Protocol of the Session on February 22, 2007

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Doering! – Zum Abschluss hat Herr Dr. Lindner das Wort für die FDPFraktion! – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Immer wieder dasselbe alte Muster!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Genau!]

Es werden Arbeitsplätze abgebaut, teilweise müssen Arbeitsplätze abgebaut werden – ich komme noch darauf –, und dann fällt dem Regierenden Bürgermeister und anderen nichts Besseres ein, als sich vor die Werkstore zu stellen, populistische Reden zu schwingen und uns dann heute – es ist immer wieder dasselbe – auch hier mit solchen Schaufensteranträgen zu behelligen. Das war bei Samsung, Bosch, Siemens und CNH so – Populismus, Heuchelei. Es ist nichts anderes als Heuchelei. Ich sage Ihnen, Herr Doering: Seien Sie froh, dass ich dem Wort „Bande“ nicht noch drei Buchstaben vorgestellt habe.

[Beifall bei der FDP]

Es ist Ersatzbefriedigung für Machertum, für Handeln, für entschlossene Standortpolitik.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wir müssen sauber unterscheiden zwischen mikro- und makroökonomischen Betrachtungen. Wir müssen sehen, dass das, was betriebswirtschaftlich in den Unternehmen stattfindet, nichts ist, in das Politik hineinregieren kann. Da gibt es Vorstände, da gibt es Betriebsräte, da gibt es Aufsichtsräte für betriebswirtschaftliche Belange.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Mikroökonomen!]

Und da wird es immer wieder nötig sein, auch Arbeitsplätze abzubauen, um Profitabilität zu erhalten und auf ein internationales Level zu bringen.

Wir haben das bei den Banken gesehen. Da hatten wir beispielsweise die Deutsche Bank. Sie hat sich durch ein strammes Konsolidierungskonzept erhalten und als international wettbewerbsfähige Bank ausgebaut, der nicht die Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen droht. Die HypoVereinsbank hat dieses verschlafen. Sie wurde im Jahr 2005 von Unicredito übernommen. Jetzt haben

wir einen massiven Arbeitsplatzabbau, weg von der Zentrale in München, hin nach Mailand.

Wer das vermeiden will, muss unseren deutschen Unternehmen auch zubilligen, im Rahmen des betriebswirtschaftlich Notwendigen Arbeitsplätze abzubauen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Burgunde Grosse (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Das ist schmerzhaft für die Beteiligten, da brauchen wir gar nicht herumzureden. Das ist auch nichts, was witzig ist oder was man mit kalter Schulter machen kann. Aber das ist nicht etwas, was man unter allen Umständen vermeiden muss, sondern es ist im Einzelfall nötig, um das Unternehmen international zu positionieren und als selbstständiges deutsches Unternehmen zu erhalten.

[Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): So schaffen Sie Arbeitsplätze!]

Herr Dr. Lindner! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Grosse?

Bitte, Frau Grosse!

Schönen Dank! – Herr Dr. Lindner! In der Schule würde man sagen: Thema verfehlt! Sechs! Setzen! – Es geht doch gar nicht darum, dass Arbeitsplätze abgebaut werden, es geht hier um eine Zusage dieses Konzerns, dass nur 500 Arbeitsplätze abgebaut werden. An diese Zusage will man sich jetzt nicht mehr halten. Vor einem Vierteljahr wurde diese Zusage gemacht. Sie können mir doch nicht erklären, dass – –

Bitte stellen Sie Ihre Frage, Frau Grosse!

Ja! – Herr Dr. Lindner! Sind Sie der Meinung, dass Firmen sich nicht mehr an Zusagen halten müssen?

Herr Dr. Lindner – bitte!

Ich finde, Frau Kollegin Grosse, dass sich jeder an seine Zusagen halten muss. Ich halte auch keine Verteidigungsrede für den Abbau dieser Arbeitsplätze. Was ich Ihnen sagen will, ist: Sie können Unternehmen nicht verbieten, das betriebswirtschaftlich Notwendige zu machen, ansonsten geht es auf Kosten von wesentlich mehr Arbeitsplätzen. Es ist auch, für sich betrachtet, dann nicht so schädlich, wenn es in einem intakten Arbeitsmarkt passiert, wo neue Arbeitsplätze entstehen und Menschen, die in einem Unternehmen ihren Arbeitsplatz verloren haben, ohne weiteres in einem anderen wieder eine Stelle finden können. Das gehört zur marktwirtschaftlichen Ordnung dazu. Dann ist es auch nicht problematisch.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Aber in einer Stadt, die von Ihrer Partei so heruntergewirtschaftet wurde wie Berlin, mit 16,6 % Arbeitslosen, ist es ein Problem, wenn ein Unternehmen nach dem anderen dicht macht und die Arbeitsplätze abbaut. Das sind Ihre Arbeitslosen, sie tragen die Farbe Rot.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Politik muss die Rahmenbedingungen herstellen. Darauf haben wir uns zu konzentrieren. Unsere Vorschläge zum Urheberschutz beispielsweise wurden abgelehnt, zur Stammzellenforschung: abgelehnt. Wir müssen uns einmal mit der Landesethikkommission und ihrer fragwürdigen Rolle in diesen Dingen beschäftigen. Und dann kommen die Grünen! Ich sage Ihnen: Die Mitarbeiter von Schering wissen ganz genau, was sie an der Partei Bündnis 90/Die Grünen haben. – Wenn man solche Fragen außer Acht lässt und die Unternehmen mit Steuern und Abgabenerhöhungen traktiert, braucht man sich nicht zu wundern, dass man die Früchte seines eigenen Versagens erntet.

[Zurufe von der SPD]

Dann ist es Heuchelei, sich zu empören, purer Aktionismus.

Grotesk wird die Geschichte, wenn man gleichzeitig einem Investor oder mehreren Investoren, die noch dazu in derselben Branche investieren wollen, wie im Flughafen Tempelhof, den Stuhl vor die Tür stellt, ohne sie anzuhören. Das sind nicht irgendwelche windigen Typen. Das sind die Deutsche Bahn, Langhammer und Lauder – seriöse, potente Unternehmer.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Aber da wollen Sie sich wieder verweigern. Das ist Heuchelei! In keiner anderen Stadt der Welt würden sie so schäbig behandelt werden wie hier in Berlin vom rotroten Senat.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Deswegen stellen wir den Ersetzungsantrag. Jetzt können Sie zeigen, wie Sie konkret etwas für 1 000 Mitarbeiter machen wollen – das ist Zufall, 1 000 Arbeitsplätze sollen da abgebaut werden, 1 000 sollen hier entstehen –

[Zurufe von der Linksfraktion]

und sich nicht damit begnügen, sich einfach vor ein Werkstor zu stellen und lächerliche populistische Reden zu halten, wie Herr Wowereit es heute wieder gemacht hat. Sie nutzen vorderhand nur dem Parteiinteresse. Sich hinzustellen und die Leute ein bisschen aufzuwiegeln und gleichzeitig die Investoren mit fadenscheinigen rechtlichen Argumenten „abzumeiern“ – das bringt überhaupt nichts.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Da wird behauptet, das sei rechtlich nicht möglich. So ein Quatsch! Der Verkehrsflughafen BBI ist eine Geschichte, ein Geschäftsfliegerflughafen – entsteht auch in Brandenburg, da sagte der Kollege Pflüger heute das Richtige – ist eine ganz andere Geschichte. Da wäre eine Gelegenheit zu zeigen, dass es einem ernst ist mit Arbeitsplätzen in der Stadt, und nicht nur reine Spruchbeutelei zum Besten zu geben und populistisch und heuchlerisch aufzutreten.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Stimmen Sie unserem Ersetzungsantrag zu! Damit tun Sie etwas für die Menschen, damit tun Sie etwas für die Mitarbeiter und beschränken sich nicht auf Ersatzbefriedigung. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Der Regierende Bürgermeister hat jetzt um das Wort gebeten. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lindner! Karneval ist vorbei, und Aschermittwochsreden sind auch vorbei.

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Hier geht es um die Existenz von Tausenden von Menschen, die durch Finanzmanipulationen ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ihre Arbeitslosen!]

Das ist diesmal ausnahmsweise nicht ein struktureller Wandel wie bei Samsung – hier ist kein Unternehmen in eine Schieflage gekommen –, sondern hier wurde ein prosperierendes Unternehmen aktienrechtlich übernommen. Es wurden Milliarden € gezahlt, davon haben Aktionäre profitiert. Und die Zeche sollen jetzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen. Das ist die Realität.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion und den Grünen]

Und dieser Realität predigen Sie noch und helfen, dass sie akzeptiert wird. Das ist die Wirtschaftpolitik, die Sie haben wollen – das freie Spiel der Kräfte und keine soziale Verantwortung, keine soziale Marktwirtschaft, wo Unter

nehmen, die riesige Umsätze, riesige Gewinne machen, auch heute noch, auch eine soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und für die Gesellschaft, die es ihnen ermöglicht, diese riesigen Profite für ihre Aktionäre zu erwirtschaften.