Protocol of the Session on December 12, 2013

Der Senat hat nichts unternommen, um wenigstens eine empirische Basis für eine sachgerechte Personalausstattung zustande zu bekommen. Das wäre die Grundlage, um dann zu entscheiden, was finanziert wird und was nicht. Stattdessen: Stückwerk und Stümperei. Beim Rest: Verweis auf die Haushaltsdurchführung. Meine Damen und Herren, das ist inakzeptabel!

[Beifall bei der LINKEN]

Ihr Beförderungsgeschenk – der Kollege Regierende Bürgermeister hat heute Morgen gesagt, diese Koalition stünde nicht für Klientelpolitik – ist genau das: Klientelpolitik. Anstatt allen Beamtinnen und Beamten gleichermaßen die Anpassung an den Bundesdurchschnitt zu geben, werfen Sie ein bisschen Geld in den Bereich. Wie das dann verteilt werden soll und nach welchen Kriterien, da bin ich gespannt! So richtig abgebildet ist das im Haushalt auch nicht. Das soll dann auch wieder zulasten anderer Titel durch Minderausgaben kompensiert werden. So geht das nicht. Mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit hat das so viel zu tun wie ein Sägefisch mit Hobeln.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Die Folgen sind bekannt: Verfahrensdauern und Belastung der Beschäftigten nehmen zu, Strafverfolgung funktioniert nur noch punktuell. Wir verzichten sogar auf Einnahmen und Generalprävention, zum Beispiel bei der Vermögensabschöpfung, Resozialisierungsvollzug ist immer weniger möglich – ich verweise auf die Stichworte sozialtherapeutische Anstalt, Sicherungsverwahrung, forensisch-therapeutische Ambulanz, Straffälligen- und Bewährungshilfe. Es ist doch eine Binsenweisheit: Prävention hilft Kriminalität vermeiden, und der Umgang mit Menschen braucht Menschen. Was machen Sie – und diesen Geist atmet dann auch der Haushalt –: Die Prävention bricht als Erstes weg, und bei der Folgenbewältigung wird symbolisch Politik gemacht, wie zum Beispiel bei den Mobilfunkblockern.

Herr Behrendt hat gesagt, dieser Haushalt atmet Ruhe. Es ist, lieber Kollege Behrendt, eine Ruhe, die trügt. Dieser Etat ähnelt dem Jonglieren mit fünf Molotowcocktails. Das bekommt nicht einmal Innovations-Heilmann hin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Für die Piraten jetzt Herr Dr. Weiß – bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Der Regierende Bürgermeister hat vorhin gesagt, wir sollen uns über das Geld freuen. Das können wir in diesem Fall auch tun, es ist im Justizbereich ja ein größeres Haushaltsvolumen als in den letzten beiden Jahren vorhanden. Das wird zum Teil durch Mehreinnahmen durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – das ist schon angesprochen worden – gedeckt.

Ich will, bevor ich zum Inhaltlichen komme, einen kleinen Einschub zum Ablauf der Haushaltsberatungen machen. Es ist natürlich misslich, dass zum Zeitpunkt der Lesung im Fachausschuss noch keine zuverlässige bzw. belastbare Berechnung darüber vorlag, wie hoch diese Mehreinnahmen sein würden. Dann ist das eben so, dann muss das im Hauptausschuss gemacht werden. Was ich nicht verstanden habe, ist die Position der Koalitionsfraktionen, die sich auf einmal auf den Standpunkt gestellt haben, im Ausschuss könne man keine Mehreinnahmen in der Höhe verteilen, weil das gegen den Ablauf im Haus wäre. Sie haben dann dieses interessante Instrument der Prioritätenliste erfunden. Man kann das alles so machen, aber so, wie Sie das gemacht haben, hat es sich eher erschwerend auf die Haushaltsberatungen ausgewirkt. Ich habe auch nicht ganz verstanden, warum der Hauptausschuss – wenn er es denn war, weiß ich ja nicht – mit dieser Prioritätenliste mehr Spaß gehabt hat als mit einer Liste von Änderungsanträgen, die man hätte gegenrechnen müssen. Diese Prüfliste wurde im Hauptausschuss tatsächlich zu großen Teilen übernommen. Da haben Sie als Fachpolitiker der Koalition einen Erfolg erzielt. Aber dann reden wir doch jetzt nicht nur darüber, dass wir uns über Geld freuen sollen, sondern darüber, wofür es ausgegeben wird.

Da gibt es zum einen den Punkt Personalpolitik. Sie haben die zusätzlichen Stellen bei der Staatsanwaltschaft eingestellt. Sie haben immer noch – das wurde auch schon mehrfach gesagt – die pauschalen Minderausgaben vorgesehen.

Die Schaffung zusätzlicher Schwerpunkte, wenn man gleichzeitig nicht weiß, wie man überhaupt diese Minderausgaben realisiert, ohne an die Substanz zu gehen, finde ich schwierig. Es geht an die Substanz. Das wissen wir. Darüber haben wir im Rechtsausschuss schon oft genug gesprochen. Ich kann auch verstehen, dass man über Cyber-Crime und Rockerkriminalität interessantere Pressekonferenzen veranstalten kann als darüber, wie man am besten pauschale Minderausgaben abbaut.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Symbolpolitik!]

das ist Symbolpolitik.

Es sieht doch folgendermaßen aus: Sie haben bei der Staatsanwaltschaft personelle Mehrausgaben in siebenstelliger Höhe. Sie haben aber keine 60 000 Euro, das ist

(Dr. Klaus Lederer)

eine Stelle für die Ansprechperson für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Staatsanwaltschaft. Das haben wir zusammen mit den Linken in den Haushaltsberatungen beantragt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ja!]

Es ist ein Teil der Initiative sexuelle Vielfalt. Darüber wird vielleicht noch einmal an anderer Stelle zu sprechen sein. Sie sagten dazu, dass dafür kein Geld vorhanden sei. Es sei nicht gegenfinanziert. Gleichzeitig können Sie aber mehr Stellen schaffen, gegen die sich das wie ein Rundungsfehler ausnimmt. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar.

Sie haben – das wurde auch schon erwähnt – 140 000 Euro für eine Studie zur sogenannten Familienparalleljustiz ausgegeben. Dazu gab es eine Anhörung, zwar nicht im Rechtsausschuss, aber wir waren 2012 zu diesem Thema zugeladen. Dabei ist herausgekommen, dass es im Wesentlichen um die Frage geht, ob es überhaupt ein Phänomen gibt, das mit diesem Begriff korrekt umrissen ist. Es ist gar nicht klar.

[Burkard Dregger (CDU): Stimmt überhaupt nicht! Da müssen Sie mal ins Protokoll schauen!]

Ich habe das Protokoll. Ich war sogar im Ausschuss und habe zugehört. Ich weiß nicht, ob Sie dabei waren. – Jetzt wollen Sie eine wissenschaftliche Studie, weil Ihnen auch sonst nichts einfällt, was man tun könnte. Sie wissen gar nicht, ob es überhaupt noch ein Problem gibt. Sie reden von einem Frontalangriff. Gegen diesen Frontalangriff wollen Sie sich mit einer Studie wehren? Sie widersprechen sich doch selbst. Wenn es ein Frontalangriff wäre, müssten Sie doch irgendwelche Maßnahmen ergreifen.

[Sven Kohlmeier (SPD): Machen wir doch!]

Sie konnten im Ausschuss nicht sagen, wer diese Studie durchführen und worum es gehen soll. Was ist überhaupt der Fachbereich, um den es gehen soll?

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Gut! – Gleichzeitig haben Sie kein Geld für die Stärkung der Prävention für bessere Betreuung in den Gefängnissen. Sie haben kein Geld für eine auskömmliche Ausstattung der Gewaltschutzambulanz. Mein Kollege wird hierzu gleich noch etwas sagen. Es ist in Ihrer Prioritätensetzung nicht nachvollziehbar.

Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen, über den wir in den Beratungen auch länger gesprochen haben. Es geht dabei um die Zuschüsse an die freien Träger. Nun kann man sagen – Sie haben es auch schon gesagt –, es gebe einen Aufwuchs im Vergleich zum letzten Mal. Sie haben sogar in den Haushaltsberatungen noch mehr Geld hinzugetan. Das kann alles kein Problem sein. Wenn man es sich aber genauer ansieht, fällt zunächst in dem vorgelegten Entwurf interessanterweise auf, dass zwei Projekte, die in den letzten Jahren gefördert wurden – ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt im Bereich Arbeit statt Strafe und

ein Projekt der Volkssolidarität zur Männerberatung gegen Gewalt –, überhaupt nicht mehr auftauchen. Im Haushaltsplan findet sich lediglich der Hinweis: N.N. – Träger wird noch gesucht. Es hat uns alle ein wenig verwundert und hat auch die Projekte verwundert, die vor den Haushaltsberatungen im Parlament nichts davon wussten, dass sie möglicherweise in kommenden zwei Jahren nicht mehr finanziert werden. Das geht so nicht. Es ist eindeutig ein Zeichen mangelnder Kommunikation.

Wir haben auch nicht ganz verstanden, warum sie nicht mehr gefördert werden. Erst hieß es, sie seien schwer zu evaluieren. Das ist ein wenig seltsam, weil wir erst kurz vorher einen sehr ausführlichen Evaluationsbericht der ganzen Projekte enthalten haben, in dem aufgeführt ist, dass alle gut arbeiten; sie könnten alle weiterarbeiten. Dann hieß es, es gebe andere Bewerber. Das ist ein nachvollziehbares Argument. Andererseits frage ich mich, was das für ein Wettbewerb ist, bei dem manche wissen, dass sie in einem Wettbewerb sind, andere anscheinend nicht. Wie funktioniert das?

Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, warum ich nun so lange darüber spreche, das Problem ist in den Haushaltsberatungen gelöst worden. Sie haben die Mittel für das Arbeit-statt-Strafe-Projekt wieder eingestellt und haben die Erläuterungen bei der Volkssolidarität geändert. Mir ist es erst vorgestern überraschend aufgefallen, und ich frage mich, ob Sie sich darüber im Klaren sind, dass der Hauptausschuss Letzteres wieder kassiert hat. Die Begründung dafür kenne ich nicht. Es ist keine Mehrausgabe. Ich finde es interessant. Wir werden sehen, was daraus wird.

Alles in allem hat der Haushalt mehr Geld zu verteilen. Er geht damit nicht unbedingt richtig um. Wir werden ihm in dieser Form nicht zustimmen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Jetzt hat der Senator Heilmann das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lederer! Ich finde es in Ordnung, wenn man sich bedankt. Ich tue es ausdrücklich auch. Jeder Erfolg ist Teamarbeit. Das gilt gerade für diesen Haushalt, bei dem das Parlament so intensiv mitgearbeitet hat, wie es nur in wenigen Bereichen der Fall ist.

Ich möchte meine Rede so einteilen, dass ich auf die Fragen oder die Vorwürfe, die Sie mir gemacht haben, antworte, weil ich sie, erstaunlicherweise, nicht berechtigt

(Dr. Simon Weiß)

finde. Ich fange mit dem Kostenmodernisierungsgesetz und den Beratungen zum Haushalt an, die in der Tat untypisch waren. Ich selbst bin sehr froh über die zusätzlichen Ausgaben. Es ist keineswegs so, Herr Lederer, dass ich die Aufwüchse nicht haben wollte. Ich bin allerdings sehr für solide Haushaltsführung. Deswegen muss man erst zusehen, ob man für den Haushalt zusätzliche Mittel akquirieren kann und dann überlegen, wie man sie einsetzt. Nun war es mit dem Kostenmodernisierungsgesetz so, dass sich im Juli, als hier schon Parlamentspause und Ferien in Berlin waren, der Vermittlungsausschuss in längeren Sitzungen, die in die Nacht hinein dauerten, dann doch geeinigt hatte. Das war aber ausgesprochen kippelig. Wir können nicht im Juni etwas in den Haushalt einstellen, was erst im Juli in das Bundesgesetz kommt und umstritten war. Dass es so war, wissen Sie alle. Deswegen hat es diese untypische Reihenfolge gegeben, die im Ergebnis für die Justiz und gleichzeitig für den Berliner Haushalt – darauf lege ich Wert – sehr erfreulich ist.

Das Zweite, das Sie zum Thema Haushalt sagen – sowohl Sie, Herr Weiß, als auch Sie, Herr Lederer, Herr Behrendt hat es auch erwähnt –, ist die pauschale Minderausgabe und die Frage, wie wir damit eigentlich umgehen. Dazu gibt es einen ziemlich klaren Plan. Die pauschalen Minderausgaben kommen durch den demografischen Wandel erst einmal zustande, weil die Mitarbeiter altersbedingt ausscheiden. Sie, Herr Lederer, und Ihre damalige Koalition haben übrigens diesen Plan vorbereitet. Ich habe es übernommen, dass der Abbau beim nichtrichterlichen Personal – wie es so schön heißt – stattfinden soll.

Jetzt haben wir mehrere Dinge getan. Wir machen eine Ausbildungsoffensive. Dafür hat die Koalition dankenswerterweise die Stellen geschaffen. Es ist eine zusätzliche Ausbildungsoffensive budgetiert, sodass wir zusätzliche Leute einwerben können. Das ist das sinnvollste Mittel. Dabei bleibt aber die PMA bestehen, denn die neu hinzukommenden Mitarbeiter werden anders gebucht.

Wir verbessern ferner nachhaltig die Arbeitsmittel, insbesondere die IT, aber auch die Gutachtenmittel für die Justiz. Das gilt für die Staatsanwaltschaft wie für die Gerichte.

Der dritte Punkt unserer Strategie ist die Entlastung der Gerichte. Wir haben mehrere Projekte, bei denen wir die Verfahrenszahlen bei den Gerichten mindern wollen. Zwei Projekte – das zu Ihrer Frage Gegacker, Herr Behrendt – sind nicht nur von mir umgesetzt worden, sondern haben auch Erfolge zu bieten. Erstmalig seit 20 Jahren gehen die Zahlen der Verfahren bei den Sozialgerichten zurück. Das beruht auf Maßnahmen. Wir haben die Onlineschlichtung im Bereich des Verbraucherschutzes eingerichtet. Mehrere Hundert Berliner nutzen diese und haben über die Onlineschlichtung recht bekommen. Sie brauchten deshalb nicht mehr zur Justiz zu gehen. Wir

haben eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen eingeleitet, sodass wir die Gerichte weiter entlasten werden.

Dann haben wir eine bessere Struktur im Justizvollzug. Wir haben Haftanstalten zusammengelegt. Es ist mir in der vorletzten Woche gelungen, Brandenburg davon zu überzeugen, dass wir die Arrestanstalten in Berlin und Brandenburg fusionieren. Auch das wird zu Stelleneinsparungen und zum Sparen führen.

Zur Empirie: Berlin hat zwanzig Jahre darum gekämpft, Herr Lederer, auch in der Zeit Ihrer Koalition, dass wir eine eigene PEBB§Y-Aufstellung machen. Jetzt tun wir das im nächsten Halbjahr. Daher weiß ich nicht, warum Sie mir eigentlich vorwerfen, dass es das nicht gibt. Insofern teile ich Ihr Vorbringen nicht.

Sie haben, Herr Lederer, einerseits gesagt, es werde nicht mehr Personal benötigt, weil wir bei der Staatsanwaltschaft eine sinkende Kriminalität haben.

[Zuruf]

Herr Behrendt hat das gesagt. Entschuldigung, ich habe mich versprochen. – Wir brauchen sie, weil die Verfahrenszahl keineswegs der einzig leitende Faktor sein soll. Wir haben zunehmend Bandenkriminalität, die aus dem Ausland gesteuert wird. Das gilt für Einbrüche. Das gilt für die organisierte Kriminalität. Das gilt namentlich für den Internetbetrug. Das erschwert die Ermittlungsarbeit. Wir wollen eben nicht nur denjenigen, der in ein Geschäft mit einer gestohlenen Kreditkarte einkauft, bestrafen, weil wir ihn erwischt haben, sondern wollen auch die Hintermänner ermitteln. Das ist eine ziemlich mühsame Arbeit, die wir gemeinsam mit der Polizei unternehmen wollen. Und ich kann Ihnen sagen: Im nächsten Halbjahr wird es diese 28 Staatsanwälte geben. Es sind nämlich drei Anträge, die müssen Sie zusammenziehen, dann kommen Sie auf die 28 Staatsanwälte, ich zeige es Ihnen gerne im Haushalt. Auch die weiteren Mitarbeiter in der Amtsanwaltschaft und die Justizfachangestellten, da können Sie ganz sicher sein, werden wir nicht vergessen.

Dann haben Sie gefragt, wie das mit dem Internet und dem Modell sei. – In der Tat ist das eine sehr schwierige Frage, aber das Modellprojekt gibt es doch schon. Vielleicht habe ich nicht genug gegackert, aber es gibt es schon, davon ist nicht einfach nur erzählt worden.

Ich würde Ihnen gerne noch ein paar Dinge sagen, die ich auch bereits umgesetzt und von denen ich nicht nur erzählt habe. Wir haben den offenen Vollzug geändert. Dafür haben gerade Sie mich gelobt. Sie haben mich auch gelobt für den Opferbeauftragten. Die Piraten haben den Antrag, wie schon erwähnt, gestellt, und alle haben ihm zugestimmt. – Wir stärken jetzt die Staatsanwaltschaft. Wir sind nach zehn Jahren Forderungen diejenigen, die bei der Gewaltschutzambulanz tatsächlich etwas tun.

(Senator Thomas Heilmann)