Bevor wir die Rederunde fortsetzen: Ich entdecke gerade, dass unser heutiges Geburtstagskind in den Saal kommt. – Herr Dr. Sundermann! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Viel Glück und viel Erfolg!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachhaltige Integrationspolitik erfordert gleichberechtigte Teilhabe von Migranten und Migrantinnen an allen gesellschaftlichen Bereichen. Das ist richtig und schließt politische Teilhabe und Mitwirkung selbstverständlich ein. Appelle an die Integrationsbereitschaft von Migranten und Migrantinnen aus der Mehrheitsgesellschaft klingen wie Hohn, wenn sie sich, als Einbahnstraße verstanden, nicht den für ihre Erfolge erforderlichen Konsequenzen stellt.
Das Kommunalwahlrecht für sogenannte Drittstaatsangehörige, also für nichtdeutsche Staatsangehörige und Nicht-EU-Bürger, wäre ein erster und wichtiger Schritt
Die Linke vertritt dieses Anliegen schon sehr lange und setzt sich engagiert dafür ein. Bereits vor mehr als zehn Jahren, nämlich im Jahr 2000, hat die damalige PDSFraktion hier im Haus einen Antrag auf eine Bundesratsinitiative zur Änderung von Artikel 28 Abs. 1 Grundgesetz gestellt. Das ist die Drucksache 14/666 vom 20. September 2000. Das können Sie sich alle ansehen. Es gab diverse Initiativen in der Länderkammer, z. B. eine Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Berlin. Es gab dafür keine Mehrheit, das ist hier schon erwähnt worden. Unsere Bundestagsfraktion hat mehrfach im Deutschen Bundestag diesbezügliche Anträge gestellt, allesamt erfolglos. Langer Rede kurzer Sinn: Das Anliegen des Antrags teilt meine Fraktion ohne Wenn und Aber. Mehrheiten gab es dafür im Bund nie.
Die zentrale Frage ist allerdings: Kommen wir angesichts dessen mit dem gewählten Weg, nämlich einer Änderung der Landesverfassung diesem Ziel näher?
Ohne Wenn und Aber heißt nicht ohne jegliche rechtliche Erwägung! Wir sind hier ja in einem Rechtsstaat!
Ja, ich finde das schon einigermaßen erstaunlich, dass ich den Grünen das sagen muss, insbesondere einer ausgebildeten Juristin! Ich will eingangs sagen: Meines Erachtens hätten Sie mindestens die Änderung von § 22 a Landeswahlgesetz und § 40 a Landeswahlordnung mit beantragen müssen, wenn Sie das ernst gemeint hätten. Aber das ist eine Petitesse und ließe sich gewiss einfach nachholen.
Machen wir auch besser! Wir arbeiten im Übrigen seit zehn Jahren daran und fangen nicht am Ende der Legislaturperiode an, solche Anträge zu stellen, nachdem wir vorher in einer anderen Fraktion saßen und zu Beginn der Legislaturperiode die Chance gehabt hätten, wenn wir es ernst gemeint hätten!
Hören Sie mir doch mal zu, Kollege! Vielleicht lernen sogar Sie, der Sie immer alles besser wissen, noch etwas! –
Das Wahlvolk in der Bundesrepublik Deutschland entspricht im Bund systematisch und verfassungsrechtlich dem Staatsvolk. Artikel 28 Abs. 1 des Grundgesetzes fordert die Kohärenz der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundes, der Länder und auch der Kreise und Gemeinden und nimmt Bezug auf Artikel 116 Grundgesetz. Das Homogenitätsgebot des Grundgesetzes gilt auch im Land Berlin, liebe Grüne! Satz 3 von Artikel 28 Abs. 1 sagt explizit: Es gibt eine Ausnahme für EU-Bürgerinnen und -Bürger. Das bedeutet im Umkehrschluss: Sogenannte Drittstaatsangehörige sind explizit vom Kommunalwahlrecht ausgeschlossen. Explizit! Das ist die abschließende Regelung, die unsere Bundesverfassung trifft. Nun könnte man ja mit der Fraktion der Grünen argumentieren, aber auf diese Feinheiten juristischer Auseinandersetzung hat sich Frau Bayram hier nicht herabgelassen, dass das Wahlvolk und das Staatsvolk nicht identisch sind, weil es ein EU-Kommunalwahlrecht gibt, was diesbezüglich Modifizierungen erfordert.
Ja, nun lassen Sie mich mal ausreden! – Dann könnte man auch noch sagen, Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 sei nicht einschlägig, weil Bezirke keine Gemeinden sind, sondern unselbstständige Selbstvertretungskörperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das erste Argument scheint einleuchtend. Das rechtliche Gegenargument drängt sich aber sofort auf. Soweit Staatsvolk und Wahlvolk nicht identisch sein sollen, kann sich die zulässige Abweichung davon nur aus der Verfassung selbst ergeben. Da steht aber nichts drin. Oder zeigen Sie es mir, Frau Bayram! Im Grundgesetz steht dazu nichts drin.
Für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ist das geschehen, aber für sogenannte Drittstaatsangehörige ist es eben nicht geschehen.
Das zweite Argument – die Bezirke sind nicht Gemeinden – ist zunächst einmal richtig, aber das bedeutet nicht, dass die Bezirke und ihre Verwaltung einschließlich der Bezirksverordnetenversammlungen jenseits des Grundge
setzes stehen. Die Bezirke sind Teile der Landesverwaltung. Dort findet amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter statt – also die Ausübung von Staatsgewalt. Als Teil der Landesverwaltung sind die Bezirke über die Erwähnung der Länder in Artikel 28 Abs. 1 GG ebenfalls vom Homogenitätsprinzip umfasst. Mit anderen Worten: Wir können das nicht machen, ohne die Bundesverfassung zu ändern. – Wenn die Grünen sagen: Lasst es uns trotzdem mal machen! –, riskieren sie eine Wahlanfechtung und eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Aber es ist ja schön, wenn man auf anderer Leute Arsch durch das Feuer reitet.
Die Grünen müssen ja die Verantwortung dafür nicht wahrnehmen. Und selbst wenn niemand in diesem Hause klagt, warte ich nur auf eine Klage der NPD oder anderer. Die Migrantinnen und Migranten wären die Leidtragenden, niemand sonst. Wollen Sie dafür die Verantwortung übernehmen? – Dann sagen Sie das!
Herr Dr. Lederer! Ihre Redezeit ist beendet, und zwar schon eine ganze Weile. Kommen Sie bitte zum Schluss!
Ja! Ich komme zum Schluss. – Antidiskriminierungsarbeit ist das Bohren dicker Bretter und kein Populismus. Frau Bayram! Darum möchte ich Sie ernsthaft bitten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Antrag verfassungsrechtlich bewerten und feststellen, dass das von Ihnen vorgeschlagene Ausländerwahlrecht eindeutig verfassungswidrig ist.
Sie wissen das, und Sie nehmen das gern in Kauf, um sich die Zuneigung von Migranten- und Ausländerverbänden zu sichern.
Deshalb kann Ihr Antrag als reiner Schaufensterantrag bezeichnet werden. Trotzdem bleibt es traurig, dass Sie mit dem Wahlrecht, einem so bedeutenden Recht, politisch spielen.
Nach Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes geht die Staatsgewalt vom deutschen Volk aus. Dies ergibt sich eindeutig aus einer historischen und systematischen Auslegung des Grundgesetzes. Wenn das Grundgesetz in der Präambel damit beginnt, dass sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben hat, und damit endet, dass das Grundgesetz außer Kraft tritt, wenn sich das deutsche Volk eine neue Verfassung gegeben hat, dann wird deutlich, dass das Grundgesetz in Artikel 20 Abs. 2 allein das deutsche Volk meinen kann.
Frau Bayram! Diese Auslegung ist vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Die ausdrückliche Ausnahme zugunsten von EU-Ausländern in Artikel 28 Abs. 2 verdeutlicht, dass ein allgemeines Ausländerwahlrecht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.