Gesamtkonzept zur Eindämmung von Spielhallen und Spielsucht (III): Spielsucht vorbeugen, Prävention ausbauen
Das ist die Priorität der Fraktion der SPD, TOP 21. Ich habe die Anträge Drucksache 16/3778 und Drucksache 16/3779 vorab federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen und den Antrag Drucksache 16/3777 ebenfalls vorab federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen überwiesen. Ihre nachträgliche Zustimmung dazu stelle ich hiermit fest.
Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD in Person von Herrn Buchholz. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Berliner Abgeordnetenhaus liegt als erstem deutschen Landesparlament ein ganzes Antragspaket für ein Gesamtkonzept zur Eindämmung von Spielhallen und zur Eindämmung von Spielsucht in einem Bundesland vor. Ich gestehe: Darauf sind wir sehr stolz,
denn wir werden als erstes Landesparlament diese Initiative ergreifen und sagen: Wir schauen es uns nicht an, wie
Spielhallen und Wettbüros unsere Kieze letztlich zerstören und wie Spielhallen auch Menschen zerstören, die in der Spielsucht untergehen, dort ihre materielle, ihre persönliche, ihre familiäre Basis komplett verlieren, weil sie der Spielsucht erlegen sind. Wir haben gerade gestern wieder eine wirklich beeindruckende Vorortdiskussion im Bezirk Neukölln gehabt. Da hat jemand auf der verlängerten Karl-Marx-Straße Spielhallen und Wettbüros gezählt und ist auf 33 in diesem Straßenverlauf gekommen. Wir können das nicht hinnehmen, und deswegen sagen wir: Es gibt mehrere Ebenen, wo wir politisch tätig werden müssen.
Die erste Ebene ist die Bundesebene, wo wir dem Senat den Auftrag geben, zwei Bundesratsinitiativen zu starten. Die erste ist eine drastische Verschärfung der Spielverordnung, d. h. maximale Gewinne und maximale Verluste pro Gerät und Stunde werden von uns begrenzt. Zweiter Ansatz auf der Bundesebene: eine Verschärfung der Baunutzungsverordnung. Spielhallen sollen dort eine eigene Art werden, die man in einem Bebauungsplan nicht nur benennen kann, sondern damit auch verhindern kann. Dazu ist eine Änderung von Bundesrecht notwendig. Das ist die Bundesebene.
Der zweite Antrag: die politischen Leitplanken für ein Landesspielhallengesetz. Es gibt noch kein deutsches Bundesland, das ein Spielhallengesetz hat. Wir werden hier als erste die Initiative ergreifen und sagen: Wir wollen die Flut stoppen. Wir wollen auch die Spielsucht eindämmen.
Diese Chance werden wir aktiv ergreifen, sehr aktiv ergreifen, und in diesem Spielhallengesetz sehr klare Regeln aufstellen, zum Beispiel Mindestabstände zwischen Spielhallen – am liebsten 1 Kilometer, bis die nächste kommen darf –, nur eine Spielhalle pro Standort und Gebäude, ganz klare Vorgaben an den Betreiber, an die Leute, die dort arbeiten, dass auch Spieler-, Jugend- und Nichtraucherschutz, was bisher oftmals missachtet wird, endlich beachtet werden. Das müssen wir voranbringen und hoffen, dass es dafür auch eine Mehrheit bei Ihnen gibt.
Wir haben noch einen dritten Antrag, und der besagt: Das, was an Vorbereitung im Sinne von Prävention, von Information und Schulung von Schülerinnen und Schülern, von Suchtabhängigen in der Stadt gemacht werden kann, das muss man tun. Wir müssen Schülerinnen und Schüler frühzeitig informieren, dass letztlich immer der Automat gewinnt. Es gewinnt der Betreiber, und es gewinnt der Automat. Die Leute, die dort spielen, verlieren, sie verlieren ihre Existenz, ihr Geld, ihre Familie. Deswegen muss man das stoppen!
Sicherlich wird gleich das Folgende zur Sprache kommen: Es gibt ja bereits einen Entwurf der CDU. Warum habt ihr den nicht einfach verabschiedet? – Aber der von der CDU vorgelegte Entwurf für ein Spielhallengesetz
trägt leider überhaupt nicht, und das weiß die Fraktion sogar selbst, denn sie hat ihn selbst im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses komplett ändern wollen – in allen drei tragenden Punkten. Zunächst sah der Antrag vor, in einer Spielhalle sollen nicht mehr nur zwölf, sondern 25 Automaten stehen.
Ja, das war der Entwurf der CDU. – Jetzt sind Sie plötzlich wieder auf die Zahl 12 zurückgegangen. Wir wollen sogar auf die Zahl acht runtergehen. Das ist also die vermeintliche Verschärfung der CDU – dass sie beim Bestand von zwölf Automaten bleiben will. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch für diesen Entwurf zum Spielhallengesetz!
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Da sind wir schärfer!]
Ich darf auch auf eines hinweisen, was mich am Montag im Wirtschaftsausschuss erschüttert hat: Wir haben dort alle drei Anträge beraten, und es kam zum Schwur – zur Abstimmung. Wie hat die FDP zusammen mit der CDU gestimmt? – Sie hat alle drei Anträge abgelehnt.
Die CDU ist dagegen, dass man auf Bundesebene die Spielverordnung und die Baunutzungsverordnung verschärft. Da kann ich nur sagen: Pfui Deibel! Kein einziger CDU-Baustadtrat aus einem Berliner Bezirk – weder Herr Lambert, noch Herr Röding oder Herr Gröhler und wie sie alle heißen – darf jemals wieder behaupten, er möchte mit der CDU etwas gegen Spielhallen tun. Sie versündigen sich hier an unseren Kiezen.
Es ist wirklich eine Schande. Dass Ihre Fraktion – Herr Henkel ist leider nicht anwesend – gegen Prävention und gegen eine Verschärfung von Bundesgesetzen ist, entlarvt Sie.
Sie wollen die Spielhallen nicht beschränken, sondern sie sind Ihnen egal, weil Ihnen die Menschen in den Kiezen egal sind. Das kann so nicht bleiben. Das sage ich Ihnen.
[Christian Gaebler (SPD): Es erscheint die nicht anwesende Frau Bung – ein wichtiges Thema! – Weitere Zurufe]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Buchholz hat schon auf den drastischen Anstieg von Spielhallen und Spielautomaten in der Stadt aufmerksam gemacht. Deshalb möchte ich eingangs meiner Rede erst mal drei andere Dinge festhalten.
Prinzipiell ist es gutes Recht, dass diejenigen, die die gesetzlichen Voraussetzungen für das Betreiben eines Gewerbes erfüllen, dem in Berlin auch nachgehen können.
Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gewerbe mir selbst zusagt. Das gilt auch für das Betreiben von Spielhallen und Spielautomaten. Deshalb teile ich den missionarischen Eifer, den z. B. die Grünen gerne mit ihren politischen Forderungen nach Verboten und Beschränkungen an den Tag legen, schon aus guter, alter DDR-Erfahrung nicht.
Gleichwohl: Gewerbefreiheit braucht da Begrenzungen, wo andere über Gebühr beeinträchtigt werden. In Berlin und anderswo zerstört die Flut von Spielhallen die Struktur und die Lebensqualität ganzer Stadtquartiere. Das kann so nicht weitergehen. Außerdem dürfen wir die Augen vor den Gefahren des Glücksspiels nicht verschließen. Glücksspielsucht kann für Betroffene und deren Familien dramatische psychische und materielle Folgen haben. Verschuldung, Kriminalität und immer wieder auch Suizide sind die Folge. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt: Je größer das Glücksspielangebot ist, desto höher ist die Quote derjenigen, die daran teilnehmen. Außerdem ist der Anteil der Geldautomatenspieler an den Glücksspielsüchtigen besonders hoch. Deshalb sind wir zu raschem politischem Handeln gezwungen.
Dabei ist es gut und hilfreich, dass wir uns in dieser Frage hier im Hause – auch im Wirtschaftsausschuss – erst mal prinzipiell – ich glaube, mit Ausnahme der FDP, denn da weiß man nicht so genau – völlig einig sind.
Den ersten Schritt auf diesem Weg haben wir bereits im Dezember getan. Da haben wir die Vergnügungsteuer von 11 auf 20 Prozent für das Betreiben von Spielautomaten erhöht. Das macht den Betrieb dieser Automaten schon deutlich weniger attraktiv. Nun schlagen wir Ihnen mit
unseren Anträgen drei weitere Schritte vor: Im Rahmen einer Bundesratsinitiative wollen wir die Spielverordnung und die Baunutzungsverordnung deutlich verschärfen. Damit wollen wir u. a. die Abstände zwischen Spielautomaten und Spielhallen vergrößern. Wir wollen mögliche Spielverluste und Gewinnchancen reduzieren und den Betrieb von Spielautomaten in Gaststätten deutlich eindämmen.
Mit einem zweiten Antrag werden wir in Zusammenarbeit mit den Bezirken im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Spielsucht in Berlin vorbeugen und die Prävention ausbauen.
Ziel unseres dritten Antrags ist die Erarbeitung eines Spielhallengesetzes in Berlin. Mit dem Gesetz werden wir die Anzahl der Spielhallenzulassungen bezogen auf einzelnen Stadtquartiere deutlich begrenzen. Mehrfachkonzessionen für Spielhallen in einem Gebäude sollen danach nicht mehr erteilt werden dürfen. Wir werden die Anzahl von Geldspielautomaten pro Spielhalle verringern. Wir werden die Qualifikation und die Präsenz des Aufsichtspersonals in Spielhallen deutlich erhöhen. Außerdem werden wir den technischen Spielerschutz verbessern und die Öffnungszeiten von Spielhallen reduzieren.