Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion, also die Piratenfraktion. – Bitte, Herr Kollege Spies, Sie haben das Wort!
Danke! – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1995 sollen nach einer Selbstverpflichtung des Zentralen Kreditausschusses alle Kreditinstitute für jede Bürgerin und jeden Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereithalten. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Schuldnerberatungsstellen beklagen, dass die Banken Überschuldeten die Kontoführung verweigern. Mit den Daten der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erhoben werden, ergibt sich allein unter den Überschuldeten in Berlin eine Zahl von etwa 32 900 Personen, die über keine eigene Bankverbindung verfügen.
Bei der endgültigen Einführung des P-Kontos zum 1. Januar d. J. ergab sich für jene Überschuldeten, die noch ein Konto haben, zusätzliches Leid. Ein betroffener Bürger, der Leistungen nach SGB II bezieht, beklagte sich bei mir, dass er jetzt für sein Konto monatlich 28 Euro mehr bezahlen muss. Der Grund dafür liegt in einem „Versehen“ des Bundesgesetzgebers, der ein Verbot zusätzlicher Gebühren für das P-Konto vergaß. Damit wurde die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgehebelt, die bei Kontopfändungen in der Vergangenheit solche Gebühren untersagte. Man hört, dass das noch korrigiert werden soll. Das kann doch nicht schwerer sein als die Eurorettung!
Wie ich heraus fand, ist die Berliner Sparkasse eines der wenigen Institute, die bisher auf eine zusätzliche Gebühr für ein P-Konto verzichtet. Das ist sehr lobenswert, aber half dem Mann nicht weiter, da die Sparkasse grundsätzlich nur bereits bestehende Konten in P-Konten umwandelt. Es ist doch von einem Geldinstitut, das per Gesetz dem öffentlichen Wohl verpflichtet ist, nicht zu viel verlangt, für diesen überschaubaren Personenkreis P-Konten zu führen.
Zudem ist das ein relativ sicheres Geschäft. Die Geldeingänge bis zu 1 000 Euro auf diesem Guthabenkonto sind vor Pfändung geschützt; die Sparkasse wird monatlich regelmäßig Kontoführungsgebühren kassieren. Einen Überziehungskredit gibt es nicht. Damit entfällt jedes Risiko, und es entfallen auch horrende Überziehungszinsen. Es ist doch die Aufgabe einer Sparkasse, Zinsen zu zahlen und nicht, solche zu kassieren. Gut, das macht sie dann im Kreditgeschäft. Der spezielle Auftrag der Sparkassen liegt auch darin, Personen mit geringem Einkommen Finanzdienstleistungen zur Verfügung zu stellen.
Es braucht jetzt nur noch den Willen dieses Hauses, die Lebenssituation der Berlinerinnen und Berliner einfach
dadurch zu verbessern, dass das Recht auf ein P-Konto im Berliner Sparkassengesetz verbrieft wird. Mehr als Ihren Willen kostet das nicht, garantiert! Das bringt eher noch ein paar Steuercents in die Kasse, wenn es die Kaufkraft ein klein wenig steigert. Nehmen wir mal 320 900 betroffene Menschen, die 10 Euro im Monat sparen, so sind das schon 3,9 Millionen Euro im Jahr, die als Kaufkraft zur Verfügung stehen.
Nein, das ist auch nicht bereits ein Grundeinkommen für alle, was wir hier fordern, das ist nur ein P-Konto, für das die Leute auch bezahlen werden. EU-Kommissar Michel Barnier plant, noch in diesem Jahr eine EU-Verordnung vorzulegen, die einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto schafft. Kommen wir der EU doch einfach mal frech zuvor und schaffen jetzt das Recht auf ein P-Konto für alle Berlinerinnen und Berliner! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zu dem Antrag der Piraten für ein P-Konto für „jedermann“ sagen. Ich finde es schade, dass es nur für die Hälfte der Bevölkerung gelten soll, weil jede Frau offensichtlich ausgeschlossen ist.
Ich plädiere insofern dafür, dass es Basiskonto heißt, denn leider haben Sie auch die Begriffsdefinition etwas durcheinander gebracht. In Ihrem Antrag vermischen Sie das Girokonto für Antragsteller und das P-Konto als Pfändungskonto. Das sind zwei verschiedene Sachen. Ein P-Konto soll bestehende Kontoverbindungen sichern und damit Teilhabe am Wirtschaftsleben ermöglichen – und natürlich Pfändungsschutz bieten. Das Basiskonto soll einfach den Neuzugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr schaffen – das sind zwei unterschiedliche Sachen.
Das Problem ist eigentlich das Basiskonto. Wenn das nämlich vorhanden ist, ist die Umwandlung in ein PKonto jederzeit möglich. Nicht alle, die ein Basiskonto brauchen, benötigen auch ein P-Konto. Das ist der Unterschied! Die gesetzliche Regelung muss sich auf das Recht auf ein Basiskonto beziehen.
In diese Richtung gab es schon diverse Anläufe: 1995 gab es die Empfehlung der ZKA, jetzt des zentralen Kreditausschusses der deutschen Kreditwirtschaft. Die haben empfohlen, dass ihre Verbandsmitglieder allen Men
schen, die das wollen, ein Basiskonto einrichten. Diese Empfehlung war offensichtlich nicht so zielführend, jedenfalls war sie nicht verbindlich, und es gab dazu diverse Berichte der Bundesregierung. Der vierte Bericht aus 2006 forderte die Kreditwirtschaft ziemlich streng auf, die Empfehlung durch eine rechtlich verbindliche Selbstverpflichtung zu ersetzen, weil man sonst selbst gesetzgeberisch tätig werden würde. Es gab dann auch den Anlauf, einen Gesetzentwurf zur Reform des Kontopfändungsschutzes zu erarbeiten. Der gilt ab 1. Juli 2010, verbindlich ab 1. Januar 2012.
Der fünfte Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 mahnte wieder die Kreditwirtschaft an, dass sie die Selbstregulierung vornehmen solle. Das passierte nicht. Im Jahr 2011 gab es in der Europäischen Kommission eine Zusammenkunft, und man empfahl, den Zugang zum Basiskonto für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in der EU entweder mittels einer Richtlinie oder einer Verordnung bis 2012 zu sichern. Die Mitgliedstaaten sollten dazu handeln. Dazu gibt es wiederum einen Bericht der Bundesregierung, dass sie weiterhin Handlungsbedarf sehe. Sie wartet allerdings die eventuelle europäische gesetzliche Regelung ab. Der eine spielt dem anderen den Ball zu, was natürlich toll ist! Es sollte allerdings ein Girokonto mit normalen Funktionen als Guthabenkonto sein, und alle Kreditinstitute mit Privatkundengeschäft sollten verpflichtend einbezogen werden. Es gilt also für alle!
Ich habe nachgeforscht, wie die Sparkasse das hier in Berlin handhabt. Die haben kein Problem; wenn jemand kommt, erhält er das Konto. Wenn es in ein P-Konto umgewandelt werden soll, wird das auch gemacht. Die sehen rein formal kein Problem. Die anderen Banken sehen da wohl schon ein Problem, die sollen die Leute dann an die Sparkasse verweisen. So ein Handling gibt es wohl bei den Banken.
Ich weiß nicht, woher Sie die Zahlen der Schuldnerberatungsstellen mit 10 Prozent haben, es gibt aber da wohl eine Dunkelziffer, darüber müsste man im Ausschuss noch einmal diskutieren. Der Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützt dieses Ansinnen auch. In Belgien, Frankreich und Kanada existiert bereits ein gesetzlicher Anspruch.
Den Antrag sollten wir mit den von mir angedeuteten Verbesserungen umformulieren – also mit der strengen Trennung. Wir sollten eine kurzfristige Berliner Lösung in Angriff nehmen, um damit einen neuen Anstoß – auch für die Bundesebene – zu geben und um das europäische Recht endlich zu verwirklichen! – Danke!
Frau Kollegin Köhne! Sie haben da etwas missverstanden. Selbstverständlich ist uns dieses Problem bewusst, und es wäre schön, wenn dieses Haus auch das Recht auf ein Girokonto für alle Bürgerinnen und Bürger beschließen würde. Das ist aber in der Vergangenheit bereits auf Schwierigkeiten gestoßen, und wahrscheinlich müssen wir noch zwei Jahre auf die EU-Verordnung warten.
Um den Menschen jetzt zu helfen, nehme ich doch lieber den Spatz und greife nicht nach der Taube auf dem Dach. Ich nehme das für den Personenkreis, der das Konto auch als P-Konto führt. Das hat nichts mit Pfändungen zu tun – Sie können jedes Konto sofort als P-Konto führen. Das ist natürlich mit einer entsprechenden Schufa-Eintragung verbunden, aber das ist bei dem Personenkreis wahrscheinlich eh der Fall, dass sie Schufa-Eintragungen haben. Für die Sparkasse ist es klar, dass das ein eingeschränkter Kundenkreis ist. Jeder kann natürlich kommen und ein P-Konto eröffnen. Es ist also etwas weniger als das Konto für alle, was wir auch begrüßen würden. Wenn Sie diesen Antrag stellen, bitte, dann unterstützen wir den!
Lieber Kollege! Ich sehe da schon einen Unterschied, wir müssen das umformulieren! Es bringt nichts, nur ein P-Konto zu fordern. Wir sollten das Basiskonto für alle fordern, damit haben Sie automatisch ein P-Konto. Das P-Konto alleine ist keine Forderung, das sollten wir auch nicht in den Raum stellen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zunehmende Überschuldung unserer Bürgerinnen und Bürger ist wirklich ein ernsthaftes Problem. Von den Ursachen und Folgen haben wir heute nicht viel gehört, aber in der Vergangenheit haben wir in diesem Haus bereits öfter darüber gesprochen.
Nicht jeder ist an seiner Überschuldung ganz unschuldig, aber die Politik muss verhindern, dass die Verschuldung zu einer Schleife von Problemen führt und ein Ausstieg für die Menschen unmöglich wird.
Es ist gut, dass die Bundesregierung mit breiter Unterstützung das Pfändungsschutzkonto eingeführt hat. Zu viel Lob können wir der Bundesregierung dafür nicht aussprechen, denn sie ließ Wichtiges ungelöst. Das Instrument Pfändungsschutzkonto kann seine Wirkung nicht ganz entfalten. Der Antrag der Piraten verdient deshalb unsere Aufmerksamkeit.
Zunächst aber Grundsätzliches. Der Bundesgesetzgeber hat ein deutliches Signal zum Schutz der Schuldner gesetzt. Ein Pfändungsschutzkonto, auf das die Verschuldeten einen Rechtsanspruch haben, schützt sie vor zusätzlichen Problemen. Auch die Gläubiger profitieren vom Pfändungsschutzkonto. Es liegt im Interesse der Gläubiger, dass der Schuldner sein Konto behält, am Wirtschaftsleben teilnimmt und eventuell auch noch seine Schulden bezahlt. Das ist wichtig zu sagen, denn in diesem Bereich ist eine Schwarz-weiß-Malerei nicht angebracht. Gläubiger sind nicht nur gierige Geldhaie, sondern auch Kinder, die Unterhalt haben wollen, kleine Selbstständige, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht bezahlen können, weil ihre Rechnungen nicht beglichen worden sind.
Apropos Selbstständige: Gut ist, dass man für die bisher schlecht geschützte Gruppe der Selbstständigen einen eigenständigen Kontopfändungsschutz eingeführt hat. Dies ist für den Mittelstand sehr wichtig. Am Ende profitieren wir alle von der Einführung des Pfändungsschutzkontos, denn bisher gingen fast die Hälfte aller Kontopfändungen auf die öffentliche Hand zurück – und zwar aufgrund von Kleinigkeiten.
Aber jetzt zum Ziel dieses Antrags: Der Bundesgesetzgeber hat ein Pfändungsschutzkonto eingeführt, aber nicht ermöglicht, dass alle, die ein Konto eröffnen wollen, dies auch tun können. Ein Pfändungsschutzkonto bekommt man nämlich nur dann, wenn man ein Girokonto hat. Ein Girokonto haben viele verschuldete Menschen nicht. Nur mit einem Recht auf ein Girokonto macht das Recht auf ein Pfändungsschutzkonto einen Sinn – Herr Spies, das müssen Sie schon wahrnehmen, dass ist so herum –, sonst bleiben zahlreiche Menschen, die nicht über ein Girokonto verfügen, wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt. Im Klartext: Wir brauchen nach wie vor ein Girokonto für jede und für jeden. Die Banken haben genug Zeit gehabt, diese Forderung freiwillig umzusetzen. Das hat überhaupt
Nach meiner Kenntnis gibt es keine rechtlichen Einwände gegen einen Abschlusszwang für die Banken. Ohne ein Girokonto für jeden stehen weiterhin Tausende Menschen vor unlösbaren Problemen: bei der Arbeits- und der Wohnungssuche und bei vielen anderen Dingen mehr.
Die geschätzte Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die bis heute kein Girokonto haben, ist beschämend hoch, und sagt uns eindeutig: Die Selbstverpflichtung der Banken ist nichts wert. Dass die Berliner Sparkasse verpflichtet wird, allen Bürgerinnen und Bürgern mit Wohnsitz in Berlin ein Giro- und somit auch ein Pfändungsschutzkonto zu eröffnen, könnte vielleicht eine sinnvolle Überbrückung sein und soll auch in den Fachausschüssen diskutiert und überprüft werden.
Wir brauchen dringend ein Recht auf ein Girokonto. Solange das nicht durchsetzbar ist, darf der Schwarze Peter nicht bei den Schwächsten unserer Gesellschaft bleiben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Piraten greift ein Thema auf, welches aus der politisch gewollten Reform des Vollstreckungsrechts im Jahr 2009 herrührt. Sie werden sich erinnern, zumindest wenn Sie sich für das Thema interessiert haben, dass damals der Bundestag mit überwältigender Mehrheit das Vollstreckungsrecht geändert hat. Durch Änderung des Vollstreckungsrechts in der Zivilprozessordnung ist mit Wirkung von Juli 2010 das hier schon mehrfach erwähnte Pfändungsschutzkonto eingeführt worden. Die wesentliche Neuerung ist aus Sicht der Verbraucher die Verbesserung ihrer jeweiligen Situation dadurch, dass Schuldner nur in Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrags über ihr Guthaben – Arbeitseinkommen, Sozialleistungen – frei verfügen können. Dies schließt auch Beträge, die für zwingende Unterhaltsverpflichtungen dem Konto des Schuldners gutgeschrieben werden, mit ein. Es findet keine Kontosperrung mehr statt, worin die wesentliche positive Auswirkung der Einrichtung des Pfändungsschutzkontos besteht. Ich denke, wenn man sich mit der Reform des Vollstreckungsrechts befasst, muss man das einmal feststellen.
Die Erfahrungen, die im Rahmen der Umsetzung von den Beteiligten, also den Verbrauchern, Banken und sonstigen Beteiligten, gemacht worden sind, sind sehr unterschiedlich, wie sich auch aus der Antwort auf eine Anfrage an die Bundesregierung ergibt. Die Bundesregierung hat beschlossen, die Reform zu kontrollieren und zu evaluieren.
Nun komme ich kurz auf den hier bereits erwähnten Zentralen Kreditausschuss für die Kreditinstitute. Dieser hat einen sogenannten Umsetzungsleitfaden zur Reform des Pfändungsschutzes erlassen, welcher sich immerhin auf 44 Seiten mit dem Pfändungsschutzkonto befasst. Dieser Leitfaden wurde umgehend von den Vertretern des Bundesjustizministerium und denen der Arbeitsgemeinschaften der Schuldnerberatungen entwickelt. Er stellt eine Selbstverpflichtung dar und soll weiterentwickelt werden. Richtig ist, dass dort die objektive Rechtslage insofern festgestellt wurde, dass kein gesetzlicher Anspruch – das ist hier gesagt worden – auf Eröffnung eines Pfändungsschutzkontos besteht. Stattdessen sind die Institute der Kreditwirtschaft verpflichtet, einen Anspruch auf Umwandlung eines bestehenden Kontos in ein Pfändungsschutzkonto kurzfristig zu entsprechen, was – wie ich denke – von allen positiv bewertet wird.