Protocol of the Session on September 26, 2013

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0520

c) Berliner Wasser III: Berliner Wasserbetrieben als Kommunalunternehmen eine Perspektive geben

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und Technologie vom 27. Mai 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 4. September 2013 Drucksache 17/1170

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0521

d) Gesetz zur Sicherstellung der Finanzierung der vollständigen Rekommunalisierung der Berlinwasser-Gruppe (BWG-Finanzierungs-Sicherstellungsgesetz)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1192

Erste Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zu a und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II der Drucksache 17/0519.

Ich eröffne außerdem die erste Lesung zur Gesetzesvorlage des Senats. Ich habe diese Vorlage vorab an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen.

Für die Beratung steht den Fraktionen nun jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stroedter. – Bitte sehr!

[Zuruf]

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Kosche! Es tut gut, wenn man das hört. Ja, die SPD-Fraktion unterstützt ausdrücklich das Bestreben des Senats, den Anteil von Veolia an den Wasserbetrieben zurückzukaufen. Wir begrüßen, dass der Finanzsenator einen Vertrag mit Veolia ausgehandelt hat, und sind der Meinung, dass dies ein sehr großer Erfolg der Regierungskoalition von SPD und CDU ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Berlinerinnen und Berliner haben beim Volksentscheid Wasser der Politik eine klare Ansage gemacht. Sie wollen das Wasser wieder zu 100 Prozent in staatlicher Hand. Der ausgehandelte Preis von 590 Millionen Euro liegt klar unter dem Preis für den Anteil von RWE. Dies macht deutlich, dass der Eintritt in die RVB der Schlüssel zur Übernahme des Gesamtpakets war. Wenn man bedenkt, dass der Gesamtkaufpreis von 1,2 Milliarden Euro weit unter dem Preis liegt, der 1999 für den Verkauf erzielt wurde, kann man von einem ausgesprochen guten Geschäft sprechen. Ich erinnere an all die Bedenkenträger aus dem Wasserausschuss. Das muss man denn auch mal zur Kenntnis nehmen.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Es gab eine Kapitalabsenkung!]

Richtig ist auch, dass der Kaufpreis wieder über einen Kredit bei der IBB finanziert wird und der Landeshaushalt nicht belastet wird.

Nun gibt es hier drei Anträge, über die wir heute sprechen – die Anträge Berliner Wasser I, II und III. Dazu ist Folgendes zu bemerken: Die Anträge sind aus heutiger Sicht überholt und müssen schon deshalb abgelehnt werden. Eine Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes muss sorgfältig geprüft werden. Das Berliner Betriebe-Gesetz ist Grundlage für die Erhebung privatrechtlicher Entgelte durch die BWB und legt die Grundlagen der Berechnung und die Parameter der Berechnungsverordnung – den Zinssatz – fest. Ich wiederhole, was ich in meiner Rede damals, als wir diese Anträge schon mal diskutiert haben, gesagt habe: Ob die Differenzierung zwischen dem betriebsnotwendigen Eigenkapital und dem betriebsnotwendigen Fremdkapital so, Herr Dr. Lederer, wie Sie das vorschlagen, in das Betriebe-Gesetz aufgenommen werden sollte, muss ebenfalls genauestens überlegt werden. Auch die Höhe des betriebsnotwendigen Eigenkapitals ist zu überprüfen. Sicherlich kann man da über die Höhe diskutieren.

Zum Antrag Berliner Wasser II ist zu bemerken: Die Details zur Ermittlung der ansatzfähigen Kosten der Tarifkalkulation, die sich in Sachkosten und kalkulatorische Kosten gliedern, sind in der Verordnung über die Tarife der BWB geregelt. Die Tarife der BWB wiederum werden auf Grundlage von gesetzlichen Vorschriften kalkuliert und festgesetzt – und dies eindeutig unabhängig von der aktuellen Gesellschafterstruktur der BWB.

Der Antrag Berliner Wasser III ist inzwischen komplett überholt, da trotz Ablehnung seitens der Opposition die Anteile von RWE bereits vom Land Berlin übernommen worden sind. Also leider damals nicht mit Ihrer Zustimmung! Deshalb sage ich hier noch mal ganz deutlich: Im Gegensatz zur Opposition hat die Koalition gehandelt. Unser Ziel ist eine langfristig wirksame Wasserpreissenkung von mindestens 15 Prozent beim Frischwasser.

[Uwe Doering (LINKE): Handeln!]

Die Entlastung für 2012 in Höhe von 60 Millionen Euro ist bereits erfolgt, lieber Herr Kollege!

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Aber nicht etatisiert!]

Lassen Sie mich ausreden, dann werden Sie die Antwort hören! – Hieran wird selbstverständlich auch die Entscheidung der Klage der BWB beim Oberlandesgericht in Düsseldorf nichts ändern. Wir gehen davon aus, dass die Tarife entsprechend angepasst werden, sodass sicherlich spätestens ab 2015 nicht mehr mit nachträglichen Gutschriften gearbeitet werden muss, sondern die Tarife angepasst sind.

Wir fordern die Oppositionsfraktionen auf – und wir werden ja in der Debatte noch zum Vermögensgeschäft kommen, und ich bin heute schon sehr gespannt –: Stimmen Sie dem Rückkauf der Anteile der Veolia zu, und leisten Sie sich nicht wieder das gleiche Nein wie beim Ankauf der Anteile von RWE! Einen Rückkauf unter

Vorbehalt, wie Sie es damals ja schon gefordert haben, Frau Kosche, wird es nicht geben. Sie würden damit nur den Ankauf der Anteile gefährden. Dies wäre nichts anderes als pure Opposition und der Beweis dafür, dass Oppositionshaltung manchmal dann doch wichtiger ist als der ausdrückliche Wunsch der Bevölkerung nach Rekommunalisierung im Bereich Wasser. Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner haben Anspruch darauf, dass der Volksentscheid Wasser ernst genommen wird, und der Senat und die Koalitionsfraktionen werden in diesem Sinne handeln. Wir hoffen, die Opposition auch. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Esser. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Stroedter! Es wird keine gute Tat daraus, wenn man ein Problem angeht, dass man selbst in einem Anflug von politischer Umnachtung herbeigeführt und geschaffen hat.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Unser heutiges Thema ist eigentlich die Frage, ob Ihr Versuch, die Fehler von vor 15 Jahren zu heilen, geeignet ist, aus dem Schlamassel herauszufinden und die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger beim Volksentscheid zu erfüllen, sodass es am Ende nicht wieder zu einem bösen Erwachen kommt. Das ist das Thema von heute.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Offensichtlich scheint das ja alles nicht so wichtig zu sein. Ich sehe mir mal die leeren Bänke bei der SPD an und nutze diese Gelegenheit auch, um Ihnen ganz offen zu sagen: Einen Koalitionsausschuss parallel zu einer Parlamentssitzung zu legen, das ist vom politischen Stil her unterste Schublade.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das kenne ich aus Regierungszeiten nicht, und das kenne ich als Fernsehzuschauer nicht. Wer so etwas hat – mit Regierungskrise und Koalitionsausschuss; das wissen wir alle –, der hat dann immer einen verdorbenen Abend und eine schwierige Nachtsitzung, aber nicht eine geschwänzte Parlamentssitzung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich will jetzt nur etwas zu der haushalterischen Sache sagen, weil Sie, Herr Stroedter, gesagt haben: Wichtig ist,

(Jörg Stroedter)

dass der Kauf den Haushalt nicht belastet. Wichtig ist das schon, aber richtig ist das nicht, denn einen Kaufpreis von 1,2 Milliarden Euro ohne einen Cent Eigenkapital zu machen, das ist verantwortungslos.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie haben mit dieser BWB Rekom Berlin GmbH & Co KG doch praktisch eine Art Privat-Equity-Gesellschaft gegründet, die ohne eigenes Geld und Vermögen allein auf Kredit und die Bonität der Bundesrepublik Deutschland auf Einkaufstour geht. Seit Münteferings legendärer Wortschöpfung von damals nennt man so etwas Heuschreckenfinanzierung.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Es ist angesichts einer solchen Ausgangslage nicht sehr wahrscheinlich, dass die Wasserpreise wie versprochen durchgreifend sinken werden. Dabei war es doch die Erwartung des Volksentscheids, dass das geschieht. Es gab die Erwartung, dass Sie alle diese Gesetzesänderungen zurücknehmen, die SPD und Linke in den Jahren nach 2004 hier durchgedrückt haben, um die kalkulatorischen Kosten und in der Folge die Preise in die angestrebte Höhe zu treiben. Es gab auch Widerstände bei Ihnen in den eigenen Reihen. Ich erinnere an einige davon: Das waren die Abschreibungen auf Wiederbeschaffungswerte als größter Posten, die Erhöhung der Kapitalverzinsung, Grundgebühr und Arbeitspreis, Anschluss- und Benutzerzwang, damit bloß keiner einen Brunnen gräbt. Die Erwartung an Sie ist, dass Sie diese Politik revidieren, sonst hat die ganze Rekommunalisierung keinen Sinn! Machen Sie wenigstens irgendetwas, das wenigstens finanziell gleichlagernd preissenkend wirkt, wie beispielsweise die Neubewertung des betriebsnotwendigen Kapitals oder eine Verlängerung von Abschreibungszeiträumen.

Es ist aber schlichtweg schäbig, einfach weiter so wie bisher zu machen und nur das Firmenschild auszuwechseln. Wo früher 49 Prozent privat darauf stand, steht nun 100 Prozent staatlich, und für den Bürger ändert sich nichts. Einstweilen ist das so. Ich glaube, das ist nicht das, was die Menschen beim Volksentscheid gedacht haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dem Ziel könnten Sie durchaus näher kommen, wenn Sie den Rückkauf solide finanzieren und 400 Millionen Euro aus eigenen Mitteln in den Rückkauf stecken würden, statt alles auf Pump zu gründen. Dann hätten Sie eine solide Finanzierung aus einem Drittel Eigenkapital und zwei Dritteln Fremdfinanzierung. Sie würden es zukünftigen Generationen ersparen, sich in 20 Jahren zu überlegen, ob sie überhaupt in der Lage sind, für die zehn Jahre danach eine tragfähige Umfinanzierung darzustellen. Kurzum: Sie hätten eine solide und nachhaltige Finanzie

rung dieser Operation. Es ist keine Frage, 400 Millionen Euro sind viel Geld. Es ist aber auch keine Frage – Herr Nußbaum wird schon unruhig –, der Finanzsenator hat sie im Bunker im Landeshaushalt, wie wir alle wissen, vorausgesetzt, dass Herr Wowereit – der jetzt Besseres zu tun hat – das ganze schöne Geld nicht für sein Versagen als Aufsichtsrat des BER in Anspruch nimmt. Wir werden das im Verlauf des Jahres noch sehen. Auf diese Art und Weise – denke ich – könnten Sie Luft für Preissenkungen schaffen, künftige Generationen nicht mit einem Zinsänderungsrisiko belasten und die Lehren aus der Finanz- und Schuldenkrise ziehen.

Sie müssten zum Schluss kommen.

Sie müssten die Lehren ziehen, dass es notwendig ist, auch Eigenmittel und nicht nur Kredite zu haben, um dann bei dem kleinsten Problem, das es gibt, nicht gleich ganz umzufallen und wie die Banken und die verschuldeten Staaten dem Steuerzahler auf die Füße fallen.

Sie müssten bitte wirklich zum Schluss kommen.

Es ist mein letzter Satz: Ich frage nur einmal die CDU, wofür sie eigentlich in die Regierung gegangen ist, wenn sich nichts ändert und die Sozialdemokraten wie bisher weitermachen können.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]