Berlin wird seiner Verantwortung gerecht: Grundgesetzliches Recht auf Schutz und Asyl fair, sicher und schnell umsetzen!
Gemeinsam wird Berlin seiner Verantwortung gerecht: Recht auf Asyl und Schutz vor Verfolgung und Krieg
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/1140
Der Dringlichkeit wird, davon gehe ich jetzt aus, nicht widersprochen, oder irre ich mich da? – Nein, gut! Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Radziwill. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Flüchtlinge sind in Berlin willkommen. Wir bekennen uns klar zum grundgesetzlich verbrieften Recht auf Asyl, und für meine Fraktion verurteile ich ganz klar die rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Umtriebe vor der Sammelunterkunft in Marzahn-Hellersdorf, aber auch vor jeder anderen. Rechtes Gedankengut hat in dieser Stadt keinen Platz und schon gar nicht vor den Einrichtungen von Flüchtlingen.
Die rechtsextreme Hetze gegen das neue Flüchtlingsheim in Marzahn-Hellersdorf ist daher unerträglich, denn in diesem Heim finden Flüchtlinge Aufnahme, die das grundgesetzlich geschützte Recht auf Asyl in Anspruch nehmen müssen. Sie haben oft Schreckliches in ihren Heimatländern erlebt und mussten deshalb fliehen. Sie haben das Recht auf unseren Schutz und unsere Hilfe. Es ist schlimm, dass ihnen nun an manchen Orten in Berlin von politischen Extremisten befeuerter Hass entgegenschlägt. Alle Demokratinnen und Demokraten sind zu Widerspruch und Solidarität mit den Flüchtlingen aufgerufen. Wir wollen in dieser Aktuellen Stunde das Signal aussenden: Berlin nimmt selbstverständlich Flüchtlinge auf, die unsere Hilfe brauchen. Wir nehmen die Herausforderungen an, die damit verbunden sind. Die Hetze der Rechtsextremisten und Rechtspopulisten darf nicht unseren Blick auf die wirklichen Herausforderungen verstellen.
Die Flüchtlingszahlen steigen im ganzen Bundesgebiet und damit auch in Berlin. Nach dem Königsteiner
Schlüssel nimmt Berlin 5 Prozent aller Asylsuchenden auf, und das tun wir gern. Die Flüchtlinge haben das Recht auf menschenwürdige Unterbringung. Dafür setzen wir uns ein. Unser vorrangiges Ziel ist es, den Flüchtlingen auf ihren Wunsch hin sobald wie möglich den Bezug einer eigenen Wohnung zu ermöglichen. Große Gemeinschaftsunterkünfte sind für uns nur eine Notlösung. Sie sind angesichts der steigenden Zahlen der Asylantragsteller aktuell leider nicht zu vermeiden.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass genaue Zuzugsprognosen kaum möglich sind. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Bundesländern mitgeteilten Prognosezahlen wurden jedes Jahr im Bundesgebiet um mehrere Tausend Personen überschritten. Die Prognosen werden einmal im Frühjahr für das gesamte Jahr erstellt. Das erschwert das Reagieren auf aktuelle Entwicklungen. Daher ist das Vorhalten großer ungenutzter Wohnraumkapazitäten für Berlin auch finanziell kaum leistbar, aber wir wollen Flüchtlinge in Wohnungen unterbringen. Auch der Senat unterstützt die Flüchtlinge beim Bezug eigener Wohnungen.
Für die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig. An dieser Stelle bedanke ich mich, auch im Namen meiner Kollegen und Kolleginnen, bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beim LAGeSo für ihr tolles Engagement. Sie tun hier zurzeit sehr viel, lösen schwierige Aufgaben und machen eine gute Arbeit.
In den Haushaltsberatungen werden wir eine personelle Verstärkung des LAGeSo beschließen, um es bei der menschenwürdigen Unterbringung der Flüchtlinge zu unterstützen.
Mit rund 8 000 Personen lebt bereits jetzt schon ein großer Teil der etwa 14 500 Anspruchsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in einer eigenen Wohnung. Etwa ein Viertel aller Personen erhält seit vier oder mehr Jahren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei dieser Personengruppe beträgt der Anteil mehr als 90 Prozent. Allein vom LAGeSo wurden von Januar bis Juli 2013 Wohnungen für 348 Personen vermittelt. Trotz des angespannten Wohnungsmarkts wurde die Anzahl der Wohnungen für Flüchtlinge in den letzten Jahren verstärkt. Das LAGeSo schafft in Kooperation mit den Bezirken kontinuierlich weitere Gemeinschaftsunterkünfte und Kapazitäten für Asylsuchende im ganzen Stadtgebiet. Derzeit gibt es rund 30 Flüchtlingseinrichtungen in Berlin, in deren Umfeld ein friedliches Miteinander und eine große Hilfsbereitschaft der Berliner und Berlinerinnen die Regel ist. In den Einrichtungen sind zurzeit rund 6 400 Menschen untergebracht. Die aktuelle Jahres- und Belegungsprognose des LAGeSo geht von einem Bedarf in Höhe von 7 300 Plätzen aus. Das heißt,
wir brauchen voraussichtlich in Berlin bis zum Jahresende rund 1 000 Plätze mehr. Das bedeutet, es werden noch mehr Einrichtungen in den Bezirken entstehen müssen.
Die Bezirke beteiligen sich bisher sehr unterschiedlich an der Aufgabe, für die Flüchtlinge Unterkünfte bereitzustellen. Das wird und muss sich ändern. Mit den Bezirken ist die gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge in ganz Berlin vereinbart. Lichtenberg mit rund 1 200 Asylbewerberinnen und -bewerbern und Flüchtlingen führt die Statistik an. Im Mittelfeld bewegen sich Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, Tempelhof-Schöneberg und jüngst auch Reinickendorf – auf Druck. Mit deutlich mehr Zuzug müssen sich nun Pankow, MarzahnHellersdorf, Steglitz-Zehlendorf, aber auch Neukölln befassen.
Es gab Zeiten, in denen wir in Berlin bis zu 35 000 Flüchtlinge aufgenommen und ihnen temporär eine Heimat gegeben haben. Angesichts der Größe unserer Metropole mit rund 3,5 Millionen Menschen ist eine Steigerung um weitere 1 000 leicht verkraftbar. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Nachbarschaft frühzeitig informieren und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Anwohnern, Anwohnerinnen und den Neuankömmlingen schaffen. Anwohner und Anwohnerinnen von Flüchtlingsheimen wollen in guter Nachbarschaft leben. Das wollen wir unterstützen. Uns ist wichtig, dass sie gut über die Unterbringungsobjekte informiert werden und mögliche kritische Einwände frühzeitig ausgeräumt werden. Es ist statistisch – das will ich hier auch erwähnen – erwiesen, dass sich im Umfeld von Sammelunterkünften keine Kriminalitätsschwerpunkte herausbilden. Darauf hat Innensenator Henkel kürzlich auch hingewiesen, und das muss auch bekannter werden.
Viele zivilgesellschaftliche Akteure unterstützen bereits jetzt Flüchtlinge und Asylsuchende in unserer Stadt. Diese Netzwerke müssen noch stärker für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Sammelunterkünften gewonnen werden. Hier leisten z. B. die Kirchengemeinden bereits jetzt großartige Arbeit. Auch dafür und auch bei den anderen Akteuren möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Wir brauchen auch folgende Unterstützung: Die Akteure vor Ort, aber auch die Kommunen brauchen bei der Bewältigung dieser Aufgaben insbesondere die Unterstützung der Nachbarschaft, insbesondere die Arbeit vor Ort, auch finanzielle Ressourcen. Ich sehe hier den Bund in einer stärkeren Herausforderung und auch die Notwendigkeit der Unterstützung. Der Bund muss aus unserer Sicht ein Sofortprogramm auflegen, damit die Kommunen diese Aufgaben besser bewältigen können.
Die SPD steht für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Die Ursachen von Flucht wie Verfolgung, Diskriminierung und Armut müssen in den Herkunftsländern
bekämpft werden. Menschen, die dennoch fliehen müssen, wollen wir in Berlin, in Deutschland, in der Europäischen Union Schutz gewähren. Es ist auch dringend nötig, die Leistungen für Asylbewerber mindestens nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu reformieren und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Dafür benötigen wir eine Positionsänderung im Bund.
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich meine Freude darüber kundtun, dass es uns gelungen ist, heute eine gemeinsame Resolution zu verfassen und uns zu verständigen. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen, denn gemeinsam wird Berlin seiner Verantwortung für das Recht auf Asyl, Schutz vor Verfolgung und vor Krieg gerecht. Dazu stehen wir. Berlin hat diese Verantwortung. Flüchtlinge und Asylbewerber sind bei uns willkommen, und wir stehen zu dieser Verantwortung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Radziwill! – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Pop. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Auch ich freue mich, dass es uns gemeinsam gelungen ist, eine Resolution einzubringen, die wir gleich gemeinsam auch abstimmen werden, weil ich glaube, dass es Fragen gibt, in denen alle demokratischen Parteien zusammenstehen sollten – in Zeiten des Wahlkampfs, in Zeiten von Nicht-Wahlkampf, in Zeiten, in denen unsere Stadt bewegt ist. Ich bedanke mich wirklich bei allen für die produktive und konstruktive Zusammenarbeit.
Unsere Stadt ist Metropole, Weltstadt, Aushängeschild der Bundesrepublik, ein richtiggehender Sehnsuchtsort. Der Regierende Bürgermeister sagt immer: „The place to be für viele Menschen in Europa und in der Welt.“ Berlin ist dynamisch, vielseitig, ist Kiez und Metropole, weltoffen und international.
Das alles ist nicht allein eine Entwicklung der letzten Jahre, sondern davon liegt vieles tief in der langen und wechselvollen Geschichte unserer Stadt begründet. Berlin war schon immer Einwanderungsstadt, die Zuwanderer haben über die Jahrhunderte unsere Stadt geprägt und ihr ein Gesicht gegeben. Berlin hat aber auch in schweren Zeiten immer Hilfe und Unterstützung erhalten, Hilfe nach Zerstörung und Befreiung, Hilfe beim Wiederaufbau und in der Blockade und in Zeiten der Teilung.
Nun, wo Berlin seit über 20 Jahren wieder eine freie, eine wachsende Stadt ist, ist es uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir anderen, die in größter Not sind, ebenfalls helfen. Dies ist nicht nur Lehre und Verantwortung, gewachsen aus unserer Geschichte, das ist eine Frage von Menschlichkeit, von Würde, Respekt, Anstand und Hilfsbereitschaft.
Auch wenn unsere Stadt manchmal als etwas rau und kantig bezeichnet wird, nicht nur die Berliner Schnauze hat Herz, es sind die Menschen und die Stadt selbst, die ein Herz für Schutzbedürftige und Verfolgte haben.
Wir sehen uns seit einiger Zeit in einer Situation – Frau Radziwill hat es angesprochen –, in der diese Eigenschaften wieder verstärkt gefragt sind. Wir sehen die Bilder täglich im Fernsehen und wir lesen es in der Zeitung: Die furchtbaren Bürgerkriege und Unruhen in Syrien, Afghanistan oder im Irak, der untergehende arabische Frühling – das alles findet in einer globalisierten Welt nicht einfach am anderen Ende der Welt statt. Die Auswirkungen sind weltweit und auch bei uns zu spüren, vor allem durch Millionen von Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung sind. Diese Menschen kämpfen um ihr Überleben. Sie haben alles verloren. Viele haben alles gegeben, um der Hölle ihrer Heimat zu entkommen. Diese Menschen brauchen Hilfe und es ist unsere höchste Pflicht, ihnen die Hilfe auch zu gewähren. Und Berlin hilft, weil wir es wollen, weil wir es müssen und weil wir es können.
Zu was Berlin in der Lage ist, haben wir schon in den Neunzigerjahren gesehen, als damals eine viel größere Zahl von Flüchtlingen, vor allem aus dem kriegsumtobten Balkan, hier Zuflucht und Schutz fanden. Und Berlin wird auch jetzt, wo es darauf ankommt, schnell Hilfe zu leisten und Menschen aufzunehmen, diese aufnehmen und menschenwürdig unterbringen.
So einig wir uns auch sind, Hilfe zu leisten und Flüchtlingen bei uns Schutz zu bieten, so macht die derzeitige Situation auch wieder deutlich, dass es bei der Umsetzung unserer humanitären Verpflichtungen noch viele offene Fragen gibt, dass noch vieles gelernt und umgesetzt werden muss. Dabei haben wir jedoch einen sehr klaren Grundsatz, der nicht zur Disposition steht, der lautet: es gibt ein Grundrecht auf Asyl.
Die Fragen, die wir hier diskutieren, drehen sich deswegen auch um das Wie, wie wir helfen können. Wie sorgen wir dafür, dass Flüchtlinge hier Ruhe und Sicherheit finden? Wie ermöglichen wir ihnen ein menschenwürdiges Leben, das über eine reine Verwahrung hinausgeht?
Immer wieder steht die Frage der angemessenen Unterbringung von Flüchtlingen im Fokus. Wir haben es auch heute wieder diskutiert: Ja, zunächst soll es Sammelunterkünfte für die frisch Eingetroffenen geben. Aber aus unserer Sicht gehört dann dazu, vernünftigen Wohnraum zu finden und zu schaffen hier in der Stadt, weg von der sozialen Isolation in Sammelunterkünften, hin in die Nachbarschaften, hinein in die Wohnungen. Wir wollen diesen Grundsatz auch in Berlin deutlicher umsetzen – im Sinne der Flüchtlinge, aber auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die häufig dadurch überhaupt erst die Möglichkeit bekommen, in Kontakt zu kommen. Es ist nämlich viel leichter, Flüchtlinge als Nachbarn zu erleben, wenn diese ein Gesicht, einen Namen, eine Familie und eine Geschichte haben und nicht fremde Projektionsflächen für allerlei Ängste und gar Vorurteile sind.
Soziale Isolation beenden, Integration ermöglichen und gesellschaftliche Verständigung schaffen, das ist hier die Aufgabe. Da kann es, finde ich, nicht sein, dass städtische Wohnungsbaugesellschaften ihrer Verantwortung seit Jahren nicht nachkommen, da müssen, da werden wir auch alle nachhaken.