Protocol of the Session on November 22, 2012

an den Orten, wo sich Wissenschaft und Wirtschaft treffen können, an den Orten, wo Innovation und insbesondere Wachstum in den Branchen mit Clusterbezug gefördert werden können. Hier wirken Technische Universität, Freie Universität und Universität der Künste in ihrem jeweiligen regionalen Umfelder schon bereits sehr erfolgreich. Es geht darum, qualifizierte Absolventinnen und Absolventen für den Berliner Markt zu begeistern. Es geht um Neugründungen, ja, und es geht auch um den Wissenstransfer von innovativen Forschungsergebnissen in die unternehmerische Praxis. Das Konzept der Zukunftsorte, das die Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart hat, ist der richtige Ansatz und wird mit Leben gefüllt. Die Flächen, die wir zur Verfügung haben, sind nicht Klotz am Bein, sondern für Berlin eine großartige Chance, die es nutzen gilt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zuletzt möchte ich sagen: Wir alle sind Botschafter Berlins, wir alle sind Botschafter des Wirtschaftsstandorts Berlin.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Botschafterinnen!]

So ist es richtig, dass sich auch der Wirtschaftsausschuss aktiv um den Dialog mit den Unternehmen bemüht. Gerade in dieser Woche waren wir bei Bombardier in Hennigsdorf im Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg. Neben Stadler ist Bombardier eins der ganz wichtigen Unternehmen im Schienenverkehr. Es ist wichtig, hier auch deutlich zu sagen: Es gibt eine politische Unterstützung für die Unternehmen am Standort Berlin-Brandenburg.

Das gilt für die Unternehmen, die wir besucht haben, das gilt auch für Unternehmensnetzwerke wie die Motzener Straße, die der Wirtschaftsausschuss besucht hat, das sollte auch über Parteigrenzen hinweg gelten. Denn diese großen Unternehmen und dieser Mittelstand schaffen in Berlin und Brandenburg Arbeitsplätze. Die sollten wir alle fördern und nicht zerreden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Auch die Wirtschaftskonferenz in der vergangenen Woche hat gezeigt, wie entscheidend Rahmenbedingungen und ein politisches Bekenntnis zum Industriestandort Berlin sind. Auch hier sage ich: Es reicht nicht aus, nur zu kritisieren, diese Wirtschaftskonferenz als nicht sinnvoll abzukanzeln, nein, man hat gemerkt, viele Unternehmen waren da, viele Unternehmen haben sich zum Standort bekannt. Das war eine Werbeveranstaltung für den Wirtschaftsstandort Berlin und für den Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg. BMW hat sogar konkrete Ankündigungen für das BMW-Motorradwerk in Spandau gemacht, über die wir uns sehr freuen. Insofern ist auch diese Wirtschaftskonferenz ein großer Erfolg und sollte fortgeführt werden.

[Beifall bei der CDU]

Mit den vier Aktionsfeldern des Masterplans Industrie, nämlich Rahmenbedingungen, Innovationen, Fachkräfte und Standortkommunikation werden die wesentlichen Punkte gesetzt. Entscheidend wird es sein, den gesellschaftlichen Schulterschluss für diesen Masterplan beizubehalten und ihn bei denjenigen, die noch nicht dabei sind, aufzubauen. Es geht darum, konkrete Ziele zu vereinbaren, konkrete Ziele zu erreichen.

Bei der Weiterentwicklung des Masterplans und damit bei der Weiterentwicklung der Industriestadt Berlin wünschen wir der Wirtschaftssenatorin, dem gesamten Senat die Kraft und den Erfolg, den es dazu braucht. Berlin braucht eine starke Wirtschaft. Wir streiten im Parlament um die richtigen Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze und Wachstum. Wir werden das Unsrige als Koalition tun, damit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in der Stadt weiterhin nachhaltig verbessern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Vielen Dank! – Bevor ich jetzt Frau Matuschek das Wort erteile, noch einen kurzen Hinweis. Mir sind wieder Informationen zugekommen, dass hier im Plenarsaal fotografiert wird und im Internet Fotos veröffentlicht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere noch einmal eindringlich, dass wir uns einig sind, dass das nicht der Fall sein soll. Ich werde den Vorgang auch im nächsten Ältestenrat ansprechen, weil wir uns werden

(Jutta Matuschek)

überlegen müssen, ob wir an der einen oder anderer Stelle die Geschäftsordnung ergänzen müssen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Na, war ein SPDler! Herr Kohlmeier?]

Frau Matuschek! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch interessant zu registrieren, dass so ein Thema – das Fotografieren in einem schlafenden Abgeordnetenhaus – wichtiger ist als die Industriepolitik, die zur Großen Anfrage erhoben wurde. Man freut sich schon, nicht vor dem Fernseher sitzen und der Serie „Die Bedeutung des Todes im Leben“ beiwohnen zu müssen, denn das hat man hier auch.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Langweiliger geht es nicht. Frau Yzer nehme ich ausdrücklich mal heraus aus meiner Kritik. Es war ihre erste große Rede hier im Abgeordnetenhaus. Da, denke ich, ist das immer auch ein bisschen zu berücksichtigen, dass Sie erst kurze Zeit im Amt sind.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, es ist ja schon gesagt worden: Man fragt sich, warum Sie diese Große Anfrage gestellt haben; und man fragt sich, was Sie hier vorgetragen haben. Der Enthusiasmus von Herrn Melzer ist ja nur noch von Benny bei der Olsenbande zu übertreffen – mächtig, gewaltig, Egon.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Schultze-Berndt macht Industriepolitik im Wohnzimmer. Na, was macht er denn da? Pillen drehen vielleicht? – Weiß ich nicht. Manufaktur auf jeden Fall. Und Herr Jahnke – na ja, Herrn Jahnke kennen wir ja schon als Worthülsenventilator. Das war’s dann heute auch wieder.

[Beifall bei den PIRATEN und von Uwe Doering (LINKE)]

Aber ich will fair sein und die Koalition loben, nämlich: Sie hat verstanden, was der Masterplan Industriepolitik eigentlich intendiert hat – aus der letzten Legislaturperiode. Er wurde dort erarbeitet und verabschiedet, und er ist tatsächlich immer noch – das freut uns – das zentrale politische Instrument zur Entwicklung der Berliner Industrie.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Der war ja auch gut!]

Und die Struktur der Großen Anfrage folgt vollständig der Struktur des Masterplans. Die einzelnen Aktionsfelder werden also abgefragt in der Reihenfolge der Broschüre und danach wird auch nach dem einzelnen Stand der Projekte gefragt. Der Urheber des Masterplans, Sena

tor Harald Wolf, darf natürlich nach dem Selbstverständnis der großen Regierungskoalition nicht genannt werden. Deswegen kommt der Begriff „Masterplan Industrie“ auch nur einmal ganz verschämt in Frage 18 vor.

[Uwe Doering (LINKE): Immerhin!]

Immerhin! – Aber so kommt es dann, dass die Fragen der SPD und der CDU entweder große Ahnungslosigkeit über die Berliner Wirtschaft offenbaren oder große Phantasielosigkeit darüber, wie es jetzt, nachdem man sich kürzlich bei der schon erwähnten Berliner Wirtschaftskonferenz – übrigens auch eine Erfindung von Rot-Rot – gefeiert hat, weitergehen soll.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jahnke?

Ach, das macht es doch nicht interessanter!

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die wichtigen Abschnitte eines Erkenntnis- und Handlungspfads – Analyse, Strategieentwicklung, Aufstellung eines Masterplans – sind schon erfolgt. Wir sind jetzt in der Phase der Umsetzung. Und da ist es nicht mal der großen Koalition aufgefallen, dass es schon den zweiten – nicht den ersten – Umsetzungsbericht zum Masterplan Industriepolitik gibt. Den kann man im Internet nachlesen. Da hätten Sie sich viele Fragen, die wirklich Unkenntnis offenbarten, einfach sparen können. Lesen hilft, liebe Kollegen!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Da hätten Sie auch alle Zahlen auslesen können, die Sie heute noch mal abgefragt haben. Wie gesagt, wer lesen kann, ist im Vorteil.

Die Industrieentwicklung Berlins ist in den Jahren seit 2004 tatsächlich zu einer beginnenden Erfolgsgeschichte geworden, wenn auch von einem niedrigen Ausgangsniveau aus. Übrigens, Herr Melzer: Die Reden, Berlin könnte nur als Dienstleistungsmetropole existieren, waren unter dem damaligen CDU-SPD-Senat unter Herrn Diepgen am lautesten gebrüllt worden.

[Beifall bei der LINKEN]

Nun haben wir also wieder ein erfreuliches Industriewachstum, und dieser Paradigmenwechsel, dass Berlin nicht nur als Dienstleistungsmetropole überleben kann, sondern ohne aktive Industriepolitik seine Chancen verspielen würde, war und ist richtig. Aber Industriepolitik ist eben kein Selbstläufer. Und solche Debatten sind eigentlich auch nicht zur Werbung geeignet für Industrieansiedlungen und Investoreninteresse. Es geht tatsächlich um die Umsetzung des Masterplans, also um die Über

windung von Hemmnissen. Und da stellt die Koalition aufgrund ihrer Ahnungslosigkeit einfach mal die falschen Fragen und die wichtigen nicht.

Diese wären zum Beispiel, kurz angeklungen: Warum ist das Projekt Flächenentwicklung eigentlich ins Stocken geraten? Dass wir viele Flächen haben, ist ja schön, und das wissen wir auch schon seit Jahren. Aber dass ein B-Planverfahren unter Umständen zehn Jahre dauert, ist leider eben ein Hemmnis, das zu überwinden ist.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zweitens: Wann werden denn die Landesbürgschaftsrichtlinien geändert, um Verfahrensbeschleunigungen zu erreichen? – Drittens: Welche Schlussfolgerungen werden aus der Hemmnisstudie in Wissens- und Technologietransfer konkret gezogen? – Viertens: Welche konkreten Ziele verfolgt der Senat denn bei der Verschmelzung von der Technologiestiftung und Berlin-Partner? Da gibt es bis heute keine Strategie, aber es wird gefeiert, dass es mal ein Gespräch gegeben hat, dass sich keiner dem entgegenstellt. Welche Strategie steckt denn dahinter? Die Frage hätte man stellen können, hat man nicht gestellt. Man feiert ja ein Gespräch.

Und es gibt weitere Fragen, die zu stellen sind und die man hätte aufwerfen können. Denn z. B. haben wir erfreulicherweise einen Boom im Kongresswesen. Wie können wir diesen Kongresswesenboom verbinden mit mehr Werbung für den Industriestandort Berlin, wenn schon das Abgeordnetenhaus den Industriestandort nicht bewerben kann? Wie kann die Etablierung des Wissens- und Technologiestandorts Berlin in der Ausgestaltung regionaler Wertschöpfungsketten umgesetzt werden?

Und ganz wesentlich, davon war von Frau Ludwig auch richtigerweise gesprochen worden: Wie kann das Arbeitskräftepotenzial für Industrieansiedlungen in und um Berlin jetzt und zukünftig in nötiger Qualität gesichert und herangebildet werden? – Wir sprachen darüber, als wir bei Bombardier waren. Die Ingenieure, die dort zurzeit eingestellt werden, kommen größtenteils aus Spanien. Wir haben hier Hochschulen, die bilden Ingenieure aus. Warum haben diese Ingenieure hier in Berlin nicht die Chance, gleich in den entsprechenden Unternehmen unterzukommen? Das ist ein Problem. Stimmt da etwas in der Bildung nicht? Stimmt da etwas nicht in der praxisnahen Ausbildung? – Darüber müsste man sich tatsächlich unterhalten.

Wie können andere weiche Standortfaktoren wie z. B. ein günstiges Mietniveau – ja, das ist ein Standortfaktor auch für Industrieansiedlungen – gehalten werden? Wie kann ein hervorragender ÖPNV auch auf neue Ansiedlungsstandorte ausgerichtet werden? – Der ÖPNV ist übrigens ein ganz wesentliches Merkmal, das immer wieder von Investoreninteressenten genannt wird, das sei gut in Berlin vorhanden, aber man möchte das natürlich auch für die Zukunft gesichert sehen. Angesichts der S-Bahn

Krise ist das ein arger Imageschaden, auch für die Industrieansiedlungspolitik.

Ganz wichtig, damit komme ich schon fast zum Schluss: Wie kann eigentlich die öffentliche Hand als direkter und indirekter Abnehmer von Industrieprodukten angesichts des Kreditverbots, genannt Schuldenbremse, und des erbärmlichen Neuinvestitionsniveaus in Berlin ihre Abnahmemacht wenigstens aufrechterhalten und nicht, wie wir es in Griechenland erleben müssen, die Rezession vorantreiben? Im Klartext: Wie schlägt sich die Austeritätspolitik von Frau Merkel in Europa in der Bundesrepublik auch auf Berlin nieder? Darüber müssen wir doch reden!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und über die EU-Förderprogramme rede ich heute Abend mal gar nicht. Rot-Rot hat viel unternommen, um diese Mittel immer wieder vollständig abzurufen. Das liegt jetzt im Argen. Und wie wir heute wissen: Für die Zukunft, für die nächste Förderperiode haben wir mit noch größeren Schwierigkeiten zu rechnen, wenn die EU keinen Haushalt aufstellen kann; also die Förderperiode 2014 bis 2020, die unmittelbar bevorsteht ist offensichtlich noch gar nicht ins Problembewusstsein der Regierungskoalition gelangt. Nein, da herrscht Vogel-StraußPolitik. Nach dem Motto „Wissen ist Macht, nichts wissen macht nichts“ wird hier fleißig rumdilettiert. Insofern, Frau Yzer, wünsche ich Ihnen viel Erfolg mit Ihrer Regierungskoalition. Seien Sie optimistisch und seien Sie vor allen Dingen auch handlungsstark!