Sie sollten aufpassen, dass das Ziel von Informationsfreiheit und Transparenz nicht zum politischen Kasperletheater verkommt.
Diese Koalition bekennt sich zur Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes. Das finden Sie nicht nur auf Seite 70 unseres Koalitionsvertrages, den Sie vermutlich alle eingehend studiert haben. Sie haben auch festgestellt, dass wir danach handeln. Die RWE-Verträge bzw. die Verträge für den Rückkauf der RWE-Anteile sind im Internet öffentlich einsehbar. Wir haben ein Portal daten.berlin.de, auf dem Daten der Berliner Verwaltung für jedermann einsehbar sind. So wird Transparenzpolitik gemacht und nicht durch einen Wettstreit bei copy and paste.
Berlin hat das fortschrittlichste Informationsfreiheitsgesetz, und darauf können wir als Berliner stolz sein. Lediglich einen geringen Unterschied gibt es im neuen Hamburger Transparenzgesetz: die Verpflichtung der Verwaltung, von sich aus bestimmte Verwaltungsvorgänge im Internet zu veröffentlichen. Aber schon heute hat in Berlin jedermann das Recht, Verwaltungsvorgänge einzusehen, Verträge der Daseinsvorsorge finden sich im Internet, es gibt Internetportale. Das ist eine ganze Menge, und das werden wir uns weder von den Grünen noch von den Piraten kleinreden lassen. Wir werden genau das machen, was im Koalitionsvertrag steht:
Wir wollen mit Ihnen über eine Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes reden. Dabei sollten wir uns auch anschauen, wie das Gesetz in Hamburg umgesetzt wird. Es tritt erst Ende Oktober 2012 in Kraft. Erste Erfahrungen mit dem Gesetz dürften erst in den nächsten Monaten gemacht werden.
Ich werde in den Beratungen in den Ausschüssen ein weiteres Prinzip sozialdemokratischer Informationsfreiheit nicht aufgeben. Es reicht nicht aus, alles und jeden
im Internet zu veröffentlichen. Zugang zu Informationen muss auch für die analogen Menschen ohne Internet unproblematisch möglich sein.
Lieber Kollege Lauer! Wir haben uns doch zum Badminton verabredet. Da können Sie bei meiner Rede auch einfach zuhören. – Meine Oma wurde im letzten Monat 85 Jahre alt. Ich habe ihr zum ersten Mal in ihrem Leben Internet gezeigt, und sie hat tatsächlich nicht verstanden, wo das aus dem i-Pad eigentlich herkommt. Meiner Oma hilft ein Transparenzgesetz, wie Sie es wollen, überhaupt nicht. Wir als SPD wollen aber, dass Informationsfreiheit für alle Menschen dieser Stadt gemacht wird – für die analogen genauso wie für die digitalen.
Ich will ein weiteres Manko Ihres Vorschlags deutlich machen. Es ist inkonsequent, allen Transparenz zu versprechen, dann aber in § 19 eine Kostenpflicht der Auskünfte zu regeln. Die einen bekommen die Auskunft kostenfrei, nämlich die, die Internet haben; die anderen müssen für diese Auskunft zahlen. Das ist Ungerechtigkeit pur.
Positiv ist immerhin: Sie haben uns eine Vorlage geliefert, um die verschiedenen Wege von mehr Informationsfreiheit in Berlin zu diskutieren. Nun ist von den Grünen beantragt, dies in 14 Ausschüssen zu diskutieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Niemand muss sich wundern, wenn seinen Wünschen entsprochen wird. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, das Märchen über Transparenzia in 14 Ausschüssen neu zu schreiben. Und es gibt dieser Koalition die Möglichkeit, deutlich zu machen: Wir wollen Informationsfreiheit und Transparenz für alle Berliner, egal, ob sie digital oder analog leben. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist der 13. Juni 2012, die einstimmige Beschlussfassung des hamburgischen Transparenzgesetzes durch die Bürgerschaft, der Ausgangspunkt all dessen, was wir heute diskutieren als einen Kompromiss aller Fraktionen mit dem Bündnis, an dem unter anderem Mehr Demokratie, der Chaos Computer Club und Transparency International beteiligt waren, die dieses gemeinsame Gesetz erarbeitet hatten. Es gab eine Volksinitiative, u. a. mit Unterstützung von Linken, Piraten und Grü
nen – SPD und CDU waren nicht dabei, ich will das der Transparenzpartei SPD nur noch mal sagen –, die dazu geführt hat, dass ein solches Gesetz überhaupt diskussionsfähig wurde. Und man kann sagen, dass die Beschlussfassung über dieses hamburgische Transparenzgesetz tatsächlich ein Meilenstein ist in Bezug auf Nachvollziehbarkeit und Öffentlichkeit staatlichen und Verwaltungshandelns.
Der Paradigmenwechsel des Hamburger Gesetzes ist schlicht und ergreifend, dass anstelle der Grundannahme des Amtsgeheimnisses – nämlich: Verwaltungsdaten sind quasi Staatseigentum – jetzt das gegenteilige Grundprinzip tritt, nämlich: Staat und Verwaltung stellen öffentliche Daten der Allgemeinheit ohne jede Einschränkung zur freien Nutzung zur Verfügung, zur Weiterverbreitung und zur Weiterverwendung, während schutzwürdige Belange Dritter oder des Staates zum Ausschluss der Offenlegung positiv benannt werden müssen. Und das nützt dann auch der Oma von Herrn Abgeordneten Kohlmeier. Denn falls er einen Drucker hat, kann er ihr das einfach ausdrucken, wenn es ins Netz gestellt wurde.
Berlin sollte da schleunigst nachziehen. Wie die Hansestadt Hamburg von Berlin gelernt hat, nämlich beispielsweise in Bezug auf die Veröffentlichungspflicht bei PPPVerträgen in der Daseinsvorsorge oder bei Privatisierungsverträgen, wo die Transparenzpartei SPD von Grünen und Linke unter Rot-Rot dazu getrieben worden ist und ich mich noch an Verhandlungen erinnern kann, die sich ewig hinzogen, weil die Sozis immer mit neuen Einwänden kamen, warum das so alles nicht ginge; und am Ende – halb zog sie ihn, halb sank er hin – haben sie es dann doch noch irgendwie mitgemacht. Liebe Berliner Transparenzpartei SPD: So sollte Berlin jetzt von Hamburg lernen – ohne das alberne Spiel: Wer kann es besser oder schneller, copy and paste anzuwenden.
Wir haben nichts zu verheimlichen, hat vorhin der jetzt abwesende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gesagt. Ob S-Bahn, Mauerpark-Deal – er sitzt jedenfalls nicht auf seinem Platz –
mental abwesend stimmt wahrscheinlich – oder Wasserbetriebegeschäft: Ich habe reichlich Zweifel daran, dass dieser Senat, diese Koalition nichts zu verheimlichen hat.
Ich will mich aber überhaupt nicht hinstellen und sagen, dass diese Koalition allein das Problem wäre, weil Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Bundes und der Länder in ihren Analysen immer wieder beklagen, dass die Umsetzungspraxis bei Informationsfreiheitsgesetzen eine Katastrophe ist. Ich weise an der
Stelle noch mal darauf hin: Noch nicht alle Bundesländer haben solche Informationsfreiheitsgesetze, und nicht alle, die welche haben, sehen überhaupt Veröffentlichungspflichten vor. Der Grund dafür ist eine Verwaltungskultur, die sich vornehmlich darin gefällt, das Amtsgeheimnis zu bewahren, der Informationsfreiheit Steine in den Weg zu legen und Einsichtsbegehren zu blockieren und zu erschweren. Deswegen habe ich, lieber Kollege Kohlmeier, auch wenig Verständnis dafür, wenn manche jetzt sagen, unter der großen Fahne der Informationsfreiheit und der Transparenz: Lassen wir doch erst mal alles beim Alten und warten ab, was jetzt in Hamburg geschieht. – Na ja, die Probleme sind doch bekannt. Wir müssen einfach nur handeln.
Dabei geht in der Tat Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Ich meine auch, dass es nicht die Masse der Ausschüsse ist, die die Qualität eines Gesetzes bestimmt. Drei Fraktionen arbeiten am Thema offensiv, das ist bekannt. Die Organisation „Mehr Demokratie“ hat zum Vernetzungstreffen eingeladen. In der kommenden Woche soll man sich zusammensetzen und mal darüber reden, wie es da weitergehen könnte. Ich finde, nicht vermeintliche Alleinstellungsmerkmale sollten kultiviert werden, sondern es sollte in der Sache kooperiert werden. Ich hoffe, dass auch SPD und CDU da mitspielen. Persönlich würde ich mir das sogar sehr wünschen, denn in Hamburg haben es schließlich alle Fraktionen mitgemacht. Das ist einstimmig beschlossen worden in Hamburg. In dem Zusammenhang kann ich nur sagen, dass wir uns als Linke und Piraten darauf verständigt haben, dass wir den gemeinsamen Weg suchen und dass wir schauen, gibt es möglicherweise neue Ansätze, die bisher noch nicht mal in dem Hamburger Gesetz drin sind. Denn einen produktiven Wettstreit zwischen den Ländern, wie man neue Verwaltungskultur einführen kann, können wir alle nur begrüßen und unterstützen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dregger das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen Grünen und Piraten ist ein Wettlauf um das Thema Transparenz entbrannt. Beide stehen unter Druck: Die Piraten müssen endlich ihre inhaltliche Leere überwinden. Sie brauchen ein Thema, das mit ihnen in Verbindung gebracht wird.
Und die Grünen fürchten genau dies. Denn sie drohen in dem Mainstream der Transparenz unter die Räder der Piraten zu geraten. In ihrer Not haben nun beide, Grüne wie Piraten, nach Hamburg geschielt. Dort ist im Juni ein Transparenzgesetz verabschiedet worden. Nun versuchen Grüne und Piraten, sich darin zu überbieten, am schnellsten die weitestgehenden Vorstellungen zur Transparenz vorzuschlagen. Dabei greifen die Piraten auf das Mittel copy and paste zurück,
wenn sie in ihrem Gesetzentwurf für ein Berliner Transparenzgesetz zunächst von einem Hamburger Datenschutzbeauftragten sprechen. Da muss schon ein Schmunzeln erlaubt sein.
Herr Dregger! Ich weise Sie ungern darauf hin, aber Sie müssten bitte zum vorliegenden Entwurf sprechen.
Ich bedanke mich für den Hinweis. – Wenn man sich den Gesetzentwurf der Grünen dann näher anschaut, stellt man zunächst einmal fest, dass der überwiegende Teil des Regelungsgehalts dem bereits geltenden Berliner Informationsfreiheitsgesetz aus dem Jahr 1999 entspricht.
Nein, jetzt nicht! Danke! – Und dieses Berliner Informationsfreiheitsgesetz von 1999 lobt der Datenschutzbeauftragte Dr. Dix in seinem Vorwort zu einer von ihm herausgegebenen Textsammlung im Mai letzten Jahres wie folgt:
In Berlin gibt es seit 1999 insofern das informationszugangsfreundlichste Gesetz, als die Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz staatlicher Unterlagen besonders restriktiv formuliert sind.
Auch das macht deutlich, worum es Ihnen, liebe Grüne, in Wirklichkeit geht. Sie wollen sich öffentlichkeitswirksam als die Heilsbringer der Transparenz positionieren. Die Wahrheit ist aber, was Sie neu zu erfinden vorgeben und was Hamburg jetzt auch endlich eingeführt hat, gibt es in Berlin im Wesentlichen seit 1999.
Natürlich schlagen Sie auch Änderungen und Ergänzungen vor. Das Informationsrecht des Einzelnen wollen Sie durch eine Informationspflicht der Verwaltung ergänzen. Sie wollen also die Verwaltung verpflichten, eine Vielzahl von Dokumenten von sich aus öffentlich zu machen.