Nach den Erkenntnissen meiner Fraktion ist Gutzeit bestens vernetzt und verfügt über ausgezeichnete Mitarbeiter. Mit der ihm allseits bescheinigten Objektivität leistet er auch einen Beitrag zur Versöhnung. Meine Fraktion dankt ihm deshalb für seine Arbeit und für diesen Bericht.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Lehmann-Brauns! – Herrn Kollegen Otto für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege Otto!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Ich möchte Ihnen im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen danken, nicht nur, dass Sie uns Ihren Bericht vorgelegt haben, sondern für die Arbeit, die Sie im Jahr 2012 wieder sehr verantwortungsvoll geleistet haben.
Wenn man sich den Bericht anschaut – Sie haben Beratungsarbeit geleistet, Sie haben sich um Akteneinsicht gekümmert, Sie haben politisch-historische Bildungsarbeit zu Themen der DDR, zu Themen der Diktatur, zu Themen der Staatssicherheit geleistet –: All das ist nach wie vor wichtig. Man fragt sich über 20 Jahre nach der Wiedervereinigung manchmal: Wann gehen diese Informationen, diese Erfahrungen eigentlich so in das kollektive Gedächtnis ein, dass man solche Institutionen vielleicht gar nicht mehr benötigt? – Ich habe das Gefühl, dieser Zeitpunkt ist noch lange nicht erreicht, gerade angesichts solcher Vorgänge – der Kollege LehmannBrauns hat das erwähnt –, wenn Uniformierte in Treptow marschieren. Das mag manch einer, der mit denen nie zu tun hatte, für Karneval halten, aber ich glaube schon: Für Leute, die in der DDR schon mal verhaftet waren oder die mit solchen Uniformierten zu tun hatten, ist das beängstigend, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Insofern will ich solches Tun an dieser Stelle auch kritisieren.
Sie haben uns aufgeschrieben, Herr Gutzeit, worin die Beratungsschwerpunkte gelegen haben, und es ist immer wieder erschütternd, wenn man liest, dass Sie sich zum Beispiel um die Rehabilitierung von Menschen bemühen müssen, die als Kinder, als Jugendliche ohne eigenes Zutun in Heime oder Jugendwerkhöfe gekommen sind – vielleicht weil ihre Eltern in den Westen wollten oder der Staat diese Eltern auf andere Weise drangsalieren wollte. Es ist erschütternd, wenn man so etwas liest, und ich glaube, es ist aller Anstrengung wert, sich hier für Rehabilitierung einzusetzen – Rehabilitierung ersetzt die Schäden ja nicht, körperliche, seelische Schäden, aber sie gibt zumindest das Gefühl, man wird akzeptiert. Es ist aller Anstrengung wert, sich für solche Rehabilitierungen einzusetzen, und dafür sind wir Ihnen sehr herzlich dankbar!
Ein zweites Thema, das auch aktuell in der Debatte ist, ist die Frage des Dopings. Doping ist ja nun, bedauerlicherweise, nicht mit der DDR untergegangen, das gibt es heute auch – wenn man sich beispielsweise den Radsport anschaut.
[Uwe Doering (LINKE): Das gab es überall! – Wolfgang Brauer (LINKE): Das war auch kein DDR-Problem!]
Es gab in der DDR sehr wohl Doping, Sie werden darüber vielleicht sogar besser Bescheid wissen als ich, Herr Brauer! – Man geht davon aus, dass ca. 10 000 bis 12 000 Leute gedopt wurden, in vielen Fällen ohne eigenes Wissen. Man geht davon aus, dass heute ungefähr
600 Leute – das sagen uns die Selbsthilfegruppen – aufgrund dieser Dopingpraxis schwere gesundheitliche Schäden haben. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag hat – das wird gerade behandelt – einen Antrag gestellt, eine Rente für Dopingopfer zu schaffen, eine kleine, auch finanzielle Anerkennung für die Schäden, die diese Leute unverschuldet erlitten haben, für die Medikamentenreichung, die ihnen – vielfach ohne, dass sie genau wussten, was darin enthalten ist – angetan wurde. Es ist nötig, dass man diesen Leuten hilft und sagt: Jawohl, wir als Gesellschaft erkennen an, dass euch Unrecht widerfahren ist, und wir wollen wenigstens eine kleine finanzielle Wiedergutmachung leisten. – Darüber gibt es im Deutschen Bundestag eine Debatte, die Rente für Dopingopfer. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Sie haben, Herr Gutzeit, in dem Bericht auch über Akteneinsicht geschrieben. Da ist ja immer die Frage: Wie lange ist diese Akteneinsicht eigentlich noch nötig? Wie viele Leute gehen da hin, wer ist das eigentlich? – Da gibt es eine ganz neue Entwicklung, die nicht überraschend ist, aber doch zumindest erwähnt werden sollte, dass sich nämlich inzwischen jüngere Menschen, Nachgeborene darüber Gedanken machen, wie ihre Eltern, ihre Großeltern in der DDR gelebt haben, in einem Staat, der Diktatur war, was sie da erlebt haben, was sie aktiv getan haben, was ihnen widerfahren ist. Deshalb besteht ein großes Interesse gerade von Menschen, die diese Zeit selbst gar nicht erlebt haben, und auch das finde ich höchst bemerkenswert.
Wir haben hier im Hause im Jahr 2010 beschlossen, dass wir ein Zentrum für Widerstands- und Oppositionsgeschichte in Berlin haben wollen. Wir haben damals den Senat damit beauftragt, darüber mit der Bundesregierung zu verhandeln. Diese Verhandlungen sind leider nicht so sehr erfolgreich gewesen. Der Kulturbeauftragte der Bundesregierung hat gesagt, er habe kein Geld dafür. Danach ist das ein bisschen im Sande verlaufen.
Ich komme zum Ende! – Wir haben hier vor wenigen Wochen von Senator Nußbaum erfahren, dass unmittelbar – oder zumindest in mittlerer Frist – die letzten NovumGelder hier eintreffen könnten. 20 Millionen Euro könnten das sein, haben Sie gesagt, Herr Nußbaum. Wir plädieren dafür, dass die für so ein Zentrum eingesetzt werden, und der Ort könnte der Campus der Demokratie sein, den Roland Jahn in der Ruschestraße schaffen will. Da wäre dieses Geld gut angelegt! – Herzlichen Dank!
Herzlichen Dank, Herr Kollege Otto! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Lubawinski. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Martin Gutzeit! Zum 19. Mal hat nun der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR im Abgeordnetenhaus seinen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder die andere Abgeordnete nach über 20 Jahren meint, dass dieses Thema nun langsam keinen Wert mehr in der öffentlichen Diskussion hat. Eine solche Sichtweise könnte ich sogar verstehen, vor allem in Anbetracht der vielfältigen Probleme, denen wir uns heute zu stellen haben. Wer sich jedoch in die Lektüre dieses Berichts vertieft, wird erstaunt sein. Er wird sicher erstaunt sein, wie intensiv diese Behörde 24 Jahre nach der Wende noch immer mit der Aufarbeitung und der Hilfe für persönliche Schicksale befasst ist. Weil dieser Tatbestand nicht zu den Alltagsreflexionen unserer politischen Arbeit gehört, ist es umso wichtiger, die Tätigkeit des Landesbeauftragten öffentlich politisch zu würdigen. Genauso wichtig ist es, sich den aktuellen Sachstand beim Prozess der Aufarbeitung vor Augen zu führen und natürlich der Behörde für ihre Arbeit zu danken.
Der aktuelle Tätigkeitsbericht stellt die Hauptfelder seiner Arbeit vor; es sind die Beratungstätigkeit, die politische Bildungsarbeit und die Förderung von Verfolgtenverbänden. Darauf im Einzelnen einzugehen, verbietet die Zeit, meine Vorredner haben auf Einiges hingewiesen. Ich empfehle Ihnen daher noch einmal diese Lektüre.
Seit dem Bestehen der Behörde wurden 6,7 Millionen Anträge gestellt. Allein im Berichtszeitraum 2012 waren es 88 231 Anträge auf Akteneinsicht. Die Unterlagen beim Landesbeauftragten sind auch ein enormer Fundus für die politisch-historische Aufarbeitung. So haben wir zum Beispiel bei der Aufarbeitung der SPD-Geschichte von 1949 bis 1989 in den Ostberliner Bezirken auch auf Quellenmaterial des Staatssicherheitsdienstes zurückgreifen können. Es ist erstaunlich, wie intensiv die Stasi sich um die SPD-Ost gekümmert hat.
Auf ein Themenfeld des Tätigkeitsberichtes möchte ich jedoch konkret verweisen, Herr Otto hat es schon angedeutet: Es sind die Fragen zur Möglichkeit der strafrechtlichen Rehabilitierung von Einweisungen in DDRKinderheime und Jugendwerkhöfe. Hier wie auch an anderer Stelle werden persönliche Schicksale stellvertretend für viele genannt. Viele ehemalige Heimkinder su
chen nach Unterlagen, sie wollen Antworten, Antworten für sich selbst, warum und wieso, aber auch Antworten für den Nachweis eines Anspruchs auf Rehabilitierung, die im Moment offensichtlich nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen.
Die Berliner Landesbehörde, für die wir am 5. November 2012 hier im Hause mit einer Gesetzesinitiative die Arbeit für weitere fünf Jahre gesichert haben, wird noch lange als Anlaufstelle für Opfer des Stalinismus und konkret auch für Staatssicherheitsopfer gebraucht. Für Ihre engagierte Arbeit, lieber Martin Gutzeit, die Sie bis heute geleistet haben, möchte ich mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern – auch im Namen meiner Fraktion – herzlich bedanken! – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Lubawinski! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Kollege Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Gutzeit! Sie und Ihre Behörde haben uns zum Monatsbeginn den 19. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vorgelegt, und für die dokumentierte Arbeit möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern namens meiner Fraktion meinen herzlichsten Dank aussprechen.
Ich darf hier heute im Plenum zum zweiten Mal zum Bericht des Landesbeauftragten sprechen. Das erfüllt mich mit gemischten Gefühlen. Über Jahre war es meine Freundin und Kollegin Marion Seelig, die die Arbeit Ihrer Behörde immer wieder begleitet und unterstützt hat. Marion ist nicht mehr unter uns. Sie fehlt, denn anders als Marion Seelig kann ich nicht aus meinen biografischen Erfahrungen schöpfen, wenn es darum geht, Ihre engagierte Arbeit angemessen zu würdigen.
Auf der anderen Seite ist es mir ein persönliches Anliegen, als Landesvorsitzender meiner Partei zum Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten Stellung zu nehmen. Mit unserer geschichtlichen Hypothek sehe ich uns in besonderer Verpflichtung, Sie in Ihrer Arbeit bei der Aufarbeitung des gescheiterten parteibürokratischen Systems der DDR, von Staatsapparat und Staatssicherheit zu unterstützen und Ihnen die erforderlichen Instrumente zur Verfügung zu stellen, um den Opfern politischer Verfolgung in der DDR auf jede nur erdenkliche Weise Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen.
Zu Recht haben wir uns am 5. November des vergangenen Jahres hier fraktionsübergreifend verständigt, die Arbeit der Behörde des Landesbeauftragten für weitere fünf Jahre zu sichern. Längst geht es um weitaus mehr als um den Umgang mit Stasi-Akten. Ja, auch die Hilfe zur Einsicht in die Akten ist nach wie vor ein wichtiger Aspekt Ihrer Arbeit.
Es geht aber darüber hinaus um die Hilfe für Bürgerinnen und Bürger, die strafrechtliche Rehabilitierung und Opferrentenansprüche geltend machen. Gerade die Einweisung in Kinderheime und Jugendwerkhöfe als Disziplinierungs- und Stigmatisierungsinstrument ist ein ziemlich drastisches Kapitel der DDR-Geschichte. Die Betroffenen suchen Unterstützung, und sie erhalten sie bei Ihnen, weil der Nachweis von Heimeinweisung und Hintergrund naturgemäß schwer zu führen ist. Allein scheint er unmöglich.
Mit der Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder und dem Heimkinderfonds steht seit dem vergangenen Jahr eine weitere Institution zur Verfügung, um Erniedrigung, Misshandlung und Missbrauch in Heimen anzuerkennen und hier Unterstützung zu leisten. Es ist sehr gut, dass beide Behörden eng kooperieren. Trotz zurückgehender Fallzahlen sind die Opferrentenberatung, die Unterstützung bei der beruflichen Rehabilitierung und bei der Anerkennung von Gesundheits- und Haftschäden für jeden einzelnen Betroffenen wichtig und notwendig. Ich bin froh, dass sich die Menschen bei Ihnen, Herr Gutzeit, und Ihren Kolleginnen und Kollegen in guten Händen befinden. Vielen Dank dafür!
Beratung und politische Bildung, Förderung von Initiativen der Verfolgten und der Aufarbeitung sind ein weiterer wesentlicher Aspekt der Arbeit des Landesbeauftragten. Aus eigenen Mitteln oder auch gemeinsam mit der Bundesstiftung Aufarbeitung wurde eine Reihe von Projekten gefördert, die unsere jüngere Geschichte lebendig werden lassen, die das Wirken der Opposition in der DDR beleuchten, die Teilung unserer Stadt sichtbar machen, aber auch den Alltag in der DDR und die Herrschaftsstrukturen des Systems dokumentieren.
Mit Veröffentlichungen und einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen, auch dies in Kooperation mit anderen Partnerinnen und Partnern, ermöglicht der Landesbeauftragte Forschung und Debatte. Er hilft mit, Wirtschaftsentwicklungen, Justizpolitik und Repression, aber auch Konsenserzeugung, beispielsweise das Spannungsfeld von Vereinnahmung und Ausgrenzung, Instrumentalisierung oder Ausbürgerung anhand des Kultursektors im parteibürokratischen Staatssozialismus zu dokumentieren und zu erinnern.
Zeitgeschichtliche Forschung ist ein wichtiger Ansatz, um die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR zwischen Herrschaftsanspruch der SED und Alltagser
fahrungen voranzutreiben. Filme, CDs, Lehrmaterialien und Ausstellungen wurden unterstützt, schulische und außerschulische Bildungsangebote initiiert. Die Liste der Aktivitäten des Landesbeauftragten ist ebenso eindrucksvoll wie vielschichtig.
Die Linksfraktion sieht sich in der Pflicht, diese Aktivitäten zu unterstützen. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, die Arbeit des Landesbeauftragten zu würdigen. Wenn Sie Unterstützung brauchen, wenden Sie sich an uns! Wir sind für Sie da, Herr Gutzeit!
Menschenrechte sind unteilbar. Sie dürfen nicht instrumentalisiert werden, und sie eignen sich nicht als Waffen im Meinungskampf, die je nach Beliebigkeit und Gusto eingesetzt werden. Wir stehen in der Verantwortung für die Geschichte des real existierenden Sozialismus und in der Nachfolge der Staatspartei SED. Für uns ist die Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverletzungen und Unrecht in der DDR deshalb geradezu konstitutiv. „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus“, hieß es auf dem außerordentlichen Parteitag der PDS 1989. Dieses Anliegen war immer das besondere Anliegen meiner und unserer Freundin Marion Seelig. Es ist aber auch unser aller Anliegen als Linke, und es ist uns nun ein bleibendes Vermächtnis. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Lederer! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Reinhardt. – Bitte sehr!
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Auch von mir einen schönen Abend, danke, dass Sie hier sind, und vielen Dank für Ihre Arbeit!
Das Aufarbeiten der Stasi-Akten ist ein wichtiger Beitrag zum Verstehen der deutsch-deutschen Geschichte. Der Zugang zu den Akten in der aktuellen Form ist wichtig zur Aufarbeitung dieser dunklen Phase der deutschen Geschichte und sicherlich ein wichtiger historischer Beitrag, bei dem irgendwann vielleicht auch die komplette Einsicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft möglich sein wird.
Die Berliner Behörde nimmt wichtige Funktionen wahr. Sie unterstützt den Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Sie koordiniert zwischen dem Bundesbeauftragten und den Verfolgtenverbänden, die für die Verfolgten des DDR-Regimes wichtige Aufgaben wahrnehmen. Zudem werden die Bürger und die öffentlichen Stellen des Lan
des Berlin beraten. Grundlage für diese Arbeit ist das Stasi-Unterlagengesetz von 1991. Letztes Jahr, 2012, wurde die Arbeit der Behörde für fünf weitere Jahre gesichert. Herr Gutzeit wurde im Amt bestätigt. Und wir als Parlament haben einen Ehrenrat eingerichtet, der unsere eigenen Biografien durchleuchtet.