2004 ist der richtungsunabhängige Fahrschein wieder abgeschafft worden, und kaum neun Jahre später diskutiert eine Oppositionsfraktion mit dem Blick auf den 22. September 2013 und den bekannten Bundestagswahltermin schon wieder das gleiche Thema, ohne dass die Piraten überhaupt mit den Berliner und Brandenburger Verkehrsunternehmen gesprochen hätten, ohne dass die Piraten mit den Fahrgästen darüber gesprochen hätten und auch ohne eine klare Aussage der Piraten, dass eine solcher Fahrschein deutlich mehr kosten würde als das klassische Einzelticket bei Bus und Bahn bisher.
Wer sich außerdem – das sage ich auch noch mal an die Adresse der Piraten – ab und zu im öffentlichen Nahverkehr bewegen würde, der wüsste auch: Es gibt heute das 24-Stunden-Ticket, es gibt die Welcome-Card. Alles das gibt es schon längst. Es gab gute Gründe dafür, das richtungsunabhängige Ticket abzuschaffen, und dabei wird es auch bleiben.
Wie das Vorhaben, das Sie sich vorstellen, auszufinanzieren ist und darüber, was das die Kunden, die Unternehmen und die Steuerzahler in Berlin mehr kostet, steht wieder nichts im Antrag der Piraten. Sie überheben sich mit diesem Antrag, und das macht Sie wieder zu einem
unseriösen Partner hier in der Berliner Politik. Solide Verkehrspolitik im öffentlichen Nahverkehr ist eben mehr als dieser ÖPNV-Antrag der Piraten. Stabiler Zeittakt, moderne Fahrzeuge, vertretbare Preise,
ein guter Zugang zu den Verkehrsmitteln für die mobilitätseingeschränkten Menschen so, wie dies die Koalition vor der Sommerpause beschlossen hat, oder auch der Ausbau einzelner Verkehrsarten und die Beschleunigung des Verkehrs, das sind Lösungen, die die Koalition aktiv anbietet.
Nein! – Was die Opposition nur zu leisten imstande ist, sehen wir an diesem unseriösen Oppositionsantrag.
Deshalb geht die Koalition ihren Weg weiter. Wir wollen einen solide fahrenden und ausfinanzierten öffentlichen Personennahverkehr und einen leistungsfähigen Wirtschafts- und Individualverkehr für die wachsende Metropole Berlin. Und dabei wird es bleiben – auch in den kommenden Berliner Haushaltsberatungen und -beschlüssen 2014/2015 der Koalition aus SPD und CDU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in den Ausschussberatungen bei dem Antrag der Piraten enthalten, weil wir der Meinung sind, dass das Thema „Abschaffung des richtungsabhängigen Fahrscheins hin zu einem richtungsunabhängigen Fahrschein“ gegenwärtig nicht das zentrale Problem des Tarifsystems bei der BVG ist.
Das aus folgenden Gründen: Herr Kollege Gelbhaar! Man kann ja lange darüber diskutieren, wie verlässlich die Zahlen sind, die der Senat herausgibt, aber auf jeden Fall bedeutet die Abschaffung des richtungsabhängigen Fahrscheins einen Einnahmeverlust bei der BVG. Wenn man sagt, dass man mehr Geld in die Hand nehmen will, wird
man doch auch sagen – das ist meine Position, wahrscheinlich auch die Position der Grünen und auch der Piraten –, dass es nicht angeht, das zusätzliche Geld, das man benötigt, von den anderen Fahrgästen – also von den Monatskarten- und Zeitkartenkäufern – zu nehmen, sondern dann muss das über eine Erhöhung des Landeszuschusses gehen. Dann frage ich: Ist das die richtige Priorität?
Welches Problem haben wird denn? – Wir haben in Bezug auf das Tarifsystem bei der BVG das Problem, dass wir in dieser Stadt eine Menge Menschen haben, die im Niedriglohnsektor arbeiten, knapp oberhalb der Grundsicherung sind und damit keine Bezugsberechtigung für das Sozialticket haben. Genauso haben wir viele Rentnerinnen und Rentner, die knapp oberhalb der Grundsicherung sind, aber keine Zugangsberechtigung für das Sozialticket haben. Hier sehe ich eine viel größere Priorität als bei den Gelegenheitsfahrern oder bei den Touristen, die für diesen Einzelfahrschein dann entsprechend mehr zahlen müssen, weil eben für die Hin- und für die Rückfahrt zu zahlen ist. Da, wo Menschen wirklich Mobilitätsbedürfnisse haben, aber nur über ein niedriges Einkommen verfügen und dennoch beim gegenwärtigen System herausfallen, sehe ich den Handlungsbedarf. Da müsste man etwas tun, statt auf die Frage des richtungsunabhängigen Fahrscheins die Priorität zu legen.
Denn unsere Zielsetzung muss sein, dass wir dauerhaft Nutzerinnen und Nutzer für die BVG gewinnen – gerade auch in diesem Bereich des Niedriglohns und der Einkommen, die knapp oberhalb der Grundsicherung liegen. Dazu haben wir schon vor langer Zeit den Vorschlag gemacht – schon unter Rot-Rot –, den wir nach wie vor für richtig halten, nämlich z. B. das Kriterium GEZBerechtigung – gut, das gibt es in dieser Form nicht mehr – oder das Kriterium Wohngeldberechtigung – jedenfalls objektivierbare Kriterien – zu nehmen und dann auch für diesen Bereich der Bevölkerung, der unter Umständen als Niedrigeinkommensbezieher hart arbeiten geht und knapp oberhalb der Grundsicherung ist, etwas zu tun, aber nicht für die Touristen, die sich Einzelfahrscheine kaufen und hin und her fahren. Die können auch mehr zahlen. Wenn wir für diesen anderen Bereich etwas tun, dann tun wir auch etwas für die Rentnerinnen und Rentner, die ein geringeres Mobilitätsbedürfnis und ein geringeres Einkommen haben, und dann wäre hier wirklich geholfen. Aber denen helfen wir nicht, indem wir jetzt an Einzelthemen wie dem richtungsabhängigen Fahrschein herumdoktern. Deshalb – so sympathisch das ist – haben wir gesagt: Wir enthalten uns bei diesem Vorschlag, weil unsere Priorität eine andere ist.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag auf Drucksache 17/0699 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen Grüne und Piraten bei Enthaltung der Fraktion Die Linke – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten in Gänze und die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Enthaltungen? – Enthaltung bei der Fraktion Die Linke. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 5. Juni 2013 Drucksache 17/1070
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 29. Mai 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 12. Juni 2013 Drucksache 17/1073
Eine inhaltliche Beratung ist nicht vorgesehen. Ich erteile aber der Vorsitzenden des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, der Kollegin Martina Michels, das Wort für eine persönliche Erklärung. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In großzügiger Auslegung der Geschäftsordnung und um die Tagesordnung in unser aller Interesse, wie ich denke, nicht unnötig zu belasten, melde ich mich an dieser Stelle zu Wort, um einige wenige, aber doch sehr persönliche Worte an Sie zu richten, und ich bedanke mich ausdrücklich für diese Möglichkeit.
Meine Damen und Herren! Wir alle sind lange genug im politischen Geschäft, um zu wissen, dass manchmal alles ganz anders kommt, als man denkt und plant. Und manchmal müssen Entscheidungen auch plötzlich und unerwartet getroffen werden. Vor solch einer Entscheidung stand ich vor wenigen Tagen, und mit dieser Entscheidung war dies heute meine letzte Plenartagung in diesem Hohen Hause, da ich schon in Kürze, Anfang September, eine neue Herausforderung annehme und in das Europäische Parlament einziehen werde.
Als Nachfolgerin von Prof. Dr. Lothar Bisky, mit dem mich nicht nur politische Nähe, sondern auch eine langjährige persönliche Freundschaft verband, bin ich mir der Tragweite dieser neuen Aufgabe sehr bewusst und weiß um die Verantwortung, die ich damit übernehme.
Wenn ich also jetzt meine Koffer packe, so blicke ich natürlich zuallererst nach vorn und sehe mich als überzeugte Europäerin, wie Sie mich hoffentlich kennengelernt haben, in der Fortsetzung meiner bisherigen europapolitischen Arbeit hier in diesem Hause für eine bessere, vor allem sozial gerechtere und demokratischere Europäische Union der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein Ziel, für das wir auch hier im Abgeordnetenhaus gemeinsam gestritten haben und für das, wie ich glaube, eine große Mehrheit besteht. Ich kann also viele Erfahrungen mit nach Brüssel nehmen.
Zugleich packe ich die Koffer aber auch mit einem Blick zurück auf die langen Jahre, die hinter uns liegen. Dabei werde ich schon ein bisschen wehmütig beim Abschied. Als ich 1991, ich kann es selbst kaum glauben, in dieses Parlament einzog – damals wie heute mit der klaren Vorstellung, nie wieder nur mitzulaufen, sondern selbst verändern zu wollen –, begann eine so spannende Zeit für mich, die mich nie aus der politischen Verantwortung losgelassen hat. Ich habe hier vor allem drei Dinge gelernt, von denen ich glaube, dass sie unheimlich wichtig für Politikerinnen und Politiker sind. Ab und zu kann man sich dessen durchaus auch erinnern. Es sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Es ist aber auch die Kunst des Einanderzuhörens und die Achtung vor der Meinung des Andersdenkenden. Wie Sie wissen, habe ich mich gerade als Vizepräsidentin in diesem Haus besonders für die Verbesserung der politischen Kultur des Streits in diesem Haus eingesetzt. Das schließt am Ende den Respekt vor den unterschiedlichen Lebensbiografien für mich mit ein.
Drittens ist es die Fähigkeit, nach anderen Lösungswegen auch suchen zu wollen. „Is nich jibt‘s nich!“, hat Regine Hildebrandt einmal treffend gesagt. Am Ende steht für mich auch immer Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten.
Mir wird ab jetzt ganz sicher vieles fehlen. Ich war gern hier und mit Leidenschaft. Ich habe in der langen Zeit mit fünf Präsidenten verschiedener politischer Zugehörigkeit und inzwischen auch mit drei Direktoren bestens zusammen gearbeitet. Das alles hat selbstverständlich geprägt.
Nun will ich nicht einfach gehen, ohne Dank zu sagen. Dies sage ich zuerst, selbstverständlich, meiner eigenen Fraktion. Die Zeit zwischen Regierung und Opposition war spannend und lehrreich. Liebe Leute, ihr wart und ihr seid eine tolle Truppe. Ich danke auch allen, die mich bis hierher begleitet und beraten haben, ob im Parlament oder im Senat. Auch das war eine spannende Zeit, Klaus Wowereit. Ich danke aber ebenso denen, die mich – das kommt ab und zu auch einmal vor – kritisiert haben oder nicht immer mit mir einer Meinung waren. Mein Dank gilt aber – das liegt mir ganz besonders am Herzen – gerade auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Da meine ich nicht nur diejenigen, die wir immer sehen, die von uns beobachtet werden, und bei denen es leicht ist zu sagen: Das ist unsere Ausschussassistentin oder unser Ausschussassistent. Ich meine vor allen Dingen auch diejenigen, die oft im Stillen emsig für uns da sind, vom Schreib- und Kopierdienst bis zur Technik. Ich weiß, wie schwierig es manchmal war, uns bei der Bedienung der Knöpfe fachgerecht einzuweisen. Der Dank gilt bis hin zum Wachschutz. Ich danke Ihnen, dass Sie in den Saal gekommen sind. Denn gerade diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind es, an denen wir oft einfach achtlos vorübergehen. Sie haben von mir ganz persönlich ein ganz herzliches Dankeschön verdient.