Protocol of the Session on December 12, 2013

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Berlin verspielt seine wertvollsten Trümpfe, sagte ein bekannter Berliner Kreativer vor zwei Tagen. Recht hat er. Woher soll die Innovation kommen, von der auch die großen Häuser schlussendlich profitieren, wenn nicht aus der Off-Szene? Wo sollen denn die nächste Sasha Waltz oder Shermin Langhoff nachwachsen, wenn nicht in der freien Szene dieser Stadt? Doch nach dem Motto „teile und herrsche“ wird hier munter gespalten und werden

Institutionen gegeneinander in Stellung gebracht. Sasha Waltz soll jetzt auf Ihre Anweisung aus der Koalition der Opernstiftung ins Portemonnaie greifen. Wo hat man den so etwas schon einmal erlebt? Wie absurd ist es eigentlich, in einer Stadt, die beides braucht, um sich die Großartigkeit zu erhalten?

Genauso verhält es sich in der Liegenschaftspolitik. Herr Saleh, vielleicht hat Torsten Schneider Ihnen nicht alles gesagt, was da gemacht oder nicht gemacht wird. Jahrelang haben Sie gestritten.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Getan hat sich nichts. Die neue Liegenschaftspolitik ist heute wie vor drei Jahren nichts als ein nicht eingelöstes Versprechen. Kreativität braucht Freiräume, und Sie sind dabei, diese zu verspielen, weil Sie zerstritten sind,

[Torsten Schneider (SPD): Sie führen die Opposition sehr gut! Bleiben Sie so!]

weil die SPD Flächen in der Stadt alleine durch die Wohnungsbau-Brille sieht und die CDU nicht in der Lage ist, sich an dieser Stelle durchzusetzen. Ihr Umgang mit dem Flächenpotenzial in unserer Stadt ist ein richtiges Trauerspiel.

Wie sieht es eigentlich mit der Berliner Wissenschaft aus, für die Sie sich so sehr rühmen?

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ja, Herr Oberg! Sie sind gemeint! Sie brüsten sich ja ganz gewaltig damit, dass der Bereich Wissenschaft im jetzigen Haushalt so gut wegkommt. Wenn man allerdings genauer hinschaut, stellt man fest, dass Sie vor allem Bundesmittel aus dem Hochschulpakt einsetzen.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Es ist schon ziemlich gewagt, auf die dauerhafte Verfügbarkeit von Bundesmitteln zu setzen. Wenn es in ein paar Jahren anders aussieht, sind Sie vielleicht nicht mehr an der Regierung, Herr Oberg. Aber der Katzenjammer wird dann groß sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

In Sachen Investitionen lässt man die Hochschulen auch auf dem Trockenen,

[Zurufe von der SPD]

wenn man von der Charité einmal absieht. Wie soll eigentlich exzellente Forschung möglich sein, wenn zum Beispiel das Chemiegebäude der Freien Universität in einem desolaten Zustand ist? – Herr Graf, Herr Saleh! Sie waren beide mit mir beim Laborbesuch dabei

[Zurufe von der SPD]

und taten mächtig entsetzt über die erbärmlichen Arbeitsbedingungen. Wo sind Sie beide denn nun, wo es zum

Schwur kommt und die Hochschulen – vorsichtig geschätzt – einen Investitionsstau von rund zwei Milliarden Euro vor sich herschieben? Da schlagen Sie sich ganz offensichtlich in die Büsche.

Aber die Hochschulen sind leider in guter Gesellschaft, was die Investitionen angeht. Erinnert sich noch irgendjemand daran, dass sich SPD und CDU anfangs noch als Koalition der Infrastruktur bezeichnet haben?

[Zurufe]

Vermutlich erinnern Sie sich selber gar nicht mehr so richtig daran. Natürlich klang dieser Slogan nach den diversen BER-Debakeln nicht mehr ganz so schnittig und wurde schleunigst für bessere Zeiten eingelagert. Noch nie hat es eine dermaßen niedrige Investitionsquote gegeben, wie in diesem Haushalt von SPD und CDU. Und dies angesichts einer wachsenden Stadt, eines veränderten Mobilitätsverhaltens und steigenden Gebäudekosten. Nur 1,3 Milliarden Euro für Investitionen sind sensationell niedrig. Koalition der maroden Infrastruktur wäre wohl die treffendere Überschrift.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Der Tagesspiegel schrieb hierzu vor einigen Tagen:

Der Substanzverlust des Landesvermögens schreitet schneller voran, als die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur.

Seit Jahren schon fährt dieser Berliner Senat Straßen, Schulen, Kitas, die öffentlichen Verkehrsmittel und Gebäude auf Verschleiß, die Folgen sind inzwischen in der ganzen Stadt zu besichtigen. Diese Schlaglochpolitik des Senats muss endlich ein Ende haben. Denn auch hier verkaufen Sie Ihre Politik als pragmatische Politik der Schuldentilgung, aber auf der anderen Seite schieben Sie eine riesige Bugwelle

[Zurufe von der SPD]

an unterlassenen Investitionen vor sich her, die den künftigen Generationen mächtig auf die Füße fallen wird. Das ist nicht pragmatisch, sondern verantwortungslos.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Auch beim Stadtwerk hätten Sie sich anstelle des Streits um des Kaisers Bart, ob es drei oder doch vielleicht fünf Windräder sein sollen, besser daran gemacht, die energetische Sanierung und Modernisierung der öffentlichen Gebäude in Angriff zu nehmen. So hätte Berlin zum Vorreiter der Energiewende werden können.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Aber mit Blick auf den Bund und die große Koalition kann man nur feststellen: Die SPD hat sich ziemlich entgrünt und setzt inzwischen auf Altbewährtes, nämlich

auf Kohle-Kraft aus NRW. Dabei schaut die ganze Welt darauf, ob es Deutschland gelingt, aus der Atomenergie auszusteigen und zugleich den Verbrauch fossiler Brennstoffe zurückzufahren.

Sie dagegen beschließen ein Stadtwerk, das diesen Namen nicht verdient hat, und ansonsten bleiben dezentrale Energieerzeugung, Reduktion des Verbrauchs und energetische Sanierung weiterhin Fremdwörter für Sie. Dabei hätte man richtig etwas daraus machen können: Man hätte die dringend notwendige Sanierung von Gebäuden, die Arbeitsplätze schafft, voranbringen können. Man hätte das mit Innovationen in Energietechnologien made in Berlin verbinden können. Was für eine verpasste Chance auch an dieser Stelle!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Man kann sich nicht darauf ausruhen, dass es mit Berlin immer aufwärts geht. Wachstum heißt immer auch Gestaltung. Unsere Stadt befindet sich mitten in einer Umbruchphase, und Umbrüche haben bekanntermaßen auch Schattenseiten. Schon die noch zarte Entwicklung zu einer Metropole mit den damit verbundenen Änderungen setzt Berlin seit Jahren ziemlich unter Spannung, denn auch hier gibt es Gewinner und Verlierer, Wünschenswertes und weniger Wünschenswertes in einer solchen Entwicklung. Wirtschaftlicher Aufschwung geht zumeist mit stärker werdenden Polarisierungen einher. Deswegen muss man die Menschen bei diesen Veränderungen mitnehmen. Eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre ist es, dafür Sorge zu tragen, dass alle Berlinerinnen und Berliner vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren, dass niemand von ihnen zurückbleibt.

Natürlich freut sich der Finanzsenator, wenn die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer steigen. Auf der anderen Seite bedeutet das aber gleichzeitig steigende Immobilienpreise und steigende Mieten. Berlin wird zu einem immer teureren Pflaster. Und während Senator Müller bei den Koalitionsverhandlungen im Bund auf eine konsequente Mietenpolitik gedrängt hat, lässt er in Berlin die Dinge schleifen oder wird ständig von Senatskollegen, wie dem Finanzsenator, ausgebremst und kann sich nicht durchsetzen. Dabei sprechen alle Zahlen eine eindeutige Sprache. Die Preisspirale dreht sich immer weiter nach oben und wartet nicht darauf, bis Sie sich mal entschieden haben. Im Sommer mahnte die Bertelsmann Stiftung mehr Engagement in der Politik für bezahlbaren Wohnraum in Großstädten an. Besonders häufig sind nämlich von den steigenden Mieten Familien mit Kindern betroffen. Wenn mehr als die Hälfte des Einkommens für Miete ausgegeben wird, bleibt für Ernährung und Bildung immer weniger Geld übrig. Das ist fatal für Familien. Deswegen ist es höchste Zeit, dass die öffentliche Hand wieder mehr Verantwortung übernimmt für bezahlbaren Wohnraum auch hier in Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Während sich andere Städte auf den Weg gemacht haben und Wohnungsbauprogramme auflegen, wird in Berlin wertvolle Zeit mit internen Streitereien vertan.

Nun werden Sie in den Jahren 2014 und 2015 mit symbolischen Beträgen in der Wohnungsbauförderung anfangen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Anders kann man das nicht nennen, und vermutlich werden Sie nicht einmal dieses Geld für etwas Sinnvolles ausgeben, denn bis zur heutigen Verabschiedung des Haushalts ist völlig unklar, was Sie mit diesem Geld eigentlich anfangen wollen, welches Programm dahintersteckt. Der Streit ging hier ja schon munter weiter mit Herrn Salehs Beitrag. Wie beim Stadtwerk stellen Sie Minibeträge in den Haushalt ein, um in den nächsten beiden Jahren weiter darüber zu streiten, was Sie mit dem Geld eigentlich anfangen wollen. Das ist Wohnungssymbolpolitik und nichts anderes. Hilfreich ist es wahrlich nicht, dass Sie nach wie vor wie die Kesselflicker streiten, wie das Geld verwendet werden soll: Für Wohnungsbaugesellschaften, sagt Herr Saleh. Vielleicht solle es an private Investoren gehen, sagt die CDU. Man kann alles machen: Man kann Wohnungsneubau oder Ankäufe im Bestand finanzieren. – Während Sie sich Runde um Runde als Streithähne drehen, steigen die Mietpreise, und keinem ist geholfen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Inzwischen hat man das Gefühl, dass diese Koalition selbst eine Wohnungsbaubremse ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir schlagen dagegen vor, einen Fonds für soziale Wohnungspolitik in Höhe von 650 Millionen Euro einzuführen, und zwar für Wohnungsbaugesellschaften, die Sie in die Verschuldung treiben wollen,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

für private Investoren, für Neubau und für Ankäufe. Wir sind offen für alle Möglichkeiten, die Wohnungspolitik in dieser Stadt voranzutreiben. So kann man in den nächsten Jahren 50 000 Wohnungen schaffen, deren Miete deutlich unter 6,50 Euro liegt. Aber auch hier: Welch eine verpasste Chance, mit dem Haushaltsbeschluss für Klarheit zu sorgen!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Auch sonst bleiben Sie mehr als halbherzig, ganz gleich, ob Zweckentfremdungs- oder Umwandlungsverbot. Die gesetzlichen Möglichkeiten, die Sie hätten, nutzen Sie allerhöchstens symbolisch aus, und auch damit ist nur wenigen geholfen.