Protocol of the Session on June 9, 2011

Eine nachhaltige Konsolidierung des Landeshaushalts mit dem Ziel des Schuldenabbaus ist ins

besondere angesichts der sinkenden Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisung, aber auch unter Berücksichtigung einer prognostizierten ungünstigen Wirtschaftsentwicklung infolge der Finanzkrise auf mittlere Sicht kaum realisierbar.

Zu Deutsch: nicht machbar. Und nun, zwei Jahre später, Unkritisches: Wir wollen die Schuldenbremse haben, sie wird aufgewertet. Und der Schuldenabbau kommt plötzlich auch wieder im Bericht vor. Dabei hieß es doch gerade noch: auf mittlere Sicht kaum realisierbar.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Zwei Jahre mittlere Sicht, okay. Und das nun mit 58 Millionen Konsolidierungshilfen mehr – das soll jetzt den Unterschied machen? Daran glauben wir nicht so richtig. Und wenn dann sogar die Ausnahmetatbestände der grundgesetzlichen Regelung plötzlich als Instrument der Aushöhlung der Schuldenbremse mystifiziert werden, dann haben wir so unsere Probleme. Dabei muss man doch eigentlich klar sagen: Das Schwellenwertsystem, das der Stabilitätsrat geschaffen hat, ist ein System der kommunizierenden Röhren, und es verschleiert schlichtweg die Offenlegung von gesamtgesellschaftlichen Schieflagen. Das widerspricht dem Sozialstaatsprinzip.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Und nicht nur über die Sanierungskonzepte muss man dann reden, sondern auch fragen, wo denn die im Grundgesetz und im Stabilitätsgesetz erwähnten Sanierungshilfen bleiben. Bisher sprechen wir immer nur über Konsolidierungshilfen. Hier hätte ich mir eine differenziertere und volkswirtschaftlich nachhaltige Sichtweise gewünscht.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Einen Punkt hat mein SPD-Kollege schon angesprochen, die Kosten der Unterkunft. Das ist nun im Rechnungshofbericht auch ein allgemein bekanntes Thema, das hatten wir schon häufiger. Hier weist der Rechnungshof auf die Angemessenheitsprüfung im Land Berlin hin und darauf, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung dem entgegenstünde. Das wurde aber meines Erachtens mit der letzten SGB-Reform geändert und im Berliner Sinn dann auch verbessert. Richtig ist, dass die AV Wohnen viele Jahre lang ein gutes und sozialverträgliches Regelungswerk war, und richtig ist auch, dass sie mittlerweile nicht mehr rechtssicher ist. Aber genau deshalb setzt sich meine Fraktion seit mehr als zwei Jahren für die Überarbeitung ein. Das scheiterte bisher am Koalitionspartner.

[Michael Schäfer (Grüne): Hört, hört! – Andreas Gram (CDU): Schwerer Zwist!]

Jetzt gibt es eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene, die sich sicherlich auch mit den Kritiken des Rechnungshofs beschäftigen wird. Eines ist aber klar: Die in Berlin geltenden Sonder- und Härtefallregelungen haben sich bewährt, und wir werden sie erhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Weitere spannende Punkte im Rechnungshofbericht kann ich jetzt nur in Stichpunkten erwähnen. Spannend wird

sicher die Debatte über den Nutzen und den Umgang mit Derivaten. Das ist ein neues Thema, und das werden wir wahrscheinlich sehr ausführlich besprechen. Spannend sind auch die Monita bei SenStadt, weil sie ein bisschen unseren Eindruck aus dem Hauptausschuss bestätigen, dass es Verwaltungen gibt, in denen das Wort Intransparenz, vergessene Parlamentsbefassungen und fehlende Steuerung, doch ein bisschen häufiger vorkommt als in vielen anderen.

Fragen wirft auch das Vergütungssystem bei der BIM auf. Und dann gibt es im Rechnungshofbericht noch ganz alte Bekannte, die wir immer wieder im Haushaltskontrollausschuss haben: Charité, Stiftung Oper, BIH. Zusammenfassend muss man sagen: Der Bericht beinhaltet viele aufklärungsbedürftige Punkte. Vieles wird sich sicher wieder im Dialogverfahren, hoffentlich bereits vor der Ausschussbefassung, klären. Andere Punkte werden wir bearbeiten müssen. Ich danke dem Rechnungshof noch einmal ausdrücklich für die mittlerweile deutlich zukunftsgerichtete Herangehensweise, mit der wir gemeinsam vom Land Berlin finanzielle Nachteile abwenden können, anstelle der früher vorherrschenden Befassung mit lange abgeschlossenen Prozessen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Kollegin Weiß! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Thiel.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin Claßen-Beblo! Auch von meiner Fraktion ganz herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Team für die tolle Arbeit! Wir freuen uns auf den nächsten Bericht.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Ich dachte, wenn man sich bedankt, dass das vielleicht die Kolleginnen und Kollegen noch anderer Fraktionen auch so sehen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Das ist freundlich. Sehr schön! Aber vielleicht machen wir es nächstes Mal so, dass sich der erste Redner, die erste Rednerin stellvertretend für alle Fraktionen bedankt. Dann hätten wir einen fraktionsübergreifenden Dank.

Etwas zum Inhalt: Wir haben ja in den vergangenen Jahren gerade durch die Berichte unzureichendes Verwaltungshandeln dargestellt bekommen, wie z. B. die Nachweisprüfungen, die nicht erfolgt sind und jetzt nachgeholt werden müssen. Für mich war schon sehr nachdenklich stimmend, dass wir jetzt im Bericht nachgewiesen bekommen, dass allein Einnahmeausfälle und nicht erschlossene Einsparpotenziale 95 Millionen Euro ausmachen und dass der Schuldenzuwachs zwischen 2011 und

2014 um 8,2 Milliarden Euro auf 67 Milliarden Euro Ende 2015 zunimmt. Herr Senator Nußbaum! Von Ihnen habe ich noch keine Antwort gehört, weder hier noch sonst wo, auch nicht im Hauptausschuss, wie Sie damit umzugehen gedenken, außer dass Sie vielleicht gedenken, dann nicht mehr im Amt zu sein. Das kann ja sein. Aber ich meine, es müsste einem in Ihrer Verantwortung doch wirklich schlaflose Nächte machen zu sehen, dass sich die Zinsausgaben bis 2015 um 2,7 Milliarden Euro erhöhen werden. Entweder ignoriere ich das Ganze, oder ich stelle mich der Verantwortung, denn 2020 laufen die Solidarpaktmittel aus, 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, und gleichzeitig, Kollege Thärichen, da bin ich auf die Diskussion sehr gespannt, gilt dann, wir dürfen keine neuen Kredite aufnehmen. Ich bin mal gespannt, wie das am Ende des Tages dann bewertet wird, auch richterlich bewertet wird, ob das zu sehr ins Landesrecht eingreift oder nicht. Da steht noch die Klage von Schleswig-Holstein aus, die ja wohl demnächst entschieden werden muss.

Was ich wesentlich finde, sind Ihre drei Empfehlungen, die Sie uns gegeben haben, einmal zu sagen, eine Schuldenregel sollte ins Landesrecht aufgenommen werden. Die Mehrheit des Hauses hat gerade vor 14 Tagen unseren Antrag, das zu machen, abgelehnt, weil sie aus der Koalition heraus sagten, wir sind so gut, wir brauchen keine Schuldenregel.

Genauso sagen Sie, wir wollen keine Wiederverstaatlichung haben, Sie nennen das Rekommunalisierung, weil nicht absehbar ist, was für Folgekosten wir infolge dann nachher für Unterhalt, Investitionen usw. zu tragen haben. Hier scheint es mittlerweile zum guten Ton zu gehören, warum auch immer, feuchte Augen zu bekommen und davon zu träumen, wieder mehr Staatsbesitz zu haben. Wie er finanziert werden soll, das werden wir wahrscheinlich von dieser Koalition nicht mehr erfahren. Ich glaube, die nächste wird es dann auch von der Tagesordnung streichen.

Ganz wesentlich ist für uns auch der dritte Punkt, wo Sie sagen, eine mangelhafte Vollstreckung von öffentlichrechtlichen Forderungen. Wir haben einen Forderungsausfall von 270 Millionen Euro, offene Forderungen. Auch hier verwehrt man die Überlegung, ein zentrales Forderungsmanagement einzustellen.

Von Ihren Empfehlungen oder Warnungen, die Sie uns geben, will ich nur drei herausgreifen, weil sie mir längst schon Realität geworden zu sein scheinen. Einmal sagen Sie, Verlagerungen auf Sondervermögen oder eigene Gesellschaften sollten verhindert werden. Dieses Haus hat vor nicht langer Zeit eine Novelle für die Investitionsbank Berlin beschlossen, nach der es möglich ist, dass die Investitionsbank Berlin direkt Landesunternehmen Kreditierungen gewährt, ohne konsortial tätig zu sein. Das öffnet die Tür für Schattenhaushalte.

[Beifall bei der FDP]

Ja, es wird ignoriert, weil man das nicht so möchte und weil man es nicht öffentlich haben möchte.

Ein anderer Punkt: Sie sprechen sich dafür aus, Sonderfinanzierungen oder unwirtschaftliche Vermögensveräußerungen haben zu unterbleiben. In den vergangenen Monaten haben wir im nichtöffentlich tagenden Vermögensausschuss immer wieder korrigierte Verkäufe zur Begutachtung und zur Verabschiedung vorgelegt bekommen, die deutlich unter den ursprünglichen Kaufvertragswerten abgeschlossen werden sollten und dann mit Mehrheit auch abgeschlossen wurden. Ich sehe hier genau schon eine Erfüllung dessen, wovor Sie hier warnen.

Der dritte Punkt – meine Vorrednerin hatte das schon mal erwähnt –: Die Überschreitung von veranschlagten Kreditaufnahmen im Vollzug, auch das ist mittlerweile gang und gäbe. Neben der Feuerwehr haben wir auch andere Bereiche, wo das entsprechend durchgeführt wird.

Alles in allem: Ihr Bericht ermuntert und ermutigt uns, weiter zu gehen, aber vor allen Dingen, den Herrn Finanzsenator doch noch mal einzuladen, endlich wieder zu handeln. Herr Senator Nußbaum! Ich habe so langsam den Eindruck von Ihnen, auch von Ihrer Präsenz hier und in den Ausschüssen, dass Sie so die Rolle eines Oberbuchhalters eingenommen haben. Ich lade Sie herzlich ein, werden Sie wieder als Finanzsenator aktiv.

[Zuruf von Senator Dr. Ulrich Nußbaum]

Ja, dafür werden Sie nicht bezahlt! – Sie haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen und gegenüber dieser Stadt, und kommen Sie dieser Verantwortung nach, legen Sie uns ein Konsolidierungsmaßnahmenprogramm vor! Das ist Ihr Job und nicht hier flotte Sprüche klopfen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Matthias Brauner (CDU)]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Frau Präsidentin ClaßenBeblo! Auch ich bedanke mich im Namen des Abgeordnetenhauses bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit und den vorgelegten Jahresbericht.

[Allgemeiner Beifall]

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Drucksache 16/4164 an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 13:

Beschlussempfehlung

E-tropolis – Berlin als Modellstadt für Elektromobilität verwirklichen

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/4122 Antrag der CDU Drs 16/3313

Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag Drucksache 16/3313 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen CDU – die Ablehnung. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenprobe! – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Grünen. Damit ist der Antrag abgelehnt, denn ich sehe auch keine Enthaltungen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 14:

a) Beschlussempfehlung

Praktische Schritte zur besseren sonderpädagogischen Förderung gehen: Förderzentren zu sonderpädagogischen Kompetenzzentren entwickeln

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/4154 Antrag der CDU Drs 16/3061