Protocol of the Session on November 25, 2010

Gut! Aber es geht einen Abgeordneten etwas an, was ein Senator macht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Aber ich will hier die Argumentation damit beenden.

Jetzt geht es weiter mit einer Frage von Frau Herrmann von Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Frau Herrmann!

Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Innensenator: Wird auch dieses Jahr wieder eine jährliche Demonstration der Neonazis für ein nationales Jugendzentrum am ersten Samstag im Dezember in Berlin stattfinden? Wenn ja, welche Kenntnisse haben Sie darüber?

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Präsident! Frau Kollegin Herrmann! Wir haben jedes Jahr eine Vielzahl von Demonstrationsanmeldung, auch rechtsextremistischer Gruppen. Mir ist im Moment nicht bekannt, ob tatsächlich eine solche Demonstration stattfindet. Das ist mir noch nicht vorgelegt worden.

Eine Nachfrage von Frau Kollegin Herrmann? – Bitte!

Ist Ihnen denn bekannt, ob diese Demonstration im Dezember, ähnlich wie es im letzten Jahr gelaufen ist, nicht in Berlin, sondern am Stadtrand stattfinden wird?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Frau Kollegin Herrmann! Ich habe eben gesagt, dass mir der Vorgang bisher nicht vorgelegt worden ist und deshalb nicht bekannt ist. Üblicherweise kommt es, wenn es zu Demonstrationen kommt, wenige Tage vorher zu einem Veranstaltergespräch der Veranstalter mit der Polizei, dann werden Routen und Ähnliches festgelegt. Ich werde mich erkundigen, wie der Sachstand ist, und werde Sie dann unterrichten.

Danke schön, Herr Senator! – Damit ist die Spontane Fragestunde mit dem Abarbeiten aller Fragen, was wir selten haben, beendet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Terrorgefahr: Sicherheitswarnung ernst nehmen, Bürger aufklären, besonnen agieren

Antrag der SPD und der Linksfraktion

Für die gemeinsame Besprechung oder Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden können. – Es beginnt Frau Hertel für die SDPFraktion. – Bitte schön, Frau Hertel, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gefahrenabwehr gehört wohl zu den allerersten Staatsaufgaben und sie beinhaltet unabdingbar den Schutz von Leib und Leben seiner Bürger. Wo, wenn nicht hier, im Berliner Parlament, wollen wir Volksvertreter – immerhin gewählte Berliner Abgeordnete – uns denn über eine unstrittig vorliegende aktuelle Gefahrenlage für unsere Stadt unterhalten? Ich denke, Ort und Zeitpunkt, Frau Senftleben, sind Hier und Jetzt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und bei den Grünen]

Mit einem haben Sie allerdings recht. Ich bin jetzt seit elf Jahren Mitglied in diesem Parlament. Ich habe von dieser Stelle schon so manche Rede gehalten, aber es ist dennoch für mich eine Premiere. Ich werde heute hier zum ersten Mal zu einem Thema sprechen, das, wie ich glaube, aber wohl mit breiter Unterstützung, wirklich keinen Spielraum für parteipolitisches Geplänkel bietet.

Vor gut neun Tagen musste der Innenminister unseres Landes eine Entscheidung treffen. Er musste entscheiden, ob die ihm und seiner Behörde vorliegenden Unterlagen, ob die Informationen und Hinweise auf eine aktuelle Bedrohung des Landes akut genug, konkret genug und ausreichend belastbar sind, um mit dieser Bedrohung an die Öffentlichkeit zu gehen. Er hat sich für die Öffentlichkeit entschieden, und das war auch gut so. Ich gebe zu, diese Entscheidung ist möglicherweise ein bisschen durch entsprechende Pressemeldungen vom Vortag forciert worden, aber ich kann auch nachvollziehen, dass sich, wer immer an dieser Stelle saß, diese Entscheidung zu treffen hatte, die Verantwortung hatte, diese Entscheidung nicht leicht gemacht hat.

Denn die Folgen einer solchen offiziellen Terrorwarnung sind diverse Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit der Bevölkerung, Maßnahmen, die – wie Sie wahrschein

lich selbst beim Eintreten in dieses Haus heute bemerken konnten – sehr viel deutlicher, als es noch jede Pressemeldung oder jedes Interview gekonnt hätte, nach außen hin der Bevölkerung deutlich machen, die Sicherheitslage ist eine andere geworden. Dabei war – ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren – die abstrakte Sicherheitslage bereits seit Jahren hoch:

Das Sicherheitsproblem Nummer eins für Deutschland sind die islamistischen Fundamentalisten. Das ist ein Problem, das die Sicherheitsbehörden wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert vorrangig beschäftigen wird.

Das war der Ausspruch des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Herr Dr. Frisch, im Jahr 1997. Und seien wir ehrlich: Wir und die Bevölkerung haben die wirkliche Bedrohung, das wirkliche Risiko erst erkannt nach den Erlebnissen und Ereignissen des 11. September.

Ein anderer Innenminister, sein Name ist Otto Schily, hat drei Jahre später festgestellt:

Sicherheit ist ein anderes Wort für Frieden im Innern.

Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Ich gehe daher davon aus, und ich denke, Sie mit mir, dass unsere schwierigste Aufgabe in der Zukunft sein wird, die Balance zu halten, die wir wahren müssen zwischen Freiheit und Sicherheit. In einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist absoluter Schutz nicht möglich. Jeder, der etwas anderes sagt, lügt. Wir müssen auch in den kommenden Jahren mit einem Restrisiko von Terrorismus leben, aber wir müssen dieses Risiko so gering wir möglich halten. Ich gehe daher davon aus, dass uns der Senator in seinem Beitrag einen umfassenden Bericht über alle präventiven Maßnahmen um die Gefahrenabwehr geben wird, soweit dies in der Öffentlichkeit möglich ist. Ich gehe davon aus, dass das aktive und vernetzte Handeln der zuständigen Behörden unter einer Überschrift passiert: Safety first!

Die Verhinderung eines Anschlags muss vor Erkenntnisgewinnung gehen. Und auch das setzt eine weiterhin enge Zusammenarbeit von Landes- und Bundesbehörden voraus. Sie alle, wir alle haben in den letzten Tagen die ersten Maßnahmen sehen und erleben können, die die Sicherheitsbehörden bereits ergriffen haben: der verstärkte Objektschutz an bestimmten Gebäuden und Einrichtungen, die verstärkte und vermehrte Polizeibestreifung auf Bahnhöfen, Flughäfen oder an öffentlichen Plätzen – denken wir nur an die Weihnachtsmärkte.

Aber das ist, wenn man es ganz eng auslegt, bereits der erste Erfolg der Terroristen. Ziel von Terror ist es, das friedliche, normale Leben einzuschränken, wie es das freudige und unbeschwerte Antreten einer Reise ist. Wenn ich auf dem Bahnhof oder dem Flughafen auf meinen Reiseantritt warte, dann will ich dies ohne Angst und ohne Sorgen tun können. Wenn ich den Weihnachtsmarkt besuche, möglicherweise mit meinen Kindern, dann will

ich das tun ohne Sorge, dass irgendwo eine Bombe explodiert oder ein Selbstmordattentäter auftritt. Und diese Sorge ist es, die mir nun Sorgen macht, die uns Sorgen machen sollte. Denn genau das sollten, das dürfen wir nicht zulassen. Die Gesellschaft darf sich nicht lähmen lassen, darf nicht zulassen, dass Angst und Schrecken Platz greifen.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Terrorismus will, wie es sein Name schon sagt, ein Schreckensszenario, will den Schreckenseffekt erzielen. Die Antwort auf Terrorismus muss heißen, dass wir unser gewohntes Leben fortführen, gleichzeitig aber alles Notwendige für die innere Sicherheit tun. Wir sollten uns gerade angesichts der Bedrohungslage zur Normalität bekennen. Wir sollten, ja wir dürfen nicht denen nachgeben, die unser Zusammenleben in einer freien und offenen Gesellschaft ablehnen, es sogar bekämpfen wollen. Das wird der Staat nicht tun, und – da bin ich ganz sicher – das werden vor allem die Berlinerinnen und Berliner nicht tun.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Hertel! – Für die CDUFraktion hat Dr. Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Juhnke!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einer Woche hat Bundesinnenminister de Maizière für ihn ungewöhnlich eindringlich vor einer konkreten Terrorgefahr in Deutschland und einem möglichen Anschlag noch in diesem Monat gewarnt. Als mögliches Anschlagsziel wurde dabei Berlin genannt. Diese Nachricht erfüllt uns mit Sorge. Jetzt geht es darum, besonnen auf die Bedrohungslage zu reagieren und trotzdem gemeinsam und entschlossen die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Das Zielobjekt des internationalen Terrorismus ist die freiheitlich-demokratische Ordnung der westlichen Welt, unsere Wirtschaft und insbesondere unsere freiheitliche Lebenskultur. Wir alle sollten beherzigen – da bin ich mit Frau Hertel vollkommen einig –, dass wir uns auch in der aktuellen Gefahrenlage weder in unseren Lebensgewohnheiten noch in unserer freiheitlichen Lebenskultur einschränken. Die wahrgenommene Bedrohung sollen die Terroristen nicht als Teilerfolg ihrer Strategie verbuchen können. Mit Wachsamkeit und Ruhe können wir dem entgegenwirken. Wir schließen uns daher auch der Einschätzung de Maizières an, wonach es „Grund zur Sorge, aber keinen Grund zur Hysterie“ gibt.

Jenseits von offen gezeigten Maschinenpistolen, Personenkontrollen und gepanzerten Fahrzeugen gilt es auch noch, die tiefergehende gesellschaftliche Dimension die

ser Bedrohung zu erkennen. Der islamistische Terrorismus fordert unser westliches Wertesystem und unsere Freiheit heraus. Hinter den Terroristen verbirgt sich ein Gesellschaftsbild, das einen Rückschritt in finsterste Zeiten der Obrigkeitshörigkeit, die totale Rechtlosigkeit des Einzelnen sowie insbesondere die Unterdrückung der Frau verkörpert. Der Islamismus ist dem Wertefundament des christlich-jüdischen Abendlands diametral entgegengesetzt. Und weil das so ist, sind wir jenseits verstärkter Taschenkontrollen aufgefordert, auch wieder offensiver unsere Werte der Freiheit, Menschenwürde, Meinungsvielfalt und Gleichberechtigung zu vertreten und zu verteidigen.

[Beifall bei der CDU]

Wir müssen klar Stellung beziehen und uns bewusst sein, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Wir wollen tolerant sein, dürfen aber Toleranz nicht mit Beliebigkeit verwechseln. Toleranz heißt erdulden, aber nicht unreflektiert alles akzeptieren, was unsere Gesellschaftsordnung infrage stellt. Und Toleranz muss dort ein Ende finden, wo sie beginnt, Intoleranz zu dulden.

[Beifall bei der CDU]

Ich darf hier einige Beispiele nennen. Es ist für mich unerträglich, wenn in dieser Stadt bei der sogenannten AlQuds-Demo jedes Jahr Parolen skandiert werden, die den Tod Israels fordern. Wer den Tod Israels, die Vernichtung des Zionismus und des jüdischen Volkes fordert, der hat in der Stadt der Wannseekonferenz und in diesem Land nichts verloren!

[Beifall bei der CDU, der FDP, den Grünen und der Linksfraktion]

Weiterhin müssen wir uns klar wehren, wenn schleichend aus falsch verstandener Toleranz die mit unserer Werteordnung unvereinbare Geißel der Scharia in unsere Rechtsordnung Einzug hält. Es kann nicht sein, dass in Urteilen in Einzelfällen mit dem Hinweis auf die Herkunft des Angeklagten beispielsweise Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe oder Zwangsheiraten in unserem Land toleriert werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir haben uns an viel zu vieles gewöhnt und sind bereit, uns in viel zu vielem in unsere Werteordnung hineinreden zu lassen, so auch beispielsweise bei christlicher Symbolik in der Weihnachtszeit, die mit Rücksicht auf Muslime angeblich besser unterlassen werden sollte. Man kann das alles als unwesentlich abtun. Ich stelle an solchen Beispielen nur fest, dass wir aufpassen sollten, als westlichdemokratische Wertegemeinschaft nicht langsam zu weich und zu passiv zu werden. Ich erwarte auch von den Organisationen der muslimischen Einwanderer in Deutschland eine schnelle und deutliche Distanzierung von islamistischen Scharfmachern.

Worauf müssen wir uns hinsichtlich der akuten Bedrohung einrichten? – Laut Geheimdienstquellen aus den USA sollen zwei Zweiergruppen von in Pakistan ausgebildeten Terroristen auf dem Weg nach Deutschland sein.

Es wird nicht ausgeschlossen, dass schon jetzt sogenannte Schläferzellen aktiviert worden sind. Für denkbar gehalten wird zudem, dass sich zwei Dutzend Terroristen, ebenfalls aus dem pakistanischem Raum, bereits innerhalb der weitgehend grenzkontrollfreien EU-Zone befinden.