft zu realisieren. Der Etat der Forschungseinrichtungen wurde darüber hinaus entsprechend im Pakt für Forschung und Innovation um 5 Prozent angehoben. Es gibt vielfältige Förderungen in der außeruniversitären Forschung, die wir auch hier im Abgeordnetenhaus in den Haushaltsberatungen noch mal verstärkt haben.

Eines eint all diese Themen, nämlich die Frage: Wie kann man in der Metropole Berlin Vorbild für andere Regionen sein? – So auch beim Thema Elektromobilität, ein Projekt, das vom Bund, vom Land und von Privaten finanziert wird, weil man daran glaubt, dass das ein Thema werden kann, das – in der Stadt, in der Metropole Berlin entwickelt – Strahlkraft weit über die Grenzen der Stadt und international realisieren kann. Deswegen sage ich auch hier: Mit der Verstärkung der Mittel für Elektromobilität hat die Koalition einen weiteren richtigen Schwerpunkt gesetzt.

Mit GAW-Mitteln, mit den europäischen Fördertöpfen, mit dem Programm ProFIT konnten wir dort weitermachen. Deswegen ist es eben so, Frau Ludwig: Industriepolitik, Wirtschaftspolitik und Ansiedlungspolitik sind deutlich mehr als das dunkle Bild, das Sie zeichnen wollten. Wir haben dort Erfolge mit unterschiedlichsten Programmen. Das bitte ich einfach zu berücksichtigen.

Die neuen Förderstrukturen bei „Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie“ tun hier ein Übriges. Dieses neue Unternehmen wird die Aufgabe haben, die Stärken Berlins gezielt zu bearbeiten, die Zukunftsorte vom Reißbrett zu wirtschaftlich pulsierenden Zentren in der Metropole zu entwickeln, die Potenziale im Wissenschafts- und Forschungsbereich zu heben. Das gilt für Start-up und New Economy genauso wie für traditionelle Wirtschaftszweige.

Ein Letztes will ich sagen als Beispiel dafür, was wir in diesem Einzelplan umgesetzt haben, was für Unternehmen in der Stadt, aber auch für alle anderen Berliner hilfreich ist: Nach längeren Diskussionen haben wir es in diesem Haushalt umgesetzt, und das ist der Beleg schwarz auf weiß: Die Wasserpreise in Berlin sinken, 15 Prozent Wasserpreissenkung beim Frischwasser. Auch das ist ein ganz wichtiges Signal für Verlässlichkeit und für die Entlastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Auch das möchte ich herausstellen, denn darauf kann man auch zu Recht stolz sein.

Zusammenfassend – Frau Ludwig hat gefragt: Was ist das Bild für Berlin? Was ist das Bild der wachsenden Stadt, von der wir heute gehört haben, von der Metropole? – Es ist das Bild, wo wir in dieser Stadt Akzente set

zen, wo wir Trends neu beleben können, wo Berlin Vorzeigestadt wird für die Themen der Stadt von morgen in Tegel, bei der Elektromobilität und bei vielen anderen Fragen mehr. Dabei setzen wir sehr konsequent auf Industrie und Dienstleistungen, auf die Berliner Zukunftsorte mit einer neuausgerichteten Wirtschafts- und Technologieförderung. Ich finde, wir sind ein gutes Stück vorangekommen in dieser Arbeit in den letzten Jahren. Wir setzen mit diesem Haushalt die richtigen Schwerpunkte. Wir sind noch nicht am Ziel, aber die richtigen Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum in der Stadt sind auch politisch gesetzt. Jetzt ist es Aufgabe von uns allen, das auch mit Leben zu füllen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Frau Kollegin Matuschek von der Fraktion Die Linke – bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fange mal mit einem Witz an. Wir hatten in der DDR so ein schönes Spiel: Immer wenn die Leipziger Messe war, gab es einen Rundgang von Herrn Honecker samt Entourage, und dann gab es davon die Fotos im „Neuen Deutschland“, und wir hatten eine Wette, wer die Anzahl der Fotos mit Erich Honecker am genauesten schätzen kann, der hat gewonnen. Heute haben wir so etwas Ähnliches. Wir hatten eine kleine Wette, ob jeder und jede der großen Koalition „Berlin ist eine Erfolgsgeschichte!“ sagt.

[Andreas Gram (CDU): Im Gegensatz zu euch stimmt es ja auch!]

Wir haben das fast bei jedem gehört. Das war zumindest für uns amüsant.

Aber da musste ich doch vorgestern in der Zeitung eine Titelzeile lesen: „Wowereit watscht seine Wirtschaftssenatorin ab“. – Au Backe, hoffentlich nicht real, sondern nur bildlich gesprochen! Was war geschehen? – Zur Umsetzung des Masterplans Industrie, für dessen Existenz sich noch vor wenigen Monaten Frau Yzer hier im Hause von den Koalitionären feiern ließ – Sie erinnern sich, das war die Erfindung von Harald Wolf –, gibt es einen sogenannten Steuerungskreis Industriepolitik beim Regierenden Bürgermeister, und die Wirtschaftssenatorin war aufgefordert worden, ein strategisches Konzept für die Weiterführung vorzulegen. Aber es war wohl nur ein nichtssagender Zettel. – Frau Yzer! Haben Sie keine Angst, ich werde den nicht anfordern, aber ich werde schon darauf achten, dass irgendwann mal ein strategisches Konzept zur Weiterführung des Masterplans Industrie dem Parlament vorgelegt wird.

[Zurufe von der CDU: Jetzt aber der Witz!]

(Heiko Melzer)

Es geht noch weiter: Erstmals seit 2007 wurde sogar die für Berlin wichtigste Veranstaltung für Wirtschaftspolitik, nämlich die jährliche Berliner Wirtschaftskonferenz – auch eine Erfindung von Harald Wolf als Wirtschaftssenator – sang- und klanglos abgesagt. Obendrein müssen wir heute zur Haushaltsberatung feststellen, dass von den insgesamt zur Verfügung stehenden GRW-Mitteln 100 Millionen Euro einfach liegen bleiben – wahrscheinlich, damit sich Bayern und Hessen damit schöne Sachen bauen können. Oder vielleicht nimmt Herr Nußbaum diese Millionen mit, damit die Verhandlungen mit Bayern und Hessen über den Länderfinanzausgleich dann doch nicht so kritisch werden.

Die Berliner Koalition von SPD und CDU feiert sich insbesondere zur Wirtschaftspolitik. Da fragt man sich: Was feiern Sie eigentlich? Feiern Sie, dass die öffentlichen Investitionen faktisch zum Erliegen gekommen sind? Feiern Sie, dass die Infrastruktur, die noch da ist, auf Verschleiß gefahren wird? Feiern Sie etwa, dass die Binnennachfrage durch den öffentlichen Auftraggeber auf diese Art und Weise heruntergefahren wird?

Die für eine langfristig nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Berlins unentbehrliche Industrieproduktion sinkt und kann nur noch spärliche Impulse für induzierte Effekte liefern. Wichtige Unternehmen verlassen Berlin, andere siedeln sich erst gar nicht an, nicht zuletzt auch wegen der Blamage am schlafenden Flughafen. Das noch erfreuliche, statistisch nachweisbare Berliner Wachstum ist in seiner Entstehung vor allem im Dienstleistungsbereich zu orten und keineswegs solide und nachhaltig. Es baut vorrangig auf der touristischen Nachfrage und auch auf Effekten der Bundeshauptstadt auf. Aber nicht einmal in der Tourismusförderung sind Sie von der Koalition konsequent. Zunächst haben Sie das Kongressmarketing mit einer Sperre belegt. Dann kam die City-Tax dazu. Das sind alles Sachen, die nicht gerade hilfreich sind, wenn man gerne noch mehr Touristen haben möchte. In der Technologieförderung kürzen Sie dem wichtigen Institut IFAF die Mittel. Sie tanzen auf der Titanic und halten das Fernglas auch noch verkehrt herum!

Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe sind in diesem Jahr um 2 Prozent gesunken, und selbst im Bauhauptgewerbe, dem Konjunkturbarometer schlechthin, sind die Auftragseingänge – trotz eines Anstiegs im Wohnungsbau um 17 Prozent – um 11 Prozent gesunken. Die Koalition rühmt sich wegen Erfolgen, deren Zustandekommen sie gar nicht zu verantworten hat, und die hohe Anzahl von Unternehmensgründungen hat nichts oder nur wenig mit einer vom Senat betriebenen Gründungskultur zu tun und ist im Übrigen auch häufig, nämlich zu fast 50 Prozent, ein mutiges Unterfangen Einzelner aus der Arbeitslosigkeit heraus. Aber Frau Yzer feiert sich für die Gründungen, und Frau Kolat feiert sich für die Arbeitslosenstatistik. – Das ist alles ein bisschen durchsichtig und sehr kurz gesprungen! Über das operati

onale Programm der EU-Förderperiode, das am 1. Januar beginnt, wurde im Parlament noch gar nichts gesagt.

Ein letzter Satz, Frau Yzer: Ich vermisse seit Monaten von Ihnen irgendein Wort zu dem wichtigsten Infrastrukturprojekt und zu dem größten Wirtschaftsfaktor – das ist immer noch der BER. Da ist eine ganze Menge auch aus wirtschaftspolitischer Sicht zu sagen. Da höre ich von Ihnen nichts, und das vermisse ich, gerade von einer Wirtschaftssenatorin.

[Beifall bei der LINKEN]

Jetzt der Kollege Morlang bitte für die Fraktion der Piraten!