Man kann sich doch einmal über unterschiedliche Modelle unterhalten. Natürlich ist das ein gangbarer Weg, die städtischen Gesellschaften direkt zu unterstützen. Klar kann man landeseigenes Geld nehmen und direkt an städtische Gesellschaften vergeben.
Man kann es sofort tun. – Aber es gibt auch andere Modelle, die vielleicht auch Sinn machen und die man nicht gleich abtun sollte. Wir haben eben aus der Piratenfraktion gehört, es sei ganz furchtbar, wenn man über Private und ihr Engagement nachdenkt. Ich sage immer: Durchatmen und gucken, ob man nicht noch mehr erreichen kann mit städtischem Geld! – Natürlich wollen wir städtische Gesellschaften unterstützen. Ich habe doch kein Interesse daran, private Bauherren fett zu machen. Warum sollte ich das tun? Das ist gar nicht mein Ansatz. Mein Ansatz ist: Wie komme ich auf allen Flächen, in allen Stadtteilen, in allen Quartieren zu guten, bezahlbaren Wohnungen und zu niedrigen Mieten? Dazu muss ich möglicherweise ein Instrumenten- und Maßnahmenmix haben.
Städtebauliche Verträge sind gut und richtig. Staatssekretär Gothe verhandelt das gerade mit den Bezirken, damit wir eine neutrale Grundlage haben, auf der alle Bezirke agieren sollen. Sie sollen durchsetzen, wie die Wertabschöpfung ist und wie die soziale Infrastruktur dargestellt werden kann – ob direkt über die Verträge und die Bauherren oder eben über die Wertabschöpfung über uns und wir das Geld vereinnahmen. Es gibt die unterschiedlichsten Modelle, aber Sie kommen mit städtebaulichen Verträgen an Ihre Grenzen. Wenn Sie nach einem städtebaulichen Vertrag immer noch wollen, dass die Mieten nach unten gedrückt werden, weil Sie in bestimmten Quartieren Mieten von 6 oder 7 Euro für eine gesunde soziale Durchmischung brauchen,
dann benötigen Sie dafür Instrumente. Deswegen kämpfe ich für den Wohnungsbaufonds. Ich tue das nicht, um Private fett zu machen, sondern wir brauchen einen Instrumentenmix, um zu sozialen und bezahlbaren Mieten zu kommen. Darum geht es.
Ich freue mich auch darüber, dass die Koalitionsfraktionen und die Fachpolitiker der Koalition das offensichtlich ähnlich einschätzen.
Weitere Instrumente spielen natürlich eine Rolle, zum Beispiel das Personal für die Bezirke. Ich richte allerdings auch einmal einen Wunsch an die Koalition: Ich hoffe, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird dabei nicht vergessen. Das gehört zur Wahrheit. Es ist richtig und wichtig, dass die Bezirke schnellere Bautätigkeit unterstützen, schneller an den Bebauungsplänen arbeiten können; es ist aber auch richtig zu sagen: Es gibt viele Initiativen und Maßnahmen, die von den Größenordnungen her so wichtig sind, dass es vielleicht besser die Senatsverwaltung machen sollte. Dann muss auch die entsprechend ertüchtigt sein, damit sie dafür sorgen kann, dass wir schnell zu Bebauungsplänen kommen.
Es ist richtig, dass die Koalition darüber nachdenkt, ob es Anreizsysteme für die Bezirke wie die Sprinterprämie bei der Beschlussfassung zur Umsetzung der Wohnungen gibt. Gerade werden die Zielvereinbarungen mit den Bezirken verhandelt, die ähnlich dem Modell in anderen Städten und Bundesländern sind. Auch da ist Staatsekretär Gothe dran, mit den Bezirken ganz konkret und individuell zu verabreden, wie die Situation im Bezirk ist, was ein Bezirk schaffen kann, in welchem Zeitraum er etwas schaffen muss und wie wir den Bezirk darin unterstützen können. Wir brauchen das Engagement, wie gesagt, in allen Quartieren.
Neben diesen ganzen Instrumenten und Maßnahmen finde ich aber in dieser Debatte und Aussprache eigentlich etwas anderes ganz entscheidend, nämlich die Frage: Welche Haltung haben wir eigentlich zum Bau und der Weiterentwicklung der Infrastruktur in unserer Stadt? – Darum geht es ja in dieser Aktuellen Stunde auch. Die Stadt verändert sich – die beiden Fraktionsvorsitzenden haben darauf hingewiesen –, sie wächst: 250 000 Menschen erwarten wir in den nächsten 15 bis 17 Jahren. Das ist die Größenordnung eines ganzen Berliner Bezirks. Darauf müssen wir in den unterschiedlichsten Bereichen reagieren: Soziales, Integration, Bildung – überall müssen wir dazu Maßnahmen ergreifen. Wir erarbeiten deswegen im Senat ressortübergreifend ein Stadtentwicklungskonzept 2030, um genau das festzuhalten und zu formulieren, was an Maßnahmen für die sich verändernde Stadt nötig ist und wie wir darauf kurz-, mittel- und langfristig reagieren wollen.
Andere Infrastruktur gehört natürlich auch dazu, etwa Grün. Mir wird ständig vorgehalten, ich führe nur zugunsten des Wohnungsbaus einen Kampf gegen die Grünflächen in der Stadt. Das ist natürlich völliger Quatsch! Ich bin ja auch Umweltsenator und doch nicht mit dem Klammerbeutel gepudert und führe einen Kampf gegen die Grünflächen in unserer Stadt! Wir brauchen die
Grünflächen, nicht nur, weil die Berlinerinnen und Berliner sie lieben, sondern wir brauchen sie einfach auch für ein gutes Zusammenleben, für den ökologischen Anspruch, den wir miteinander formuliert haben. Da ist in den letzten anderthalb Jahren viel passiert. Ob das die Erweiterung des IGA-Geländes, der Landschaftspark Gatow, 230 Hektar Tempelhofer Feld, 29 Hektar Gleisdreieck, 6 Hektar Mauerpark ist – alles das steht seit den letzten Monaten zusätzlich an grüner Infrastruktur zur Verfügung.
Aber wir brauchen eben auch gebaute Infrastruktur. Wir brauchen Straßen, Plätze, Brücken, Schulen, Kitas – und wir brauchen Wohnungen. Deswegen war es mir heute so wichtig, dass wir in Tempelhof bekannt geben, dass es auf dem Tempelhofer Feld jetzt mit dem Wohnungsbau vorangeht. Das ist das Entscheidende: Wir brauchen, um uns auf die Veränderungsprozesse einstellen zu können, jetzt Wohnungen. Ich will jetzt Wohnungen haben, nicht irgendwann. Es muss jetzt vorangehen, damit wir dann, wenn die Situation durch den Bevölkerungszuwachs wirklich schwierig wird, eine entsprechende Entlastung für die Berlinerinnen und Berliner organisiert haben. Das ist das Entscheidende.
Wir haben hier genau das nicht gemacht, was ständig unterstellt wurde. Die eine Unterstellung war: Du arbeitest doch sowieso nur mit Privaten zusammen. Dir ist doch völlig schnuppe, was für Wohnungen da entstehen – Hauptsache, es geht schnell; Hauptsache, es ist teuer; Hauptsache, es ist weg. – Wir haben heute genau das Gegenteil bewiesen: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten als Stadtentwicklungsverwaltung mit städtischen Partnern und Genossenschaften verhandelt. Die Stadt und Land Wohnungsbaugesellschaft, die DEGEWO und die Wohnungsbaugenossenschaft Ideal stehen als Partner zur Verfügung, um mit uns gemeinsam an den Rändern des Tempelhofer Felds 1 500 bis 1 700 Wohnungen zu bauen. Das Entscheidende an dieser Stelle ist, dass eben nicht nur Wohnungen gebaut werden, sondern auch, was für Wohnungen gebaut werden. Es werden kleinteilig auch Anderthalb-, Zweizimmerwohnungen sein, wie sie die Grünenfraktion eben gefordert haben. Es werden Familienwohnungen sein, die dort zur Verfügung stehen. Und wir haben in unserer Vereinbarung, die wir heute getroffen haben, festgehalten, dass über 50 Prozent dieser Wohnungen zu einem Preis zwischen 6 und 8 Euro angeboten werden. – Das ist im Neubau gutes, bezahlbares Wohnen in unserer Stadt in bester Lage, und das gehört mit dazu.
Es ist mir wirklich wichtig zu sagen, dass mir gerade vor dem Hintergrund, wie wir in der ganzen Stadt bezahlbaren Wohnungsneubau organisieren, Tempelhof so wichtig ist, denn ich glaube, davon geht auch ein Signal aus. Das ist entscheidend. Ich finde nämlich, die Frage – die ich auch öfter hier im Hause höre –, warum ich eigentlich ans Tempelhofer Feld heranginge; es gebe doch so viel an
dere Baulücken und Brachen, und ich könne doch woanders verdichten, zeugt davon, dass man mit sich selbst und seiner eigenen Lebenssituation eigentlich rundum zufrieden ist. Das sagen die, die mitten in der Stadt im S-Bahnring wohnen, möglichst in der Bergmannstraße – wenn ich da durchlaufe, ist das fast immer wie ein grüner Parteitag –, die dort ihre Wochenenden verbringen, dann zum Tempelhofer Feld rüberwandern – wunderbar! – und die Innenstadt genießen.
Aber wenn Menschen in unserer Stadt Wohnraum suchen oder in unsere Stadt kommen und sagen, wir wollen auch in den attraktiven Innenstadtquartieren leben – ich glaube ja, dass alle Berliner Bezirke ihre Attraktivität haben. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass die Bereiche im S-Bahn-Ring besonders nachgefragt sind –, wird schnell gesagt: Nee, warum denn? Da brauchen wir keine Verdichtung; da lass‘ doch einfach alles, wie es ist; wir fühlen uns da pudelwohl. – So eine Haltung finde ich zutiefst unsozial!
Sie führen das bei Tempelhofer vor. In dem einen Quartier am Tempelhofer Damm wollen wir mit 1 500 bis 1 700 Wohnungen beginnen. Wenn man insgesamt alle Quartiere an der Oderstraße oder am Südring bedenkt, kann man um die 4 500 Wohnungen bauen. Aber schon kommen die Stimmen des Grünen-Fraktionsvorsitzenden der BVV Tempelhof oder von der Grünen-Baustadträtin in Tempelhof, die sagen: Ja, man kann etwas machen, aber 500 bis 1 000 Wohnungen in Tempelhof reichen völlig. – Das ist es: Genau das wird in den nächsten Jahren so in unserer Stadt nicht möglich sein, nämlich immer zu sagen: Irgendwo anders kann etwas passieren. – Herr Otto hat vorhin hier gestanden und gesagt: Herr Müller! Seien Sie doch mal mutig und bauen Sie höher, dichter und mehr! – Aber wenn es dann am Tempelhofer Feld konkret wird, wo die eigene Klientel unterwegs ist – da dann natürlich nicht!
Ich komme zum Schluss! – Ich glaube, das ist die entscheidende Frage und die entscheidende Diskussion im Moment in der Stadtgesellschaft: Wir brauchen einen Ausgleich unterschiedlichster Interessen. Selbstverständlich gehören Grün- und Freiflächen dazu. Ich habe es heute in der Pressekonferenz gesagt, wie es hier sage: Mit mir wird es eine Bebauung dieser 230 Hektar in der Mitte des Tempelhofer Felds nicht geben. Diese Grünfläche
brauchen wir; wir wollen sie so erhalten. Aber wir wollen eben auch eine weiterentwickelte Infrastruktur. Ich finde es gut, dass wir Straßen, Brücken und Tunnels bauen. Ich finde es gut, dass wir Wohnungen bauen, und zwar in der ganzen Stadt. Das gehört dazu.
Wenn von dieser Parlamentssitzung einmal ein Signal ausgehen würde, dass es nicht nur eine engagierte Koalition gibt, die sich um die Weiterentwicklung der Stadt kümmert, sondern auch eine Opposition, die das unterstützt, dann hätten wir heute eine Menge gekonnt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator Müller! – Für die zweite Rederunde gibt es eine Wortmeldung, und sie ist von dem Kollegen Prieß. – Sie haben noch vier Minuten und 55 Sekunden.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs strahlt auf die heutige Debatte aus. Es ist interessant zu beobachten, wie CDU und SPD gemeinsam zu Vorkämpfern für bezahlbares Wohnen und schnellen Wohnungsneubau werden. Sie überschlagen sich mit Beschleunigungsvorschlägen bis hin zu Zielprämien von 500 Euro pro Wohneinheit, die dem Bezirk zustehen, in dem der Wohnungsneubau stattfindet. Aber im Gegensatz zu dem, was Herr Müller hier eben angemerkt hat, ist es egal, wem und wofür diese Prämie gezahlt wird – eine Bindung an bezahlbare Mieten oder irgendwie sozial ausgerichtete Neubauprojekte ist nicht vorgesehen. Es geht vielmehr um jede Wohnung, die im Bezirk errichtet wird.
Eine Neubaueuphorie ist aber stets verbunden mit Gefahren für den Preis und die Qualität der errichteten Gebäude. Wir erinnern uns an den geförderten sozialen Wohnungsbau oder den ab 1990 ausgelösten siebenjährigen Bauboom, durch den das sogenannte Jahrhundertgeschenk im Förderungsgebietsgesetz kam, das überhöhte Herstellungskosten, Qualitätsmängel und damit teuren Neubau zur Folge hatte und außerdem ein finanzieller Treibsatz für den Bankenskandal war, der unseren Haushalt noch heute belastet.
Wir haben weiterhin sechs Stellen für Baugenehmigungen in den Bezirken, die aber nur befristet sind. Nachdem die Fachleute vorher eingespart wurden und Nachwuchs
nicht eingestellt werden konnte, sollen jetzt befristete Stellen dort geschaffen werden. Sobald die Leute richtig eingearbeitet sind, sind sie auch schon wieder auf der Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive, weil ihre Stelle auszulaufen droht. Insofern sollten wir noch einmal genau hinsehen, wie die Planungen aussehen.
Der reine Wohnungsneubau im frei finanzierten Sektor geschieht eigentlich von alleine. Dieses Marktsegment ist abgedeckt, das ist eigentlich das gehobene und Luxussegment und nicht das, was wir fördern müssten. Vielmehr ist darauf zu achten, dass keine Luxusghettos oder Gated Communities entstehen, sondern dass der gehobene Wohnungsbau sich in die Stadtstruktur und Stadtgesellschaft integriert, soziale Spannungen nicht erhöht und Verdrängungsprozesse nicht verschärft werden.
Ein probates Mittel hierfür könnten städtebauliche Verträge sein, die dafür sorgen, dass die soziale Durchmischung auch in Neubauquartieren gewährleistet bleibt und immer auch ein ausreichender Anteil preiswerter Wohnungen und Mietwohnungen mit entsteht. Die Koalition hat ihre Ansätze in ihren Anträgen schon formuliert. Unserer Meinung nach reichen die nicht aus. Eine Quote von Zweidrittelabschöpfung des Planungsmehrwertes ist zu wenig. Für uns wären eher 90 Prozent angemessen, wie der Gesetzgeber es im Erschließungsbeitragsrecht normiert hat. Generell ist auch eine 100-prozentige Abschöpfung im Einzelfall nicht unbillig.
Meine Zeit ist knapp, ich muss meinen Beitrag etwas kürzen. – Der Lackmustest für die neue Liegenschaftspolitik ist eigentlich eher negativ ausgefallen, wenn ich lesen muss, dass auf den Baufeldern des Tempelhofer Feldes den städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Grundstücke zum Verkehrswert überlassen werden sollen. Senator Müller hat es vorhin schon angemerkt, dass Erbbaupachtmodelle viel besser wären. Wir würden uns wünschen, dass solche hier auch Anwendung finden. Allerdings ist dann natürlich die Erschließungsfrage ungeklärt. Das ist auch ein Problem, das wir auf dem Tempelhofer Feld haben, wenn wir das entwickeln wollen,
dass wir dort Erschließungskosten haben, die wir zum Beispiel nicht haben, wenn Baulücken geschlossen werden und der Wohnungsneubau auf solche Flächen begrenzt wird.
Der zehnjährige Kündigungsschutz, den wir für umgewandelte Wohnungen vorgesehen haben, ist zwar gut und richtig, aber wir hatten hier den Antrag einer Umwandlungsverordnung zu beraten. Ich nehme es als positives Signal des Senators auf, dass wir darüber noch verhandeln müssen. Das werden wir im Ausschuss auch tun. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Danke schön, Herr Kollege Prieß! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. Wir kommen zu den Überweisungen. Zum Antrag Drucksache 17/1133, Stichwort: Mieterschutz im Kiez, wird die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Den Überweisungen der Antrage Drucksache 17/1153 und 17/1160 hatten Sie eingangs bereits zugestimmt.