Protocol of the Session on September 9, 2010

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Ja, es war damals richtig, die Verbeamtung auszusetzen, aber diesem Beispiel ist kaum ein anderes Bundesland gefolgt. Wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen, dann müssen wir auch diese Frage pragmatisch beantworten und wieder zur Verbeamtung der Lehrkräfte zurückfinden.

[Beifall bei der CDU]

Stellen Sie endlich eine langfristige Personalplanung auf! Sie wissen doch heute, wer in zehn Jahren 65 wird und aus dem Dienst ausscheidet,

[Christoph Meyer (FDP): Das glauben Sie!]

und Sie wissen heute, wer in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren die Berliner Universitäten als ausgebildeter Lehrer verlassen wird. Stellen Sie doch beide Zahlen nebeneinander und planen Sie vernünftig, wen Sie brauchen und in welchen Fachrichtungen Sie noch ausbilden müssen! Stellen Sie endlich eine langfristige Personalplanung auf!

[Beifall bei der CDU]

Ohne genug Lehrer, die motiviert und kompetent sind, kann keine einzige Reform gelingen. Was bringt eine Sekundarschule, in der die bisherigen Hauptschüler statt in einer Klasse mit 12 oder 15 oder 17, nun in einer Klasse mit 25 oder 30 Schülern sitzen? – Nichts!

[Christoph Meyer (FDP): Die ziehen die anderen nach unten!]

Wir brauchen einen echten Praxisbezug und genug Lehrer für die schwächeren Schüler in den Sekundarschulen. Wir brauchen das Duale Lernen und Praxisklassen und zusätzliche Lehrer, denn: Jeder Schüler hat den Anspruch auf ein individuelles Bildungsangebot, das wir ihm machen sollten. Meine Damen und Herren von der Koalition! Auch Sie müssen endlich begreifen, dass das Abschaffen von Haupt-, Real- und Gesamtschule kein Selbstzweck gewesen ist, sondern dass sich in den neuen Schulen für die Schüler etwas verbessern muss.

[Beifall bei der CDU]

Sie können aber noch so viel in die Oberschulen investieren – wenn wir uns nicht früher um die schwächeren Schüler kümmern, werden wir später nichts mehr erreichen.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Auf den Anfang kommt es an – eine Binsenweisheit, doch hier liegt bei Ihnen sehr viel im Argen. Zum wiederholten Male hat Berlin bei dem VERA-Vergleichstest desaströs abgeschnitten. 60 Prozent liegen auf der untersten Kompetenzstufe – und das nach der Einführung Ihrer Kitabeitragsfreiheit und der brachialen Einführung der jahrgangsübergreifenden Schulanfangsphase, Frau Tesch. Offenbar geht das an dem Problem vorbei, und das müssen Sie endlich einmal begreifen in dieser Stadt!

[Beifall bei der CDU]

Wir als CDU haben schon vor zwei Jahren die Kita- und Vorschulpflicht für alle Kinder mit vier Jahren gefordert, und im Gegensatz zu Ihrem Sommertheater haben wir es auch vor zwei Jahren schon ernst gemeint. Die SPD meint es nicht ernst und hat keine vernünftigen Vorschläge, wie sie die Sprachförderung verbessern will. Wir brauchen eine Sprachförderklasse, davon sind wir fest überzeugt, in der alle Kinder mit Sprachdefiziten vor Eintritt in die Regelklasse gehen müssen. Das wäre jedenfalls eine gute Grundlage für die weitere Integration, die darauf aufbauen kann.

Wir haben zu lang nur Angebote gemacht, nun müssen wir im Interesse der Gesamtgesellschaft und jedes einzel

nen Kindes dieses in die Pflicht nehmen – im Zweifel auch gegen den Willen der Eltern.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Ich hoffe nicht, dass alle SPD-Senatoren, wenn Sie aus dem Amt scheiden, danach schlaue Bücher schreiben über das, was sie besser im Amt getan hätten.

[Gelächter bei der CDU]

Wir brauchen heute richtiges Regierungshandeln dieses Senats, keine Bücher danach!

[Beifall bei der CDU]

Wir werden aufpassen, ob Sie es darauf beruhen lassen, Ihren Ex-Senator aus der Partei zu werfen, oder ob Sie auch auf die Tausenden von E-Mails der Bürgern schauen werden und diese ernst nehmen. Hören Sie endlich auf, die Entwicklung in der Stadt einfach zu ignorieren, meine Damen und Herren von der SPD!

[Beifall bei der CDU]

Mit einer erfolgreichen Schullaufbahn wäre für die Integration schon viel erreicht; auch deshalb muss die Bildung besser werden in Berlin. Schönreden, durchlavieren, an der Bildung sparen, unbequeme Themen einfach wegdrücken – all das muss in dieser Stadt ein Ende haben!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Steuer! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es nicht explizit im Thema der Aktuellen Stunde genannt ist, sondern es um den Start der Sekundarschulen und um Integration durch Bildung gehen soll, will ich zunächst etwas zur Lehrerausstattung zum Schulstart sagen, ich glaube, das wird auch erwartet.

Ja, es stimmt, dass wir hinter den allseits gewürdigten Stand des letzten Jahres bei der Vorbereitung des Schuljahres zurückgefallen zu sein scheinen; Blumen – wie im letzten Jahr – hat es dieses Mal nicht gegeben. Auch wenn unsere Gespräche mit Eltern, Lehrerinnen und Lehrern – die Koalition hatte dazu eine Hotline geschaltet – durchaus nicht ergeben haben, dass flächendeckend Lehrer fehlen, so haben sie doch ergeben, dass es an einigen Schulen durchaus erhebliche Probleme gegeben hat. Nun hat die Schnellabfrage der Senatsverwaltung in dieser Woche ergeben, dass es im Durchschnitt eine annähernd hundertprozentige Ausstattung mit Lehrkräften gibt. Das ist wichtig, weil es die Voraussetzung dafür ist, dass auch an den einzelnen Schulen genug Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen, aber es hilft natürlich der einzelnen Schule wenig, die zum Start zu wenig Lehrer hat. Deshalb erwarten wir, dass nun schnell und im Einzelfall nach

gesteuert wird, aber wir erwarten natürlich auch, dass für die Zukunft Schlussfolgerungen gezogen werden. Dafür muss genau und im Einzelfall geprüft werden, worin die Ursachen für die fehlenden Lehrkräfte gelegen haben, damit man sie auch beheben kann. Man muss sicherlich auch einräumen, dass, wenn am ersten Schultag festgestellt wird, dass Lehrer erkrankt sind, nicht sofort Ersatz da sein kann. Aber vielleicht kann man mal darüber nachdenken, ob es nicht möglich ist, das auch eine Woche vor Schulstart festzustellen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Jedes Jahr derselbe Ärger!]

In jedem Fall brauchen wir einen früheren Einstellungstermin für Lehrerinnen und Lehrer, das hat der Senat zugesagt. Die Absolventen, die erst nach einem solchen Einstellungstermin ihren Abschluss machen, müssen wir durch Vorverträge an das Land Berlin binden können.

Sodann brauchen wir bessere und frühere Prognosen. Es ist zwar nicht überraschend, dass das Instrument der Schülerdatei noch nicht gegriffen hat – das ist eine komplizierte Materie, wir wussten das vorher und haben auch vorher im Ausschuss darüber geredet. Aber ärgerlich ist es angesichts der politischen Blessuren, die wir uns geholt haben, als wir die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen haben, natürlich schon – ich weiß, wovon ich rede.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mutlu?

Nein, danke. – Der Schulstart muss im nächsten Schuljahr besser werden, und dafür gilt es einiges zu tun.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme nun zum eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde, dem Start der Schulreform. Die Grünen kommen in der Überschrift gleich zu dem Ergebnis, sie sei mangelhaft. Das verwundert. Das verwundert zum einen, weil der Kollege Mutlu, der bildungspolitische Sprecher der Grünen, im Fachausschuss vor einer Woche noch zu einer ganz anderen Einschätzung kam. Da hat er natürlich sehr deutlich gesagt, dass der Schulstart insgesamt nicht gut gelaufen ist, hat dies aber sehr deutlich vom Start der Schulreform unterschieden und hatte dort im Konkreten relativ wenig zu meckern.

Die Grünen müssen jetzt einmal erklären, wie sie zu dieser Änderung der Einschätzung gekommen sind und was sich inzwischen geändert hat. Mir scheint, dass die Thesen umso steiler ausfallen, je besser die Umfragen sind.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Zum Zweiten verwundert diese Einschätzung, weil man über ein Gelingen der Reform wenige Tage nach ihrem Start natürlich noch gar nichts sagen kann. Was kann man zum Start der integrierten Sekundarschulen sagen? – Es

gab in der Tat Probleme bei nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen. Das ist nicht verwunderlich. Wir haben ein riesiges Umbauprogramm, über das wir uns freuen. Wir freuen uns, dass dies möglich ist. Dass es zu Verzögerungen in den Bezirken kommt, kann uns nicht überraschen. Es ist aber nicht akzeptabel, dass zuständige Stadträtinnen und Stadträte in den Bezirken erst kurz vor Schuljahresbeginn feststellen, dass die Schule nicht fertig wird. Das darf in der Tat nicht sein.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Christian Gaebler (SPD): Namen, Parteien!]

Was ist darüber hinaus zwei Wochen nach Beginn des Schuljahres zum Thema Schulreform feststellbar. Feststellbar ist, dass die Reform, was den Gegenstand der Reform betrifft, bisher ohne das weithin prognostizierte Chaos stattgefunden hat. Im Gegenteil: Es gibt etliche Schulen, die sich mit großem Engagement an die Neuorganisation der 7. Klassen und an die Neugestaltung der Lernprozesse herangemacht haben. Es gibt natürlich auch Schulen, in denen dies schwieriger anläuft. Es gibt auch Schulen, die für den Start der Schulreform mehr Anleitung und Unterstützung von der Bildungsverwaltung erwarten. Das ist aber nicht das Chaos, das angesichts der großen Veränderungen und der hohen Ansprüche, die mit der Schulreform einhergehen, von vielen prognostiziert worden ist. Wir freuen uns auch, dass drei Gemeinschaftsschulen zu diesem Schuljahr starten. Das zeigt, dass es auch an diesem Punkt weitergeht.

Nein, das ist alles kein Grund zur Panikmache. Es ist aber ein Grund, die Umsetzung der Schulreform auch als eine politische Gestaltungsaufgabe weiterhin zu verstehen, die Vorbereitung der Schulen auf die Schulreform, Fortbildungen, Unterstützung und Begleitung bleibt beständige Aufgabe, die im Sinne der Qualitätssicherung bei den Reformen durch die Schulverwaltung gewährleistet wird. Aus der Umsetzung der Sekundarschule in der jetzigen Jahrgangsstufe müssen wir Schlüsse für die Weiterentwicklung ziehen. Verlässlichkeit, Unterstützung und Begleitung war uns wichtig bei der Konzeption der Reform. Das erwarten wir auch jetzt.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

In der derzeitigen Debatte rund um Sarrazin gibt es eine Figur, die besonders ärgerlich ist: Die allzu bedenkenlos von vielen übernommene Unterstellung der Populisten, außer ihnen würde niemand über Probleme bei der Integration reden. Diesen Pappkameraden darf man nicht auf den Leim gehen. Sehr verehrte Frau Pop! Vielleicht ist es ein Missverständnis, wenn Sie über das Wegducken der SPD in Integrationsfragen geredet haben. Sie sollten darüber nachdenken, ob nicht genau das passiert, dass diesen Pappkameraden auf den Leim gegangen wird.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nein! Wir wehren uns dagegen, dass Menschengruppen für genetisch dumm erklärt werden. Wir wenden uns

gegen eine rassistische Ausgrenzungsrhetorik, die zu gelungener Integration nichts beiträgt.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber natürlich wissen wir – wir sagen das auch –, dass wir erhebliche Probleme dabei haben, Bildungserfolge und Arbeitsmarktchancen für Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund zu realisieren. Wir wissen um die zentrale Rolle der Bildung für die Integration. Wir wissen um den Handlungsbedarf, den wir haben. Deswegen geben wir hierfür trotz angespannter Haushaltslage im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht weniger, sondern Jahr für Jahr mehr aus.