Protocol of the Session on May 30, 2013

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Landeseigene Wohnungen besser aufstellen! – Herr Müller! Ihr Mietenbündnis hat dazu geführt, dass es zum Beispiel bei der GESOBAU in Pankow große Schwierigkeiten gibt. Die Mieten sind nach Modernisierung zu hoch. Es werden unsinnige Maßnahmen durchgeführt – Stichwort: Grundrissveränderungen. Sie haben da eine Protestbewegung erzeugt. Und die Wohnungsbausgesellschaft ist nicht in der Lage, das mit den Leuten auf dem Verhandlungswege zu klären. Ihr Mietenbündnis hat sich noch nicht bewährt!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Nächster Punkt, Sozialwohnungen: Wir haben Ihnen gesagt: Die Sozialwohnungen aus der alten Förderung – kaufen Sie davon welche an! Gucken Sie, wo Insolvenzen sind! Machen Sie das über die IBB oder spätestens im Zwangsversteigerungsverfahren! Kaufen Sie welche an, das wäre eine sinnvolle Maßnahme! Sie reden immer nur von Neubau, aber kümmern sich nicht um die Leute, die in diesen Sozialwohnungen oft mehr bezahlen müssen als auf dem freien Markt. Das ist nicht in Ordnung!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das geschützte Marktsegment: Es gibt eine Vereinbarung mit Wohnungsbaugesellschaften – landeseigenen und auch privaten –, dass die jedes Jahr Wohnungen für Leute zur Verfügung stellen, die sich überhaupt nicht selbst am Markt versorgen können. Dieses geschützte Segment wird regelmäßig nicht ausgeschöpft. Wie kommt so etwas? – Das kommt daher, dass Sie nicht in der Lage sind, die Wohnungsbaugesellschaften anzuhalten, tatsächlich auch bedürftige Menschen, die zum Beispiel von Obdachlosigkeit bedroht sind, dort unterzubringen. Da müssen Sie einfach mehr tun!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die energetische Gebäudesanierung ist fast aus den Blick geraten. Sie reden von Neubau. Jede Woche werden neue Zahlen in die Luft geworfen: 3 000, 5 000, 10 000,

20 000, 30 000 müssen gebaut werden. Ihnen gerät völlig die energetische Sanierung der Bestände aus dem Blick. Da muss mehr passieren. Da muss mehr passieren bei den Landeseigenen, da muss aber auch im privaten Wohnungsbestand mehr passieren. Da gibt es zu wenig gesetzliche Regelungen, und da gibt es zu wenig Anreize. Auch da ist ein Mangel in Ihrer Politik!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Um auf das Neubauthema auch einzugehen: Wir haben hier gefordert, dass Sie dafür sorgen müssen, dass die Förderung, wenn es eine gibt, auch tatsächlich denen zugute kommt, die bedürftig sind. Bei der CDU liest sich das im Moment so: Wir fördern Objekte, und da sollen ein paar Wohnungen drin sein, die dann tatsächlich eine geringere Miete haben. – Wir wollen das anders. Wir wollen, dass Leute in diesen Neubauten im Bereich von 6 Euro eine Wohnung finden, und wir gehen davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwa 25 000 geförderte Wohnungen entstehen sollen. Das ist eine Größenordnung, darüber kann man reden, und dazu erwarten wir konkrete Vorlage von Ihnen hier im Parlament.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber dann kriegt man bei dieser Debatte mit, dass es z. B. noch nicht einmal gelungen ist, ein paar Grundstücke an die landeseigenen Gesellschaften zu übertragen. Das war ja ein großes Ziel: Liegenschaftspolitik! Wir machen das jetzt mit den landeseigenen Gesellschaften, die sollen da ganz groß tätig werden! – Es ist noch nicht einmal gelungen, ein paar Grundstücke an die zu übertragen, damit die irgendwo anfangen können. Da ist doch nichts angepackt. Da läuft doch nichts. Das ist alles Stillstand.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zur Mietrechtsreform hat Frau Radziwill etwas gesagt. Wissen Sie, die Mietrechtsreform von Schwarz-Gelb auf der Bundesebene, die hätte es verdient gehabt, dass man sie aufhält – im Bundesrat – und dass man darüber neu diskutiert, dass man nämlich an der Stelle darüber diskutiert: Was ist mit Neuvermietungen? Was ist mit der Modernisierungsumlage? Ist die vielleicht zu hoch? Muss man die senken? – Wir wollen das.

Was ist mit dem Katalog dessen, was heute bei Modernisierungen umgelegt werden kann? Ich sage mal: Grundrissveränderungen, Parkettboden, eine Einbauküche – all das kann heute gegen den Willen der Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Das ist nicht gesellschaftliche Kernaufgabe. Gesellschaftliche Kernaufgabe ist energetische Sanierung und Vorbereitung auf den demographischem Wandel. Darum geht es, und wir sagen: Nur dafür soll noch eine Beteiligung der Mieterinnen und Mieter über die Modernisierungsumlage möglich sein. Alles andere nehmen wir da heraus. Das kann man freiwillig vereinbaren, wenn man das benötigt.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sie haben in dieser Koalition versäumt, im Bundesrat dafür zu sorgen, dass das wirklich neu diskutiert wird. Sie haben einfach durch Ihre Enthaltung zugestimmt. Sie haben zugestimmt, dass Mieterinnen und Mieter eine verschärfte Duldungspflicht haben.

[Uwe Doering (LINKE): So ist es!]

Sie haben zugestimmt, dass es keine Mietminderung mehr während der Baumaßnahmen gibt. All das sind Verschlechterungen, die Sie mit zu vertreten haben. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) – Uwe Doering (LINKE): Bravo! Das musste mal gesagt werden!]

Für die Fraktion Die Linke jetzt Herr Kollege Brauer!

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Im Jahre 2008 wurde in Berlin ein Possenspiel unter dem Titel „Sanieren oder demolieren?“ gegeben. Es ging damals nicht um die Stadt, sondern es ging um einen Theatersaal, genauer genommen den Zuschauersaal der Staatsoper Unter den Linden. Tapfere Menschen warfen sich damals den Banausen in den Weg, die dieses Stück DDR-Stuck durch eine modernere Variante ersetzen wollten. Dieser treffliche Streit hatte handfeste Folgen, die uns heute beschäftigen müssen.

[Zuruf]

Ja, natürlich, Paulick! – Denn im Schatten dieser Diskussion sind Dinge auf den Weg gebracht worden, die in einem ziemlichen Chaos endeten.

Erstens: Im Ergebnis des damaligen Streites kam der Quasi-Generalauftragnehmer abhanden. Seitdem regiert das planerische Chaos auf einer ziemlich komplexen und von ihren Anforderungen her sehr besonderen Baustelle.

Zweitens: Im Windschatten dieser Diskussion „Stuck – ja oder nein?“ segelte eine Art fliegender Holländer, dessen Anlanden von den meisten Matadoren erst sehr spät bemerkt wurde, nämlich ein Gesamtvorhaben, das nicht mehr oder weniger bedeutete, als einem im Verlaufe von 250 Jahren immer stärker aufgeplusterten friderizianischen Redoutensaal eines der technisch anspruchsvollsten Häuser Europas zu implantieren – mit kaum noch überschaubaren Kosten.

Drittens: Nachfragen, wer denn für eventuelle Risiken aufkäme – planerisch und finanziell –, wurden regelmäßig – und das seit Jahren – vom verantwortlichen Kultursenator abgebürstet. Der Bund hatte wohlweislich seine Zusagen auf 200 Millionen Euro gedeckelt. Senat und

Koalition verweigerten diese Deckelung. Das 30Millionen-Versprechen des Freundeskreises des Opernhauses hat sich ähnlich wie das berühmte Rheingold ins Nichts verabschiedet. Stattdessen sind folgende Daten geblieben: 2008 ein Kostenrahmen von 241 Millionen Euro und im Juli 2011 242,3 Millionen Euro. 2012 wurden daraus schon 287,9 Millionen Euro, und am 3. Mai räumte jetzt die Bauverwaltung ein, dass wir bei 296,3 Millionen Euro angelandet sind, wobei jeder Monat Verschiebung 1 bis 1,5 Millionen Euro Mehrkosten bedeuten würde. Die letzte Zahl können wir also schon getrost in die Tonne werfen. Sie stimmt heute schon nicht mehr.

Der Eröffnungstermin Oktober 2015 ist nicht zu halten. Frühestens im Frühjahr 2014 sind Sie bereit, Aussagen zu tätigen, wann es denn einen neuen geben könnte. Die Oper wurde schon aufgefordert, darüber nachzudenken, wie sie ihre Musiker woanders beschäftigen könne. Das nennt man eine kulturpolitische Kapitulation, Herr Regierender Bürgermeister.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir verlangen von Ihnen eine verlässliche Bau- und Kostenplanung. Warum die nicht möglich sein soll, darüber wollen wir heute mit Ihnen diskutieren. Vielleicht gibt es noch eine geringe Möglichkeit, den Totalkollaps zu verhindern.

Und kommen Sie uns bitte nicht wieder mit der abgelutschten Schlamm- und Modderarie! Das Lied ist auch seit etwa 1780 bekannt. Nur der Berliner Senat war höchst verwundert, dass seinerzeit die Kellergeschosse des Opernhauses absoffen, als man die Grundwasserpumpen abstellte. Alle, aber auch alle, die vor möglichen Risiken warnten, wurden entweder ignoriert oder in die Deppen-Ecke geschoben. Das widerfuhr selbst der Bauverwaltung. Ich zitiere:

Auf das hohe Kosten- und Terminrisiko wurde deutlich hingewiesen. Diese Risiken wurden zugunsten einer schnellstmöglichen Wiederinbetriebnahme der Staatsoper in Kauf genommen.

Das steht in einem Bericht an den Hauptausschuss.

Nun kann nach Lage der Dinge dieser Druck nur vom Bedarfsträger ausgehen und nicht vom Justiz- oder dem Sozialsenator. Bedarfsträger ist der eigentlich zuständige Kultursenator, der seit Wochen in dieser Debatte abtaucht – regelmäßig abtaucht. Sie hätten die Probleme bemerken müssen, Herr Wowereit, und hier tatsächlich eingreifen müssen. Aber diese Charakterstärke hatte in Berlin als letzter Regierender der König Friedrich Wilhelm IV. Erinnern wir uns gemeinsam: Der wollte ein ambitioniertes Projekt auf ähnlich zweifelhafte Weise durchziehen wie Sie den Opernbau, nämlich die Ostbahn. Am 8. Juni 1847 stellte sich dem im Landtag der Abgeordnete Hansemann entgegen – ich zitiere –:

Es muss aber die erste Regel einer ständischen Versammlung sein, wenn es sich um Geldfragen handelt, es damit sehr genau zu nehmen. Bei Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf. Da muss bloß der Verstand uns leiten.

Wir wollen mit Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, über die verstandesmäßig zu ziehenden Konsequenzen aus diesem Fiasko reden. Wir möchten, dass hier endlich auch Sie Ihre Aufgabe als für die Kultur dieser Stadt zuständiger Senator ernst nehmen. Für die 650 Kilometer der Ostbahn – von Berlin bis Königsberg – hatte man übrigens dann, als sie auf einigermaßen solider Finanzierungsgrundlage stand, sieben Jahre gebraucht. Das brauchen wir heute für die Sanierung eines einzigen Opernhauses. – Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Lauer!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat, und wir dürfen alle raten, welche Partei das in ihrem Parteiprogramm stehen hat:

Kein Filmen bei Demonstrationen! Versammlungsfreiheit darf nicht eingeschränkt werden! Versammlungsfreiheit ist eines der Grundrechte und gehört untrennbar zur freien Gesellschaft. Wir möchten, dass sich Menschen politisch engagieren und ihrer Meinung in der Öffentlichkeit Ausdruck verleihen können. Hierzu gehört ein Versammlungsrecht, das nicht repressiv ist und alle Teilnehmer/-innen unter einen Generalverdacht stellt.

Im Abgeordnetenhaus wurde mit den Stimmen der SPD-CDU-Koalition das umstrittene Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen beschlossen. Es wird das Filmen und Überwachen von Demonstrationen rechtlich verankern. Dieses Gesetz stellt eine Kriminalisierung all jener dar, die von ihren Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Es indiziert, dass von Menschen, die ihren politischen Willen mittels einer Demonstration kundtun wollen, grundsätzlich eine Gefahr ausgeht, die eine permanente Überwachung mit Kameras rechtfertigt. Darüber hinaus eröffnet es einer besseren individuellen Erkennung Tür und Tor, da technisch gesehen sehr schnell zwischen der Übersichtsaufnahme und einer individuellen Beobachtung gewechselt werden kann. Dies ist für

die Demonstrationsteilnehmer/-innen nicht zu erkennen. Wir kritisieren deshalb dieses Gesetz und fordern die Abschaffung. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Grundrechte unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Wir müssen uns für eine offene Gesellschaft einsetzen, in der Demonstrationen wieder als essenzieller Bestandteil eines politischen Willensbildungsprozesses gesehen und gefördert werden. Der Staat darf keine Angst vor der öffentlichen Meinungskundgabe seiner Einwohner haben. Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden auch weiterhin an Großdemonstrationen teilnehmen. Wir erklären uns solidarisch mit allen Betroffenen in Berlin.

Welche Partei hat das am 25. Mai beschlossen? – Es war die SPD.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Steffen Zillich (LINKE): Hört, hört!]

Hört, hört! – Dazu beglückwünschen wir Sie ganz herzlich! Im Zuge Ihres 150. Geburtstages ist es schön zu sehen, wenn sich eine Partei auf ihre Wurzeln besinnt und solch einen schönen Beschluss fasst,

[Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

der mit Sicherheit eine Mehrheit in diesem Haus finden würde. Deswegen müssen wir heute über das Gesetz zu Übersichtsaufnahmen bei Aufzügen in der Aktuellen Stunde sprechen, denn, sehen Sie es uns nach, liebe SPD, Sie werden verstehen, dass die Opposition in diesem Haus massiv irritiert ist,

[Torsten Schneider (SPD): Wegen Ihrer Zustände!]

weil wir gar nicht mehr wissen, wogegen wir opponieren müssen.