Protocol of the Session on November 24, 2011

Wichtig ist zunächst einmal zu sagen, was Lobbyismus konkret ist. Ich stelle eine kurze Definition aus Wikipedia voran:

Lobbyismus ist eine Methode der Einwirkung auf Entscheidungsträger und Entscheidungsprozesse im Rahmen einer festgelegten Strategie.

Wir alle hier im Parlament werden täglich mit Lobbyismus konfrontiert. Wir erhalten Briefe in den Abgeordnetenbüros, werden zu parlamentarischen Abenden und Führungen eingeladen. Man knüpft persönliche Kontakte mit uns, und durch Lobbyistenverbände werden gezielt Meinungen gemacht. Ich möchte ein bisschen Wasser in den Wein schütten. Wenn das Stichwort Lobbyismus fällt, denkt man sofort an Interessenvertretungsverbände,

hat Lobbyvereine vor den Augen. Ich nenne ein paar, die Sie in dem Antrag nicht genannt haben: die Solarlobby,

[Andreas Gram (CDU): Aha!]

die Green-Economy-Lobby oder auch die Energie- und Klimaschutzagentur Deutschland, die mir gerade eine Einladung auf meinen PC per E-Mail geschickt hat. Allen dreien ist gemein, dass die Lobby Geld verdienen möchte. Ich möchte aber auch dazu sagen, dass man gefühlt immer zwischen besserer und schlechterer Lobby unterscheidet. Es gibt auch den Städte- und Gemeindebund oder die Gewerkschaften oder auch den Berliner Anwaltsverein. Das sind auch Verbände, die sich für Interessengruppen einsetzen. Dazwischen – das will ich hier sehr deutlich machen – gibt es eine Grauzone. Mit dieser müssen wir uns auseinandersetzen, und deshalb wird der Antrag von uns im Grundsatz unterstützt.

Für das weitere Vorgehen, weil der Antrag durchaus offen lässt, wie es denn letztendlich sein soll, werden wir den Antrag im Rechtsausschuss, der dann einzusetzen ist, noch beraten, weil der Ansatz eines Lobbyregisters richtig und ein guter Ansatz ist.

Kein guter Ansatz in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist es – ich möchte es als unredlich bezeichnen –, wenn Sie in den Ausführungen in der Begründung des Antrages wie folgt schreiben:

Lobbying findet nicht nur bei Abgeordneten statt, sondern insbesondere in Senatsverwaltungen.

Weiter schreiben Sie:

Immer häufiger tragen Referentenentwürfe aus Senatsverwaltungen schon maßgeblich die Handschrift der einflussreichsten Interessengruppen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Es wird ein bisschen deutlich, dass Sie lange Zeit nicht in den Senatsverwaltungen gesessen haben und nicht wissen, was da vonstatten geht und wer eigentlich die Referentenentwürfe schreibt.

[Beifall bei der SPD – Christopher Lauer (PIRATEN): Es ist ja nicht transparent!]

Wenn Sie dann solche Behauptungen in solchen Anträgen aufstellen, dann nennen Sie doch einfach mal Ross und Reiter. Sagen Sie doch einfach einmal, welche Senatsverwaltung, in der insbesondere Lobbying stattfinden soll, gemeint ist, wo sich angeblich die Lobbyisten die Klinke in die Hand geben. Ich jedenfalls kann das für Berlin nicht sehen. Mir ist ein solcher Fall auch nicht bekannt.

[Martin Delius (PIRATEN): Sie können ja mal nachgucken! – Zurufe von den GRÜNEN]

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Zum Änderungsantrag der Piraten: Bei allem Verständnis liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, ein Stück weit haben Sie auch noch Welpenschutz, aber Änderungsanträge müssten Sie rechtzeitig einreichen. Es geht nicht, dass Sie den Änderungsantrag einen Tag vorher einreichen und man sich damit ernsthaft inhaltlich auseinandersetzen soll.

[Martin Delius (PIRATEN): Ist vor einer Woche angekündigt worden im Internet! – Uwe Doering (LINKE): Sie können bis zum Aufruf des Tagesordnungspunktes einreichen!]

Der ist vier Seiten lang. – Lassen Sie uns im Wettstreit der Ideen diesen Antrag im Rechtsausschuss ordentlich beraten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Behrendt das Wort. – Bitte!

[Wolfgang Brauer (LINKE): Das müssten Sie eigentlich rügen, eine solche Bemerkung, Frau Präsidentin!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einen Dank an die Piraten, dass Sie unseren Antrag heute zur Priorität gemacht haben. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit in der Bürgerrechtspolitik!

Nach jahrelangen Diskussionen ist auch in Berlin die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters angezeigt. So kann die notwendige Transparenz geschaffen werden, welche die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz unseres Handelns erhält. Ich finde es besonders passend, dass wir heute, an dem Tag, an dem die Parteien CDU und SPD sich zusammengetan und eine rot-schwarze Koalition geschlossen und die auch realisiert haben und wieder an die Fleischtöpfe dieser Stadt wollen, diesen Antrag zum Lobbyregister diskutieren.

[Sven Kohlmeier (SPD): Wollten Sie doch auch! Sie wollten regieren!]

Ich kann mir eigentlich keinen besseren Zeitpunkt vorstellen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Es ist auch so – da haben Sie recht, Herr Kollege Kohlmeier –, nicht die Tätigkeit des einzelnen Lobbyisten

bringt unser Handeln als Abgeordnete in Misskredit, sondern die Ungewissheit, welchen Einflüsterungen und Verlockungen wir unterliegen und ob diese sich auf unser Denken, Handeln und auch Abstimmen auswirken. Auch hier vielleicht, Herr Kollege Kohlmeier, gucken Sie sich mal an, welche Tätigkeit aus den Senatsverwaltungen, insbesondere Gesundheit, zum Stichwort Nichtraucherschutz, insbesondere Verkehr und Bauen, in den letzten Jahren vorgelegt wurden. Ich glaube, da sieht man sofort, welcher Einfluss von welchen Lobbygruppen sich hier Bahn gebrochen hat.

[Beifall bei den GRÜNEN – Sven Kohlmeier (SPD): Welcher denn?]

Aktueller Anlass für unseren Antrag ist die von der „taz“ enthüllte Tätigkeit der Atomlobby. Da gibt es vielfältige Tätigkeiten, die sie entfaltet hat, um die Akzeptanz für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zu erwirken. Zu erinnern sei nur, dass sie sich falsche Expertise eingekauft haben – Herr Prof. Schwalbach von der Humboldt-Universität spielt da eine sehr unrühmliche Rolle –, dass sie Presseberichterstattung versucht haben zu steuern – mit Erfolg – und dass sie vermeintlich objektive Redner mit Redemanuskripten von sich ausgestatten haben. Im Chemierechtbereich und in der Lebensmittelindustrie gibt es ähnliche Tätigkeiten. Ob allerdings auf Landes- – das ist eine interessante Frage –, der europäischen und der Bundesebene vergleichbare Lobbytätigkeit entfaltet wird und ob man deshalb ähnlich ausführliche Register braucht, wie man sie auf europäischer Ebene hat und im Bundestag diskutiert, werden wir im Rechtsausschuss diskutieren müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Nein, momentan nicht! Meine Redezeit rast, und das ist ein wichtiges Thema.

Ein Wort zu den Änderungsanträgen der Piraten: Ich habe ein bisschen Bedenken, ob ihr nicht über das Ziel hinausschießt, ob ihr nicht bürokratische Monster schafft.

[Zurufe von der SPD und der CDU]

Da soll jeder Kontakt eines Lobbyisten mit einem Abgeordneten registriert werden. Das werden wir uns im Ausschuss sicherlich noch im Einzelnen ansehen. Ich glaube, man muss sich wirklich fragen: Wer muss wann was über die Lobbytätigkeit wissen? Dazu gehört nicht unbedingt jeder einzelne Kontakt eines Abgeordneten mit einem Lobbyisten. Das ist, glaube ich, eher ein bürokratisches Monster. Allerdings ist es wichtig, in diesem Bereich – es passiert viel im Verborgenen, insbesondere auf Bundes- und Europaebene, aber auch hier –, Transparenz zu schaffen. Dazu gehört unbedingt, dass die Tätigkeit der Lobbyisten in den Senatsverwaltungen erfasst wird. Ich möchte

wissen, wer sich dort auf den Fluren, wer sich dort in den Kantinen herumtreibt

[Sven Kohlmeier (SPD): Treibt sich keiner rum!]

und wer dort versucht, Einflussnahme auszuüben. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode darauf verständigt, dass der Senat in Zukunft kenntlich machen muss, wenn er externe Expertise in die Gesetzentwürfe einfließen lässt – Stichwort: Footprint. Das ist eine gute Übereinkunft. Ich bin gespannt, wie das in der Praxis gehandhabt wird. Dieses Lobbyregister ist eine Ergänzung, um noch größere Transparenz zu schaffen.

Ich bin jedenfalls gespannt darauf, wie wir darüber im Rechtsausschuss diskutieren werden. Wir haben es bewusst offengehalten, welche Form das Lobbyregister haben soll, was darin stehen soll, ob es eines Gesetzes bedarf, ob wir es in die Geschäftsordnung schreiben und wie wir das mit den Rechtsanwälten handhaben. Das sind alles interessante Fragen, über die wir im Ausschuss diskutieren werden.

Es gibt in Brandenburg – Kollege Kohlmeier hat es bereits erwähnt – seit fast einem Jahr eine sehr breite Debatte über die Einführung eines Lobbyregisters. Dort ist die Debatte erfreulicherweise von der CDU angestoßen worden.

[Sven Rissmann (CDU): Hört, hört!]

Diese Debatte wollen wir uns zunutze machen und wollen das auch für Berlin nutzbar machen. In Brandenburg wird es von Grünen, Linken und SPD unterstützt. Ich hoffe, dass wir hier im Haus eine Übereinkunft erzielen und das gemeinsam einführen. Ich glaube, das wäre ein gutes Zeichen für die Schaffung von mehr Transparenz in unserer Tätigkeit. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Rissmann das Wort – bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele von uns sind im Moment dabei, ihre Rolle zu finden, zu suchen und hoffentlich zu finden. Ich fange bei mir an:

[Martin Delius (PIRATEN): Ja, mach’!]

Eigentlich könnte ich mich kurz fassen und sagen: Der Kollege Kohlmeier hat recht. Es ist für mich auch eine neue Erfahrung – zumindest, das an dieser Stelle zu sagen.

[Sven Kohlmeier (SPD): Mir gefällt es!]

Das würde aber auch ein bisschen zu kurz greifen. Auch die Grünen und die Piraten sind dabei, ihre Rollen zu finden. Für mich entsteht irgendwie der Eindruck, dass eine Fusion zwischen Grünen und Piraten bevorstehen könnte. Das Interessante dabei wäre, dass wir dann drei Parteien in einer Fraktion hätten. Das wäre vielleicht auch eine neue Erfahrung.