Protocol of the Session on March 3, 2011

Der Senat hat noch immer kein Konzept, mit dem Forschung und Lehre an der Charité auf internationalem Spitzenniveau für die Zukunft sichergestellt werden. Verträge sind grundsätzlich ein gutes Mittel für die Vertragspartner, um Planungssicherheit zu erhalten. Nur schafft dieser Vertrag weder Planungssicherheit für die Charité noch führt er zu mehr Eigenständigkeit. Das sehen Sie schon an den vielen Formulierungen wie „unter dem Vorbehalt“, „in Aussicht gestellt“, „wenn“, „sofern“, „vorausgesetzt, dass“.

Die Charité bekommt mehr Geld – das ist teilweise der Tenor der Berichterstattung zu diesem Vertrag. – Herr Senator Zöllner! Ihrer Aussage nach bringt der Vertrag der Charité einen Zuwachs an staatlicher Förderung. Das klingt erst mal gut, aber die entscheidende Frage ist, auf welcher Basis diese Aussagen getroffen wurden. Auf der Basis von 2010 sind die Aussagen richtig, im Vergleich zu einer früheren Basis nicht mehr. Gegenüber 2009 sind es im Jahr 2011 6 Millionen Euro weniger, gegenüber 2008 19 Millionen Euro. Der Betrag ist von 242 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 183 Millionen Euro im Jahr 2011 reduziert worden, also um ca. 25 Prozent, dazu noch Preissteigerungen und Tarifauswirkungen. Wenn Sie, Herr Senator Zöllner, jetzt den vermeintlichen Zuwachs der staatlichen Förderung anpreisen, ist das mehr als problematisch. Mit diesem Vertrag wird die Unterfinanzierung der Charité fortgeschrieben, genauso wie Sie, Herr Senator Zöllner, mit den Hochschulverträgen die Unterfinanzierung der Berliner Hochschulen fortschreiben. – Herr Oberg! Um es mit Ihren Worten zu wählen, können wir das nur als Normalität der Unterfinanzierung beschreiben.

Was ist denn mit den notwendigen Investitionen? Was ist mit dem maroden Hochhaus? Die bauliche Situation ist schon so weit, dass das Versorgungszentrum der Charité in Mitte vor Kurzem teilweise gesperrt wurde. – Herr Kollege Albers! Wir werden sehen, welchen Investitionsbedarf die Charité bis zum Jahr 2020 hat. Eines ist sicher: Die von Ihnen zurzeit in Aussicht gestellten Mittel werden nicht reichen.

Wie sehr Sie von den Mitteln des Hochschulpaktes abhängig sind, zeigt die Formulierung in § 4 Abs. 7:

Sollten über den Hochschulpakt 2020 keine Mittel zur Verfügung stehen, sollen die vertraglichen Verpflichtungen der Charité den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.

Das kann nur eines bedeuten: Abbau von Medizinstudienplätzen. Eines ist offensichtlich: Der Senat versucht, sich mit diesem Vertrag über die Wahlen im September zu retten, und hat kein Konzept, wie es mit der Charité und dem gewaltigen Investitionsstau weitergehen soll.

In dem Vertrag stehen viele Pflichten der Charité, ohne dass die Charité dafür das notwendige Geld bekommt: Ausbau des Weiterbildungsangebots – ohne mehr Geld, verstärkte Öffnung für beruflich Qualifizierte, die vor Studienbeginn eine intensivere Betreuung an der Charité benötigen – ohne mehr Geld, Entwicklung zusätzlicher innovativer Studienangebote wie beispielsweise duale Studienangebote – ohne mehr Geld, Ausbau internationaler Kooperationen – ohne mehr Geld, Studiengänge Bologna-kompatibel gestalten – ohne mehr Geld, regelmäßige Akkreditierung der Studiengänge – natürlich ohne mehr Geld.

Im Gegenteil! In § 4 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 wird klar geregelt, dass bei

Nichterfüllung der der Charité obliegenden vertraglichen Verpflichtungen das Land über haushaltswirtschaftliche Einschränkungen entscheiden wird.

Also: viele Pflichten, viele Risiken, jedoch keine ausreichende Finanzierung!

[Beifall bei der FDP]

Was steckt eigentlich in dem Vertrag an besserer Betreuungsrelation für die Studierenden? – Nichts! Sie bringen auch hier die Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre. Das ist keine Lösung für eine bessere Betreuungsrelation. Im Gegenteil! Diese neue Art der Professur stellt eine Verschlechterung der Betreuungsrelation dar. – Herr Senator Zöllner! Wenn Sie eine bessere Betreuungsrelation für die Studierenden in der Charité wollen, dann kommen Sie unserer Forderung nach: Wir fordern, dass Drittmittel kapazitätsneutral gestellt werden, dann können auch Wissenschaftler außerhalb der Charité Lehre anbieten, ohne dass dies zugleich die Studienplatzkapazität erhöht.

Um exzellente Lehrer und Forscher zu gewinnen, braucht die Charité eine gute finanzielle Ausstattung und hervorragende Perspektiven. Mit Rot-Rot und diesem Vertrag bekommt die Charité weder das eine noch das andere. Dem Vertrag in der vorliegenden Form können wir deshalb nicht zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Dragowski! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Vorlage an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung und an den Hauptausschuss. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch – Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion der CDU, Tagesordnungspunkt 10:

Lfd. Nr. 4.5:

a) Beschlussempfehlung

Bildungsqualität verbessern: Sprachförderung und jahrgangsübergreifendes Lernen evaluieren!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/3814 Antrag der FDP Drs 16/3214

b) Beschlussempfehlung

Bericht über Stand und Qualität der Sprachförderung Berliner Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren vorlegen

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/3815 Antrag der CDU Drs 16/3642

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils wieder fünf Minuten zur Verfügung. Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Demirbüken-Wegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute bestreitet niemand mehr die Bedeutung von guter frühkindlicher Bildung und die Notwendigkeit, diese auch zum integralen Bestandteil des Bildungssystems zu machen. Heute wurde schon sehr viel dazu gesagt. Aber angesichts der unterschiedlichen Erfahrungswelten und der kulturellen Vielschichtigkeit von Berliner Kindern stellen sich weitergehende Fragen, wie in Berlin die bestmögliche Förderung in der frühkindlichen Entwicklung erreicht werden kann.

Eine verbesserte Ausbildung der Erzieherinnen oder der Betreuungsrelation sowie der Betreuungsdauer gehören nach unserer Auffassung selbstverständlich dazu, wenn für die Kinder aus bildungsfernen Schichten und sozialen Brennpunkten die Startbedingungen verbessert werden sollen. Die Situation in Berlin zeigt, dass dies dem Senat

in den letzten Jahren und bis heute nicht gelungen und geglückt ist.

[Beifall bei der CDU]

Mehr Investitionen in frühkindliche Bildung, gezielte Maßnahmen zur Vernetzung der Frühpädagogik und Grundschulpädagogik sowie die Evaluation und wissenschaftliche Begleitung sind nur einige der von der CDUFraktion vorgelegten Anträge, die aber immer wieder am ideologischen Bollwerk von SPD und Linken gescheitert sind.

[Beifall bei der CDU]

Die Folgen dieser rot-roten Regierungsverantwortung sind Bildungsnotstand und soziale Verelendung in Berlin. Dass jetzt nach sechs Jahren erfolglosen Experimentierens mit den Kindern in Kindergärten und Schulen endlich auch der Senat nach Qualität fragt und eine Sprachoffensive einleiten möchte, ist zu begrüßen. Ob allerdings das Abschieben der Verantwortung in Einrichtungen, die die Sprachdefizite der Kinder ohne zusätzliche Ausstattung abbauen sollen, eine wirkliche Lösung bringt, muss bezweifelt werden. Denn auch ein früher und heute sehr oft von Ihnen, verehrter Herr Senator, gelobter kostenfreier Kitabesuch führt nicht automatisch zu besseren Deutschkenntnissen. Hier wurden heute schon die Zahlen von meinem Kollegen Steuer genannt.

Mehr Personal in den Kitas – wie von den Eltern mit einem Volksbegehren erzwungen – könnte der Aufgabe allerdings nur dann gerecht werden, wenn auch in allen Kitas die vereinbarten Qualitätsstandards eingehalten werden.

[Beifall bei der CDU]

Sanktionen sind nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn Kinder nicht zum Sprachtest erscheinen und dann festgestellt wird, dass diese Kinder nicht in unserer Gesellschaft erzogen werden oder die Kinder hier sind und die Eltern nur vorgeben, dass die Kinder im Ausland sind und deshalb nicht zum Sprachtest oder zur Sprachförderung gehen. Ein gutes Qualitätspaket würde auf der Grundlage von verlässlichen Analysen ansetzen und die Schwachstellen beheben. Der von uns vorgelegte Antrag setzt genau hier an. Diese von Ihnen, meine Damen und Herren der SPD und der Linken, abgelehnte Evaluation kann immer noch eingeleitet werden, wenn Sie unserem Antrag heute Ihre Zustimmung erteilen.

[Beifall bei der CDU]

Für die Umsetzung der Sprachförderung in der Grundschule ist eine Evaluation ebenso überfällig. Deshalb unterstützen wir auch den Antrag der FDP und die Forderung nach einer Evaluation der Sprachförderung in der Schulanfangsphase beim jahrgangsübergreifenden Lernen. Es muss doch Gründe dafür geben, dass von Jahr zu Jahr die Zahl der „Verweiler“ in der Schulanfangsphase steigt und „das in der dritten Klasse noch erlaubte“ Sitzenbleiben deutlich zugenommen hat. Doch wenn der Senat den Schulen nicht die erforderliche Unterstützung zukommen lässt, dann dürfen wir uns nicht wundern,

wenn beim letzten nationalen Vergleichstest der Drittklässler in Berlin 30 bis 40 Prozent der Kinder zur untersten Kompetenzstufe gehören. Wenn sich angesichts solcher katastrophalen Ergebnisse ein Bildungssenator der Evaluation widersetzt, so spricht das Bände über die pädagogische Qualität dieser Zwangsmaßnahme.

[Beifall bei der CDU]

Anscheinend ist der Senator von seiner Aufgabe überfordert, wenn er als Lösung vorschlägt, den Schulen, die es nicht umsetzen können, auch noch die Unterstützung zu entziehen. Dass die Schulen ohne Unterstützung mit allen auch noch so unausgegorenen Bildungsreformvorschlägen fertig werden müssen, ist mittlerweile schon Normalität unter Rot-Rot. Und das zum Leidwesen der Bildungsqualität und der Berliner Bildungsgerechtigkeit! Aber dass der Senat den Schulen nicht einmal sofortige Unterstützung anbieten will, die derzeit mit den eingereisten Roma-Kindern in Neukölln überfordert sind, ist mehr als fahrlässig und grenzt an unterlassene Hilfeleistung!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat nun Kollegin Harant das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Nachdem Herr Steuer heute schon die Bildungskatastrophe beschworen hat, haben wir nun von Frau DemirbükenWegner die verheerende Bilanz zur Kita gehört. Bildungsnotstand und soziale Verelendung, davon ist Berlin geprägt. Frau Demirbüken-Wegner, wenden Sie sich doch den Tatsachen ein bisschen sachlich zu!

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Das kann sie nicht!]

Wer den Begriff Katastrophe zu oft und bei jeder Gelegenheit anwendet, der entwertet ihn. Das Weltuntergangsszenario hat sich schon deutlich abgenutzt.

Versuchen wir einen sachlichen Blick. Sie haben in den beiden Anträgen, um die es geht, die Evaluation der vorschulischen und schulischen Sprachförderung angemahnt. Evaluation ist ein beliebter Fachbegriff, den der Normalbürger nicht kennt. Er heißt nichts anderes als Überprüfung und Bewertung der Wirksamkeit von Methoden und Maßnahmen. Das ist wichtig, das ist unverzichtbar. Es setzt voraus, dass Wissens- und Bildungsstände und die Ursachen für deren Veränderung sorgfältig erhoben werden, um zuverlässige Aussagen machen zu können, welche Sprachförderkonzepte am erfolgreichsten sind – sei es in der Kita, sei es in der Schule.

Noch wissen wir in der Tat zu wenig. Manch einer will es auch gar nicht so genau wissen, denn es könnte etwas Unangenehmes dabei herauskommen. Sie kennen vielleicht alle den Einwand: „Vom Wiegen wird die Sau nicht fett.“ – Stimmt! Aber man wiegt die Sau ja auch nicht,

damit sie fett wird. Aber wenn man sie öfter wiegt, lässt sich immerhin erkennen, welches Futter am schnellsten zur Gewichtszunahme führt. Genau darum geht es im übertragenen Sinn auch bei der Evaluation der Sprachförderung. Sie soll nachweisen, welche Methoden besonders wirksam sind. Dieser Nachweis muss im Interesse der Kinder und im Interesse der Qualität des Unterrichts erbracht werden. Das ist ein komplizierter Prozess. Er kostet Zeit. Die sollten wir uns nehmen. Außerdem bedarf er der wissenschaftlichen Unterstützung. Genau das wird im Qualitätspaket in Angriff genommen, Frau DemirbükenWegner! Tun Sie nicht, als wüssten Sie das nicht!

Im Qualitätspaket gibt es Ansätze, erfolgreiche Sprachförderkonzepte zu entwickeln, die die Schulen dann nutzen können. Ich wiederhole es gern: Frühkindliche oder vorschulische Sprachförderung ist nachweislich und ganz gezielt ein Schwerpunkt unserer Bildungspolitik, und zwar seit vielen Jahren. Deshalb haben wir auch hohe Investitionen in diesem Bereich getätigt.

Wir wissen zum Beispiel, dass sich ein Kitabesuch über mehrere Jahre positiv auf das Sprachvermögen auswirkt und dass Kinder, die keine Kita besuchen, gegenüber den anderen einen wesentlich höheren Sprachförderbedarf haben. Das Verhältnis ist 45 zu 17 Prozent. Genau deswegen haben wir die Kitagebühren abgeschafft, haben die Personalausstattung verbessert, das pädagogische Fachpersonal qualifiziert. Im Qualitätspaket, das Sie kennen und das Sie auch genannt haben, ist eine noch frühere Sprachfeststellung geplant und eine Ausweitung der Sprachförderung. Es gibt auch eine Evaluation, die intern bereits gelaufen ist. Die Ergebnisse werden Ende März vorliegen. Weiterhin gibt es eine externe Evaluation, die im Frühjahr 2012 abgeschlossen sein wird. Durch diese Maßnahmen haben wir bereits wesentliche Verbesserungen der Sprachförderung erreicht.

Es ist kein Geheimnis, dass das jahrgangsübergreifende Lernen ein besonderer Dorn im Auge der CDU und der FDP ist. Obwohl dieses Verfahren nach vielen Schulversuchen und aufgrund von wissenschaftlichen Empfehlungen eingeführt wurde, besteht offensichtlich noch immer ein großer Entwicklungsbedarf. Die Ergebnisse können in der Tat nicht befriedigen. Nun ist der Zwang zu JÜL gelockert.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach!]