Protocol of the Session on May 26, 2011

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Ich möchte noch auf einen Vorwurf des Kollegen Juhnke eingehen, der hier indirekt von dümmlichen Ausführungen sprach, wenn man der Bahn aus SPD-Kreisen Vorhaltungen macht. So ungefähr war seine Formulierung. Ich habe am Dienstagmorgen in einem Interview diese Tat sehr deutlich verurteilt und zum Ausdruck gebracht, dass ich mir wünsche, dass diese Täter gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Aber wenn ein Anschlag an einem Knotenpunkt von Kommunikationsleitungen, Kabeln u. Ä. solche Auswirkungen hat, muss man auch die Frage stellen, ob das Sicherheitskonzept richtig ist. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass die Verantwortung für diesen Bereich bei der Deutschen Bundesbahn und bei der Bundespolizei liegt. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

[Beifall bei der SPD]

Ich weise den Vorwurf, ich würde die Bahn damit vom Opfer zum Täter machen, energisch zurück. Aber ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn wir uns in unserer Gesellschaft, die von Kommunikation abhängig ist – auch die gesamte Wirtschaft –, sehr genau anschauen, wie solche Infrastruktureinrichtungen aufgebaut sind. Wir haben in der Fragestunde dazu einige Ausführungen des Innensenators gehört. Wenn ich mir das anschaue, was wir da beobachten konnten, dann muss man auch überlegen, ob Privatisierungen – oder, wie die FDP sagt: Das private Kapital löst jedes Problem. – das einzig Wahre sind. Wenn man die Kabelschächte der Bahn nutzt, um darin noch billig Telekommunikationsleitungen zu verlegen und das immer mehr bündelt, dann mag sich das wirtschaftlich rechnen, aber wenn irgendwo etwas passiert, ist so viel auf einmal ausgefallen, dass ich appelliere

zu überlegen, ob wir uns solche Infrastrukturknotenpunkte leisten können. Ich will nicht den Eindruck erwecken – das habe ich immer deutlich gesagt –, man könne alle Bahnanlagen in Deutschland überwachen. Das ist Illusion. das kann niemand finanzieren. Aber da, wo offensichtlich Knotenpunkte sind, muss man sich überlegen, ob es – wie jetzt am Ostkreuz – sinnvoll ist, auf nur zwei Kabelbrücken alles zu verlegen.

Die Bahn hatte schon drei Stunden später die Erklärung parat, alles sei in bester Ordnung. Allein die Geschwindigkeit dieser Aussage weckte bei mir Zweifel, ob wirklich alles in Ordnung ist. Ich erwarten von einem solchen Unternehmen, dass es ernsthaft prüft, ob alles richtig war. Wenn man sagt, da ist eine Baustelle, dann muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, dass diese Baustelle zehn Jahre dauert. Es ist nicht von einer provisorischen Leitungsverlegung von zwei, drei Wochen die Rede, sondern wir reden über zehn Jahre. Da muss man sich schon überlegen, ob man den Sicherheitsanforderungen entsprechen kann. Ich erwähnte es bereits am Anfang meiner Rede: Zehn Jahre rot-rote Sicherheitspolitik sind – nach meiner Wertung jedenfalls – eine Erfolgsgeschichte.

Ich möchte die Debatte nutzen, dem Polizeipräsidenten, der morgen aus seinem Amt verabschiedet wird, herzlich zu danken. Ich halte das für angemessen. Ihm gebührt Dank für die Leistungen. Er war ein Glücksfall für Berlin, und ich bin mir sicher, dass eine sorgfältige Auswahl beim Nachfolger dazu führen wird, dass wir auch künftig einen guten Polizeipräsidenten oder eine Polizeipräsidentin im Land Berlin haben werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Kleineidam! – Der Kollege Lux hat nun für die Fraktion der Grünen das Wort.

Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Nacht zum Montag ist ein Anschlag auf eine Kabelbrücke am Ostkreuz verübt worden. Dieser Anschlag hatte zur Folge, dass Zehntausende Berlinerinnen und Berliner nicht so leben, arbeiten und sich so in der Stadt bewegen konnten, wie sie es gewohnt sind. Sie kamen zu spät oder gar nicht zur Arbeit. Tausende konnten nicht telefonieren, nicht ins Internet gehen, und selbst in Krankenhäusern konnte nicht telefoniert und kommuniziert werden, weil dieser Anschlag solch fatale Folgen hatte. Deswegen ist für meine Fraktion klar, dass fast die gesamte Stadt Opfer und Geschädigte dieses Anschlags war, wir waren es alle. Deswegen ist er unumwunden zu verurteilen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Zu Recht prüft jetzt die Generalbundesanwaltschaft – wie sie es auch nach dem Anschlag auf den Polizeiabschnitt in

Friedrichshain getan hat –, ob hier nicht terroristische Zusammenhänge vorliegen, denn die Tätergruppen sind sehr konspirativ vorgegangen. Sie hatten möglicherweise sogar Insiderwissen. Diese Prüfung sollten wir aber auch in aller Nüchternheit abwarten, Herr Kollege Dr. Juhnke. Die Entscheidung obliegt nicht uns als Parlament, sondern einer unabhängigen Justiz. Dann werden wir sehen, wie dieser Anschlag genau zu qualifizieren ist.

Nach dem 1. Mai, der relativ friedlich war, haben nicht alle Entwarnung gegeben. Sie selbst und auch Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen saßen zusammen und haben gesagt: Der 1. Mai, die „revolutionäre“ Demo ist halbwegs friedlich gewesen, aber das ist kein Grund zur Entwarnung, denn die Tätergruppen werden konspirativer, kleiner, sie stehen sich nicht mehr Mann gegen Mann auf der Straße gegenüber – so hat es auch ein Staatsschützer ausgedrückt –, sondern sie planen feige Anschläge, die hohen Schaden verursachen können, dem Gemeinwohl empfindlich schaden. Das planen sie in sehr konspirativem Kreis. Das haben die Innenpolitiker dieses Hauses gesehen. Deswegen muss ein Signal ausgehen, dass wir in dieser Stunde, in der so feige Anschläge mit diesem Schaden verübt werden, als Parlament zusammenstehen, und zwar alle Fraktionen, dass wir diesen feigen Anschlag verurteilen und uns da nicht auseinanderdividieren lassen, denn diesen gefallen sollten wir den Tätern nicht tun. Wir müssen gegen diesen Anschlag zusammenstehen und ihn so hart wie erforderlich verurteilen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Björn Jotzo (FDP)]

Niemand in der Bevölkerung versteht, wenn wir uns hierzu gegenseitig Vorwürfe machen. Wer hätte da etwas besser machen können? Wer hat da noch den Hauch von Sympathie? – Hier im Parlament hat niemand für diese feigen Attentäter Sympathie. Alle versuchen vielmehr, diesen Schaden für das Allgemeinwohl abzuwenden. Das sollten wir gemeinsam tun.

Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, unsere empfindliche Infrastruktur zu schützen, sie sicherer zu machen. Dazu hat der Kollege Kleineidam etwas gesagt. Dieser Hinweis muss erlaubt sein. Damit wird niemand vom Opfer zum Täter gemacht, sondern es geht darum, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, unsere Bevölkerung, unsere freie Gesellschaft zu schützen. Jedes zulässige Mittel, das den Schutz dieser Infrastruktur zum Ziel hat, ist recht. Wir sind angreifbar. Wir waren zu angreifbar. Deswegen ist es richtig, die freie Gesellschaft zu schützen, indem wir eine Debatte darüber führen, wie wir – erstens – die Täter bekommen und – zweitens –, wie wir unsere empfindlichen Infrastrukturen schützen. Diese Fragen müssen erlaubt sein.

[Beifall bei den Grünen]

Deutlich davon zu trennen ist die Frage, wie wir mit Gewalt im öffentlichen Nahverkehr umgehen. Das sind ganz andere Täterkreise. Man darf das nicht vermischen. Das

ist eine andere Klientel, eine andere Bedrohungslage, die bei Passagieren Angst auslöst. Es kann nicht sein, dass sich jede zweite Frau in diesem Bundesland fürchtet, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr benutzt. Das ist aber eine völlig andere Debatte als die über vermeintlich Linksextreme. Wir haben lange über den Einsatz von mehr Polizei im öffentlichen Nahverkehr gesprochen. Ich erlaube mir an dieser Stelle, dem rot-roten Senat ein Versäumnis vorzuhalten: In den letzten zehn Jahren erschien es so, als behandele der rot-rote Senat den öffentlichen Nahverkehr wie einen privaten Raum. Öffentlicher Nahverkehr ist – das sagt bereits der Name – der Verkehr, den die Öffentlichkeit braucht. Wir als Grüne setzen große Hoffnung darauf, dass er unsere Mobilität künftig klimaschonender machen wird. Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiv, günstig und insbesondere sicher sein. Ich erinnere nur an zwei Beispiele, nämlich die schon erwähnte Abschaffung der Doppelstreifen und die Weigerung von Innensenator Körting, Rechtsgrundlagen für den öffentlichen Nahverkehr einzuführen, die eine Videoüberwachung zur Folge haben. Er hat immer gesagt, das betreffe das private Hausrecht. An dieser Haltung zeigt sich sehr deutlich, dass der öffentliche Nahverkehr von der BVG selbst geschützt werden muss, dass sich der Staat dort heraushält. Das aber kann nicht sein. Öffentlicher Nahverkehr ist öffentlicher Raum, und der muss vom Staat und der Gesellschaft geschützt werden. Was in letzter Zeit passiert, nämlich dort Einsatzreserven hinzuschicken, geschieht reichlich spät und in zu geringem Umfang. Das muss der amtierende Senat noch in dieser Legislaturperiode ändern. Es ist ganz klar: Die Berlinerinnen und Berliner haben es verdient, dass der öffentliche Nahverkehr sicherer wird.

[Beifall bei den Grünen]

Ich würde mich freuen, wenn wir in dieser Debatte weiterhin Lösungsvorschläge erarbeiten, wie wir erstens mit dem immer konspirativer werdenden vermeintlichem Linksextremismus umgehen. Lassen Sie mich persönlich hinzufügen: Ich als jemand, der seit Beginn seiner politischen Aktivitäten immer gegen Atomkraft gewesen ist, empfinde es als eine maßlose Unverschämtheit, wenn sich dort Personen rühmen, gegen Atomkraft zu sein oder auch andere politische Ziele zu verfolgen, indem sie Zehntausende von Berlinerinnen und Berlinern beeinträchtigen, indem sie einen feigen Anschlag verüben. Das kann nicht sein! Denen müssen wir jegliche politische Legitimität, wenn sie sie denn überhaupt noch haben, entziehen. Ich weigere mich, das als Politik anzuerkennen, was dort passiert ist. Das muss das ganze Haus gemeinschaftlich tun. Das werden die Berlinerinnen und Berliner auch tun. Niemand hat ein Interesse daran, dass, nur weil es bestimmte Missstände in der Bundesrepublik gibt, so ein empfindlicher Anschlag mit so weit reichenden Folgen verübt werden darf.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Andreas Gram (CDU) und Volker Thiel (FDP]

Insofern darf ich mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Bedanken Sie sich nicht, Herr Lux!]

und hoffen, dass Objektivität in die Debatte kommen wird und wir hier weiter nüchtern und sachlich auch über die Gefahren für die innere Sicherheit diskutieren können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Lux! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Seelig.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lux! Mit Ihrem Sicherheitsdiskurs bereiten Sie offensichtlich GrünSchwarz in dieser Stadt vor.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Lars Oberg (SPD): Mit seinem Anzug auch! Es sieht verdammt danach aus. Die CDU will mit Ihrer Aktuellen Stunde das einzige Thema ansprechen, mit dem sie meint, punkten zu kön- nen. Sie übersieht dabei, dass etwas getan wird. Ein Maß- nahmepaket ist auf den Weg gebracht, es wird mehr Per- sonal vonseiten der BVG und vonseiten der Polizei auf den Bahnsteigen sein. [Michael Dietmann (CDU): Ganz plötzlich!]

Das ist der richtige Weg, um subjektive Ängste bei den Fahrgästen abzubauen,

[Andreas Gram (CDU): Ganze Armada!]

subjektive Ängste, die sie möglicherweise auf leeren Bahnsteigen haben. Objektiv – Sie kennen die Zahlen –

[Zuruf von Monika Thamm (CDU)]

ist die Gewalt im öffentlichen Nahverkehr sogar zurückgegangen, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin, des Abgeordneten Behrendt?

Nein, jetzt nicht! – das belegen die Meldungen bei der Polizei, der BVG und den Versicherern, die letztlich für die Behandlungskosten zuständig sind. Doch woher kommt die Angst? – Sie kommt von Bildern. Versuchen Sie sich doch einmal jenseits jener Ideologie die brutalen Übergriffe der letzten Wochen vor Augen zu führen. Sie werden es können, denn die Bilder waren und sind überall, in allen Medien und vor allem im Netz verfügbar. Es sind nicht irgendwelche Szenen aus den Handlungsabläufen, sondern Sie sehen den brutalstmöglichen Höhepunkt.

Beispielsweise, wie der Täter auf dem Bahnhof Friedrichstraße sich vermeintlich von seinem Opfer abwendet, um dann umzudrehen und mit Anlauf auf den am Boden Liegenden zu springen.

[Andreas Gram (CDU): Ist ja nun auch mal so passiert!]

Auch von den anderen Überfällen kennen wir solche Bilder. Diese Bilder sind nicht im Netz und anderen Medien, weil der Täter identifiziert werden soll, Bürgerinnen und Bürger um Mithilfe gebeten werden, nein, sie sind einfach da, und sie werden hunderttausendfach angeklickt.

[Andreas Gram (CDU): Was soll das?]

Sie machen Angst.

[Christian Gaebler (SPD): Wegsehen hilft?]

Vielleicht regen sie auch den einen oder anderen zur Nachahmung an, denn in kurzer Zeit gibt es ähnlich aussehende Gewalttaten, wie wir verfolgen können.

[Andreas Gram (CDU): Sind Sie gegen Video?]

Das will ich Ihnen jedenfalls jenseits Ihrer üblichen reflexartigen Forderungen, wie zum Beispiel nach immer mehr Videoüberwachung, zum Nachdenken mit auf den Weg geben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mehr Personal auf den Bahnsteigen haben wir immer gefordert. Ein paar mehr Polizisten können wir uns auch vorstellen,

[Benedikt Lux (Grüne): Aber beschlossen haben Sie etwas anderes!]

aber dass dies kostenneutral zu haben ist, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten, ist schlicht ein Ammenmärchen.

[Benedikt Lux (Grüne): Sie haben doch versprochen, dass mehr Kameras kommen!]