Musikschulen und Volkshochschulen sichern – Arbeitsbedingungen der Honorarkräfte an Musikschulen und Volkshochschulen verbessern
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/0449
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Birk. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist spät, und Sie warten schon lange auf das Ende des heutigen Plenartags, aber diese Reden müssen gehalten werden, denn Volkshochschulen und Musikschulen warten auch schon sehr lange auf die Lösung ihrer Probleme und sind zu Recht stocksauer.
In Sonntagsreden stehen lebenslanges Lernen und kulturelle und musikalische Bildung ganz hoch im Kurs. Bei Veranstaltungen hören Sie alle gerne die Musikschulorchester, und Berlin rühmt sich zu Recht der vielen Preise bei „Jugend musiziert“. Volkshochschulen sind unverzichtbare Bildungseinrichtungen z. B. für die Integrations- und Sprachekurse und die berufliche Bildung. Wie die Rahmenbedingungen für die Musik- und Volkshochschulschülerinnen und -schüler und die Dozentinnen und Dozenten aussehen, war der Mehrheit in diesem Haus und dem Senat leider lange Zeit herzlich egal, und das muss sich endlich ändern.
Mehr als 10 000 Menschen stehen auf der Warteliste der Musikschulen. In keiner anderen deutschen Großstadt gibt es das beschämende Verhältnis von 10 Prozent Festangestellten und 90 Prozent Honorarkräften an Musikschulen. Eigentlich sollte es tendenziell umgekehrt sein. Das feste Personal an Musikschulen und Volkshochschulen wird weiter abgebaut und reicht nicht mal mehr für die wichtigsten Leitungsfunktionen. Die prekäre Situation der arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte ist unzumutbar. Viele von ihnen arbeiten mit mehreren Diplomen in der Tasche Vollzeit für 1 000 bis 1 200 Euro netto. Auf sie wartet bestenfalls die Grundsicherung. Die Deutsche Rentenversicherung beklagte letztes Jahr im März Scheinselbstständigkeit als Regel an Berliner Musikschulen. Als Abhilfe wurde ein Bürokratiemonster als neue Ausführungsvorschrift geschaffen, das die Situation der Musikschullehrerinnen und -lehrer verschlechtert und aus unserer Sicht keine Rechtssicherheit gibt. All das wollen die Betroffenen und wir als Opposition nicht länger hinnehmen – und deswegen dieser gemeinsame Antrag.
Er wurde in ähnlicher Fassung – übrigens in mehreren Bezirken – gestellt, und zwar auch mit Stimmen von SPD und CDU. Auch wir haben der Koalition angeboten, zu einem Allparteienantrag zu kommen. Das wurde leider abgelehnt. So stehen zunächst Grüne, Linke und Piraten
Denn seit 2009 liegt ein Abschlussbericht der vom Senat eingesetzten Kommission zu den Berliner Volkshochschulen und Musikschulen vor. Obwohl es dazu nie eine offizielle Mitteilung an dieses Haus gab, wurde er in zwei Anhörungen von allen Fachleuten als wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung begrüßt, um wenigstens ein Basisangebot zu sichern und die Leitungsfunktionsstellen gerecht zu besetzen und zu verteilen. Der rot-rote Senat hat die Ergebnisse trotzdem bis kurz vor der Wahl ignoriert. Der rot-schwarze Senat kündigte nebulös eine Arbeitsgruppe dazu an, was die Beteiligten aufstöhnen ließ, denn es saßen ja alle relevanten Berliner Institutionen in der Kommission am Tisch. Darum sparen Sie sich weitere Umwege und handeln Sie jetzt!
Wenn alle Einzelelemente des Kommissionsberichts schrittweise innerhalb von fünf bis sechs Jahren umgesetzt würden, würde das bestenfalls am Ende einen Aufwuchs von 4 Millionen Euro jährlich bedeuten. Umgerechnet auf die Mehrkosten zum Flughafen könnte also zu heutigen Preisen 111 Jahre lang die Basis für Volkshochschulen und Musikschulen abgesichert werden.
Doch statt für Bildung wird dies Geld für die Fehlplanung bei Brandschutz und Technik beim BER verbrannt, und so was empört die Berlinerinnen und Berliner zu Recht.
Das ist auch empörend, wenn wir uns dem zweiten Teil des Antrags zuwenden. Seit Jahren fordern die arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte an Volkshochschulen und Musikschulen Tarifverträge, um ihre prekäre Situation endlich etwas erträglicher zu machen. Diese Forderung unterstützen auch wir. Es kann nicht angehen, dass Volkshochschuldozentinnen und -dozenten über Jahrzehnte eingebunden in feste Kurrikula Integrationskurse geben und dann keinen Mutterschutz und keine Honorarfortzahlung im Krankheitsfall haben und als Vollzeitlehrkräfte weniger als die Hälfte als angestellte Lehrerinnen und Lehrer verdienen, von Beamtinnen und Beamten gar nicht zu reden.
Herr Birk! Eine Nachfrage: Sie haben gerade die 444 Millionen für den Flughafen für die Musikschulen ausgegeben. Wofür soll denn das Geld noch ausgegeben werden? Ihre Fraktionskollegin Frau Pop hat das Geld heute Morgen auch schon ausgegeben.
Ihnen ist wohl nichts zu peinlich. Ich glaube, Sie haben schon verstanden, dass es ein symbolisches Beispiel war.
Die Honorarkräfte an Musikschulen waren bei Krankheit seit 1983 zwar bessergestellt, aber durch die neue Ausführungsvorschrift infolge der Mahnung durch die Rentenversicherung ist die Honorarfortzahlung bei Krankheit, die jetzt Ausfallhonorar heißt, weit komplizierter geworden. Die Bezahlung ist auch hier so beschämend niedrig, zumal diese Honorarkräfte nun auch noch das Ganztagsangebot durch Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen abdecken müssen. Deswegen sind die Honorarkräfte seit vielen Monaten auf der Straße, führen Protestveranstaltungen durch, sammeln Unterschriften und fordern Tarifverträge. Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten!
Das Thema war ja auch am 1. Mai im Mittelpunkt der Abschlusskundgebung, und ich rate Ihnen zum Schluss: Es reicht nicht allein, rote Fahnen zu schwenken und prekäre Verhältnisse in der Privatwirtschaft zu beklagen. Sie müssen dann auch mal entsprechend im öffentlichen Dienst die Konsequenzen ziehen. Deswegen unterstützen Sie unseren Antrag, setzen Sie den Kommissionsbericht um, und führen Sie Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Honorarkräfte ein! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Thema Musikschulen/Volkshochschulen wird seit Jahren gerungen. Herr Birk, Sie wissen es. Es wird wirklich gerungen von allen Beteiligten und Betroffenen, auch von allen Abgeordneten aller Fraktionen, die im Bildungs- und Kulturausschuss arbeiten, denn die Bedeutung dieser beiden außerschulischen Bildungseinrichtungen ist ja unbestritten. Die Rahmenbedingungen sind verbesserungsfähig. Das wissen wir. Insofern bin ich auch dankbar, dass das Thema heute auf der Tagesordnung steht, auch wenn es wirklich sehr spät ist und vielleicht auch nicht mehr zur Lösung beiträgt, wenn wir jetzt noch darüber reden, dann besser im Ausschuss.
Lassen Sie mich ganz kurz auf die drei Kernpunkte des Antrags eingehen – einmal: Der Kommissionsbericht ist eine gute Grundlage, um weiterzukommen. Da sind wir uns auch einig. Aber Sie haben es selber gesagt, 4 bis 5 Millionen Euro kostet es. Und das dürfte auch der Grund sein, warum sich nichts bewegt hat, warum dieser Bericht bis heute nicht offiziell vorgelegt wurde. Es gibt eine Steuerungsgruppe, die sich noch mal diese ganzen Fragen vornehmen soll. Sie soll gesamtstädtische Entwicklungsziele erarbeiten. Ich hoffe sehr, dass damit auch wieder Bewegung in der Sache ist.
Der zweite Punkt – Situation der Honorarkräfte: Deren Arbeitsbedingungen sind, zumindest wenn sie ausschließlich von diesen Einkommen leben müssen, wirklich schwierig, wirklich – ich würde sagen – unzumutbar. Wir haben immerhin einige Verbesserungen über die AV Honorare umgesetzt, aber die Gleichstellung der Dozenten an Musikschulen und Volkshochschulen ist nicht erreicht. Das ist richtig.
Das eigentliche Ziel Ihres Antrags – zumindest sagt das die Überschrift – ist aber der Abschluss von Tarifverträgen. Das hat eine Kostendimension, die schon enorm ist. Sie erreicht nicht den Umfang wie der Flughafen, aber sie ist schon ziemlich groß. Das kann man nicht so ohne Weiteres hier mal nebenbei durchwinken. Was letztlich machbar ist, erfordert sehr sorgfältige Verhandlungen, nicht nur mit den Gewerkschaften, sondern vor allem mit den Haushältern. Da müssen wir auch bei der Finanzierung wirklich ehrlich sein. Da machen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sache zu leicht, wenn Sie sagen, die Bezirke dürfen nicht belastet werden – obwohl sie ja zuständig sind. Sie sagen: Die Teilnehmer wollen wir auch nicht belasten – keine Gebührenerhöhung, keine Gruppenvergrößerung. Wer bezahlt es dann? Wer wohl? – Mal wieder das Land soll die Kosten übernehmen. Da sind wir genau bei dem Punkt, wo es schwierig wird.
Übrigens morgen findet eine Veranstaltung statt, bei der auch etliche von uns anwesend sein werden, eine Veranstaltung des Landesmusikrates – ein Runder Tisch zur musikalischen Bildung. Da gibt es noch mal neue An
sätze, noch mal neue Themen. Ich denke, die müssen wir einbeziehen. Insofern meine ich, dass wir einen schrittweisen Prozess brauchen. Dieser wird seine Zeit in Anspruch nehmen. Wir müssen uns aber darauf verständigen, wo die Prioritäten liegen. Da könnte ich mir vorstellen, dass die Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen ein guter Anfang wäre. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Harant! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Kittler das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während unsere Großeltern den Spruch sagten „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – wir haben es heute schon gehört –, sagen wir heute „lebenslanges Lernen“. Neben den Kitas, Schulen, Berufs- und Hochschulen sind die Volkshochschulen und Musikschulen die dafür bedeutendsten Bildungseinrichtungen. Leider teilen sie aber zum Teil das Schicksal der Kultur in den Bezirken dieser Stadt. Der Umfang der dort eingesetzten Mittel wird nicht über eine Pflichtaufgabe definiert, sondern wie eine freiwillige Leistung behandelt. Das dürfen wir so nicht länger hinnehmen. Musik und Bildung sind Lebensmittel, für manche Überlebensmittel. Kümmern wir uns also darum!
Der vom Senat selbst in Auftrag gegebene Abschlussbericht, auf den hier schon mehrfach abgehoben wurde, liegt seit 2009 vor. Außer einer nicht einmal halbherzigen Änderung in den Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikhochschulen kenne ich noch nichts, was die dort gemachten Vorschläge zur Beseitigung von Disproportionen und unzumutbaren Beschäftigungsverhältnissen verwirklichen würde.
Ich habe in den vergangenen Monaten mit vielen Beschäftigten und ihren Vertreterinnen und Vertretern geredet, dank des Freundeskreises der Musikschule Pankow eine engagiert vorbereitete Podiumsdiskussion miterlebt, das Thema durchaus schon im Bildungsausschuss diskutiert – Frau Harant, da haben wir ja schon eine kleine Anhörung gehabt – und auch von den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen Worte der höchsten Wertschätzung für die Arbeit, die an Musik- und Volkshochschulen geleistet wird, gehört. Aber diese so wertgeschätzte Arbeit wird eben nicht adäquat gesichert. Ich hoffe, wir schaffen hier alle gemeinsam endlich Veränderung.
Die Linke unterstützt die Forderung der Beschäftigten nachdrücklich. Wir brauchen bei den von Herrn Birk
schon genannten 10 000 Menschen auf der Warteliste der Musikschulen und bei übernachgefragten Kursen in den Volkshochschulen, z. B. für Integration und das Erlernen der deutschen Sprache, dringend Maßnahmen, die diese Situation verändern. Die Linke schließt sich deshalb den Forderungen der Kommission nach einer gesamtstädtischen Steuerung ebenso an wie der Forderung nach einer Ausweitung des Platzangebots in Musikschulen auf wenigstens 1,5 Prozent der Bevölkerung. Es kann doch nicht sein, dass Eltern ihr Kind mit der Geburt anmelden müssen, damit sie eine frühkindliche Musikbildung für sie kriegen können.
Die Linke setzt sich auch ausdrücklich für eine Abschaffung der prekären Verhältnisse für die arbeitnehmerähnlich Beschäftigten ein – Herr Birk hat das schon erklärt. Hier herrschen Zustände wie in Entwicklungsländern: keine rechtliche Sicherheit schaffenden Tarifverträge, keine zugelassene Interessenvertretung, keine Mindestbeschäftigungsfestlegung, kein gesetzlicher Mutterschutz, unzureichende Absicherung im Krankheitsfall, Altersarmut bei 500 bis 600 Euro Rente trotz zum Teil jahrzehntelanger Arbeit für die Bildung in unserer Stadt. Das ist eine Schande!
Wir wollen einen mit den Gewerkschaften ausgehandelten Tarifvertrag, der diese Missstände beendet und der auch eine Kopplung an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst enthält.
Bedenken wir bei unseren jetzt folgenden Beratungen, dass Berlin nur 7 Prozent fest angestellte Lehrerinnen und Lehrer und 93 Prozent Honorarkräfte in diesem Bereich hat. Im Vergleich dazu gibt es in Sachsen-Anhalt ein Musikschulgesetz, und es werden mindestens 50 Prozent fest angestellte Kräfte gefordert. Ist hier nicht eine Veränderung angesagt? Bedenken wir auch, wenn die Honorare in den Musikschulen um 7,3 Prozent erhöht werden und das hoffentlich auch für die Volkshochschulen folgt, wie diese Erhöhungen für die Bezirke gesichert werden. Es darf nicht unser Ziel sein, die Bezirke dies über nochmalige Gruppenvergrößerungen oder weiter steigende Kursgebühren schultern zu lassen.