Protocol of the Session on June 23, 2011

[Ha, ha! von der SPD]

ist die Verschuldung Berlins unter Rot-Rot

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

von 28 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 63 Milliarden Euro heute angestiegen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wie viel davon sind Zinszahlungen?]

Drittens: Bemerkenswert ist ferner, dass wir sonst, wenn die Union Strafverschärfungen anregt, zum Beispiel bei Gewalttaten gegen Polizeibeamte oder Angehörige von Rettungsdiensten oder bei schwersten Straftaten von Jugendlichen, von den drei linken Parteien hier zu hören bekommen, wir wären einfallslos, bestehende Gesetze würden ausreichen und so weiter. Dieses Blabla scheint jetzt nicht zu gelten, oder ist Ihnen der Schutz beispielsweise von Polizeibeamten in Berlin nicht so wichtig?

Viertens: In dem Versuch, Ihrer hier als Antrag bezeichneten Wahlkampfschleuder ein bisschen fachlichen Anspruch zu geben, weisen Sie auf den schwer handhabbaren § 266 StGB, den Untreuetatbestand, hin. Der Hinweis ist sachlich zutreffend, und deshalb müssen wir auch prüfen, wie wir zu einer besseren strafrechtlichen Absicherung kommen. Aber Ihre Vorschläge sind genauso allgemein gehalten und schwer handhabbar, sodass das so von vornherein nichts werden kann. Sie beantworten die entscheidende Frage nicht, wo Sie die Grenze zwischen notwendigem unternehmerischen Handeln auf der einen Seite und beispielsweise strafwürdiger Untreue auf der anderen Seite ziehen wollen.

Na ja, im Ergebnis gilt: Prüfen hat noch nie geschadet. Eine Erforderlichkeit, neue zu missbilligende Sachverhalte auch strafrechtlich erfassen zu können, ist ebenfalls gegeben. Insofern werden wir zustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rissmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Lederer das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, man muss gar nicht den Bankenskandal und das LandowskyVerfahren heranziehen,

[Sven Rissmann (CDU): Haben Sie aber gemacht!]

wenn man sich über den Gegenstand dieses Antrags verständigt. Man kann auch einfach über die Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 reden, die uns in großer Dimension vor Augen geführt hat, was sich mit systemischen Ursachen und durchaus auch mangels wirksamer Regulierung im Kleinen abspielt, nämlich Handeln von wirtschaftlichen Akteuren – dabei ist mir völlig egal, ob in öffentlichen Unternehmen oder in der Privatwirtschaft – mit krimineller Dimension. Der Antrag, den wir heute verabschieden, befasst sich mit einem kleinen Ausschnitt dessen, mit einem kleinen Ausschnitt der notwendigen Regulierung und Pönalisierung. Der Kollege Zimmermann hat das Landowsky-Urteil zum Anlass genommen, weil in der Tat eines stimmt: Es hat die Spielräume verengt, den Untreuetatbestand auf wirtschaftliche Verhaltensweisen anzuwenden. Ich finde, an der Stelle muss

man die Debatte seriös führen, was der Gesetzgeber auf Bundesebene tun kann und was er auf Bundesebene tun sollte. Klar ist: Die gegenwärtige Bundesregierung tut da nichts.

In Bezug auf die Wirtschafts- und Finanzkrise ist eine Menge an Regulierung angekündigt worden. Es sollte eine strengere Regulierung von Finanzprodukten stattfinden, es ist damals über das Verbot von Leerverkäufen diskutiert worden, über die Demokratisierung der Ratingagenturen. All das hat sich in Luft aufgelöst, in all diesen Bereichen ist de facto nichts passiert.

Ferner stelle ich mir die Frage: Inwieweit trägt das derzeitige Strafrecht angesichts der Tatsache, wie existenziell wirtschaftliche Prozesse für das öffentliche Leben sind, den Notwendigkeiten moderner Strafrechtspolitik Rechnung? Dazu stelle ich fest: Bis heute sind die unternehmensbezogenen Rechtsfolgen strafrechtlichen Handelns der Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, also des Managements und der Aufsichtsorgane, nicht Teil des Wirtschaftsstrafrechts, jedenfalls nicht mit Strafbarkeit im engeren Sinne. Ich stelle zweitens fest: Bis heute sind die Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts allenfalls fragmentarisch, und sie setzen auf die klassischen Zurechnungszusammenhänge individuellen strafbaren Handelns. Das versagt schon dann, wenn Aufsichtsgremien oder Gruppen von Akteuren unterwegs sind, weil man natürlich das Handeln eines jeden Einzelnen hinwegdenken kann und der strafrechtliche Erfolg dennoch eintreten würde. Also: Auf Wirtschaftsstraftaten sind die klassischen strafrechtlichen Zurechnungsnormen schlicht und ergreifend schwer anwendbar.

Der dritte Punkt ist, dass bis heute Managements mit krimineller Energie von der schwierigen Nachweisbarkeit von Tatbestandsmerkmalen profitieren, die sich auf die wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Folgen von Spekulation und Hochrisikoengagement beziehen. All das führt dazu, dass Wirtschaftsstrafprozesse heutzutage ewig dauern, Unsummen kosten und nicht selten ohne Verurteilung enden, und das, obwohl die in der jeweiligen Beweisaufnahme festgestellten Fakten vom skrupel- und rücksichtslosen Verhalten der Handelnden künden. Ohne jede Bedenken werden für eine entsprechend hohe Rendite nahezu unbegrenzte gesellschaftliche Risiken in Kauf genommen. Da entsteht dann in der Tat schon der Eindruck: Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen.

So muss das nicht sein. Wir können das auch anders machen. Ich finde es richtig, darüber nachzudenken, inwieweit Gefährdungstatbestände da Vorkehrungen bieten können, ich finde es auch richtig, an die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten der Organmitglieder strafrechtlich anzuknüpfen. Natürlich ist es auch richtig, dass das alles nicht alle Probleme löst, und dass der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz und die Justizgrundrechte hier auch zwingend beachtet werden müssen. Aber ich finde, es ist überfällig, diese Debatte zu führen. Sie muss

geführt werden. Das ist auch der Grund, weshalb meine Fraktion diesen Antrag hier mit eingereicht, mit entwickelt hat und unterstützt.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wollen überhaupt nicht davon reden, was windiges Handeln von Managern und Managerinnen für die Altersvorsorge von Kleinanlegern und Kleinanlegerinnen bedeutet oder welche Folgen es für die Realwirtschaft hat. Wir haben das in Anflügen erlebt. Selbst manche europäische Nationalökonomie ist da ins Wanken geraten. Präventive wie repressive Instrumente der Verhaltenskontrolle von Unternehmen, von Branchen und Managements sind hochgradig lückenhaft. Diese Lücken müssen systematisch geschlossen werden. Ein Beitrag dazu ist unser Antrag, für den ich Sie um Zustimmung bitte!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Dr. Behrendt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Lederer! Ganz kurz zu Ihrem Ansatz: Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Sie jetzt die Finanzmarktregulierung über eine Reform des Strafgesetzbuches erreichen. Das ist, glaube ich, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Da bedarf es ganz anderer dringlicher Maßnahmen auf europäischer Ebene, auf nationalstaatlicher Ebene, und über eine Veränderung des Strafgesetzbuches werden wir diese risikoreichen Geschäfte, die die Weltökonomie in eine Schieflage gebracht haben, nicht verhindern.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ich glaube, Sie haben mir wie immer nicht zugehört!]

Jetzt aber zu Ihrem Antrag: Es gibt eine rechtliche und eine politische Dimension. Zunächst zur rechtlichen Dimension: Das Problem bei allen Finanzmarktdelikten ist, das erlaubte von dem unerlaubten Risiko abzugrenzen, und wir sind damit konfrontiert, dass regelmäßig die handelnden Personen, also die Manager, sich in den Anstellungsverträgen haftungsfrei stellen lassen, sodass sich die persönliche Haftung von Ihnen in der Regel nicht realisieren lässt, weil die Anstellungskörperschaften haften. Da ist die Sanktionierungsmöglichkeit bei Fehlverhalten von vornherein eingeschränkt.

Es ist angesprochen worden: § 266 StGB ist eine der umstrittensten und unklarsten Regelungen des gesamten Strafgesetzbuches. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Kollege Rissmann, war übrigens nicht im Oktober, sondern heute genau vor einem Jahr. Das war mein erster Gedanke, als ich den Antrag gesehen habe, ob

SPD und Linksfraktion diesen Antrag zum Jahrestag der Landowsky-Entscheidung stellen.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Feiern Sie das immer?]

Am 23. Juni 2010 hat das Bundesverfassungsgericht – wenig überraschend für Kundige – entschieden, dass es mit § 266 Strafgesetzbuch Probleme gibt. Deshalb ist es auch richtig – um das deutlich zu sagen –, dass die Koalition nicht an die Änderung des § 266 StGB denkt, sondern dass sie hier Finanzmarktregelungen ins Auge nimmt.

[Beifall bei den Grünen]

Allerdings: Die vorgeschlagenen Änderungen – es wird zum einen vorgeschlagen, die Sorgfaltspflichten des § 93 Aktiengesetz mit Strafe zu bewehren, und zum anderen, § 18 Kreditwesengesetz von einer Ordnungswidrigkeit zu eine Straftat hochzuzonen – können noch nicht wirklich überzeugen. Denn in § 93 Aktiengesetz steht ausdrücklich, dass der Pflichtige dann nicht pflichtwidrig handelt, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Hier liegt aber gerade der Hase im Pfeffer, denn dieses zivilrechtliche Schlupfloch bleibt bei der vorgeschlagenen Veränderung zur Strafnorm bestehen.

Ähnlich ist es bei § 18 Kreditwesengesetz. Danach liegt keine Pflichtverletzung vor, wenn das Verlangen nach Offenlegung der Vermögensverhältnisse desjenigen, der Kredit begehrt, offensichtlich unbegründet wäre. Auch diese Formulierung „offensichtlich unbegründet wäre“ öffnet Tür und Tor für Unklarheiten. Ich glaube, es wäre wenig gewonnen, wenn wir die Auslegungsschwierigkeiten des § 266 Strafgesetzbuch einfach in das Kreditwesengesetz und ins Aktiengesetz transformieren.

Völlig sinnvoll ist die Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung. Da gehen wir mit. Wenn es bei diesem Antrag tatsächlich um mehr gehen sollte als um einen Schaufensterantrag, dann erkläre ich hier unsere große Bereitschaft, auch im Rechtsausschuss an einer Konkretisierung der vorgeschlagenen Änderungen zu arbeiten.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Sehr gut!]

Nun zum Politischen: Es ist hier bereits angeklungen, was Anlass für diese Gesetzgebung sein soll. Allerdings kann das Strafrecht auch im Bereich des Finanzmarkts nicht schwerwiegende Organisationsverschulden und einen totalen Kontrollverzicht ausgleichen. Zur Wahrheit gehört hier auch: Die Bankgesellschaft Berlin ist nicht deshalb in die Krise geraten, weil das Strafgesetzbuch oder die Managerhaftung unzureichend waren, sondern weil Größenwahn und Dilettantismus gepaart mit Schlamperei und Bevorzugung von Parteifreunden zusammenkamen und weil SPD und CDU auf den verschiedensten Ebenen hier mitgemacht haben.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben es also eher mit einem kompletten Versagen der öffentlich-rechtlichen Kontrollinstanzen zu tun. Und

gerade bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen gibt es Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten. Diese müssen aber ernsthaft genutzt werden. Bei der Bankgesellschaft ist das nicht passiert. Bei der Deutschen Bahn passiert das unzureichend, und bei den Wohnungsbaugesellschaften passiert das auch unzureichend. Hier bleibt noch sehr viel zu tun. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Behrendt! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Kluckert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leistung und Verantwortung sind für uns Liberale Grundprinzipien der Gesellschaftsordnung, und nach diesen Prinzipien müssen wir uns letztendlich ausrichten, wenn es darum geht, eine Wirtschaftsordnung zu gestalten.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wenn wir sagen „Leistung“, dann sind wir nicht dafür, Managergehälter zu begrenzen, ebenso, wie wir nicht dafür sind, Fußballergehälter zu begrenzen,

[Andreas Gram (CDU): Ich schon!]

aber wenn wir sagen „Verantwortung“, dann gilt auch, dass jemand, der Mist baut, der einen Schaden anrichtet und das voraussehen konnte,

[Andreas Gram (CDU): Oder der schlecht spielt!]

für diesen Mist geradezustehen und zu haften hat. Das ist ein Prinzip, das letztendlich aus dem Verantwortungsbewusstsein eines Einzelnen resultiert.

[Beifall bei der FDP]

In der Vergangenheit sind in diesem Land viel zu oft Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert worden. Wenn ein kleiner Handwerksbetrieb mit zehn Mitarbeitern pleitegeht, dann kommt der Gerichtsvollzieher, die zehn Mitarbeiter werden zur Arbeitsagentur geschickt und müssen Arbeitslosengeld beantragen. Wenn aber in diesem Land ein Großunternehmen von der Pleite bedroht ist, dann kommt der Bundeskanzler höchstpersönlich, Stichwort Philipp Holzmann – man kann es hier ruhig bringen: Gerhard Schröder. Er kommt natürlich nicht allein, sondern mit Presse, Funk und Fernsehen, macht eine große Feier und reicht die 4,3 Milliarden DM – damals noch – aus, die letztendlich für den Steuerzahler verloren waren.

Auch hier kann man sich fragen – Hochrisikogeschäfte zur persönlichen Profilierung –: Wo haben Sie denn da jemals beantragt, dass die entsprechend Handelnden in die Haftung genommen werden? Das haben Sie nicht getan. Sie haben nur Ihre speziellen Gruppen, auf die Sie das zuschneiden.