Protocol of the Session on June 9, 2011

[Beifall bei den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist eine Unverschämtheit!]

Ich kann nur hoffen, dass der Regierende Bürgermeister etwas Vernünftigeres verhandelt beim Atomkonsens, als er in der Frage Länderfinanzausgleich für Berlin herausgeholt hat.

Her Klemm! Mäkeln dürfen Sie gern wieder ab nächstem Jahr, wenn Sie wieder im Parlament sein sollten. Ich glaube, Sie freuen sich schon darauf, denn Ihre Lustlosigkeit, mit der Sie gerade die Zahlen vorgetragen haben, zeigt deutlich, in welche Richtung das für Sie geht: Hauptsache, ab nächstem Jahr wieder Opposition machen zu dürfen.

[Beifall bei den Grünen – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sie wollten etwas erzählen!]

Hätten Sie sich weniger aufgeregt, hätten Sie auch Vorschläge gehört. Unter anderem wäre der Ausbildungspakt vor fünf Jahren richtig gewesen, dann hätten wir keine 22 000 arbeitslosen Jugendlichen,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

die seit Jahren auf eine Nachqualifizierungsoffensive warten, die Sie aber nicht machen, weil Sie das Geld lieber woanders verschwenden. Eine Nachqualifizierungsoffensive für Jugendliche wäre sinnvoll, bei Ihnen Fehlanzeige.

[Beifall von den Grünen – Zurufe von der Linksfraktion]

Wir haben vorgeschlagen, mehr Qualifizierung wegen des Fachkräftemangels zu machen – nein, Sie haben Vorschläge gefordert und die bekommen Sie jetzt auch –, anstatt das Geld dafür zu kürzen.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Wir haben vorgeschlagen, mit einem Klimaschutzgesetz energetische Sanierung auf den Weg zu bringen, was 20 000 Arbeitsplätze in der Stadt schaffen würde.

[Beifall bei den Grünen]

Aber das haben Sie lieber abgelehnt, obwohl IHK, BUND und der Mieterverein dafür gewesen sind.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Wir haben Ihnen bereits vor fünf Jahren vorgeschlagen, auf Industriepolitik, auf kluge, moderne Industrien zu setzen. Aber Sie haben bis vor zwei Jahren mit Ihren Förderrichtlinien lieber Callcenter mit Niedriglöhnen subventioniert. Das waren unsere Vorschläge, und hätten Sie diese umgesetzt, hätten Sie jetzt nicht die höchste Arbeitslosigkeit bundesweit und den niedrigsten Beschäftigungsaufbau. Das haben Sie mit Ihrer Kritik, dass Sie nur auf Dienstleistung gesetzt haben, selbst bestätigt. Das haben Sie getan in den letzten Jahren – und nichts anderes.

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Nehmt ihr euch noch ernst? – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das war provinziell und beschämend! – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Erbärmlich! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Der Herr Abgeordnete Thiel hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Herr Thiel hat jetzt das Wort – und nur Herr Thiel. – Bitte sehr!

[Beifall bei der Linksfraktion und der FDP]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmung ist ja gut, und das freut einen.

[Heiterkeit]

Wenn sich das insgesamt auch so auf die Wirtschaft überträgt, sind wir auf dem richtigen Weg. Wir freuen uns, dass tatsächlich nach Jahren die Wirtschaft in Berlin auch zulegt. Was erfreut uns besonders daran? – Es sind zwei Gründe: Zum einen schafft eine prosperierende Wirtschaft mehr Sicherheit für die Berlinerinnen und Berliner, denn wenn die Wirtschaft wächst, ist das Gefühl, in dieser Stadt zu leben, ein anderes, als wenn man jeden Tag Angst haben muss, dass man am nächsten Tag seinen Job verliert. Zum anderen können bei einer prosperierenden Wirtschaft perspektivisch mehr Arbeitsplätze entstehen.

In der Begründung habe ich allerdings zwei Sachen vermisst, die für mich von entscheidender Bedeutung sind: Zum einen ist es die wirklich exzellente Wirtschaftspolitik der christlich-liberalen Bundesregierung, deren Konjunkturprogramme.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Mario Czaja (CDU)]

Das hätten Sie ruhig erwähnen können. Die Konjunkturprogramme haben dazu beigetragen, dass die Bauwirtschaft hier in Berlin nicht so in die Knie gegangen ist, wie es befürchtet wurde. Das ist ein Verdienst, an dem mehrere mitgearbeitet haben.

Das Zweite – selbst Senator Wolf hat darauf hingewiesen –: Die von uns immer zu Recht beklagte geringe Exportorientierung der Berliner Wirtschaft hat ausgerechnet in der Krise dazu beigetragen, dass diese Wirtschaft durch die Binnennachfrage besser wegkam als die stark exportlastigen Wirtschaftsregionen in anderen Teilen Deutschlands. Aber das sind zwei Sachen, für die die Regierung hier in Berlin gar nichts kann.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Mario Czaja (CDU)]

Kollege Klemm! Auch wenn Sie bei der Einbringung heute Morgen darauf hingewiesen haben, Prognos sei für Sie eher eine Glaskugel, denke ich nichtsdestotrotz darüber nach, was es für uns bedeutet, wenn die uns sagen, dass wir bis 2030 durchschnittlich nur 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum haben. Das bedeutet doch, dass wir weiterhin die Hauptstadt von Armut und Arbeitslosigkeit bleiben werden, und das ist unakzeptabel. Wir haben die Zahlen gehört, und wir haben die erschreckende Zahl gehört: Nur in Berlin – und das kann niemand zufrieden sein lassen – sind die Arbeitslosenzahlen im Verhältnis zum Vorjahresmonat gestiegen. Das ist erschreckend und weist auf zwei Seiten hin, die wichtig sind. Zum einen verweist es auf die Wirtschaftspolitik, die gemacht wird, und zum anderen auch – dazu werden wir im Laufe des Tages noch kommen – auf die Arbeitsmarktpolitik.

Was in Berlin vor allem immer wieder auffällig ist – und da nehme ich die Politik gar nicht aus –: Es fehlt der Respekt und die Anerkennung für unternehmerische Leistungen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Vor vielen Jahren war es der Regierende Bürgermeister, der mit der Forderung angetreten ist: Wir brauchen einen Mentalitätswechsel – nicht nur im Senat, sondern auch darüber hinaus in der Verwaltung und in der Bevölkerung! – Von diesem Mentalitätswechsel kann ich aber bis heute nichts spüren. Wir brauchen auch ein vereinheitlichtes Handeln. Warum haben Sie sich so schwer damit getan, nur mal darüber nachzudenken, einen einheitlichen Handwerker-Parkausweis, den wir seit Jahren fordern, auf den Weg zu bringen? – Jetzt gibt es vernünftige Stimmen auch in der Koalition, die sagen: So dumm ist die Idee ja gar nicht, aber wir müssen sie noch umlabeln, damit die Koalition nachher diejenige ist, die das vonstatten bringt, und nicht eine Oppositionsfraktion. – Das nenne ich Verweigerung.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Ich kann es Ihnen auch nicht ersparen, Ihnen die Belastungen durch Abgaben, durch Verordnungen und durch Gesetze, die in den letzten fünf Jahren entstanden sind und für die dieser Senat und diese Mehrheiten im Abgeordnetenhaus die Verantwortung tragen, zusammenzustellen, damit Sie wissen, worüber wir reden.

Als Erstes wurden die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer erhöht. Das war gleich zu Beginn der Legislatur. Danach haben wir eine lange und unsägliche Diskussion über Sinn und Unsinn der Umweltzone geführt. Das ist ökologischer Quatsch, aber gerade für das Handwerk durch die Kosten hochbelastend gewesen. Das Straßenreinigungsgesetz, das bis zu 300 Prozent höhere Straßenreinigungsgebühren bei den Anwohnern erzeugt, haben Sie durchgepeitscht.

In dem Zusammenhang erwähne ich auch immer wieder gerne das Straßenausbaubeitragsgesetz. Der Grund für dieses Gesetz ist längst hinfällig, und selbst Vertreter der Linken sagen mittlerweile: In der nächsten Legislaturperiode wird man sich dem sehr kritisch widmen müssen, um es, wenn überhaupt, anders und neu zu formulieren.

Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht, das Grundwasserentnahmeentgelt schrittweise abzuschaffen, um dadurch einen Beitrag zu leisten, die Wasserpreise in Berlin absenken zu können. Was haben Sie gemacht? – Sie haben es abgelehnt.

[Zuruf von Gernot Klemm (Linksfraktion)]

Die Wasserbetriebe zahlen es auch, und das könnte man umlegen. – Statt die Gewerbesteuerhebesätze auf einem Durchschnittsniveau anderer Wirtschaftsregionen anzupassen, kommt dieser Finanzsenator tatsächlich auf die aberwitzige Idee, den Personenkreis derjenigen zu erweitern, die Gewerbesteuer zahlen sollen – also Freiberufler und andere Kreise. Das ist absolut verrückt.

[Beifall bei der FDP – Frank Jahnke (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Sie haben hier unter dem Mantel des guten Menschen faktisch ein Berufsverbot für Spielhallenbetreiber beschlossen.

[Oh! von der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Das wird in der nächsten Zeit auch zum Tragen kommen.

Herr Thiel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahnke?

Ja, bitte!

Herr Jahnke, Sie haben das Wort!

Sie waren jetzt schon bei den Spielhallen, ich möchte aber gern noch mal kurz auf die Gewerbesteuer zurückkommen. Sie sprachen von der Orientierung am Durchschnitt der Gewerbesteuerhebesätze. Meinen Sie wirklich, dass man jetzt die Uckermark und ähnliche Gewerbesteuergebiete mit einbezieht und dass sich Berlin dann an diesem Durchschnitt orientieren soll?

Nein, Herr Kollege! – Vielen Dank für den Hinweis! Das hätte ich sicherlich erklären müssen. Ich dachte, dass Sie sich das selber erklären können. Aber ich erkläre es Ihnen gerne.

[Heiterkeit]

Ich meinte, andere Wirtschaftsregionen Deutschlands haben andere Hebesätze, und an denen sollte man sich orientieren. Nicht an Potsdam – –