Protocol of the Session on May 26, 2011

Das alles wären Maßnahmen, die Sie statt Ihres Sicherheitspopulismus umsetzen könnten und müssten. Daneben ist absolut unverständlich, dass Sie es nach wie vor nicht schaffen, die Stellen im Polizeivollzug zu besetzen, die Sie selbst als notwendig definiert haben, nämlich 16 160 Beamtinnen und Beamte im Polizeivollzug. Und da müsste man sagen: Das wäre eigentlich nicht die letzte Maßnahme, die man bräuchte, sondern die erste Maßnahme, die Sie hätten umsetzen müssen in den letzten Monaten und Jahren.

[Beifall bei der FDP]

Was bleibt nach alledem von Ihrer Sicherheitspolitik in dieser Legislaturperiode? – Eine offensichtlich falsche Schwerpunktsetzung, eine dauerhafte und immer noch andauernde Unterausstattung der Polizei; und jetzt am Ende vollziehen Sie auch noch wider besseres Wissen den Weg in Richtung Sicherheitspopulismus. Es ist Zeit, dass Ihr Herumlavieren ein Ende hat. Und im September ist es so weit. Dann werden die Berlinerinnen und Berliner entscheiden können, ob ihnen der Populismus wichtiger ist oder die Konzepte. Und die Konzepte haben wir, die FDP. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Jotzo! – Das Wort für den Senat hat Innensenator Dr. Körting.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte damit beginnen, dass ich auf ein paar Fakten hinweise, weil ich glaube, dass man eine sinnvolle Debatte auch über Sicherheitspolitik nicht aus dem Bauch, sondern auf der Grundlage von Fakten führen sollte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Und ich möchte damit beginnen, darauf hinzuweisen, dass die Frage der Notwendigkeit, Ausgaben und Einnahmen dieses Landes irgendwo in Übereinstimmung zu bringen, schon vor dem Regierungswechsel 2001 vorhanden war. Wenn Sie sich die Zahlen der Vollzugskräfte ansehen und die Entwicklung in den Jahren 1992 bis 2001, dann werden Sie feststellen, dass von 19 524 im Jahr 1992 bis zu 17 988 im Jahr 2001 auch meine Amtsvorgänger, die alle ein schwarzes Parteibuch in der Tasche hatten, notwendigerweise dazu übergegangen sind, Polizeivollzugskräfte

einzusparen, um zu sehen, wie man gleiche Effekte, nämlich positive, effektive Arbeit, mit weniger Mitarbeitern leisten kann. Und nichts anderes habe ich gemacht, und nichts anderes hat dieser Senat gemacht. Er hat sich orientiert an der einzig vergleichbaren Stadt der Bundesrepublik Deutschland, an Hamburg, und hat ein Vollzugskonzept aufgestellt, das Hamburg doppelt nach Berlin verlagert, was die Polizeivollzugskräfte betrifft, und einen Zuschlag Berlin-Hauptstadt addiert. Nun kann man immer darüber streiten, ob das 16 160 oder 15 900 oder 16 700 sein müssen. Das ist alles okay. Aber hier so zu tun, als ob der Senat die Polizei kapputtspart, das ist Wahlkampf. Den machen Sie seit Jahren – ich weiß es –, aber es hat mit einer nüchternen Bestandsaufnahme nichts zu tun.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Gleiche gilt für die Frage der unbesetzten Stellen. Da wird von Ihnen immer die Zahl 300 bis 400 genannt, aber das ist nicht korrekt. Wir haben zurzeit mehr Polizeivollzugskräfte als Stellen, aber wir haben eine Vielzahl von Polizeivollzugskräften, die teilzeitbeschäftigt sind oder im Erziehungsurlaub sind oder für die etwas Ähnliches gilt. Wir sind dazu übergegangen, in Vollzeitäquivalenten zu rechnen. Das heißt, wir rechnen insgesamt, wie viel Stellen-Stunden besetzt sind. Das bedeutet: Zurzeit haben wir rund 180 Stellen Luft, d. h. 180 Stellen bei der Polizei können zusätzlich besetzt werden, wenn ich eine Durchschnittsrate von Teilzeitbeschäftigten, Erziehungsurlaub und Ähnliches herausrechne.

Wir haben das vor drei oder vor zwei Jahren dahin gehend entschieden, dass wir diese Stellenspitze – es ist ein Prozent unserer Stellen – ausnutzen wollen, und haben dementsprechend auch mit der Ausbildung dazu begonnen – mit der Konsequenz, dass im Jahr 2012 – das ist ja nicht mehr so lange hin – die unbesetzten Stellen auf 87 reduziert sind und im Jahr 2013 auf 4.

[Peter Trapp (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Senator! Kollege Trapp von der CDU-Fraktion würde Ihnen gern eine Frage stellen, wenn Sie einverstanden sind.

Aber selbstverständlich!

Bitte schön, Herr Kollege Trapp!

Schönen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Sie berufen sich auf den Benchmark-Bericht für Berlin und Hamburg, aber dort gibt es außerdem noch einen Vergleich

zwischen Berlin und Hamburg in Bezug auf den Verwaltungsbereich. Dort ist Hamburg wesentlich besser ausgestattet als Berlin. Wieso stellen Sie dann im Verwaltungsbereich der Berliner Polizei nicht zusätzlich ein, sondern sparen dort auch noch einmal 20 Prozent Verwaltungsmitarbeiter?

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Kollege Trapp! Der Benchmark-Bericht zu Berlin und Hamburg ist, was den Verwaltungsbereich betrifft, so, wie Sie es dargestellt haben. Er ist aber in großem Umfang auch wieder teilweise infrage zu stellen, weil die Hamburger eine völlig andere Struktur haben als die Berliner. Das betrifft das Facility-Management, das betrifft das Landespersonalverwaltungsamt, das wir damals hatten, das betrifft die Frage der Beihilfe und auch die Frage, wie bestimmte Aufgaben erfüllt werden.

Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel nennen! DNAAnalysen: Das kann ich mit eigenem Personal machen, ich kann es machen, indem ich die DNA-Analysen an große Unternehmen oder z. B. an die Charité gebe, oder ich kann es in einem Mischsystem machen, wie wir es in Berlin machen. Entscheidend ist, dass die erforderlichen Aufgaben erfüllt werden, nicht die Quantität des Personals. Dieses Tonnage-Denken, das man gerade bei Ihnen antrifft, Herr Trapp, ist doch eigentlich seit 1990 überholt. Wir müssen doch darüber nachdenken, wie man die erforderlichen Aufgaben erfüllen kann. Wenn ich das mit Fremdvergabe machen kann, ist mir das genauso viel wert wie eine Erledigung mit eigenem Personal. Ich brauche ein bestimmtes eigenes Personal, um bestimmte Spitzen immer abfangen zu können, aber ich kann auch viele Sachen von außen erledigen lassen.

Herr Präsident! Dann darf ich wieder zu meinem Vortrag zurückkommen.

Sehr gerne, Herr Senator!

Ich war bei den 180 Stellen, die derzeit unbesetzt sind. Diese Zahl wollen wir auf 4 reduzieren. Ich bin immer noch bei den Fakten.

Eine Frage habe ich nicht verstanden. Herr Kollege Juhnke! Vielleicht können wir uns nachher darüber unterhalten, was Sie mir mit dieser einen Stunden je Einsatz vorgerechnet haben. Das habe ich einfach nicht verstanden. Ich weiß nicht, auf welche Zwischengröße Sie das beziehen. Wenn ich 60 Polizeibeamte in der BVG im Einsatz

habe und wenn die dort acht Stunden unterwegs sind, dann sind das – 60 mal 8 – 480 Stunden je Einsatz und nicht eine. Es sei denn, Sie beziehen es jetzt auf die Kilometer an U-Bahnstrecke oder irgendetwas anderes

[Zuruf von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Ich habe Ihre Bezugsgröße nicht verstanden. Ich habe vorhin im Einzelnen dargelegt, dass wir in hohem Umfang durch den Einsatz der Nachtreserve der Berliner Polizei auf den U-Bahnhöfen zusätzlich Polizei in den U-Bahnen haben. Dazu gehört eben auch die Erkenntnis – und der darf sich doch keiner verschließen –, dass wir im letzten Jahr durch Schwerpunkteinsätze 106 000 Stunden im Bereich der U-Bahn verbracht haben. 106 000 Stunden! Kollege Jotzo war so freundlich, eine Presseerklärung des Jahres 2003 zu zitieren. Das waren 106 000 Stunden der Berliner Polizei in der U-Bahn, wo sie wirklich Polizeiarbeit geleistet hat, während beim früheren Einsatzkommando der Berliner Polizei mit insgesamt 60 Mitarbeitern – jetzt zähle ich immer mal ab, wer krank ist und weiß ich was –, das ist etwas völlig anderes. Jetzt habe ich 60 Mitarbeiter durchgehend plus Schwerpunkteinsätze.

[Benedikt Lux (Grüne): Warum denn jetzt erst?]

Die 60 Mitarbeiter, die ich im Einsatzkommando hatte, haben in erster Linie BVG-Mitarbeiter bei der Kontrolle von Fahrscheinen begleitet, und ein erheblicher Teil der Arbeit der Polizei ist dann dafür draufgegangen, Anzeigen wegen Leistungserschleichung oder etwas Ähnliches zu machen. Die Polizei hat sich 2003 entschieden, ein anderes Konzept zur Bekämpfung der Kriminalität zu fahren. Sie können als Opposition zu Recht sagen, dieses Konzept hat nicht getragen. Das sieht die Polizei ganz anders. Wenn Sie die zurückgehenden Zahlen bei Raub, Körperverletzung und Sexualdelikten im öffentlichen Personennahverkehr seit 2006 betrachten, dann hat das Konzept der Polizei durchaus – im Vergleich zum Einsatzkommando – besser getragen als vorher. Das heißt nicht, dass es nicht nach wie vor Kriminalität gibt und dass es nicht nach wie vor – nach meiner Einschätzung – auch zu viel Kriminalität gibt. Jede Straftat ist eine zu viel.

Vorletzte Anmerkung zu den Fakten – ich bin immer noch bei den Fakten –, und zwar zur Schließung von Abschnitten: Es geht nicht um die ersatzlose Schließung von Abschnitten, sondern es geht darum, dass die Polizei umstrukturiert worden ist, um effektiver arbeiten zu können. Das hängt nicht davon ab, wie viele Abschnitte oder wie viele Direktionen ich habe. Wir haben die Zahl der Direktionen von sieben auf sechs verringert. Wir haben ein Konzept entwickelt, wie die Abschnitte – auch wegen der Schwerpunkte der Kriminalität – auf die einzelnen Bezirke zu verteilen sind. Sie erwecken den Eindruck, dass mit der Zusammenlegung von Abschnitten die Einsatzmöglichkeit der Berliner Polizei reduziert wird. Das ist nicht so, wenn ich mir die entsprechenden Einsatzzahlen und die entsprechenden Schwerpunktsetzungen durch die Polizei ansehe.

Zum Polizeipräsidenten möchte ich mich hier bei den Fakten nicht äußern.

[Benedikt Lux (Grüne): Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht!]

Ich weise nur darauf hin, dass wir ein Ausschreibungsverfahren für diese Stelle gemacht haben. Das ist ein beamtenrechtliches Verfahren, und ich werde mich in diesem beamtenrechtlichen Verfahren an das halten, was das Beamtenrecht vorgibt. Da lasse ich mich jetzt nicht unter einen falschen Druck setzen. Es ist mir eine Klage angekündigt worden, oder es läuft schon ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren. So ist das im Rechtsstaat. Ich habe damit überhaupt keine Probleme, und ich werde abwarten, was das einstweilige Rechtsschutzverfahren dann ergeben wird.

Im Übrigen darf ich daran erinnern: Wer in das Jahr 2002 zurückblickt, der wird auch ein Déjà-vu-Erlebnis haben. Was hat man diesem Senat und mir persönlich damals nicht alles vorgeworfen, als ich den Polizeipräsidenten Dieter Glietsch nach Berlin geholt habe! Was hat man mir nicht alles vorgeworfen! Man hat das für unglaublich gehalten, für unqualifiziert und für was weiß ich noch alles. Meine Damen und Herren! Nachdem wir uns nun alle so lange kennen, würde ich schon ein bisschen darum bitten, Sie können mir eigentlich doch auch zutrauen, dass ich ein bisschen beurteilen kann, ob jemand und wie jemand für eine bestimmte Aufgabe qualifiziert ist, für die die Stadt dringend jemand braucht.

[Beifall bei der SPD – Andreas Gram (CDU): Andere können das auch, nicht nur Sie! Es gibt relativ viele begabte Leute!]

Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich mich etwas sputen muss. Aber das mache ich auch gerne. Der Aufruf des Kollegen Juhnke war: Tun Sie endlich etwas! – Ich will das ganz kurz abarbeiten. Ich glaube nicht, dass sich dieser Senat oder ich mir im Kampf gegen Rechtsextremismus und Neonazismus in dieser Stadt etwas vorwerfen lassen kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich erinnere daran, dass die Kameradschaften in Berlin, Tor, BASO und Frontbann 24 von mir verboten wurden. Ich will es dabei bewenden lassen. Ich will auch nicht verhehlen, dass auch einmal ein Einsatz schieflaufen kann. Das ist so. Dass auch Polizei von einer bestimmten Einsatzsituation überrascht werden kann, ist auch so. Ich werde mich hüten, dem Polizeiführer dafür einen Vorwurf zu machen.

[Benedikt Lux (Grüne): Der Staatssekretär hat doch einen Vorwurf gemacht!]

Entscheidend ist, wie ich künftig damit umgehe.

Zur zweiten Frage: Ich habe den Einsatz der Polizei, wenn Sie sich erinnern, in der „Abendschau“ kommentiert und dazu gesagt, dass es nicht gut gelaufen ist. Das ist nicht gut gelaufen – und fertig.

[Andreas Gram (CDU): Nicht – und fertig!]

Nächste Anmerkung zum Kampf gegen Links: Man kann diesem Senat nicht vorwerfen, dass er im Kampf gegen Linksextremismus irgendwo nicht ganz deutlich Flagge gezeigt hat. Ich sage ganz bewusst: gegen Linksextremismus, insbesondere gegen Gewalttäter von links. Ich erinnere mich, wie ich in bestimmten Gazetten beschimpft wurde, als ich in diesem Zusammenhang von rotlackierten Faschisten sprach, mit denen wir es teilweise zu tun haben. Ich halte die Gewalttäter, die sich dort bemerkbar gemacht haben, für Täter schwerer Straftaten, die meines Erachtens unser aller Verachtung verdienen und die mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zur Verantwortung gezogen werden müssen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Andreas Gram (CDU): Das ist unstreitig. Wir haben vor- ausgesagt, dass es so kommen wird!]

Das setzt allerdings etwas voraus – die Grünen werden jetzt sagen: Nun kommt ihr wieder damit –, dass unser Bekenntnis zur Gewaltfreiheit völlig unabhängig davon sein muss, wen Gewalt trifft.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Ich erinnere an ein Mitglied des Bundestages, das sich in Bezug auf die Volksbanken missverständlich geäußert hat.

[Andreas Gram (CDU): Unfassbar! – Lars Oberg (SPD): Der hat Mist erzählt!]

Nein! Ich will ihn nicht missverstehen. Er hat sinngemäß gesagt, wenn es gegen die Volksbank sei, sei es ein Schönheitsfehler. Es sei eine Genossenschaftsbank. Damit hat er andersherum zu erkennen gegeben, es sei nicht so schlimm, wenn es den Richtigen träfe.

Der Anschlag auf das Ostkreuz hat gezeigt, dass wir alle die Richtigen sind, die es trifft. Das muss man den Linksextremisten und Gewalttätern entgegenhalten.