Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie an den Hauptausschuss vor. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich komme zum Tagesordnungspunkt 4.4. Das ist die Priorität der Fraktion der SPD, die bereits zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 4.2 behandelt wurde.
Das ist die Priorität der CDU mit dem Tagesordnungspunkt 23. – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU, und Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner hat das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Kinder für ihre Entwicklung Mutter und Vater brauchen, kann man nicht genug betonen. Welchen wichtigen Stellenwert jedoch Väter in diesem Prozess einnehmen, ist erst in den letzten Jahren durch die Säuglings- und Kleinkindforschung klar geworden. So setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass die Väter
für eine gesunde seelische und soziale Entwicklung ihrer Kinder ebenso existenziell notwendig sind wie die Mütter. – Können Sie bitte etwas Ruhe herstellen, Frau Präsidentin?
Meine Damen und Herren! Wenn Sie doch bitte der Rednerin Ihre Aufmerksamkeit schenken möchten! Das hat sie verdient. Ich bitte noch mal um Ruhe!
Das gilt für Kinder aller Altersstufen und beiderlei Geschlechts, aber insbesondere für Kinder und Jugendliche im Übergang zum Erwachsenwerden sowie für die Schnittstellen zwischen Familie und Gesellschaft. In diesen Situationen, wo junge Menschen oft Orientierungslosigkeit und Identitätskrisen ausgesetzt sind, benötigen sie sogar die Väter mehr als die Mütter. Das haben die Wissenschaftler bereits festgestellt. Wie die Väter ihre Kinder in dieser Zeit unterstützen und in die Welt entlassen, davon hängt entscheidend ab, wie sich die Kinder in künftigen Lebensabschnitten und Aufgabenfeldern bewähren.
Dies gilt selbstverständlich in ganz besonderer Weise für Familien mit Migrationshintergrund. Hier können nämlich allgemeine Entwicklungsprobleme von Mädchen und Jungen zusätzlich durch Konflikte belastet werden, die beispielsweise durch andere Rollenverständnisse der Herkunftsgesellschaft geprägt sind und sich im Gegensatz zur Aufnahmegesellschaft befinden. Wir alle kennen die Probleme, die damit einhergehen. Für Außenstehende leisten in diesem schwierigen Prozess die Mütter den größten Teil der Erziehungsarbeit, doch auch hier sind es eigentlich die Väter, die unverzichtbar sind. Sie sind die Bezugs- und Orientierungspunkte insbesondere für die Söhne. Diese ahmen ihre Väter nach, übernehmen deren Einstellung und kopieren Verhaltensweisen. Deshalb tragen Väter mit Migrationshintergrund eine große Verantwortung dafür, in welche Richtung sich ihre Söhne entwickeln. Viele Väter wollen diese Verantwortung ganz bewusst wahrnehmen und warten, darauf angesprochen und einbezogen zu werden.
Diese Erkenntnis sollten sich alle, die mit jungen Menschen arbeiten, ob in Schule, Jugendhilfe oder Freizeitpädagogik besser zunutze machen und ein enges Netzwerk auch mit Vätern auf- und ausbauen,
denn gerade in diesem Bereich braucht es verstärkt männliche Vorbilder, die den männlichen Kindern und Jugendlichen besser helfen können, ihren Weg in unserer Gesellschaft zu finden.
Das gilt vor allem auch für die Integrationsarbeit, in der üblicherweise, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, Mütter und Frauen angesprochen und eingebunden wer
den. Deshalb lassen Sie uns die üblichen Pfade durch weitere ergänzen, indem mit Vätern Angebote für männliche Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund entwickelt und angeboten werden!
Die CDU-Fraktion schlägt vor diesem Hintergrund vor, nach dem Vorbild der Stadtteilmütter ein Projekt Kiezväter ins Leben zu rufen. Wir hätten es auch Stadtteilväter nennen können, doch wir wollten auch mit dem Namen bewusst machen, dass dieses Väterprojekt kein Abklatsch schon vorhandener Konzepte sein soll. Es soll ganz bewusst auf männliche Kinder und Jugendliche ausgerichtet sein, die Hilfe und Unterstützung in besonderen Konfliktsituationen wie beispielsweise in Schule, Ausbildung und Arbeit brauchen. Hier können und sollen Väter als Vorbilder, Vermittler, kritische Begleiter und Wegweiser auftreten.
Vorbilder für eine solche Väterarbeit gibt es in der Schweiz, wo Väter als eine Art Konfliktlotse im Kiez tätig werden. Aber auch in NRW gibt es bereits eine langjährige und erfolgreiche Väterarbeit. In Berlin konnte bereits im Jahr 1997 ein leider wie immer nur befristetes Modellprojekt Kiezväter in Schöneberg starten, das ich damals in enger Kooperation mit einer Grundschule und der Volkshochschule durchführen konnte. Die schon damals erreichten positiven Wirkungen sind sicherlich ein zusätzlicher guter Grund, erneut ein solches Projekt in Angriff zu nehmen.
Trauen wir also den Berliner Vätern mit Migrationshintergrund etwas zu und geben wir ihnen die Möglichkeit, sich aktiv in die Integrationsarbeit vor Ort einzubringen! Das wird allen Seiten guttun. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Demirbüken-Wegner! Das, was Sie eben gesagt haben, unterstütze ich zu 100 Prozent, aber im Antrag steht etwas ganz anderes. Ich versuche, es mal so zu erklären, wie ich es verstanden habe, und dann können wir die Widersprüche sehen, die der Antrag beinhaltet.
Richtig ist, dass wir immer mehr junge Menschen haben – viele mit Migrationshintergrund, männlich –, denen es an Bezugspersonen fehlt. Richtig ist, dass wir deswegen angefangen haben, in vielen Bereichen umzulenken. Wir haben erkannt, dass wir Erzieher brauchen, die jungen Menschen in den Kindergärten und den Schulen ein Vorbild sind. Wir haben erkannt, dass wir z. B. beim Polizeidienst junge Menschen, auch Väter, brauchen, die dort als Vorbilder agieren.
Der Senat wird aufgefordert, nach dem Vorbild der Stadtteilmütter ein Projekt Kiezväter zu initiieren. Ziel dieses Projektes soll es sein, geeignete Väter mit Migrationshintergrund aktiv in die Integrationsarbeit vor Ort einzubinden. Insbesondere sollen die Kiezväter männlichen Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Probleme in Schule, Ausbildung und Alltag helfen.
Wenn Sie die Kiezmütter, die Stadtteilmütter zum Vorbild nehmen, dann erkläre ich Ihnen kurz die Arbeit der Stadtteilmütter, da haben wir ein anderes Aufgabengebiet. Dieses Modellprojekt aus Berlin, das mittlerweile bundesweit zu einem Vorreitermodell geworden ist, ist ein bekanntes Modell, das ganz viele Auszeichnungen erhalten hat, ist ein gutes. Da aber gehen Frauen zu anderen Frauen, sie treffen sich in einer Atmosphäre, bei der man einander vertraut, wo man sich aussprechen kann, sie gehen in die Wohnungen der Mütter und stärken die Frauen in ihren Kompetenzen, damit sie ihre erlernte Kompetenz in die Familie tragen und sie später auch auf die Kinderarbeit einwirken lassen. Man redet mit den Frauen über Themen wie Sexualität, Gewalt in der Familie, man redet mit ihnen in einer häuslichen Atmosphäre und versucht, sie von Frau zu Frau zu stärken.
Was Sie aber hier verlangen, ist nicht das, wovon Sie vorhin in Ihrem Beitrag gesprochen haben. Junge Männer sagen, ich bin Papa, ich habe Erfahrungen, ich gebe meine Erfahrungen an andere junge Leute weiter – das passiert in Berlin! Vielleicht nicht in dem Ausmaß, wie wir es uns wünschen, aber es passiert in Berlin bereits sehr viel. Ein ganz bekanntes Projekt ist das von Kazim Erdogan in Neukölln, der hingeht und sagt: Ich bin da und unterstütze mit meinen jungen Menschen Kinder!
Es gibt noch andere Projekte, z. B. in Spandau, Schöneberg und Kreuzberg. Auch hier sagen junge Leute: Mit meinen Erfahrungen gehe ich hin und unterstütze andere Leute darin, ein Vorbild zu sein. Das, was Sie meinen, hat eine andere Überschrift. Nicht „aktiv Väter unterstützen gemäß dem Projekt der Stadtteilmütter“, sondern Sie müssen es so formulieren, wie ein Antrag der FDP lautete: Vorbilder schaffen! – Das ist das, was Sie im Grunde einfordern. Sie versuchen, Vorbilder zu schaffen, was ja nicht verkehrt ist, was auch getan werden muss, aber es verfehlt die eigentliche Zielsetzung der Stadtteilmütter. Meine Bitte ist: Gehen Sie nach Neukölln, gehen Sie zu Frau Macher oder Frau Rehlinger, erkundigen Sie sich über die Arbeit der Stadtteilmütter! Die Arbeit der Stadtteilmütter ist eine ganz andere, als Sie es hier darstellen.
Wir müssen dennoch an junge Leute anders herankommen, auch zur Bewältigung der Probleme. Deswegen haben wir damals das Thema Pro-Ethik eingeführt – die CDU war, glaube ich, dagegen.
Wir wollten, dass junge Leute gemeinsam mit anderen jungen Leuten auch über das Thema Ethik und Moral diskutieren. Wir haben angefangen, mit Schulstationen und sogenannten außerschulischen Kooperationspartnern in Kontakt zu treten, wo junge Menschen, viele auch mit Migrationshintergrund, anderen jungen Menschen mit Migrationshintergrund ein Vorbild sein sollen. Meine Bitte ist, dass wir uns im Ausschuss ausführlich darüber unterhalten und bis dahin vielleicht noch einmal überlegen, was der Antrag konkret will. Ich biete gerne an, gemeinsam zu den Stadtteilmüttern zu gehen, um einfach mal zu erfahren, was deren wertvolle Arbeit eigentlich bedeutet. Das ist eine wertvolle Arbeit für Berlin und mittlerweile eine wertvolle Arbeit für alle Großstädte Deutschlands. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Saleh! – Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner hat nun das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte sehr!
Ich danke Ihnen für die Einladung, die Stadtteilmütter zu „besichtigen“. Nur ein migrationshistorischer Abriss: Bereits im Jahr 1997 hatte ich die große Ehre, die erste Integrationsbeauftragte im gesamten Bundesgebiet, mit unserer Volkshochschule Tempelhof-Schöneberg und der Neumark-Grundschule die ersten Stadtteilmütter ausbilden zu dürfen.
Ich habe bis heute noch immer Bezug zu ihnen, und am 9. Dezember wird die Stadtteilmüttergruppe aus Tempelhof-Schöneberg in diesen Reihen sitzen – das nur zu Ihrer Information, ich wüsste darüber nicht Bescheid!
Kazim Erdogan entstammt dieser Arbeit – er hat sieben Jahre in Schöneberg gearbeitet, bis er nach Neukölln gegangen ist und dort „Aufbruchväter“ gegründet hat. Das ist ein weiterer Pfad, analog zu unserem Projekt. Das Projekt in Neukölln heißt im Übrigen auch Kiezväter – das zu Ihrer Information. Sie bringen alles durcheinander – Pro Reli, Ethik und so fort. Ich kann Ihnen wirklich nur wärmstens empfehlen: Lassen Sie sich durch die dienstälteste Integrationsbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland informieren und aufklären – ich bin gerne bereit, Sie zu unterrichten!
Vielleicht noch einmal ganz kurz, liebe Frau DemirbükenWegner: Was Sie vorhin gesagt haben, sind Sachen, die wichtig sind. Wir brauchen in dem Bereich noch mehr männliche Vorbilder. Aber lesen Sie Ihren Antrag, der beinhaltet nicht die Kernaufgabe der Stadtteilmütter!