Protocol of the Session on January 27, 2011

Und nun haben wir den Salat: Es fehlen Plätze, es fehlt Personal – der offene Brief der Stadträtin aus Friedrichshain-Kreuzberg spricht Bände. Und der Senat – leider ist nun wirklich keiner von den Verantwortlichen mehr da, aber egal –, der blicket stumm von seinem Platze aus herum, Ideen hat er keine, Gelder schon mal gar nicht, aber wirklich brisant ist: Er weiß nicht, wie viele Plätze es nun wirklich sind.

[Beifall bei der FDP]

Damit weiß er natürlich auch nichts über den zukünftigen Personalbedarf, das ist eine logische Konsequenz.

Auch hier grüßt mal wieder das Murmeltier. Erinnern Sie sich noch an die bizarre Situation in Pankow vor einigen Jahren? – Nicht nur dort erlebte man den Babyboom, die ganze Republik wusste davon. Die zuständige Stadträtin

fiel in einen sechsjährigen Tiefschlaf, erwachte, rieb sich verwundert die Augen und fragte sich: Ups, da sind ja Kinder! Richtig, da waren Kinder, für die allerdings kein Schulplatz mehr da war. Eltern und Lehrer, alle waren zu Recht aufgebracht ob dieser Unfähigkeit, ob dieser Untätigkeit. Und täglich grüßt das Murmeltier – kommen wir zurück zur heutigen Presse, da ist zu lesen: Es fehlen bereits heute 1 500 Plätze in Friedrichshain-Kreuzberg. Insgesamt geht man von 15 000 Plätzen aus, so der Paritätische Wohlfahrtsverband, ein ja nicht gerade unseriöser Verband. So möchte ich den Senator, der leider nicht anwesend ist, fragen: Ist es eigentlich so schwierig, eine ordentliche Bedarfsplanung aufzustellen? Können wir nicht heute schon wissen, wer in drei Jahren eine Kita besucht, jedenfalls zu 98 Prozent? Kennen Sie die Zahlen aus den Bezirken nicht – oder interessieren die Sie nicht?

[Beifall bei der FDP]

Selbstverständlich, liebe Frau Dr. Barth, ist es eine gesamtstädtische Aufgabe, das müssen wir erkennen. Und selbstverständlich müssen die Bezirke miteinander kooperieren; wir wollen doch kein föderales Berlin, in welchem jeder Bezirk sein eigenes Brot backt und möglichst auch noch alleine aufessen will, das kann und soll es wirklich nicht sein. Der Senat ist es, der hier die Verantwortung trägt!

[Beifall bei der FDP]

Bereits heute melden Eltern ihre Kinder während der Schwangerschaft an, und daher frage ich: Ist das eigentlich normal? Wo bleibt die Verlässlichkeit für die jungen Eltern oder für die, die es gerade werden wollen oder es gerade geworden sind? Welche Parameter werden hier zugrunde gelegt? – Wir wüssten es zu gerne!

[Beifall bei der FDP]

Frühkindliche Bildung genießt inzwischen – Gott sei Dank! – einen hohen Stellenwert, denn sie schafft bessere Startchancen, mehr Bildungs- und Leistungsgerechtigkeit. Deshalb gehört es zur Vor- und Fürsorge des Staats – es gehört sogar zu seinen Kernaufgaben –, eine korrekte und verlässliche Bedarfsplanung aufzustellen, damit alle Kinder, die heute geboren werden und heute in Berlin spielen, in drei Jahren eine Chance haben, eine Kita zu besuchen.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie mir jetzt wieder mit „die FPD und der Staat“ begegnen: Genau das ist der Unterschied, dass wir die Kernaufgabe des Staates genau definiert wissen wollen.

[Beifall bei der FDP]

Das ist auch die Antwort auf die unsägliche Vorgehensweise von Rot-Rot. Seit der Klausurtagung der SPD in Dresden wissen wir, dass der Regierende die Familienpolitik entdeckt hat. Der vorliegende Familienbericht hilft ihm dabei, die SPD kürt dieses Thema zum Wahlkampfschlager. Herr Regierender! Machen Sie, ich sage Ihnen aber voraus: Mit diesem Hit kommen Sie nicht unter die Top 10, denn etwas Entscheidendes haben Sie und Ihre Genossen vergessen: Eine der wesentlichen Säulen, die Berliner Familien brauchen und auf die sich Berliner

Familien verlassen müssen, ist die gute Betreuung der unter Dreijährigen und qualitativ hochwertige und verlässliche Kitas – für jedes Kind, das eine solche Einrichtung besuchen will!

[Beifall bei der FDP]

Was ist denn mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf? – Ohne Betreuung, ohne Kitaplatz lässt sich nichts miteinander vereinbaren! Die Folgen sind dann spätestens im nächsten Armutsbericht bzw. im nächsten Sozialatlas sichtbar.

Die FDP unterstützt den Antrag, der eigentlich für diejenigen, die Verantwortung tragen, eine Selbstverständlichkeit sein müsste. In dieser Stadt ist aber nichts selbstverständlich, weder eine anständige Infrastruktur für die Schulen, noch eine ordentliche Personalausstattung für die Schulen und Kitas.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Rot-Rot klopft sich stattdessen auf die Schultern und bejubelt die Beitragsfreiheit, und das ist zu wenig!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss. – Ich höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Ich komme zu

lfd. Nr. 16:

Antrag

Kostentransparenz und Kontrolle bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz

Antrag der Grünen Drs 16/3741

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Frau Villbrandt. – Bitte schön, Frau Villbrandt, Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Berlin hat inzwischen mehr als 400 Wohngemeinschaften für Demenz- und Pflegebetroffene. Ursächlich hierfür ist die Berliner Bevölkerungsstruktur, die Tatsache, dass die Berlinerinnen und Berliner alternativen Wohnformen grundsätzlich offen gegenüberstehen und der Berliner

Senat, der eine Geschäftsidee ermöglicht, die einen guten Verdienst mit wenig Kontrolle bietet.

Wohngemeinschaften für Demenzkranke und Pflegebedürftige sind ein lukratives Geschäft in Berlin. Ob damit aber auch eine gute Versorgung der Betroffenen gesichert ist, wird leider immer fraglicher, und das soll niemanden hier kaltlassen. Schon 2007 haben wir in einem Antrag gefordert, dass die Vereinbarungen zu den Pauschalen für die Demenzwohngemeinschaften an Qualitätskriterien vor allem beim Personalschlüssel gebunden werden. Dies und unsere weiteren Vorschläge bei der Diskussion zum Wohnteilhabegesetz waren politisch von Rot-Rot nicht gewollt. Der Senat hat nicht einmal den Mumm gehabt, seinen eigenen Vorschlag, die Zahl von Wohngemeinschaften in einem Haus auf zwei zu beschränken, umzusetzen – mit fatalen Folgen, denn dadurch hätte verhindert werden können, dass unter dem Namen von Wohngemeinschaften kleine Heime entstehen.

Entgegen der Ursprungsidee sind die meisten Berliner Wohngemeinschaften anbietergesteuert. Nicht die Angehörigen suchen eine Wohnung und einen Pflegedienst, sondern der Pflegedienst sucht und gründet einen Verein als Hauptmieter einer Wohnung und sucht dann die Menschen, die in dieser Wohnung versorgt werden. Das ist an sich nicht verkehrt, verkehrt ist aber, so zu tun, als würden das die Angehörigen machen. Verkehrt ist es auch, keine entsprechende Qualitätssicherung dafür zu entwickeln.

[Beifall bei den Grünen]

Ihre Ablehnung, liebe Kolleginnen und Kollegen von RotRot, Vorschläge von uns oder anderen Engagierten anzunehmen, begründeten Sie bisher mit der privaten Häuslichkeit der Wohngemeinschaften, gewährleistet durch die Trennung der Miet- und Pflegeverträge und durch die Bestimmungen des Zusammenlebens und der Alltagsgestaltung durch Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Leider ist die Realität der Wohngemeinschaften eine ganz andere. Die Miet- und Pflegeverträge sind häufig nur zum Schein getrennt, in Wirklichkeit sind beide Seiten oft verwandt oder geschäftlich verflochten, Angehörige und gesetzliche Betreuer sind sehr selten tatsächlich aktiv an der Bestimmung des Alltags beteiligt.

Unsere Antwort auf diese Situation ist nicht, solche Wohngemeinschaften zu stationären Einrichtungen bzw. zu Heimen zu erklären, wie es das Wohnteilhabegesetz, wenn es streng genommen wird, vorsieht. Nein, das würde weder den Betroffenen noch den Anbietern gerecht und würde bereits wegen der Bauordnung für Heime zur Schließung vieler Wohngemeinschaften führen. Wir plädieren für eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Problem, für eine Lösung, die den Menschen mit Demenz und Pflegebedarf in den Mittelpunkt stellt und der Tatsache entspricht, dass diese Wohngemeinschaften anbietergesteuert sind. Deshalb: Befassen Sie sich endlich mit der Realität und ergreifen Sie qualitätssichernde Maßnahmen – bei der Gestaltung der Verträge oder Vereinbarungen durch angemessene Ausführungsvorschriften zum Wohn

teilhabegesetz, bei der Kontrolle durch die Heimaufsicht durch Transparenz, indem Angehörige oder engagierte Dritte einbezogen werden. Transparenz der Gesamtkosten der Wohngemeinschaften und ein angemessener Personalschlüssel sind zwei weitere Punkte, die noch zu regeln wären.

Wir wollen, dass es den Menschen bei der ambulanten Versorgung gut geht. Wir wollen auch, dass die Mittel – egal, ob Versicherungsgelder, Gelder der Betroffenen oder Transfermittel – bei den Hilfebedürftigen ankommen und nicht irgendwo anders.

[Beifall bei den Grünen]

Die Anbieter, die gute Arbeit leisten wollen, werden diesen Weg mit uns gehen. Vielleicht werden es nicht so viele sein wie heute; aber lieber Qualität als Quantität. Im Interesse der Demenz- und Pflegebetroffenen hoffe ich sehr, dass Sie diesen Weg mit uns gehen. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Frau Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte schön, Frau Radziwill!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir befassen uns heute mit dem Antrag der Grünen zum Thema der Kontrolle von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. Für diese Vorstellung im Antrag der Grünen gab es bei der Verabschiedung des Wohnteilhabegesetzes im Mai letzten Jahres keine Mehrheit in diesem hohen Hause. Also probieren es die Grünen erneut, obwohl sich die Mehrheiten nicht geändert haben und auch keine aktuell begründeten Bedenken für eine Änderung im Sinne der Grünen vorliegen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Die Sache ist uns wichtig – deshalb!]

Weil auch uns die Sache wichtig ist und wir als Koalition die Interessen der Betroffenen, auch der Demenzkranken im Blick haben, ist es umso wichtiger, dass alle Wohngemeinschaften erfasst werden. – Und, Frau Villbrandt, wir befassen uns hier mit der Realität.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Mit dem Wohnteilhabegesetz hat es erst diese rot-rote Regierung geschafft, dass die ambulant betreuten Wohngemeinschaften in Berlin überhaupt erfasst werden. Vom Juli bis zum Ende des letzten Jahres wurden bei der Berliner Heimaufsicht 372 Pflegewohngemeinschaften angemeldet. Nur in einem Fall wurde der Status einer stationären Einrichtung festgestellt. Nach dem Wohnteilhabegesetz sind die von den Grünen so bezeichneten anbietergesteuerten Pflegewohngemeinschaften als stationäre Einrichtungen zu qualifizieren, wenn die Heimaufsicht bei der Prüfung eine strukturelle Abhängigkeit von Nutzern

und Leistungsanbietern feststellt. Damit ist eine Kontrollebene gesetzlich eingebaut.

Bisher hat die Heimaufsicht sechs ambulant betreute Wohngemeinschaften überprüft. Bei Beschwerden muss die Heimaufsicht nämlich anlassbezogen zügig prüfen. Die Behauptung der Grünen, dass etwa 90 Prozent der Pflegewohngemeinschaften eigentlich Kleinstheime sind, wurde bei den bisherigen, siebenmonatigen Kontrollen nicht festgestellt. Die Grünen sind daher gefordert, ihre Behauptung solide zu untermauern und nicht eine Branche allgemein schlechtzureden. Sollte sich in der Anwendung dieses Gesetzes eine Lücke erweisen, werden wir selbstverständlich unverzüglich handeln und gegebenenfalls auch Änderungen vornehmen.

Liebe Frau Villbrandt! Die Laufzeit für die aktuellen Vergütungsvereinbarungen im Bereich der ambulanten Pflege gingen bis Ende letzten Jahres und gelten bis zum Abschluss einer neuen Vergütungsvereinbarung fort. So weit mir bekannt ist, gibt es also keine Möglichkeit, die anstehenden Verhandlungen über Tagespauschalen einfach auszusetzen. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir in diesem Zusammenhang noch intensiv im Ausschuss über Ihre Vorschläge beraten.

Die Forderung der Grünen nach der Installation eines Beschwerdemanagements müssen sie uns noch besser begründen. Denn es gibt ja bereits Regelungen, die die ambulanten Pflegedienste zur Einrichtung und Durchführung eines Beschwerdemanagements verpflichten. Das Beschwerdemanagement ist Teil des Qualitätsmanagements im SGB XI. Gemäß § 112 sind auch ambulante Pflegedienste als zugelassene Pflegeeinrichtungen unter anderem verpflichtet, ein Qualitätsmanagement durchzuführen. Auch sind im § 8 des Wohnteilhabegesetzes alle Leistungserbringer, die in Pflegewohngemeinschaften Pflege- und Betreuungsleistungen erbringen, zur Einrichtung eines Beschwerdemanagements verpflichtet.