Protocol of the Session on January 31, 2013

Die kann er am Ende stellen. – Die bezirklichen Jugendämter sind gezwungen, Personal auch im Bereich des Kinderschutzes einzusparen. Nur noch die akuten Fälle können schnell bearbeitet werden, dann, wenn die massive Gefährdung eingetreten ist, nicht im Vorfeld präventiv, wenn die Zusammenarbeit mit der Familie noch möglich wäre. Die Fachkräfte haben keine Zeit, eine gute und zeitnahe Hilfe zu planen, um Überprüfung der Fälle durchzuführen.

Anspruch und Wirklichkeit im Kinderschutz liegen in der Realität in dieser Stadt weit auseinander. Grund dafür ist vor allem, dass nach der Rasenmähermethode erst bei den Kosten für die Fälle und dann auch noch beim Personal in den Bezirken gespart wird. Es wird gespart ohne Sinn und Verstand.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dies liegt in der Verantwortung des Berliner Senats und bei Ihnen, werte Damen und Herren der Großen Koalition. Sie verzetteln sich im Gigantismus Ihrer Großbauprojekte, mit denen Sie scheitern und dabei millionenfach das Geld der Berlinerinnen und Berliner in den Berliner und Brandenburger Sand und Schlamm versenken. Ihr politischer Auftrag ist eigentlich eine gute und nachhal

tige Daseinsvorsorge für die Zukunft dieser Stadt, zum Beispiel für die Kinder, Jugendlichen und Familien. Sie haben wirklich eine merkwürdige Auffassung politischer Schwerpunktsetzung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Als das Netzwerk Kinderschutz in Berlin startete, gaben sich die politisch Verantwortlichen einer gern gepflegten Illusion hin: Sie glaubten – und das vor allem die Finanzverantwortlichen –, dass durch die Vernetzung erzeugte Synergien mindestens kostenneutral zu erreichen sind und darüber hinaus langfristig zu Kostenersparnis führen. Wie immer bestätigt die Realität solche Illusionen gemeinerweise nicht. Vernetzung braucht Zeit und damit Personal, und das ist jetzt nicht vorhanden, weil Bezirke und freie Träger Personal einsparen müssen.

Die positiven Effekte des Netzwerkes, eine erhöhte Aufmerksamkeit vieler Menschen und die gestiegene Bereitschaft, Informationen weiterzugeben, haben zu einem deutlichen Anstieg der Kinderschutzfälle in den Jugendämtern geführt. Trotzdem gab es keine entsprechende Personalverstärkung, und die Hilfen zur Erziehung wurden ausschließlich als bedrohlich steigender Kostenfaktor diskutiert. Die Chance, mehr Kindern in dieser Stadt ein gutes Aufwachsen zu gewährleisten, ging dabei in den Debatten oft völlig unter. Der Schutz der Kinder und ihre gute Entwicklung sind die Fundamente der Zukunft unserer Stadt. Trotzdem wird weiter am notwendigen Personal gespart.

Der aktuelle erneute Zwang zu Personaleinsparungen in den Bezirken verschärft die Situation weiter und gefährdet das Wohl unserer Berliner Kinder. Auch die Kooperationspartner aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst leiden unter massivem Personalmangel. Die bezirklichen Gesundheitsämter sind gezwungen, Prioritäten zu setzen, und da schlägt die Schuleingangsuntersuchung schon mal andere Aufgaben aus dem Feld. Da hilft es auch nicht, wenn die Senatsgesundheitsverwaltung einen Kinderschutzbeauftragten einsetzt – vor allem, wenn der sich dann hauptsächlich mit Präventionskampagnen zur gesunden Ernährung und Zahngesundheit beschäftigt. Das sind alles lobenswerte Aktivitäten, die den Begriff Kinderschutz aber so weit auslegen, dass sie eher ein Feigenblatt dafür darstellen, dass der öffentliche Gesundheitsdienst seinen Aufgaben im Bereich der frühen Hilfen im Kinderschutz nicht mehr ausreichend nachkommen kann.

Die Mittel, die die Senatsverwaltung für Landesprogramme einstellt, sind mehr als dürftig. Die Preissteigerungen sind nicht eingestellt – das kommt einer realen Kürzung gleich. Da werden dann zusätzliche Mittel, wenn es sie gibt, auch gleich entsprechend hochgejubelt. Fördermittel, die gerade ausreichen, um Elterntreffpunkte in einigen wenigen Kitas zu finanzieren, werden als Programm zur Finanzierung von Elternzentren verkauft, die Familien ganzer Quartiere mit Beratung, Vernetzung, Aktivitäten und Bildung versorgen sollen. Das ist Etiket

tenschwindel, hier wird der Weg in eine gute Versorgung nur vorgegaukelt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Besonders prekär ist die Lage von Familien und Kindern mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Ihr Schutz und ihre Förderung wird immer wieder durch Statusfragen behindert. Ein Senat, der Kinder in Abschiebeeinrichtungen am Flughafen festsetzen will, hat einen sehr merkwürdigen Begriff von Kinderschutz.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Auch Abschiebungen von Familien mit Kindern, die viele Jahre nur Berlin als Heimat kannten, in völlig ungeklärte Verhältnisse, sind Kindeswohlgefährdungen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Der Abbruch der Schulbildung und das Verpflanzen in eine desolate soziale Situation sind das Gegenteil von Kinderschutz.

Soziale Risiken als Auslöser von Kindeswohlgefährdung werden aber auch bei allen anderen Kindern viel zu wenig betrachtet. Armut, langfristige Erwerbslosigkeit, unzureichende Wohnverhältnisse oder gar Wohnungslosigkeit von Familien müssen stärker in den Fokus des Netzwerkes Kinderschutz gerückt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vor allem die Jobcenter sind in das Netzwerk einzubinden und zu verpflichten, den Kinderschutz bei Sanktionsmaßnahmen und Leistungsversagung wie zum Beispiel der Verweigerung von Mietschuldübernahmen immer mitzudenken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Dass im Kinderschutz in Berlin so vieles gut funktioniert, liegt an der Bereitschaft Vieler, bis über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinaus Verantwortung zu übernehmen. Sie brauchen endlich angemessene Arbeitsbedingungen und – das ist vor allem nötig –, dass die Erbsenzählerei des Finanzsenators bei den Personalzielzahlen durch eine vernünftige und zukunftssichere Personalentwicklung im Land Berlin abgelöst wird.

[Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Beim SPD-Landesvorsitzenden hat ja erfreulicherweise ein Umdenken stattgefunden. Die Frage ist nur, ob auch die Fraktion, die Koalition und die anderen Senatoren dies begreifen und auch umsetzen. Ich habe Zweifel daran.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Nicht zuletzt müssen die sozialen Ursachen dafür bekämpft werden, dass Familien ihre Kinder nicht mehr ausreichend schützen und fördern können. Armut, Langzeiterwerbslosigkeit und – wieder in steigendem Maße – Wohnungsnot verhindern, dass Berlin eine kinder- und familienfreundliche Stadt bleibt und ist.

Kinderschutz ist immer eine ressortübergreifende gesamtstädtische Aufgabe. Wir Grünen werden alle Maßnahmen unterstützen, die dem Wohl der Berliner Kinder dienen. Wir können und werden aber nicht aufhören, den Senat zu entschiedenerem Handeln zu drängen, denn noch können wir leider nicht erkennen, dass dieser Senat und die ihn tragende rot-schwarze Koalition die Bedeutung des Schutzes aller Kinder für die Zukunft unserer Stadt wirklich wahrnehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Zeelen, bitte! – Sie wollten eine Kurzintervention machen?

[Zuruf von Björn Eggert (SPD)]

Nein, dann müssen Sie die anmelden, Herr Kollege Eggert. – Kollege Zeelen, wenn Sie noch einen Moment warten würden.

Ich hätte es auch als Zwischenfrage gemacht. – Frau Burkert-Eulitz! Sie haben den Landesjugendhilfeausschuss angesprochen und mich ja auch direkt. Da fühlte ich mich herausgefordert, dazu noch etwas zu sagen. Sie werden ja, wenn Sie anwesend gewesen sind, mitbekommen haben, was ich den dort anwesenden Jugendstadträtinnen und -räten und auch dem Jugendausschussvorsitzenden gesagt habe: Wenn das das wichtige Anliegen der Bezirke ist und es in den Bezirken allgemein so gesehen wird, dann beschließen Sie bitte in den Jugendhilfeausschüssen etwas Dementsprechendes, beschließen Sie es in den BVVen, beschließen Sie es in den Bezirksämtern. – Jetzt wäre meine Frage: Können Sie mir irgendeine dieser drei Ebenen nennen, in der dies geschehen ist, seitdem es den Brandbrief der Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse gegeben hat? – Ich kenne keinen!

[Joschka Langenbrinck (SPD): Bei dem sich noch nicht mal alle Bezirke beteiligt haben!]

Frau Kollegin, Sie bekommen noch mal das Wort!

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Herr Kollege Schäfer! Jetzt sollte Ihre Fraktionskollegin die Aufmerksamkeit des Hauses haben. Danke schön!

Lieber Björn Eggert! Ja, Sie waren da anwesend, aber heute haben Sie was ganz anderes erzählt. Sie haben erzählt, dass in dieser Stadt alles schön und gut ist, dass der Kinderschutz garantiert ist und dass eigentlich alles schön ist. Was Sie hier wieder machen, ist dieses Pingpong-Spiel: Die Bezirke sind eigentlich schuld.

[Zuruf von Björn Eggert (SPD)]

Die Bezirke werden an die Wand gespielt, die haben keinen Handlungsspielraum, und dann sagen Sie: Beschließen Sie es doch in Ihren BVVen! – Für Friedrichshain-Kreuzberg liegt genau vor, welche Folgen es haben wird, wenn die Personalzielzahlen auch für die Jugendhilfe umgesetzt werden. Frau Möller hat daraus zitiert, die müssten Ihnen eigentlich auch vorliegen. Und schon in Kenntnis dessen, was in Ihrem eigenen Bezirk passiert – –

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Er ist aber auch öfter dort anwesend und hat auch Kontakte. – Wenn er dort anwesend wäre und es wissen würde, dann würde er hier was anderes erzählen und mal einen Blick in den Kindernotdienst werfen und auch Gespräche mit den dort Tätigen führen.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Karriere machen!]

Das wäre gut, dann wäre nämlich auch mal ein Realitätscheck da. Das muss aufhören, dass in FriedrichshainKreuzberg, die ja für den Kinderschutz und für das Kinderschutzsystem, für die Notdienste zuständig sind, jedes Mal, wenn erneut über den Haushalt geredet wird, die Personalzahlen des Kindernotdienstes wieder dem Bezirk auferlegt werden und der auch da sparen soll, obwohl er im Interesse des ganzen Landes aktiv ist.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Jetzt folgt Herr Kollege Zeelen von der CDU-Fraktion. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Björn! Ich überlasse dir immer gerne das Wort, ich glaube aber nicht, dass man auf jeden Wortbeitrag in diesem Hause auch zwingend antworten muss. Ich glaube, das war gerade ein gutes Beispiel.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Liebe Frau Möller! Ich möchte Ihnen danken für eine sehr sachliche Einführung in diese Große Anfrage und auch direkt am Anfang meiner Rede deutlich machen,

er.

dass wir hier gerne über die Priorisierung von Projekten sprechen können, über die Schwerpunktsetzung bei politischen Themen, über eingeleitete Maßnahmen und ob die richtig sind, ob wir die überprüfen müssen. Worum es hier aber nicht geht, das ist, dass es einen Dissens darüber gibt, dass uns allen, allen Fraktionen im Hause der Kinder- und Jugendschutz in der Stadt am Herzen liegt. Insofern danke ich Ihnen für Ihre moderate Einführung.

[Beifall bei der CDU und der SPD]