Protocol of the Session on August 30, 2012

Aber ich sage auch ganz deutlich: Es gibt Usancen für die Arbeit eines Parlaments. Herr Höfinghoff! Ob Sie das nun wollen oder nicht wollen, es gibt auch Geheimschutzsachen, vertrauliche Sachen und Beratungen, die aus vielerlei Gründen zu Recht – nicht weil der Senat oder die Regierung etwas zu verbergen haben, sondern im Interesse von Betroffenen oder von Unternehmen – vertraulich behandelt werden müssen. Daran haben auch Sie sich zu halten, wenn Sie hier im Abgeordnetenhaus sind.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Der Datenschützer!]

Sie werden sich dann auch entsprechend gesetzmäßig verhalten müssen, und das ist durchbrochen worden.

[Zurufe von den PIRATEN: Das ist falsch!]

Wenn wir darauf hinweisen, hat das nichts damit zu tun, dass wir hier etwas zu verbergen hätten, sondern es muss deutlich gemacht werden, dass es einen geregelten Ablauf gibt. Darum geht es letzten Endes.

[Christopher Lauer (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte sehr!

Herr Wowereit! Das ist mir irgendwie unklar: Wenn der Senat nichts zu verbergen hat, warum ist dann immer alles vertraulich? – Ich verstehe das nicht.

Ganz einfach: Weil es vielleicht um ein Unternehmen geht, und das Unternehmen stellt auch einen Vermögenswert dar, und bestimmte Geschäftsinformationen sind nicht für die Öffentlichkeit da.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Aber es ist unser Geld!]

Das ist ein Konsens bislang in diesem Haus gewesen, und das ist die Grundlage für Gesetze, die der Gesetzgeber sowohl in Berlin wie im Bund gemacht hat. Die können Sie ja bekämpfen, bitte sehr, aber Sie gelten heute auch für Sie.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Man kann das als sportliche Übung ansehen, wenn Abgeordnete Akteneinsicht nehmen, diese Akten vertraulich sind und sie diese Akten fotografieren und dann einem Sender zuspielen.

[Martin Delius (PIRATEN): Wer hat das gemacht?]

Man kann sich darüber feixend unterhalten, und man kann darauf stolz sein.

[Zurufe von den PIRATEN: Wer hat das gemacht?]

Das ist ganz einfach nachweisbar, denn diese Dokumente sind bei der „Abendschau“ aufgetaucht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wer war es denn?]

Da sage ich mal: Wenn Parlamentarier das noch gut finden, dann haben sie auch ihre Aufgabe verfehlt. Nur darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Hören Sie auf mit dem tendenziösen Mist! Sagen Sie es doch!]

Aber es ist von mehreren Seiten und natürlich besonders von der Opposition darauf hingewiesen worden, dass durch die Terminverschiebung auch Schaden entstanden ist. Das bestreitet auch gar keiner, kann auch gar keiner bestreiten. Und es sind Menschen betroffen von dieser Verschiebung – nicht nur Unternehmen, die auf diesen

Eröffnungstermin vertraut haben und die Mitarbeiter, die sie eingestellt haben, wieder entlassen mussten oder die umdisponieren mussten. Wir haben versucht, so weitestgehend, wie das möglich war, diesen Schaden zu minimieren und mit den Unternehmen, die direkt betroffen sind, Vereinbarungen zu treffen – mit Sanierungskonzepten oder Hilfen und anderem mehr.

Aber es sind auch Tausende von Menschen betroffen, die weiter unter dem Fluglärm beispielsweise in Tegel und Pankow oder in der Umgebung leiden. Selbstverständlich sind die Menschen enttäuscht, weil sie gedacht haben, dass sie ab dem 3. Juni davon befreit sind. Natürlich gibt es auch, wie immer, zwei Seiten der Medaille. Einige freuen sich, dass sie keinen Fluglärm haben. Auch das gehört zur Medaille dazu. Es ist aber in der Tat ein Schaden entstanden; er ist nicht gering. Selbstverständlich wäre es für alle Beteiligten und mir lieber, dass wir mit dieser Erfolgsgeschichte, die der Flughafen insgesamt darstellt, natürlich heute anders dastünden, der Impuls für Arbeitsplätze gesetzt würde und Klarheit herrschte anstelle eines Klimas der Verunsicherung sowie ein Vertrauensverlust vorherrscht, der schwer zu beseitigen ist. Dies ist eingetreten. Dies ist selbstverschuldet. Dafür kann man keinen anderen verantwortlich machen. Das ist – ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt – kein Ruhmesblatt.

Ich sage an dieser Stelle ein großes Dankeschön an all diejenigen, die über viele Jahre hin aktiv daran gearbeitet haben, dass dieser Flughafen verwirklicht wird. Ich finde es, Herr Friederici, nicht gut, dass Sie den ehemaligen Aufsichtsrat Wolf kritisieren. Er hat in seiner Verantwortung als Wirtschaftssenator, in seiner Verantwortung als Aufsichtsratsmitglied eine hervorragende Arbeit geleistet. Es ist nun einmal so: Wenn man in der Verantwortung steht, wird man für alles, was gut ist, nicht gelobt

[Christopher Lauer (PIRATEN): Hast du toll gemacht!]

und für alles, was schlecht läuft, getadelt. Dass sich aber der eigene Bruder hier hinstellt und den Aufsichtsrat Wolf selbst so in die Pfanne haut, ist allerdings etwas Neues.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Udo Wolf (LINKE): Womit denn?]

Ich will das gern ausführen. Sie haben wesentlich kritisiert, dass die Flughafengesellschaft und der Aufsichtsrat bei dem Thema Lärmschutz eine Haltung eingenommen haben, die Sie falsch finden. Ja, wir haben in dem gesamten Konzept, ausgehend von der Basis 55 Dezibel, 140 Millionen Euro für Lärmschutzmaßnahmen eingeplant. Ich kann Ihnen das Geheimnis verraten, dass Harald Wolf dieses mitgetragen hat. Das können Sie heute als Linksfraktion kritisieren. Damit sind Sie aber nicht ganz glaubwürdig. Weil Sie in der Regierung waren, haben Sie das Konzept mitgetragen. Dass Sie heute davon nichts wollen, ist aus Sicht einer Opposition legitim,

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

vernünftig deshalb aber trotzdem noch nicht, lieber Herr Wolf.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es wird auch Verschiedenes durcheinandergebracht. Es ist natürlich schön, mit dem heutigen Kenntnisstand alles besser zu wissen und deutlich zu machen, was man selbst alles anders getan hätte. Davor warne ich Neugierige. Man muss, sobald sich der Rauch ein wenig gelegt hat, noch einmal ganz in Ruhe miteinander besprechen, welche Gremien welche Aufgaben und welche Verantwortung an welcher Stelle wahrgenommen haben und wie sie dann auch zu sehen ist.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Bingo!]

Wir sind in einer Situation, in der wir nach der sehr kurzfristigen und für alle überraschenden Verschiebung des Eröffnungstermins die Konsequenzen daraus ziehen müssen. Wenn sich heute jemand beschwert, dass durch die Kündigung des Planungsbüros für die Generalplanung ein Zeitverlust entsteht, kann ich erwidern, dass dadurch tatsächlich ein Zeitverlust entstanden ist. Warum aber hätten wir mit einem Planer, der offensichtlich auch Fehlplanungen abgeliefert, nicht pünktlich oder lückenhaft geliefert hat, zu dem das Vertrauen der beteiligten Unternehmen zerstört war, weiter beschäftigen sollen? Wann hätte es dann eine Korrektur des bisherigen Verhaltens gegeben? Deshalb haben wir uns trotz der geäußerten Bedenken, dies könne zunächst zu einem Stillstand führen, entschieden, diesen harten Schnitt zu machen. Er hätte vielleicht schon zur ersten Verschiebung erfolgen sollen. Genau aus diesen Gründen – man könne dies im Verfahren eigentlich nicht tun – hat man darauf verzichtet. Jetzt war es wirklich höchste Zeit. Ich hätte hier nicht erleben mögen, was Sie uns vorwürfen, wenn wieder Dinge falsch liefen. Deshalb ist die Entscheidung schmerzlich gewesen. Sie ist auch natürlich, den Zeitplan betreffend, riskant, aber aus meiner Sicht auch unumgänglich gewesen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es wird in der öffentlichen Darstellung öfter so getan, als gäbe es immer politische Eröffnungstermine. Nein! Es sind nie politische Eröffnungstermine gewesen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Nie!]

Nein! Ich kann es Ihnen sagen. Warum sollten Sie es auch sein? Wer soll denn das verantworten? Es kann doch keiner verantworten?

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich habe Sie doch nur wiederholt! Sie tragen doch sowieso keine Verantwortung]

Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Glauben Sie, dass sich ein paar Politiker hinsetzen und ihre Terminkalender abgleichen und dann einen Eröffnungstermin festlegen? Eben sprachen Sie davon, dass es drei Eigentümer gibt, nun ist es auf einmal wieder nur einer. Sie müssen sich auch einmal entscheiden, welche Linie Sie fahren. Die

Termine werden durch die Techniker vor Ort vorgegeben und diejenigen, die die Bauabläufe im Griff haben sollten und wissen, welche Zeitabläufe notwendig sind. So ist auch der 17. März 2013 erarbeitet worden. Dies ist in einer Art und Weise geschehen, in der alle Beteiligten, nicht nur die Controller und Fachleute sowie Sachverständigen, sondern auch alle beteiligten Firmen mit dem Aufsichtsrat anwesend waren bestätigt haben, dass sich dieser Termin aus den Abläufen ergibt und auch zu halten ist.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sie haben von Ihrem Terminkalender gesprochen!]

Selbstverständlich ist nicht nur bei Ihnen, sondern bei einer breiten Öffentlichkeit ein Misstrauen vorhanden, ob man solchen Aussagen trauen kann. Das war auch der Grund, warum wir mit der Berufung des neuen Geschäftsführers für den Technikbereich, Herrn Amman, der im normalen Verfahren schon am 1. Juli seine Tätigkeit aufgenommen hat, gewartet haben, weil es seine Aufgabe ist, die er gerade als jemand bekommen hat, der von außen kommt, sich diesen Terminplan noch einmal intensiv anzuschauen und mit allen Beteiligten zu erarbeiten, in der Weise, welche Schritte von A bis Z noch erledigen sind. Daraus ergeben sich dann die weiteren Schritte. Dies braucht Zeit. Es wäre jetzt fatal, nun in der Weise Druck zu machen, dass ein Termin zur letzten Aufsichtsratssitzung hätte stehen müssen. Er hat uns erklärt, dies seriös zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilen zu können. Deshalb haben wir dies auf die nächste spätestens Mitte September stattfindende Aufsichtsratssitzung vertagt und bin ich heute nicht in der Lage, Ihnen definitiv zu sagen, wie diese Überprüfung ausgeht. Ich muss in Kauf nehmen, dass jeder herumspekuliert.

Ich finde es insoweit in Ordnung, dass keiner eine Verantwortung übernehmen muss.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Sie wollen zu Recht von uns keine Spekulationen. Es wäre fatal, wenn ein Termin genannt würde, dann aber wiederum gesagt würde, es hätten sich neue Erkenntnisse ergeben, er sei wieder nicht zu halten. Das ist sicher nicht die Vorgehensweise, die Sie von uns erwarten. Es ist interessant, dass Medien oder Sonstige aus gut informierten oder hochrangigen Kreisen – ich habe heute etwas von „Aufsichtsratskreisen“ gelesen; Aufsichtsratskreise könne 80 Millionen Deutsche sein – oder von irgendwelchen nicht genannten Kronzeugen irgendetwas in die Welt setzen. Das ist bedauerlich, nicht, weil sie sich selbst die Ente produzieren, sondern weil damit eine Verunsicherung entsteht, die nicht notwendig ist und aus dem rein spekulativen Bereich kommt. Manchmal hat man den Eindruck, ein Anruf genügte, um Klarstellung zu bekommen, aber das könnte der Intention widersprechen. Das soll keine Schelte sein, sondern ist die Situation, in der wir uns befinden.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Ramona Pop (GRÜNE): Sie können dem ein Ende setzen!]

Man erreicht damit, dass ein für uns alle wichtiges Projekt natürlich nicht aus den schlechten Schlagzeilen und in die Spekulation hinein kommt. Dementsprechend ist das etwas, was Sie zu Recht fordern, Frau Pop, dass dieser Zustand so schnell wie möglich beendet werden muss, damit das aufhört. Ich gebe Ihnen an dieser Stelle völlig recht.