Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012/2013 – NHG 12/13)
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das höre ich nicht. Dann eröffne ich die erste Lesung. Zunächst hat Herr Senator Dr. Nußbaum um das Wort gebeten. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Wir legen einen Nachtragshaushalt vor, der wegen der Finanzierung des BER notwendig geworden ist, insgesamt 444 Millionen. Dieser Nachtragshaushalt setzt sich zusammen aus Zinsersparnissen, Mehreinnahmen, aber auch aus einem besseren Steuerverlauf. Ich halte es für richtig, dass wir diesen Nachtragshaushalt bereits im Jahr 2012 machen, dass wir im Jahr 2012 eine
Rücklage bilden und dass wir den Nachtragshaushalt und die Finanzierung des BER auch im Jahr 2012 adressieren, wo das Problem entstanden ist. Wir ersparen uns damit, das Thema „Finanzierung des BER“ auf die nächsten Jahre zu verlegen. Ich halte das für richtig auch im Sinne von Transparenz, dass wir das sofort angehen.
Es ist ja hier das eine oder andere Mal angeklungen, wir hätten das Parlament nicht richtig über die Mehreinnahmen informiert.
Ich kann nur sagen – Herr Wolf ist ja nun nicht da –, das ist Quatsch. Wir haben, um das noch mal in Erinnerung zu rufen, die Steuermehreinnahmen erstmalig nach der Mai-Steuerschätzung in diesem Jahr angepasst, ca. 200 Millionen. Wir haben dann im Statusbericht per 30. Juni 166 Millionen Mehreinnahmen aufgezeigt, aus Verwaltungseinnahmen 43 Millionen, aus Zuweisungen für Investitionen 31 Millionen und sonstige Einnahmen in Höhe von 80 Millionen.
Das Phänomen, dass der Juni erstmalig – nachdem wir nach der Steuerschätzung Mai die Mehreinnahmen angepasst haben – einen besseren Verlauf hatte, war auch in der Vergangenheit niemals Anlass dazu, noch vor dem nächsten Statusbericht sozusagen eine Korrektur zu machen. Es hatte sich dann gezeigt, dass nach dem Juni auch im Juli-August-September die Mehreinnahmen sich relativ stabil entwickeln, sodass wir zurzeit sicher sind, 250 Millionen Euro Mehreinnahmen zu haben. Wir gehen nach der jetzigen Prognose auch davon aus, dass wir am Jahresende, wenn der Steuerverlauf weiter so geht, auch über die 250 Millionen Mehreinnahmen haben werden, die wir dann zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwenden werden.
Nach heutiger Erkenntnis könnten sich die Mehreinnahmen in etwa wie folgt aufteilen: Wir werden voraussichtlich aus der Lohnsteuer einschließlich Zerlegung ca. 50 Millionen mehr haben, aus der Körperschaftsteuer einschließlich Zerlegung ebenfalls 50 Millionen, Umsatzsteuer 50 Millionen, Gewerbesteuer 30 und Länderfinanzausgleich 70. Das macht die 250. Die sind also belegt. Das ist keine Chimäre, das ist keine Hoffnung, sondern das sind Mehreinnahmen, die wirklich da sind.
Ich halte es auch für richtig, dass wir das aus den Mehreinnahmen machen und nicht mit einer zusätzlichen Nettokreditaufnahme, weil wir dieses einmalige Phänomen in diesem Jahr dazu benutzen können. Insofern haben wir auch ein Stück Glück, das Glück des Tüchtigen, dass die Steuereinnahmen auch besser laufen und dass wir nicht die Nettokreditaufnahme erhöhen müssen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Nußbaum! – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schneider. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der hier zu behandelnde Nachtragshaushalt ist für die SPDFraktion Anlass zur Nachdenklichkeit.
Der Haushaltsentwurf dokumentiert offenkundige Realisierungsfehler beim Flughafenprojekt. Der Flughafen kommt später und er kostet mehr. Tausende Berlinerinnen und Berliner werden länger und intensiver durch den Flugverkehr in Tegel belastet. Hoffnungen wurden enttäuscht, auch wirtschaftliche. Wir werden daran erinnert, dass niemand von uns fehlerfrei ist. Zugleich werden wir Parlamentarier in besonderer Weise ersucht, Verantwortung zu übernehmen.
Wir werden zu entscheiden haben, wie 444 Millionen Euro eingesetzt werden – Haushaltsmittel, die unsere Schuldenlast senken könnten, Haushaltsmittel, die manche Investition ermöglichen würde, deren andere Verwendung uns allen einfiele.
Der BER hat einen Nachfinanzierungsbedarf in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, davon sind 276 Millionen Euro Baukosten inklusive Nachträge, also inklusive Risikovorsorge. 305 Millionen Euro entfallen auf Nachbesserung beim Schallschutz, die unsere Fraktion ausdrücklich begrüßt. 322 Millionen Euro sind plausible Risikovorsorge, die etwaige Schadensersatzzahlungen, Baukostensteigerungen und weitere Schallschutzmaßnahmen, aber auch eine konjunkturelle Komponente beinhalten. Diese 903 Millionen Euro sind also politische Sowieso-Kosten. Diese 903 Millionen Euro sind Kosten, die man ohne Weiteres zu tragen bereit sein muss, wenn man das Projekt BER unterstützt.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Schallschutz ist doch nur ein Teil der Kosten!]
Die Behauptung, Fehler beim BER würden Milliarden oder auch über 400 Millionen Euro kosten, ist als unseriöse Effekthascherei eindeutig widerlegt.
297 Millionen Euro sind verzögerungsbedingte Mehrkosten. Berlin soll also einen Anteil von 110 Millionen Euro dafür nachschießen, dass sich das Projekt verzögert. Diese 110 Millionen Euro schmerzen uns sehr.
Die 110 Millionen Euro ärgern uns sehr. Diese 110 Millionen Euro sind verursacht worden – ohne jeden Zweifel. 80 Millionen Euro sind bereits klagebefangen, und vermutlich wird auch der Rest dieses Betrages Erweiterungsgegenstand.
Neben den Gerichten wird auch der bevorstehende Untersuchungsausschuss BER genau hinsehen, welche und wessen Fehler zu diesen Mehrkosten von 110 Millionen Euro geführt haben. Wir werden da Ross und Reiter benennen. Darauf können sich die zahlreichen privaten Häuslebauer am BER schon mal einrichten. Frau Pop und Herr Delius werden Gelegenheit erhalten, ihre anmaßenden diesbezüglichen Verurteilungen nachzuweisen. Aus dieser Nummer lassen wie sie nicht mehr raus!
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Lesen Sie mal Zeitung!]
Mit Ihren Behauptungen von Verantwortung, Verschuldung und Haftung gehen Sie „all in“. Eine schuldhafte und kausale Pflichtverletzung eines Aufsichtsrates würde zu dessen persönlicher Haftung führen. Mit Ihren außerhalb der Indemnität erhobenen Vorwürfen sitzen Sie zwar auf einem gewohnt hohen Ross, aber, Frau Pop, Sie wären nicht die erste Grüne, die in Berlin eine grandiose Bruchlandung erleidet.
Berlin wird Geld nachschießen, indem wir 250 Millionen Euro aus Steuermehreinnahmen heranziehen. Berlin wird nachschießen, indem wir 109 Millionen Euro aus Mehreinnahmen z. B. bei Bürgschaftsrückflüssen einsetzen, und Berlin wird nachschießen, indem wir 85 Millionen Euro aus Zinsersparnissen zur Deckung verwenden. Berlin wird in diesem Haushaltsjahr veranlagen und eine rechtlich zulässige und politisch gewollte Rücklage bilden. Dadurch werden künftige Haushalte unbelastet bleiben. Nachschießen werden wir in dem Bewusstsein, dass sich ein ordentlicher Kaufmann so verhalten würde. Wir werden uns unabweisbar verhalten und damit wirtschaftlich vernünftig.
Eigentlich – und damit komme ich zum Ende – bin ich nur auf eines gespannt: Ich bin gespannt, mit welcher Begründung, mit welcher Ausrede sich die Opposition hier Berlin verweigern wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Schneider! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Esser das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Herr Schneider! Immerhin scheinen wir uns vielleicht darin einig zu sein, wenn wir ehrlich sind,
mit Blick auf die Ursache dieses Nachtragshaushalts: Das ist ein Dokument der Schande, der politischen Schande.
Und es ist in mehr als einer Hinsicht eine Zumutung uns Parlamentariern gegenüber. Erstens – Sie haben es selbst gesagt: 444 Millionen Euro Schulden, die vermeidbar gewesen wären, wenn Vorstand und Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ihre Pflicht erfüllt hätten.
wie er es uns hier vorgetragen hat, nicht Stück für Stück gesagt: Ich habe lauter Beschlüsse gefasst, 600 Millionen Euro Puffer in den ursprünglichen Planungen aufzubrauchen, – dann hätte man davon den guten Schallschutz ohne Probleme bezahlen können.
Das steht ja nirgendwo, Herr Nußbaum, dass man erst den ursprünglichen Puffer verbraucht und dann noch obendrein mit 1,2 Milliarden Euro Mehrkosten kommt. Das macht zusammen 1,8 Milliarden Euro mehr gegenüber dem, was man als sparsamste Lösung erhofft hatte.