Protocol of the Session on December 13, 2012

Tagesordnungspunkt 37

Ein Energiepakt für Berlin

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0700

in Verbindung mit

Tagesordnungspunkt 41

a) Grundsätze eines neu zu gründenden integrierten Energiedienstleisters als Tochtergesellschaft der BSR

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0704

b) Neue Energie für Berlin

Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/0706

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Harald Wolf – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier mehrere Anträge, die sich mit den Themen Energiepolitik und wie mehr öffentlicher Einfluss des Landes auf die Energiepolitik gewährleistet werden kann beschäftigen. Und wir haben im Berliner Abgeordnetenhaus eine eigentlich sensationell günstige Situation: Fast alle Fraktionen sprechen sich mittlerweile dafür aus, dass wir einen bestimmenden Einfluss auf das Stromnetz bekommen. Sogar die CDU lächelt mittlerweile freundlich, wenn die SPD über Rekommunalisierung spricht. Alle sind sich einig – jedenfalls, was die Erklärungen angeht: Wir wollen ein eigenes Stadtwerk, ein kommunales Stadtwerk, das ökologisch produziert und die Energiewende vorantreibt.

[Beifall bei der LINKEN]

Das sind Voraussetzungen, mit denen man eigentlich etwas machen könnte. Allerdings haben wir es im Moment nur mit guten Absichten zu tun, und auch hier gilt der Grundsatz: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

Was würde man in einer solchen Situation von einem Senat und von einer Regierungskoalition erwarten? – Ich jedenfalls erwarte, dass es Vorstellungen des Senats und der Koalition gibt, wie wir die gegenwärtige Situation nutzen, wo die Netzkonzessionen für alle drei Netze – Strom, Fernwärme, Gas – neu vergeben werden und es breite gesellschaftliche Unterstützung für Rekommunalisierungsüberlegungen gibt – Stichwort Volksbegehren. Diese Situation muss genutzt werden, um eine Strategie und eine Konzeption zu entwickeln, was sowohl für den Aufbau eines Stadtwerks als auch dafür gilt, wie man die Konzessionsvergabe für alle drei Netze nutzen kann, um die energiewirtschaftlichen Strukturen in Berlin in Richtung ökologisches Wirtschaften und ökologische Energiestrukturen umzubauen.

Was haben wir bisher erlebt? – Beim Thema Rekommunalisierung der Energienetze führen wir im Moment ausschließlich eine Diskussion über die Stromnetze. Ich kenne keine Vorstellungen bezüglich des Gas- und Fernwärmenetzes. Ich habe vor acht oder neun Monaten eine Große Anfrage zum Thema an den Senat gestellt: Will der Senat bei den Gasnetzen Einfluss haben? Ist der Senat der Auffassung, dass Gasnetze zum Beispiel auch ein

wichtiges Speichermedium für erneuerbare Energien sind, womit wir das, was wir an Überschuss in Brandenburg, zum Beispiel an Windenergie haben, für Berlin nutzen können? – Dazu wollen wir einmal eine Antwort hören! – Will der Senat die Vergabe des Wegerechts für Fernwärme nutzen, um möglicherweise auch Einfluss auf die Kraftwerksstrukturen und die Fragen zu bekommen, ob die Kraftwerke wärmeseitig oder stromseitig geführt sind? – All das sind doch Fragen, die man sich jetzt stellen, die man diskutieren müsste und wo man eine Strategie entwickeln muss.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Seit langer Zeit wird erklärt: Wir wollen einen bestimmten Einfluss auf die Stromnetze haben. Im Herbst dieses Jahres kommt der Senat auf die Idee, die gesellschaftsrechtliche Hülle Berlin-Energie zu ertüchtigen, damit die sich mit einigermaßen Aussicht bewerben können. Was man Vattenfall ja nicht vorwerfen kann, ist, dass sie nichts vom Betreiben von Stromnetzen verstehen. Man kann ihnen vorwerfen, dass sie kein aktiver Netzbetreiber sind, der regenerative und dezentrale Energien in die Netzinfrastruktur integriert. Aber zuverlässig ist er, und er kann es. Das Land Berlin hat bislang keinerlei Kompetenz. Dann aber im Herbst ein Gutachten in Auftrag zu geben, was man überhaupt braucht, um sich erfolgreich bewerben zu können, ist schon reichlich spät.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Genauso verhält es sich mit der Frage: Wie geht man Partnerschaften an, damit man die Kompetenzen aufbauen kann, die gegenwärtig nicht im Land Berlin vorhanden sind, damit man sich erfolgreich bewerben kann? – Auch an dieser Stelle ist bisher vom Senat nichts zu erfahren. Der Kollege Müller hat nach kurzem Widerstand vor einiger Zeit das Unternehmen Berlin-Energie und die Aufgabe, es zu ertüchtigen, damit es sich erfolgreich bewerben kann, übergeholfen bekommen und sich darüber gewundert, was er da jetzt bekommen hat. Er überlegt jetzt, was er damit macht und wie er diese Aufgabe, bei der von diesem Senat ein Jahr vertrödelt wurde, noch einigermaßen erfolgreich erfüllen kann. Ich wünsche viel Glück und biete auch gerne die Unterstützung der Opposition in dieser Frage an! Es ist uns ja ein Anliegen, dass Berlin in dieser Frage erfolgreich ist. Aber dazu muss man diesen Senat wirklich einmal zur Arbeit treiben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann haben wir jetzt den Gesetzentwurf der Koalition zur Bildung eines Stadtwerks als Tochterunternehmen der Berliner Stadtreinigung. Auch hier ist die Absicht gut. Aber ich sage: Das Pferd ist von hinten aufgezäumt. Ich mache doch nicht als Erstes ein Gesetz, mit dem ich eine Aufgabe an ein kommunales, hundertprozentig landeseigenes Unternehmen übertrage, ohne überhaupt mit diesem Unternehmen über diese Frage diskutiert, ohne mit diesem Unternehmen darüber gesprochen zu haben, was

es leisten kann, welche Probleme es sieht, welche Kapazitäten und welches Geschäftsmodell es hat! Nichts davon ist geschehen. Ich finde, das ist Voluntarismus; das ist Dilettantismus, mit dem man ein gutes, positives Anliegen nur zu Tode reiten kann.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Auch hier ist es offensichtlich Absicht der Koalitionsfraktionen zu sagen: Wir müssen dem Energietisch jetzt etwas vorweisen, und deshalb machen wir einen Gesetzentwurf. – Aber ihr könnt damit nicht überdecken, dass der Senat ein Jahr lang nicht an diesem Thema gearbeitet hat. Nichts ist geschehen nach dem Ende der rot-roten Regierung! Der Kollege Saleh kann mir zwar vorwerfen, dass ich die Arbeit nicht habe zu Ende bringen können und kein Geschäftsmodell für dieses Unternehmen entwickeln konnte. Diese Kritik akzeptiere ich, auch wenn ich mir an dieser Stelle ab und zu Unterstützung von sozialdemokratischen Senatsmitgliedern gewünscht hätte.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber dass dann die Arbeit eingestellt worden ist, das ist das Problem. Wir könnten heute viel weiter sein, und wir bräuchten ein unternehmerisches Konzept, ein Geschäftsmodell: Wo soll denn die Wertschöpfung bei diesem Unternehmen stattfinden? Wo sind die Produktionsanlagen? Welche Energiedienstleistungen können angeboten werden? Welche Kooperationsstrukturen mit anderen kommunalen Unternehmen werden angestrebt? Wie sollen sie organisiert werden? – Das alles ist bisher nicht geleistet worden, und erst dann, wenn ich das geklärt habe, mache ich ein Gesetz, das auf das Geschäftsmodell und die Unternehmensstruktur passt, die ich brauche, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb haben wir den Senat in einem gemeinsamen Antrag der Opposition aufgefordert, zu diesem Thema wirklich einmal eine Konzeption vorzulegen und ein Geschäftsmodell zu entwickeln.

[Daniel Buchholz (SPD): Der Oppositionsantrag – das sind ja nur Fragen!]

Soll ich mal sagen, was der Unterschied zwischen Regierung und Opposition ist? – Die Regierung hat die Aufgabe zu regieren, und die Opposition hat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und anzutreiben, wenn sie es nicht tut. Aber es ist die Aufgabe der Regierung, ein Stadtwerk umzusetzen. Das kann die Opposition nicht, sondern das ist eine Aufgabe der Exekutive. Ihr als Fraktion habt ja auch das Problem, dass dieser Senat tatenlos ist. Deshalb müsst ihr ein Gesetz machen, damit er überhaupt ins Arbeiten kommt. In dieser Frage gibt es ein Jahr lang Stillstand. Nichts wurde getan – das ist das Problem!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Daniel Buchholz (SPD): Das ist Arbeitsverweigerung!]

Nein, das ist keine Arbeitsverweigerung! Ich biete es gern an: Wir haben ja ein großes Interesse daran, das wir vom Grundsatz her gemeinsam haben, dass dieses Anliegen ein erfolgreiches Anliegen wird.

[Zuruf von Jutta Matuschek (LINKE)]

Deshalb wäre mein Vorschlag: Lasst uns dieses Gesetz in die Ausschüsse überweisen! Lasst dieses Gesetz in den Ausschüssen erst einmal liegen, und lasst uns dann über das unternehmerische Konzept gemeinsam mit den kommunalen Unternehmen im Detail diskutieren! Wenn wir dann das Konzept haben, lasst uns das Gesetz machen und gucken, was in diesem Gesetz geändert werden muss, damit wirklich ein unternehmerisches Konzept und ein Geschäftsmodell dahintersteht, das gegenwärtig nicht existiert! Im Moment ist es nur eine Hülle, und es steht noch keine Idee dahinter.

Deshalb noch einmal: Wenn ich das hier kritisiere, dann mache ich das nicht aus Oppositionsgeschrei oder sonst einem ähnlichen Grund, sondern ich habe die ernste Sorge, dass wir, wenn wir diese Frage nicht konzeptionell gründlich bearbeiten, die riesige Chance nicht optimal nutzen, die gegenwärtig durch das Zeitfenster der Vergabe der Netzkonzessionen und die Bereitschaft einer breiten Mehrheit existiert, ein eigenes Stadtwerk aufzubauen.

Und lasst uns deshalb das gemeinsam in aller Ruhe diskutieren, lasst uns an den Senat die richtigen Aufträge geben, weil der Senat in der Verpflichtung ist zu liefern, nicht die Opposition! Wir sind aber gerne bereit, gemeinsam konstruktiv an diesem Thema zu arbeiten!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Melzer das Wort. – Bitte sehr!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Und den Rest der Frak- tion interessiert das überhaupt nicht?]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundesumweltminister Altmaier nennt die Energiewende ein „identitätsstiftendes Gemeinschaftswerk“. Was wir im Berliner Abgeordnetenhaus aber feststellen, ist, dass die Opposition sich bisher nicht wirklich am Gelingen dieses Gemeinschaftswerkes beteiligt. Herr Wolf! Ihre Rede war die verlängerte Fragestunde des Parlaments!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Jetzt geht das schon wieder los!]

Nur Fragen, keine Antworten, null Konzept von Ihrer Seite, und das nach zehn Jahren Regierungstätigkeit. Das

ist auch ein klares Signal, dass die Linke hier nicht mitmachen will!

[Udo Wolf (LINKE): Wenn Sie keine Ahnung haben, müssen Sie einfach mal die Klappe halten!]

Berlin als Hauptstadt Deutschlands ist bei der Energiewende ebenfalls im Brennglas. Wir haben hier eine besondere Verantwortung. Mit zwei Komponenten tragen die Koalitionsfraktionen aus SPD und CDU mit zum Gelingen der Energiewende bei: durch die ergebnisoffene, faire und wettbewerbliche Ausschreibung der Stromnetze und die Gründung eines Stadtwerkes. Beides trägt die Überschrift „Wirtschaftliche Vernunft, gepaart mit sozialer Verantwortung“. Zwei Seiten einer Medaille, und die Fraktionen von SPD und CDU berücksichtigen beide Seiten mit ihren Anträgen, die heute vorliegen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wie meinen Sie das, Herr Melzer? Können Sie das erklären?]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Es kam ja gerade die Aufforderung, ich solle das erklären, wie ich das meine. Das mache ich jetzt auch. – Nehmen wir beispielsweise die gestrige Anhörung im Hauptausschuss. Da wurde beraten, wie ein rechtssicheres, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren, eine wettbewerbliche Ausschreibung um die Stromnetze rechtssicher dargestellt werden kann.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist ja wohl die Voraussetzung!]