Vielen Dank, Frau Dr. Czyborra! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Sommer. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor über hundert Jahren gingen Frauen auf die Straße, um für die gesetzliche Gleichstellung zu kämpfen. Heute kämpfen wir täglich für die Einhaltung dieser Gesetze.
Das Landesgleichstellungsgesetz wurde 2010 novelliert. Es war das fortschrittlichste Gesetz dieser Art im bundesweiten Vergleich. Es ist ein Trauerspiel, wie dieses Gesetz nun permanent missachtet und unterwandert wird. – Meine Damen und Herren in der Regierung! Ihnen scheint Geschlechtergerechtigkeit ein Fremdwort zu sein!
Ich möchte dies auch begründen und an einem Beispiel noch mal verdeutlichen – dem fehlerhaften Besetzungsverfahren für den Vorsitz der Geschäftsführung der Messe Berlin GmbH. Während einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses konfrontierte ich die Wirtschaftssenatorin Frau Yzer damit – eigentlich müsste Sie hier sitzen, weil sie dafür verantwortlich ist, dass hier falsch gehandelt wurde –, dass im Auswahlverfahren für den Vorsitz
keine Frauenvertreterin beteiligt gewesen war. Frau Senatorin antwortete, dass dies nicht notwendig gewesen sei. Das ist schlichtweg falsch.
Sie muss noch mal in das LGG schauen, § 1a schreibt das vor. Natürlich wäre die Beteiligung einer Frauenvertreterin an der Auswahl auch nicht möglich gewesen – das wurde hier schon gesagt. Es gibt nämlich bis heute keine solche Frauenvertreterin bei der Messe GmbH, obwohl das Landesgleichstellungsgesetz dies seit November 2010 vorschreibt. – Frau Yzer! Es wäre auch Ihre Aufgabe – sie sitzt zwar nicht hier, aber ich hoffe, sie hört mich irgendwo –, die Wahl einer Frauenvertreterin dort durchzusetzen. Sie muss es natürlich tun, wenn es noch nicht so ist.
Eigentlich müsste doch die Frauensenatorin Kolat – sie sitzt hier und simst – alarmiert sein. Sie lässt in der Öffentlichkeit keine Gelegenheit aus zu erklären, wie sehr ihr das Landesgleichstellungsgesetz am Herzen liegt. Aber Sie verschließt ihre Augen und Ohren vor den permanenten Verstößen gegen das Landesgleichstellungsgesetz aus den Reihen ihrer Senatskollegen.
Sie sehen: Die internen Alarmglocken funktionieren nicht. Deswegen fordern wir den Senat in unserem Antrag auf, bei Verstößen und Versäumnissen in der Anwendung des Landesgleichstellungsgesetzes in Beteilungsunternehmen zu intervenieren. Wir wollen diesen Antrag in die zuständigen Ausschüsse überweisen, um ihn detailliert zu besprechen.
Das nächste Beispiel, ein grober Verstoß gegen das Landesgleichstellungsgesetz, ist das Auswahlverfahren für den Berliner Polizeipräsidenten. Hier hätte die Gesamtfrauenvertreterin der Berliner Polizei am Auswahlverfahren beteiligt werden müssen. Es war jedoch lediglich eine Frauenvertreterin eines gewissen Polizeistabes dabei, die nicht die gesamte Berliner Polizei repräsentierte. Darüber hinaus war sie lediglich zu 50 Prozent von ihren polizeilichen Aufgaben befreit und demnach gegenüber ihren Dienstherren befangen, Frau Czyborra!
Herr Senator Henkel – ich hoffe, er hört mich –, das ist ein grober Verfahrensfehler! Bitte lesen Sie das Landesgleichstellungsgesetz und befolgen Sie es!
Ich habe hiervon ein Exemplar mit und gebe es ihm nachher, damit er das noch einmal gründlich liest.
Diese hier aufgezählten Verstöße boten Anlass genug, um gegen das Auswahlverfahren zu klagen. Allerdings konnte dies laut LGG nur seitens der Frauenvertreterin oder der Beteiligten geschehen. Das passierte aber aus verständlichen Gründen nicht. Hier zeigt sich eine Lücke im Landesgleichstellungsgesetz, die meine Fraktion Die Linke bereits bei der Novellierung schließen wollte. Leider konnten wir uns aber bei unserem damaligen Koalitionspartner SPD nicht durchsetzen.
Deswegen freue ich mich, dass die Grünen unsere Forderung nach einem Verbandsklagerecht aufgenommen haben. Meine Fraktion wird diesen Antrag unterstützen. Zunächst wollen wir ihn in den Ausschuss überweisen und dort genauer besprechen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Sommer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Vogel. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Landesgleichstellungsgesetz trat vor 22 Jahren in Kraft. Es verpflichtet die Einrichtungen des Landes Berlin zur Gleichstellung von Männern und Frauen und zur aktiven Frauenförderung. Seitdem ist das Gesetz mehrfach novelliert worden, letztmalig im November 2010. Unsere Koalition aus CDU und SPD hat sich darauf verständigt, an diesem novellierten Landesgleichstellungsgesetz festzuhalten und es konsequent umzusetzen.
Um die Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes zu erfüllen und gegen eventuelle Rechtsverletzungen vorzugehen, existiert bereits heute eine Vielzahl an verschiedenen Möglichkeiten. So gibt es – und das ist der direkteste Weg im deutschen Rechtssystem – den Grundsatz, dass die oder der Betroffene das Recht zu einer Klage hat. Wenn Vereine und Verbände in ihren satzungsgemäßen Rechten betroffenen sind, könne sie ebenfalls, nämlich als juristische Personen, klagen. Überdies gibt es Gleichstellungsbeauftragte und Personalräte, die bei festgestellten Verstößen gegen das Landesgleichstellungsgesetz unterstützen können.
Vor allem aber sind durch das novellierte Landesgleichstellungsgesetz die Rechte der Frauenvertretrinnen gestärkt worden. Es gibt ein Beanstandungsrecht der Frauenvertreterinnen, Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz bei ihrer Dienststelle oder dem für Frauenpolitik zuständigen Mitglied des Senats geltend zu machen. Weiterhin wurde es der Frauenvertreterin ermöglicht, das Verwaltungsgericht anzurufen, wenn die betroffene
Dienststelle Rechte aus diesem Gesetz verletzt oder keinen den Vorschriften des Gesetzes entsprechenden Frauenförderplan aufgestellt hat.
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, gegen eventuelle Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz vorzugehen, stellt sich daher die Frage, warum nun auch noch Verbänden ein zusätzliches Klagerecht im Interesse einzelner Betroffener eingeräumt werden soll. Ein Verbandsklagerecht ist oft in Rechtsgebieten vorgesehen, in denen keine unmittelbar Betroffenen vorhanden sind, die selbst klagen können, z. B. im Tier- und im Umweltschutzrecht. Ich bin der festen Überzeugung, dass es keineswegs im Interesse unserer Frauen ist, hier eingereiht zu werden. Frauen können alleine klagen.
Weiterhin muss man auch feststellen, dass es in der Praxis bisher nur sehr wenige Klagen zum Landesgleichstellungsgesetz gibt.
Diese Tatsache wurde von den Gesamtfrauenvertreterinnen erst kürzlich bestätigt. Auch deswegen sehen wir für eine zusätzliche Klagemöglichkeit überhaupt keinen Bedarf.
Nein, danke! – Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sind zudem auch Antidiskriminierungsverbände befugt, im Rahmen ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren als Beistände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten und sie im Rahmen der Verfahrensordnung zu unterstützen. Das ist zwar kein Verbandsklagerecht, aber eine weitere Möglichkeit der indirekten Unterstützung. Gegen die im Antrag vermuteten Diskriminierungsstrukturen – wo auch immer diese sein sollen – per Verbandsklage vorzugehen, scheint uns nicht der richtige Weg zu sein.
Nun noch ein paar Worte zum Antrag der Linken „Gleichstellung in Beteiligungsunternehmen sichern“. Natürlich muss der Senat bei Verstößen gegen das Landesgleichstellungsgesetz intervenieren. Aber warum soll das hier beschlossen werden? Warum wollen Sie beschließen lassen, dass gesetzliche Verpflichtungen umgesetzt werden müssen? Das ist selbstverständlich. An dieser Stelle wird Ihr Antrag einfach überflüssig. Der Senat ist rechtlich verpflichtet, bestehende Gesetze zu beachten und auf deren Umsetzung zu bestehen.
Meine Fraktion weiß, dass die zuständige Senatsverwaltung auch nicht untätig dasitzt und erst zwei Jahre bis zum nächsten Gleichstellungsbericht wartet, wenn derartige Verstöße bekannt werden. Ein Eingreifen wird aber immer nur anlassbezogen erfolgen können. Mit der Wahl einer Frauenvertretung kommen komplett neue Anforderungen auf die Unternehmen zu, die nicht überall von heute auf morgen umgesetzt werden können. Die Frauen in den Unternehmen müssen eine Frauenvertretung auch wollen und können nicht dazu verpflichtet werden.
Wir beantragen, beide Anträge an den Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen und an den Hauptausschuss zu überweisen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Vogel! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Kowalewski das Wort. – Bitte sehr!
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier am Internationalen Frauen-Vor-Tag über zwei Anträge, die die Gleichstellung in den landeseigenen Betrieben verbessern sollen. Der Antrag der Linken fordert den Senat auf, das geltende Recht umzusetzen,
bei Bekanntwerden von Verstößen und Versäumnissen bei der Anwendung des Landesgleichstellungsgesetzes in den Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin unmittelbar zu intervenieren und für die umfassende Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu sorgen.
Wir erinnern uns: Vor genau einem halben Jahr ist genau das passiert. Die Messe hat sich potenzielle Nachfolger für den Messechef Hosch zusammengekungelt und dabei das Landesgleichstellungsgesetz völlig unberücksichtigt gelassen. Die zuständige Senatorin, Frau Obernitz, hat unmittelbar interveniert und für die umfassende Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben gesorgt, indem sie ein ordentliches Bewerbungsverfahren gestartet hat. Wie diese beispielhafte Anekdote ausgegangen ist, wissen wir alle: Herr Göke, der bisherige Geschäftsführer, wird im Juli Herrn Hosch ablösen, und heute sitzt Frau Yzer auf dem Stuhl von Frau Obernitz. Hätte es etwas geändert, wenn wir damals schon diesen Antrag beschlossen gehabt hätten? – Vermutlich leider nicht. Der Eindruck, dass die Beteiligungsgesellschaften den Senat kontrollieren statt umgekehrt, drängt sich an der Stelle auf. Welche Senatoren oder Senatorinnen würden sich nach der Causa Obernitz noch trauen, gegen die mächtigen Betriebe zu schießen – egal ob mit oder ohne vorherige Aufforderung?
Das bringt uns zum Antrag der Grünen, der das Ganze von der anderen Seite aufrollt. Hier geht es um ein Verbandsklagerecht. Das kennen wir schon. Das hatten wir letzten Mittwoch im Rechtsausschuss, wo sich die Mehrheit – die große Koalition – gegen das Verbandsklagerecht für die Tierschutzorganisationen ausgesprochen hat.
Warum sollte es dem Antrag für ein Verbandsklagerecht in Gleichstellungsfragen anders ergehen, zumal die Hürden an dieser Stelle sehr hoch sind? Ich hatte mir einmal überlegt, welche Organisationen sich zum Stand von heute überhaupt qualifizieren würden. Da kann es, wie bei der Messeleitung, sehr schnell um hohe Streitwerte und damit auch hohe Gerichtsgebühren gehen. Warum sollte also, wenn die Betriebe auf stur stellen und der Senat das geltende Recht nicht durchsetzen kann, die Zivilgesellschaft das Kostenrisiko tragen und Vereine ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel stellen, zumal gerade in Gleichstellungsfragen die Spendenbereitschaft nicht besonders hoch ist, nur, um im besten Fall ein Stück Papier zu bekommen, das belegt, dass illegale Praktiken wirklich illegal sind?
Wenn es in einem Beteiligungsunternehmen keine Frauenvertretung gibt, müssen die Arbeitnehmerinnen eben eine wählen. Wenn sie nicht wissen, dass sie eine wählen müssen, ist es nach dem Landesgleichstellungsgesetz die Aufgabe der Frauensenatorin, sie darauf hinzuweisen. Wenn das verhindert wird, gibt es heute schon einen ausreichenden Rechtsweg, der zu mehr als einer Feststellung führen kann. Auch eine Feststellung würde nicht viel weiter führen, weil das Landesgleichstellungsgesetz an dieser Stelle glasklar ist und keinen Interpretationsspielraum lässt. Wenn die Frauenvertretung unbotmäßig unter Druck gesetzt oder nicht richtig beteiligt wird, muss sie sich dagegen wehren. Sie genießt nicht umsonst den selben Schutz wie der Personalrat. Der Unterschied zwischen Arbeitnehmerinnen bzw. abgelehnten Bewerberinnen und Mastferkeln ist eben, dass erstere von einer sehr guten rechtlichen Vertretung mehr profitieren als davon, darauf angewiesen zu sein, dass Externe für sie klagen. Der morgige Tag ist nicht umsonst der Frauenkampftag.
Es gehen zwar beide Anträge in die richtige Richtung und sind insofern auch löblich und unterstützenswert, der ganz große Wurf politischer Kreativität fehlt allerdings noch.
Dafür müsste man vielleicht erst einmal bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte anfangen, und zwar sowohl der Vertreter der Eigentümerin als auch die der Arbeitnehmerschaft. Vielleicht kommen da ja noch gute Vorschläge, bevor wir im zuständigen Ausschuss darüber reden, vielleicht auch von uns.
Das will ich nicht ausschließen. Vielleicht kommen sie aber auch vonseiten der Koalition, denn Ihnen müsste auch daran gelegen sein, dass Ihr Senat sich beim Landesgleichstellungsgesetz nicht vorführen lässt. – Danke schön!