Protocol of the Session on June 9, 2011

Berlins Wirtschaft boomt dank kluger Investitionsentscheidungen von Unternehmen, dank Anstrengungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es gab nicht immer leichte Umfelder in dieser Stadt, aber es gab klare Bekenntnisse von Unternehmen zu diesem Standort. Es gab gemeinsame Kraftanstrengungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, von Arbeitgebervertretern und Gewerkschaften, und deswegen richte ich auch ein Wort des Dankes genau an die: an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, an die Arbeitgebervertreter und die Gewerkschaften, an die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Da ist das Lob richtig und nicht das rot-rote Eigenlob hier im Hause.

[Beifall bei der CDU]

Ich möchte zum Thema faire Bedingungen auch deutlich sagen, dass die CDU auch findet, dass jeder, der arbeitet, davon auch leben können muss. Das ist für uns aber keine politische Kampfansage, sondern eine Grundüberzeugung.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Dann setzen Sie sich doch dafür ein auf Bundesebene!]

Zu dieser Grundüberzeugung gehört dann auch, dass wir eine völlig willkürlich und im Vergabegesetz als letztlich Alleinstellungsmerkmal vorgeschriebene, durch den Senat völlig willkürlich heraufsetzbare Mindestlohnregelung weiterhin für falsch halten.

[Beifall bei der CDU]

Berlins Wirtschaft boomt, weil wir nach der härtesten Wirtschafts- und Finanzkrise seit den Dreißigerjahren unter der Führung der Bundesregierung auch die richtigen Entscheidungen getroffen haben.

[Beifall bei der CDU]

Ich erinnere an die Konjunkturprogramme, die die industrielle Produktion und Dienstleistung aufrechterhalten haben. Ich erinnere an die Kurzarbeit, die massenhafte Entlastungen verhindert hat.

Der Berliner Senat hat bei diesen entscheidenden bundespolitischen Weichenstellungen versagt. Ich erinnere hier an die peinliche Enthaltung Berlins beim Konjunkturpaket II. Wegducken und nein sagen auf der einen Seite, Vernunft und Weitsicht anderer dann aber ausnutzen und als Land Berlin abkassieren – das ist die Wirtschaftspolitik von Klaus Wowereit im Bund, und das ist grandios gescheitert!

[Beifall bei der CDU]

Herr Klemm! Sie haben eben davon gesprochen, dass Sie nur wenig Argumente für die Wirtschaftspolitik hätten. Sie meinten vielleicht wenig Zeit, sagten aber selbstentlarvend „wenig Argumente“. Das kann ich nachvollziehen.

Entschuldigung, Herr Melzer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahnke?

Nein, das gestatte ich nicht! – Denn auch ich habe einige Zahlen mitgebracht,

[Ah! von der Linksfraktion]

und es lohnt sich, diese Herrn Klemm entgegenzusetzen.

Der Vergleich Berlins mit anderen Bundesländern fällt nämlich ernüchternd aus. Berlins Wirtschaft ist seit 2005 zwar gewachsen, aber nie signifikant über dem Bundesdurchschnitt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Gewachsen ist sie aber!]

Herr Wolf! Sie haben das Wachstumsziel von 3 Prozent ausgegeben. Um uns herum, im Bundesdurchschnitt, ist das Wachstum bei 3,6 Prozent prognostiziert. Auch hier sind wir wieder unterdurchschnittlich.

In Deutschland sinkt die Arbeitslosigkeit. Endlich gibt es im Bund weniger als 3 Millionen Arbeitslose. Zu Zeiten rot-grüner Bundesregierungen waren das übrigens noch 5 Millionen, man erinnere sich. Nur in Berlin kommt dieser Rückgang nicht an. Da wächst die Arbeitslosigkeit im Vergleich z. B. zum Mai 2010 gegen diesen Trend. Die Arbeitslosenquote beträgt 13,6 Prozent. Sie ist niederschmetternd. Berlin ist unter Wowereit wieder Schlusslicht was die Arbeitslosenquote im Bundes

durchschnitt und im Bundesvergleich anbetrifft. Die Quote ist fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Sie ist im Vergleich deutlich höher als bei allen ostdeutschen Bundesländern. Die Arbeitslosigkeit bei Unterfünfzigjährigen ist um 10 Prozent gestiegen. Diese simple Erkenntnis zeigt, wie absolut fehl am Platz Selbstlob und Selbstbeweihräucherung der Koalition hier sind. Das ist politische Hochstapelei und geht an den Realitäten dieser Stadt vorbei.

[Beifall bei der CDU]

Die wirtschaftliche Aktivierung Berlins ist inzwischen so offensichtlich notwendig, dass sich – wie eben auch gehört – die Rhetorik der Koalition und des Senats verändert – leider sein Handeln nicht. Klaus Wowereit hat über Jahre vom postindustriellen Zeitalter geschwafelt und hat von der fortschreitenden Deindustrialisierung Berlins gesprochen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das haben Sie doch in den Neunzigerjahren produziert!]

Heute gibt es zwar einen Masterplan Industriepolitik, den wir gefordert haben, Ihr Fehler ist und bleibt aber, dass Sie viel Papier beschriften, aber letztlich Personal und Gelder zur Umsetzung dieser Ideen nicht bereitstellen. Deswegen ist dieser Masterplan Industriepolitik zwar gut beschriebenes Papier, bleibt aber ein geschmackloser Cocktail aus Show und Alibi.

[Beifall bei der CDU]

Wir bekennen uns selbstbewusst zu verarbeitender Industrie – nicht zuletzt bei unserem Zukunftspark Solar und Zukunftspark TXXL ist dies deutlich geworden. Wir brauchen ein Zusammenspiel von Produktion, Produktivität, Forschung und Wissenschaft. Hier haben wir als Land Berlin grandiose Rahmenbedingungen. Wir müssten diese nur heben. Wir fordern den Senat auf, hier nicht weiter kostbare Zeit zu vertrödeln.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Was haben Sie denn in den Neunzigerjahren gemacht?]

In Tegel und in Tempelhof gehören die Zukunftskonzepte endlich umgesetzt.

[Beifall bei der CDU]

Berlin soll Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion werden. Wir stehen für eine bessere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft. Das schafft Perspektiven und Arbeitsplätze. Deswegen unterstützen wir auch die Beuth-Hochschule bei ihrem Wunsch, nach Tegel umzuziehen. Wir erwarten vom amtierenden Senat hierzu auch ein klares Bekenntnis statt hinhalten und abwarten.

[Beifall bei der CDU]

Berlin und die Berliner Wirtschaft brauchen Infrastruktur. Statt Erhalt und Ausbau steht aber Schließung und Ablehnung im Vordergrund. Ich erinnere an die 350 Millionen Euro Investitionen am Flughafen Tegel mit bis zu 1 000 neuen Arbeitsplätzen. Hier warten wir immer noch seitens der Landesregierung auf ein vernünftiges Gesamtkonzept

zur Nachnutzung des Flughafens. Bei der A 100, bei der tangentialen Verbindung Ost, bei vielen weiteren Punkten gibt es eine gähnende Lehre, gibt es eine Entscheidungslustlosigkeit oder -unfähigkeit dieses Senats. Was die Bestandspflege von Berliner Unternehmen anbetrifft, ist festzustellen, dass sie bei Rot-Rot ganz grundsätzlich nur wenige Monate vor einer Wahl großgeschrieben wird.

Einen letzten Punkt möchte ich ansprechen, die Gesundheitswirtschaft: Hier fragt man sich, wann und wie in Berlin die Charité saniert wird. Mit der bundesweit niedrigsten Investitionsquote aller Krankenhäuser wird man eben nicht führend, sondern Schlusslicht.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): 329 Millionen Euro investiert der Senat!]

Das hoch gelobte Gesundheitscluster ist blockiert. Auch hier ist eine klare Linie des Senats nicht in Sicht.

[Beifall bei der CDU]

Ich verweise auf ein Interview von IHK-Präsident Schweitzer und Handwerkskammerpräsident Schwarz. Stefan Schwarz sagt:

Aus vielem kann man mehr machen. Nehmen Sie die Hauptstadtfunktion oder die hervorragende Forschungs- und Wissenschaftslandschaft. Wir haben eine gute Ausgangsbasis in Zukunftsbranchen. Aber wenn man genau hinschaut, ist es nicht so viel, wie es sein könnte

Und Eric Schweitzer, IHK-Präsident, sagt:

Dafür brauchen wir die richtigen Instrumente. Wir legen sie immer wieder auf den Tisch – doch der Senat nimmt sie zu selten auf.

Die großen Fragen und Problemstellungen unserer Zeit können wir aber nur lösen und ihnen begegnen, indem wir die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Dafür bietet Berlin jede Chance. Man muss sie nur ergreifen. Man muss sie identifizieren, ergreifen und umsetzen. Das zu gestalten ist dann aber höchstwahrscheinlich Aufgabe der nächsten Landesregierung, denn Rot-Rot hat auch in dieser Beziehung leider abgewirtschaftet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Melzer! – Für die SPD- Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Grosse das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Melzer! Der Regierende Bürgermeister schwafelt nicht, der Regierende Bürgermeister handelt in dieser Stadt!

[Beifall bei der SPD – Gelächter bei der CDU]

Und Ihr Beitrag war ein nichtwissendes Geschwafel, ein Herunterreden des Wirtschaftsaufschwungs. Das hat die Stadt nicht verdient.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der Wirtschaft geht es gut. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt, und die Bestellungen nehmen sogar weiter zu. So kann man es fast täglich den Medien entnehmen, auch in Berlin. Man könnte meinen, alles sei prima, die Wirtschafts- und Finanzkrise sei überwunden. Diesen Eindruck versucht nämlich gerade die schwarz-gelbe Bundesregierung mit dem Jahreswirtschaftsbericht 2011 zu erwecken. Wie sieht aber die Realität aus? – Der Aufschwung kommt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern gar nicht an. Vor allen Dingen bei den unteren und mittleren Einkommen haben die Menschen nichts von der boomenden Wirtschaft. Zeit- und Leiharbeit, prekäre Beschäftigungen, Mini- und Midijobs sind die Realität und haben inzwischen eine Dimension angenommen, die so nicht länger hinnehmbar ist. Deswegen sind wir froh, dass die Klage gegen die christlichen Gewerkschaften gewonnen wurde – der Kollege Klemm hat schon darauf hingewiesen – und hier endlich einmal Einhalt geboten wurde.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Michael Müller (SPD)]