Protocol of the Session on May 24, 2012

[Uwe Doering (LINKE): Lenken Sie nicht vom Thema ab!]

Wir wollen die Liegenschaftspolitik neu ausrichten und – Kollege Schneider hat vorhin bereits darauf hingewiesen – insbesondere die Frage klären, wie wir, auch durch landeseigene Initiativen, einen Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum leisten können und wollen. Natürlich ist es uns auch ein besonderes Anliegen, angesichts der Entwicklung der Stadt dafür zu sorgen, dass Berlin in seiner Berliner Mischung, in seinen Kiezen erhalten bleibt, dass die Dynamik, die die Stadt entfaltet, auch eine Perspektive für die Menschen in den Kiezen bedeutet. Da sind Investitionen für Wirtschaft und Wissenschaft, da sind Anliegen der Kultur genauso gefragt wie die ausreichende Wohnraumversorgung. Zu einer vernünftigen Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik gehört es, dieses mit zu berücksichtigen.

Wir verhehlen nicht, dass wir eine gewisse Sympathie für die Idee des Finanzsenators hegen: Wenn es eine begünstigte Abgabe von Immobilien durch das Land Berlin gibt, dann soll das nicht direkt durch einen niedrigeren Kaufpreis subventioniert werden, sondern derjenige, der das zu bezahlen hat, soll den richtigen Preis zahlen, und ggfs. wird das subventioniert. Auf welche Weise dies geschieht, muss man im Detail noch diskutieren. Dann weiß aber jeder im Lande, was er vom Staat geschenkt oder vorübergehend begünstigt bekommen hat. Das schafft Transparenz und lässt uns das Ziel nicht aus den Augen verlieren, dass die Liegenschaftspolitik auch weiterhin einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten soll. Wir wollen das mit Augenmaß tun, wir wollen die viel

fältigen Interessen der Stadt mit abgebildet sehen – mein Kollege Brauner wird das in der Aktuellen Stunde noch im Detail ausführen.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zu den Vorschlägen machen, die von den anderen Fraktionen gekommen sind. Ich glaube auch, dass es das gute Recht von Opposition – für Sie vielleicht manchmal auch eine lästige Pflichtübung – ist, dass Sie sich solch eines Themas, das Sie zur Aktuellen Stunde gewählt haben, stellen müssen und derlei aufrufen müssen. Wenn es aber tatsächlich um Sachinformation und Aufklärung geht, so haben wir im Hauptausschuss verabredet, dass wir das dort ausführlich vornehmen werden. Der Regierende Bürgermeister hat dazu seine Bereitschaft erklärt. Wenn es Ihnen tatsächlich auch um die Perspektiven und um die Gestaltung der Stadt geht, dann ist der Vorschlag, den die Koalitionsfraktionen aufgerufen haben, der, der Berlin auf jeden Fall weiterbringt, und nicht jener, den Sie unterbreitet haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Grünen spricht Frau Kollegin Pop – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider! Viel Aktuelles, geschweige denn Inhaltliches ist Ihnen zu Ihrem Thema offensichtlich nicht eingefallen. Von Ihren fünf Minuten Redezeit haben Sie dreieinhalb Minuten darauf verwendet, Abwehrschlachten gegen das Thema BER-Debakel zu schlagen.

[Torsten Schneider (SPD): 3 : 60!]

Das ist sehr bezeichnend, kann man an dieser Stelle nur sagen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Heute sollte die Eröffnung des Flughafens Willy Brandt stattfinden. Wir hatten das Plenum zeitlich vorverlegt, Busse für den Transfer gemietet, und 10 000 Gäste waren eingeladen – auch die Bundeskanzlerin. Der Regierende Bürgermeister nannte das Datum des heutigen Tages das wichtigste Datum des Jahres. Und nun? – Die Eröffnung ist geplatzt, und täglich erreichen uns neue Meldungen über Pfusch und Missmanagement, über Planungsfehler und Kostenexplosionen und das Versagen des Aufsichtsrates, dessen Vorsitzender Sie sind. Herr Wowereit! Heute ist der Tag Ihrer härtesten Bruchlandung als Regierender Bürgermeister.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Meine Damen und Herren von der Koalition! Sich an diesem heutigen Tage hier hinzusetzen und business as usual zu betreiben, als ob nichts gewesen wäre, ist ein Unding. Kriegen Sie eigentlich gar nicht mehr mit, was in dieser Stadt passiert, kann man sich da nur fragen.

Wir beantragen hingegen, heute über das Thema zu sprechen, das die ganze Stadt bewegt und zu dem jeden Tag neue Fragen auftauchen, die für immer mehr Kopfschütteln und Empörung sorgen. Manch einer spricht gar von einem zweiten Berliner Bankenskandal, den wir hier erleben. Was könnte also aktueller sein, als heute über die Folgen des Flughafendebakels zu diskutieren? Nachdem letzte Wochen von Ihnen Transparenz und Information versprochen wurden, erleben wir nun eine gewaltige Rolle rückwärts. Die versprochenen Akten, die dem Bundestag bereits vorliegen, werden uns vorenthalten. Weder gestern im Hauptausschuss – und der tagt bekanntermaßen von 10 bis 22 Uhr, Herr Wowereit, sodass sich vielleicht ein Zeitfenster gefunden hätte – wollten Sie sich den Fragen stellen, noch heute wollen Sie sich dem Parlament und der Öffentlichkeit stellen. Herr Regierender Bürgermeister! So geht das nicht. So kann man sich in dieser entscheidenden Frage nicht wegducken.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Man kann sich nicht davor wegducken, den Berlinerinnen und Berlinern zu erklären, was auf sie zukommt, welche Kosten sie schultern müssen und was alles rund um den Flughafen im Argen liegt. Denn es geht längst nicht mehr nur um die peinlich geplatzte Eröffnungsfeier am heutigen Tag, mit der Sie, Herr Wowereit, unsere Stadt zum Gespött gemacht haben. Das haben die Berlinerinnen und Berliner wahrlich nicht verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es geht inzwischen um riesige Summen, die als Mehrkosten auf den Berliner Haushalt zukommen. Es geht um die Frage, ob es nicht nur einen politisch gesetzten Eröffnungstermin, sondern sogar einen politisch gesetzten Kostenrahmen gab, der nun dramatisch aus dem Ruder läuft. Herr Wowereit! Scheibchenweise kommt das wahre Debakel doch heraus. Ganz offensichtlich haben Sie den Flughafen falsch geplant und haben unterwegs ständig neu und umgeplant. Sie haben ja offensichtlich unterwegs sogar Akten verloren. Dass dabei weder der Zeit- noch der Kostenplan irgendwie einzuhalten war, muss Ihnen doch irgendwann klar geworden sein. Herr Wowereit! Warum haben Sie da nicht die Reißleine gezogen?

Eigentlich brauchten wir heute eine erneute Regierungserklärung, die Fragen beantwortet und einen Plan zur Bewältigung der Probleme vorlegt. Wie hoch sind die Summen, die auf den Berliner Haushalt zukommen? Herr Wowereit! Trifft es zu, dass Sie bereits im Dezember 2011 den Finanzrahmen auf 2,9 Milliarden Euro erhöht haben? Trifft es zu, dass eine neue Finanzspritze in die

Flughafengesellschaft den Tatbestand der Beihilfe erfüllen würde und von der EU zu genehmigen ist? Trifft es zu, dass die jetzt noch bis zur Vollendung des Flughafens anfallenden Baukosten bei den 2,9 Milliarden Euro noch gar nicht eingerechnet sind? Trifft es zu, dass noch Schallschutzmaßnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro ausstehen? Trifft es zu, dass der Flughafen monatlich 15 Millionen Euro allein an Zinsen aufbringen muss? Trifft es zu, dass sich die Einnahmenausfälle auf 150 Millionen Euro summieren? Herr Wowereit! Die Schadenersatzforderungen, die auf uns zukommen, können wir heute vermutlich noch gar nicht ermessen.

Wir haben die Einberufung eines Krisengipfels vorgeschlagen. Die CDU schlägt eine Sonderkommission vor, die jetzt das weitere Vorgehen bündeln soll. Allein von Ihnen, Herr Wowereit, hört man nichts darüber, wie die Krise jetzt bewältigt werden soll. Wir erwarten, dass Sie Parlament und Öffentlichkeit über die Hintergründe, Probleme und anstehenden Kosten schnellstens aufklären. Wir erwarten, dass Sie Ihrer Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender endlich nachkommen und ein engmaschiges Kontrollsystem am Flughafen auf den Weg bringen. Wir erwarten, dass Sie für betroffene Unternehmen und ihre Beschäftigten zügig unbürokratische Hilfe anbieten, wie sie z. B. von uns mit einer Ombudsstelle oder von der CDU-Fraktion mit einem Härtefallfonds vorgeschlagen wurde. Herr Wowereit! Sie mussten Ihren für die Eröffnung bereits säuberlich gebügelten Anzug ja wieder in den Schrank zurückhängen.

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Jetzt müssen Sie die Ärmel hochkrempeln und sich an die Arbeit machen. Die Zeit des Durchwurstelns ist vorbei.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion Die Linke hat nun Frau Lompscher das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Koalition mit ihrer neuen Liegenschaftspolitik insbesondere einen Beitrag für bezahlbares Wohnen leisten will, dann wäre es konsequent, wenn wir über dieses Thema etwas ausführlicher reden.

[Beifall bei der LINKEN]

Dass die Probleme hier pressieren, wird inzwischen auch vom Senat nicht mehr bestritten. Er relativiert es jedoch zugleich und hat bis jetzt nichts getan, um dem Problem wirksam zu begegnen.

Noch etwas Aktuelles ist hinzugekommen: Gestern hat das Bundeskabinett die Mietrechtsänderung beschlossen. Das würde das Berliner Problem verschärfen, wenn Berlin und die anderen Länder nicht dagegenhalten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Zur Erinnerung: Der Verbrauchermonitor 2011 mit dem Schwerpunkt „Wohnen und Mieten“ ist von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt und politisch bisher folgenlos Ende März 2012 vorgestellt worden. Nur ein Ergebnis will ich hier zitieren:

Bei jedem fünften Berliner Mieter haben sich die Mietkosten in den letzten zwei Jahren merklich erhöht, was für knapp zwei Drittel nicht nachvollziehbar war; bei Berlinern mit türkischem Hintergrund hatte nur knapp ein Viertel keine Kostenerhöhung.

Über Zweckentfremdungsverbot reden wir hier schon viel zu lange. Inzwischen ist das Jahresende avisiert. Die neue Wohnaufwandsverordnung für die Kosten der Unterkunft gilt seit dem 1. Mai und ist schon von der realen Mietenentwicklung überholt. Die breite Kritik hält an. Die Rechtmäßigkeit wird z. B. auch vom Berliner Mieterverein und nicht nur von uns bezweifelt. Am Dienstag hat der Mieterverein eine Studie zu möglichen Folgen vorgestellt und schnellstmögliche Nachbesserung verlangt. Wir teilen die Zielrichtung des gemeinsamen Vorschlags von Mieterverein, Landesarmutskonferenz und Berliner Arbeitslosenzentrum, als da wären: Richtwertanhebung, Berücksichtigung kleiner Wohnungen und Bonus für den Energieverbrauch. – Sonst gefährden Sie den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ein Bündnis für bezahlbare Mieten zwischen Senat und städtischen Wohnungsunternehmen wird ebenfalls seit Längerem angekündigt. Wir hatten erwartet, dass Stadtentwicklungssenator Müller im Rahmen eines gut besetzten Fachforums „Wohnen in Berlin“ am Montag den Abschluss verkündet. Man sei in Schlussverhandlungen, hieß es jedoch lediglich. Scheinbar sind wir etwas früh mit unserer Aktuellen Stunde. Ich glaube das aber nicht. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind unbestreitbar zentrale Partner für soziales Wohnen. Sie dürfen eben nicht Miettreiber sein, sondern sie müssen mietdämpfend und sozial ausgleichend agieren.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Linksfraktion hält klare Vorgaben zur Mietentwicklung und Belegung landeseigener Wohnungen ebenso für richtig und notwendig wie wirksame Anreize zum Bau und zur Herrichtung zusätzlicher Wohnungen zu bezahlbaren Mieten. Diese dürfen aber nicht dazu führen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der städtischen Unternehmen untergraben wird, sonst zwingt der Senat

die Gesellschaften zu unsozialen Kompensationsmaßnahmen wie z. B. Ausnutzung von Mieterhöhungsspielräumen – ich erinnere daran, dass mehrere Zehntausend Mieterhöhungsverlangen nur vorerst gestoppt sind –, erhöhte Neuvermietungsmieten oder Neubau zu unvertretbar hohen Einstiegsmieten. Damit würde der Senat nicht nur sein proklamiertes Anliegen konterkarieren, sondern er würde zusätzlich den mietdämpfenden Effekt des städtischen Wohnungsbestandes insgesamt verkleinern. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Zum anderen – und das scheint mir zentral zu sein – muss der Senat auch für die übrigen immerhin 85 Prozent der Berliner Mietwohnungen endlich Antworten geben. Die ungebremste Aufwärtsentwicklung der Berliner Mieten verlangt ein Gegensteuern nach einem wohnungspolitischen Gesamtkonzept. Die Bausteine auf Landesebene sind bekannt: Zweckentfremdungen verbieten, Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten endlich ermöglichen, Ausweitung der bestehenden Verordnung zum besonderen Kündigungsschutz, Unterbindung von Mietwucher, öffentliche Mittel für eine neue soziale Wohnraumförderung, soziale Vielfalt in den Stadtteilen sichern, Vereinbarungen und Verträge mit Genossenschaften, Baugruppen und Privaten. – Ich könnte die Reihe fortsetzen. Sie kennen das alles.

Spätestens jetzt ist aber auch Gelegenheit, endlich politische Initiativen aus Berlin für ein soziales Mietrecht auf Bundesebene einzubringen. Wie gesagt, das Bundeskabinett hat gestern beschlossen. Unter der Flagge des Klimaschutzes ist hier eine vermieterfreundliche Gesetzesänderung vorgesehen, die in Berlin für erheblichen Sprengstoff sorgen würde. Der Senat muss endlich handeln und nicht nur ankündigen. Deshalb wollen wir heute mit Ihnen darüber debattieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Zum Abschluss für die Piraten der Kollege Baum – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Piratenfraktion beantragt eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Windige Finanzgeschäfte am BER – Verantwortliche ohne Bodenhaftung?“.

Zunächst einmal zu Herrn Schneider. – Wo ist er denn? Gerade unterwegs! – Wie kann man eindrucksvoller beweisen, dass gerade unser Thema sehr aktuell ist, wenn Sie einen Großteil Ihrer Redezeit für den eigenen Antrag

zu einem ganz anderen Thema darauf verwenden, über unser Thema zu sprechen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Offensichtlich liegt Ihnen das stark am Herzen. Insofern sollte auch hier der Raum gegeben sein, hier darüber zu sprechen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Bei allem, was im Zusammenhang mit der Verschiebung der Eröffnung des Flughafens BER zutage tritt, sind die erstaunlichsten Aspekte die der Finanzierung. Einmal wurden Zinssicherungsgeschäfte, sogenannte Swaps eingesetzt, um sich gegen steigende Zinsen abzusichern, was erst einmal in Ordnung ist. Nun hat es sich aber anders entwickelt als geplant. Aktuell gibt es einen negativen Marktwert in Höhe von 214,5 Millionen Euro. Hier ist die Frage, wie kommt es dazu, wie passiert so etwas. Offensichtlich wurde bei der Planung dieser Zinssicherungsgeschäfte nicht so sorgfältig vorgegangen, wie das eigentlich notwendig gewesen wäre, denn es mussten Restrukturierungsmaßnahmen beschlossen werden. Da fragt man sich: Was genau ist darunter zu verstehen? Was wurde da restrukturiert? Zudem sind gerade solche Maßnahmen immer mit besonderem finanziellem Aufwand verbunden. Finanzieller Aufwand bedeutet Kosten für Steuerzahler, die Sie zu verantworten haben, Herr Wowereit.