Nein, bitte nicht! – Wir sind hier heute bei einer echten Grundsatzentscheidung. Und bei allem, was Sie an Kokolores, an Nebel produzieren, Sie diskutieren über Vorlagen, wer wann was einreicht, über Termingeschichten, Ihre oder unsere Prioritäten: Heute steht ein Gesetzent
wurf auf der Tagesordnung, der heißt: Wie hältst Du es damit, dass das Land Berlin ein echtes Stadtwerk gründet? Ja oder nein, meine Damen und Herren, das ist die Entscheidung!
weil Sie dazu keine echte Meinung haben. Sie haben Angst vor der Diskussion. Sie haben Angst vor der Entscheidung im Parlament. – Und, Herr Schäfer, was Sie eben erzählt haben, war Desinformation. Da sollten Sie sich schämen, so etwas vor einem Volksentscheid zu machen!
Sie müssen sich vielleicht auch mal die andere Seite anhören, das tut mir leid! Das gehört auch zur Demokratie dazu!
Wir haben hier heute eine Show de luxe erlebt, wo es um Ablauffragen ging. Dafür haben wir über eine Stunde Auszeit nehmen müssen. – Kollege Esser, hören Sie mal ganz genau zu! – Am 29. April 2013, das ist erst wenige Wochen her, haben Ihre Fraktion – die Grünen-Frak- tion –, die Linksfraktion und die Piratenfraktion eine dringliche Beschlussfassung als Tischvorlage in das Abgeordnetenhaus eingereicht. Das wurde vorher in keinem Ausschuss besprochen. Was sollte dort beschlossen werden? Es sollte beschlossen werden, was das Abgeordnetenhaus zu den Inhalten eines Volksentscheides ohne Wirtschaftsplan, ohne vorher im Parlament ausführlich sprechen zu können, sagt. Ich sage Ihnen: Sie haben das gestern mit uns im Stadtentwicklungsausschuss besprechen können, dann nachmittags im Hauptausschuss und heute im Plenum. Das überfordert Sie offensichtlich. Ihren Antrag können Sie von jetzt auf gleich als Tischvorlage ins Plenum bringen. Das desavouiert Sie, aber nicht uns.
Im Gegensatz zu Ihnen haben wir keine Angst vor diesem Volksentscheid, denn wir nehmen das Wort Volksentscheid ernst.
Das Volk wird tatsächlich über diesen Gesetzentwurf entscheiden. Herr Schäfer! Es war schon ein wenig peinlich, dass Sie hier sagten, wir würden den Berlinerinnen und Berlinern im Rahmen eines Volksentscheides etwas vorgeben oder es nicht tun. Dieser 3. November ist als Abstimmungstag gesetzt. Es ist gut, dass er gesetzt ist.
An dem Tag wird das Volk von Berlin mit Ja, Nein oder einer Enthaltung entscheiden. Dass Sie aber behaupten, wir würden das Abgeordnetenhaus mit irgendwelchen Beschlussfassungen umdrehen oder wir würden den Leuten etwas vorgeben, stimmt nicht. In einer Demokratie ist es möglich, dass das Parlament etwas sagt. Es ist auch klar, dass das Volk von Berlin als gesetzgebende Instanz, was wir mit der Einführung der Volksentscheide überhaupt erst geschafft haben, auch etwas sagt. Sie werden sich beides anhören müssen, ob es Ihnen gefällt oder nicht, Herr Schäfer.
Welche Grundsatzentscheidung steht heute wirklich vor uns? Wer spricht sich hier im Parlament für die Gründung eines Ökostadtwerkes durch das Land Berlin aus, das es im Augenblick nicht gibt? Das ist die Frage. Dieses kraftvolle Zeichen kann hier heute gesetzt werden.
Sie lachen nicht mehr lange. Vielleicht haben Sie es versäumt, die auf dem Tisch liegenden Anträge zu lesen. Wer des Lesens mächtig ist, wird sehen, dass diese Koalition erstens sagt, dass das Berliner Betriebe-Gesetz einen neuen Absatz erhält, in dem die Gründung und die Richtlinien für dieses Ökostadtwerk klar definiert werden.
Zweitens liegt ein Antrag auf dem Tisch, der lautet: Grundsätze eines neu zu gründenden integrierten Energiedienstleisters als Tochtergesellschaft der Berliner Wasserbetriebe. Solch einen Antrag hätte ich gern einmal von der Opposition gesehen. Die Opposition hat einen Fragenkatalog vorgelegt, aber keine Antworten dazu. Das ist peinlich, peinlich an der Stelle.
Es ist eben schon von dem Kollegen Garmer ausgeführt worden, dass die Tochter der Wasserbetriebe ein bewährtes Modell der Hansestadt Hamburg ist. Dort wurde es übrigens mit den Stimmen der Grünen in die Hamburger Bürgerschaft eingebracht und ist so beschlossen worden.
[Joachim Esser (GRÜNE): Wir sind nicht in Hamburg! – Evrim Sommer (LINKE): Wir sind nicht bei „Wünsch dir was!“]
Schau mal da; das ist auch keine Tischvorlage, Kollege! Den Antrag konnten Sie schon seit Monaten lesen. Das hätten Sie vielleicht einmal tun sollen. Er liegt schon seit Monaten im Parlament. Wir hätten ihn gern ein wenig früher beschlossen. Komischerweise konnten die Grünen in Hamburg so etwas unterschreiben. In Berlin können sie es nicht. Das nehmen wir einfach einmal zur Kenntnis.
Für uns ist klar, dass es gut ist, wenn man ein starkes landeseigenes Unternehmen – in Kürze wieder 100 Prozent landeseigenes Unternehmen, das ist die Bedingung – hat und dort eine Tochtergesellschaft gründet,
die als Stadtwerk fungiert – selbstverständlich werden dort Synergien genutzt beispielsweise bei der Kundengewinnung und beim Marketing –, dass das, was es an hoheitlichen Aufgaben gibt und Gebührenrecht ist, immer strikt von dem zu trennen ist, was man als privatwirtschaftliche weitere Aktivitäten unternimmt. Das wird bei den Wasserbetrieben genauso erfolgreich funktionieren wie bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben. Die machen das schon seit Jahrzehnten sehr erfolgreich. Offensichtlich haben Sie das nicht mitbekommen. Das ist sehr schade. Es ist ein an Hamburg orientiertes erfolgreiches Beispiel. Es zeigt, dass man das haushälterisch trennen kann.
Selbstverständlich hilft hier auch einmal das Lesen von Vorlagen, die wir ins Abgeordnetenhaus eingebracht haben. Die Grundsätze stehen hier. Ich lese Sie noch einmal vor. Es geht um Unternehmensgrundsätze.
Als integrierter Energiedienstleister entwickelt das Unternehmen die vorhandenen landeseigenen Aktivitäten weiter. Als Weiterentwicklung können durch Integration oder Kooperation mit bereits bestehenden Erzeugern von Strom, die sich im Landesbesitz befinden, die dezentralen Entsorgungskapazitäten gesteigert werden. Die Unternehmensaufgaben sind unter Berücksichtigung sozial-, umwelt- und strukturpolitischer Grundsätze zu erfüllen.
Herr Schäfer! Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass das, was Sie behaupten, wonach damit keine KWKAnlagen und keine dezentralen Anlagen möglich seien, überhaupt stimmt? Lesen Sie überhaupt die heute zur Abstimmung stehenden Anträge, oder lesen Sie sie gar nicht?
Ich verstehe so etwas nicht. Herr Schäfer hat Desinformation ganz klar betrieben – ich sage Ihnen das. Dazu muss er auch stehen. Wir haben ein Plenarprotokoll, das sich jeder und jede danach noch einmal durchlesen kann.
Ich komme noch einmal zur lieben Diskussion über die Netze. Wir sagen ganz klar, dass Energienetze ganz klar Teil der Daseinsvorsorge sind. Sie gehören strategisch in die öffentliche Hand.
Ist Ihnen schon aufgefallen, Kollege Esser, dass sich dieses Land Berlin aktiv seit April 2012 nicht nur um das Stromnetz mit einer landeseigenen Gesellschaft bewirbt, sondern auch noch um das Gasnetz? Mit Verlaub, der Volksentscheid will, dass man sich nur um das Stromnetz bewirbt. Wir nehmen eine 200-Prozent-Erfüllung und bewerben uns auch um das Gasnetz. An der Stelle könnten Sie einmal applaudieren, wie weit der Senat und dieses Abgeordnetenhaus sind.
Für uns ist auch klar, da hilft kein Zwischenbrüllen und kein Vertun, dass dieses Stadtwerk ein Stadtwerk 2.0, um nicht zu sagen: 3.0, wird. Die Fehler, die in den Neunzigerjahren in diesem Bereich gemacht wurden, werden wir nicht wiederholen. Für uns heißt das, dass dieses Stadtwerk mit seinen Aufgaben wächst. Wir bauen nicht erst eine Unternehmenszentrale für 100 Millionen Euro, stellen fünf Geschäftsführer ein und warten erst einmal ab, was passiert. Nein, wir lernen aus der Hamburger Erfahrung und wachsen mit den Aufgaben.
Auch das ist in den Leitlinien festgeschrieben. Es gibt einen verbindlichen Beschluss des Abgeordnetenhauses. Das ist vorbildliche Transparenz. Alles, was irgendwie offengelegt werden kann, wird offengelegt. Das ist eine Feststellung. Es gibt einen obligatorischen Beirat. Es wird ein Beirat sein, in den auch Berlinerinnen und Berliner von uns gewählt werden können, weil wir diesen extra einrichten werden. Es wird eine obligatorische Ombudsstelle geben. Das gibt es in der Form bisher nicht. Dazu könnte man auch einmal sagen: Hut ab vor solcher neuer Offenheit. Wir haben etwas gelernt aus dem, was im Volksentscheid gefordert wird.
Das letzte Stichwort gilt der Finanzierung des neuen Ökostadtwerks des Landes Berlin. Bisher hat der Senat für das Jahr 2014 1,5 Millionen Euro Gründungshilfe und für das Jahr 2015 1,5 Millionen Euro Gründungshilfe vorgesehen. Sie wissen, dass in Hamburg deutlich mehr Geld gebraucht wird. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, dass wir als SPD auch sagen, dass das nicht ausreichen wird. Wir wollen dort deutlich mehr. Das heißt für uns, dass wir, wenn wir in die Schlussverhandlungen über den Doppelhaushalt 2014/2015 kommen, eine klare Verhandlungsposition haben und dort mehr Geld hineingeben werden. Es muss eine vernünftige Gründung werden, die auch die Aufgaben, die ein Stadtwerk hat, vernünftig erfüllen kann.
Schließlich und endlich – damit will ich auch zum Ende kommen – ist bemerkenswert, Herr Kollege Schäfer, was Sie hier zu Zuständigkeiten im Berliner Senat gesagt haben. Erstens dürfte Ihnen bekannt sein, dass die Zuständigkeiten im Senat immer noch der Senat von Berlin regelt und nicht das Berliner Abgeordnetenhaus. Wir haben einen Regierenden Bürgermeister und das Gremium Senat, das entscheidet. Ihnen sollte genau wie uns klar sein, ist selbstverständlich, dass wir schauen, wie wir die Zuständigkeiten im Senat, was das alles angeht, noch einmal miteinander besprechen, wenn wir in Kürze die völlige Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe erfolgreich bewältigt haben und natürlich die ganzen privaten Konstruktionsgeflechte mit Untergesellschaften der RVB mit Gewinnabführung in den Orkus der Geschichte kommen.
Heute ist der Lackmustest. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, die Gretchenfrage heißt für Sie heute: Unterstützen Sie die Gesetzesvorlage, die die Gründung eines Ökostadtwerkes will und ob das Parlament das will? Positionieren Sie sich mit Ja oder Nein? Dazu müssen Sie sich heute bekennen. Wir erwarten Ihre Antwort. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Herr Kollege Buchholz! Meine Damen und Herren! Einen wahren Satz haben Sie in einem Nebensatz gesagt, nämlich dass mit der jetzigen Finanzierungdieses Stadtwerk keine Aufgabe erfüllen kann. Darin steckt sehr viel Wahrheit.
Sie behaupten, dass heute die Gretchenfrage gestellt wird, ob ein Stadtwerk gegründet wird oder nicht. Wir bekennen uns wie alle Berlinerinnen und Berliner am 3. November. Da fällt die Entscheidung, ob es ein starkes Stadtwerk gibt.
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Daniel Buchholz (SPD): Sie müssen sich bekennen!]