Protocol of the Session on June 23, 2011

So kann es wiederum nicht gehen, das ist eine verfehlte Politik. Berlin hat also zahlreiche Probleme, insbesondere in der praktischen Ausführung der Politik. Es gibt z. B. 400 Millionen Euro Rückstand bei den Instandhaltungsmaßnahmen für die Straßen. Und es kann nicht sein, dass nun verdeckte Straßenausbaumaßnahmen geplant werden mit dem Ziel, versäumte Instandhaltung, die man sonst nicht zahlen kann, wiederum auf die Bürger abzuwälzen. Da muss Klarheit herrschen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es gibt auch eine mangelnde Koordinierung und Abstimmung der verschiedenen Verwaltungsebenen in der Stadt. Auch die Vorhabenträger des Leitungsbaus reißen nach Belieben die Straßen auf und machen sie wieder zu. Die ganze Stadt ist eine einzige Baustelle, und wer zahlt es? Der Bürger! Und er steht noch dazu im Stau.

Aber ein weiteres Problem kommt noch hinzu. Herr Nußbaum ist leider jetzt nicht mehr im Saal, aber es wurde die Privatisierung der Wasserbetriebe angesprochen. Ist Ihnen denn bekannt, dass die Wiederbeschaffungszeitwerte der Wasserbetriebe, also das Kapital, willkürlich vom Senat hochgesetzt wurde und die kalkulatorischen Zinsen darauf, und dass das 46 Prozent der Wassertarife ausmacht? Und nun sollen die Bürger zusätzlich auch noch die Straßenentwässerung über das Straßenausbaubeitragsgesetz bezahlen. Der Bürger zahlt doppelt und er zahlt dreifach. Das müssen wir aufdecken. Wir wollen diese Fragen untersuchen. Wir wollen eine exakte Evaluation machen, auch damit vergleichen, was in anderen Bundesländern erfolgreich läuft oder auch verbessert wurde. Und wir wollen vor allem eine echte Bürgerbeteiligung. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4008 ist die namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. Ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abgeordneten aufzurufen. Die Stimmkarten werden Ihnen durch die Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Aufruf des Namens möglich ist. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden die Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind: eine Urne

für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten.

Ich eröffne also die Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 16/4008. Die Ausschüsse empfehlen mehrheitlich gegen CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung. – Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

Noch einmal: Ich eröffne die Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/4008. Jetzt bitte ich Frau Grosse, die Namen zu verlesen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Meine Damen und Herren! Hatten alle anwesenden Mitglieder dieses Hauses die Möglichkeit, abzustimmen? – Ich gehe davon aus, sehe auch keine andere Rückmeldung. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Auszählung wird die Sitzung unterbrochen.

[Auszählung]

Meine Damen und Herren! Sie können jetzt wieder Platz nehmen. Es liegt uns das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Straßenausbaubeitragsgesetz vor. Abgegebene Stimmen: 143, Ja-Stimmen: 48, Nein-Stimmen: 95, Enthaltungen: keine. Der Antrag Drucksache 16/4008 ist somit abgelehnt.

Nun kommen wir zu den weiteren Abstimmungen. Zum Gesetzesantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/4007 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen CDU und FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP! Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und Bündnis 90/Die Grünen. Fraktionslos habe ich nicht gesehen. Wie haben Sie abgestimmt? – Dafür! – Die Ablehnung war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag Drucksache 16/3013. Da empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen FDP, bei Enthaltung der CDU – die Ablehnung, auch mit Änderung. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – FDPFraktion! Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – CDUFraktion! Die Ablehnung war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Wirtschaftskriminalität wirksam bekämpfen – Managerhaftung verschärfen

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/4268

Das ist die Priorität der Fraktion der SPD mit dem Tagesordnungspunkt 28. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Herr Zimmermann legt gleich los. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Ich kriege bei dem Thema sofort einen trockenen Hals.

[Björn Jotzo (FDP): Das ist doch Ihre Priorität!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin hat 61,9 Milliarden Euro Schulden. Ungefähr 4,5 Milliarden davon gehen auf das Konto der Bankgesellschaft, denn in einem damals beispiellosen Akt der Plünderung öffentlichen Vermögens wurden die Berliner Steuerzahler für abenteuerliche Immobiliengeschäfte in Haftung genommen.

[Beifall von Heidi Kosche (Grüne) und Özcan Mutlu (Grüne)]

Das finde ich gar nicht so zum Klatschen.

[Heidi Kosche (Grüne): Aber Sie haben recht!]

Bis heute ist jedoch niemand für diese ruinöse Praxis der Kreditvergabe strafrechtlich belangt worden,

[Zuruf: Leider!]

von einigen wenigen Verurteilungen wegen Bilanzfälschung einmal abgesehen. Wenn aber am Ende keiner für den Verlust von 4,5 Milliarden Euro Landesvermögen bestraft werden kann, obwohl die Pflichtverletzungen vom höchsten deutschen Gericht bestätigt wurden, dann ist etwas mit unserem deutschen Strafrecht nicht in Ordnung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich kann es Ihnen nicht ersparen. Der Öffentlichkeit muss klar gesagt werden: Es gibt derzeit keinen wirksamen Schutz vor den Finanzjongleuren und Risikomanagern in den Vorstandsetagen. Sie können Milliarden in den Sand setzen, vielfach auf Kosten der Allgemeinheit, ohne dass die Justiz wirklich spürbar eingreift. Die Hypo-RealEstate-Vorstände, die Ackermanns, die Nonnenmachers und die Landowskys, alle sind unbestraft. Und der Größte von ihnen feiert zur Belohnung auch noch seinen Geburtstag im Kanzleramt. Das sind Vorgänge, die das Rechtsempfinden der Allgemeinheit schwer stören, und sie verlangen nach einer Reaktion.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

An der Staatsanwaltschaft und an der Polizei liegt es nicht. Sie haben in den Vorstandsetagen nahezu aller deutschen Großbanken ermittelt und zahlreiche Anklagen erhoben. Es liegt vielmehr an der zentralen Norm des deutschen Wirtschaftsstrafrechts. Der Untreuetatbestand im Strafgesetzbuch war schon immer ein schwer handhabbarer Paragraf. Seit dem letzten Jahr aber ist § 266 auf verantwortungslose Kreditgeschäfte praktisch überhaupt nicht mehr anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hat

nämlich in der Strafsache Landowsky plötzlich höhere Hürden für die Beweisführung aufgestellt. Nunmehr reicht eben die sogenannte schadensgleiche Vermögensgefährdung nicht mehr für eine Verurteilung aus. Dadurch entsteht unseres Erachtens eine nicht hinnehmbare Lücke im Wirtschaftsstrafrecht, die einem Freibrief für Spekulanten gleichkommt. Wir jedenfalls fühlen uns verpflichtet mitzuhelfen, dass diese Lücke geschlossen wird, und deshalb wollen wir hier den Anstoß geben, das Bundesrecht entsprechend zu ändern.

Wir halten es für wenig aussichtsreich, in diesem Zusammenhang den Versuch zu unternehmen, etwa § 266 des Strafgesetzbuchs irgendwie wiederzubeleben. Ich glaube, diesen Tatbestand können Sie weitgehend vergessen. Stattdessen meinen wir, dass zwei Ansatzpunkte beachtet werden müssen und möglicherweise zum Ziel führen. Der eine ist § 93 des Aktiengesetzes, wo Sorgfaltspflichten für Spitzenmanager in Aktiengesellschaften aufgeschrieben sind. Hier wäre nachzudenken, ob man diesen Paragrafen durch einen entsprechenden Straftatbestand ergänzt. Aber noch besser wäre die zweite Variante, nämlich dass das bereits im Kreditwesengesetz angelegte Verfahren, dass wenn jemand die Bonitätsprüfung und eine sorgfältige Wirtschaftlichkeitsprüfung von Kreditnehmern unterlässt, dann pflichtwidrig handelt und mit einer Geldbuße belegt werden kann, die bis zu 150 000 Euro geht. Wir meinen, es ist dringend zu prüfen, ob man diesen Ordnungswidrigkeitstatbestand nicht zu einem Straftatbestand mit einer entsprechenden Strafandrohung für diese Fälle heraufstufen kann, die die Öffentlichkeit Milliarden kosten können.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir bitten dringend darum, diese Vorschläge ernsthaft zu prüfen und eine Initiative für eine Verschärfung der Managerhaftung auf Bundesebene zu ergreifen. Denn eines hält unsere Rechtsordnung auf Dauer nicht aus – dass die Strafgesetze Sanktionen für die breite Masse der Bevölkerung bereitstellen und für einige wenige Privilegierte nicht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmermann! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Rissmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Zimmermann! In Zeiten größter finanz- und währungspolitischer Verunsicherung, in einer Weltwirtschaftskrise, die Grundfesten berührt und aufgezeigt hat, dass einige wenige ganze Volkswirtschaften durch unverantwortliches geradezu unsittliches Handeln, durch Zockerei gefährden können, ist es sicherlich richtig, sich auch die Frage zu stellen, ob und wie man auf der Ebene des Strafrechts reagieren kann – und vielleicht auch

muss –, um Menschen, Staat und soziale Marktwirtschaft zu schützen. Dennoch ist der vorliegende Antrag der Regierungskoalitionen in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Erstens – Herr Zimmermann hat das gerade in hervorragender Weise vorgeführt –: Sie begründen Ihren Antrag mit einer von Ihnen als Landowsky-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezeichneten richterlichen Entscheidung vom Oktober 2010. Sie stellen diesen Antrag in der letzten Sitzung vor der Sommerpause und wollen dem Senat auferlegen, bis zum 15. September 2011, also drei Tage vor dem Wahltermin, Bericht zu erstatten. Damit zeigen Sie deutlich, worum es Ihnen eigentlich geht: blankem Populismus,

[Beifall bei der CDU und der FDP]

auf erschreckend peinlichem Niveau, gepaart mit evidentem Wahlkampfzucken. Warum sonst stellen Sie diesen Antrag in dieser Form erst jetzt? Es ist bedauerlich, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass Sie einen Sachverhalt, der im Sinne meiner Eingangsworte eine ernsthafte Befassung verlangt, derart platt instrumentalisieren.

Zweitens: Bemerkenswert ist überdies, dass Sie offenbar den Senat erst auffordern müssen, für eine Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts initiativ zu werden und öffentliches und privates Vermögen vor unverantwortlichen Risikogeschäften zu schützen. Das hat womöglich gute Gründe. Stichworte: HOWOGE, rechtswidrige Vergabepraxis, Parteibuchwirtschaft, Aktenvernichtung und eine im Moment nicht anwesende und auch sonst nicht ganz dicht bei der Wahrheit liegende Senatorin.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Dr. Sebastian Kluckert (FDP)]

Stichwort BVG: Der sich heute als Buchautor verdingende SPD-Senator a. D. Dr. Sarrazin hat als Aufsichtsratsvorsitzender seine Zustimmung zur Übernahme hoher Lasten aus Krediten gegeben, die aufgrund vorangegangener Cross-Border-Leasing-Geschäfte nötig waren. Das Ergebnis sind Rückstellungen in Höhe von 156 Millionen Euro und ein Gesamtverlust der BVG im Jahr 2008 von 247 Millionen Euro.

Stichwort Bankenskandal – das war die Begründungslinie des Kollegen Zimmermann: Seit dem von der SPD glorreich inszenierten Bankenskandal

[Ha, ha! von der SPD]