Vielen Dank, Herr Abgeordneter Melzer! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Klemm das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Melzer! Da haben Sie gerade noch die Kurve bekommen, indem Sie gesagt haben, dieser Senat scheine die Sachen nicht so hinzubekommen.
Die Koalitionsfraktionen in diesem Haus haben den Senat zur grünen Wirtschaft in Berlin viel gefragt. Der Senat hat umso mehr zu beantworten. Nun stehe zumindest ich vor dem Problem, dass es in fünf Minuten einigermaßen schwierig und eigentlich nicht möglich ist, auf alle Punkte einzugehen, die Gegenstand der heutigen Beratung sein sollten. Deshalb erfolgt schon vorab an alle Kollegen im Haus, die das noch nicht getan haben, die Anregung, sich die Beantwortung der Großen Anfrage in Ruhe durchzulesen. Es lohnt sich wirklich, die 22 Seiten zu lesen.
Die Antwort zeigt, wie gut Berlin aufgestellt ist. Berlin und namentlich die Berliner Wirtschaftsverwaltung haben die Zeichen der Zeit schon früh erkannt. Der Senat hat rechtzeitig und mit den richtigen Schwerpunkten den Rahmen für eine grüne Wirtschaftspolitik in Berlin gesetzt. Das zeigen die Unternehmens- und Beschäftigungszahlen. Das zeigen die wirtschafts- und innovationspolitischen Schwerpunkte wie Energietechnik, Wassertechnik, Nanotechnologie und erneuerbare Energien. Das Netzwerk Green IT arbeitet schon seit fast drei Jahren erfolgreich. Themen, Branchen, Fördermittel, Veranstaltungen – alles folgt dem Ziel, eine moderne Industrie- und Dienstleistungsmetropole zu entwickeln, die energieeffizient und ressourcenschonend innovative Produkte und Dienstleistungen anbietet. Berlin ist eine Metropole grüner Technologien. Das schafft mehr Arbeitsplätze und vor allem auch mehr Lebensqualität. Etwa 5,1 Prozent aller Beschäftigten in umwelttechnologiebezogenen Branchen in Deutschland arbeiten jetzt schon in Berlin. Das sind rund 42 000 Personen in über 500 Unternehmen.
An der Stelle, Herr Melzer, sei mir noch der Hinweis erlaubt, Green Economy zum Wirtschaftscluster zu machen: Grüne Technologien sind eben keine Branche, in denen wir die Cluster haben. Grüne Technologien durchziehen viele Branchen wie Biotechnologie, Energie- und Wassertechnik, Optik und Mikrosysteme. Deshalb kann Green Economy auch nicht einfach ein Fördercluster sein, wie Sie es sich vorstellen. Dass, Herr Melzer, die CDU in Berlin gerade der Vorreiter in Umwelttechnik und Vorreiter in E-Mobility ist – ich denke dabei nur an die Debatte um die Flughafenschließung in Tegel –, darüber lachen wirklich die Hühner hier im Haus, wenn Sie das behaupten.
Berlin ruht auf diesem Weg nicht aus. Berlins gesamte Wirtschaftsentwicklung muss in Richtung grüner Technologien und Industrien forciert werden. Ein Schwerpunkt
dabei ist die Entwicklung ressourcenschonender Mobilitätskonzepte. Wir wollen sichtbar Elektromobilität auf die Straße bringen. Dabei gehören neue Technologie für elektrobetriebene Fahrzeuge und die Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien unbedingt zusammen. Die Zukunft gehört Produkten und Technologien, die umweltfreundliche Energien nutzen und speichern, die zur Energieeffizienz beitragen und die die Rohstoff- und Materialeffizienz erhöhen.
Die Zukunft gehört der Kreislaufwirtschaft, einer nachhaltigen Wasserwirtschaft und einer nachhaltigen Mobilität. Dieser Gedanke durchzieht in Berlin nicht nur die Wirtschaftspolitik, sondern mehr und mehr auch die gesamte Gesellschaft, also die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Gewerkschaften, auch die Bürgerinnen und Bürger. Vorhin hatte ein Vorredner schon auf die im November 2009 durchgeführte Wirtschaftskonferenz Green Economy hingewiesen. Der Innovations- und Industriestandort Berlin mit seiner besonderen Wirtschafts- und Wissenschaftsstruktur hat gute Voraussetzungen und erhebliche Potenziale, um auf diesem Gebiet noch erfolgreicher zu werden.
Eine nicht ganz unwichtige Fraktion in diesem Haus hat kurz vor Ende der Sommerpause Schwerpunkte für das Wahljahr 2011 festgelegt. Danach sollen Klima- und Umweltinvestitionen in der Berliner Wirtschaft gestärkt werden. Grüne Industrien sollen die Basis für einen umfassenden Wandel der Industriegesellschaft sein. Berlin soll Hauptstadt der neuen Energien werden. Auch ein Verkehrskonzept und E-Mobility sind vorgesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Wir schreiben das nicht nur in Programme, wir machen das in Berlin bereits. Berlin macht grüne Wirtschaftspolitik auch ohne Grüne in der Regierung. Darüber sollten Sie sich freuen – und natürlich auch das ganze Haus. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klemm! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Ratzmann das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Klemm! Ich freue mich auch. Ich freue mich wirklich, dass hier so große Einigkeit darüber besteht, dass wir eine ökologische Industriepolitik machen wollen und sollen und dass wir Green Economy in dieser Stadt wirklich ausbauen und quasi zu einer Leitbranche für die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Stadt ausbauen wollen. Ich freue mich auch, dass es nicht nur darum geht, den wirtschaftlichen und ökonomischen Aspekt hier betont zu sehen. Herr Wolf, der Wirtschaftssenator, hat die Herausforderungen, die vor uns stehen, auch richtig beschrieben. Wir sind weltweit
gefordert, unsere Ökonomien umzubauen. Wir sind weltweit gefordert, unsere Wirtschaftssysteme auf LowCarbon-Emission auszurichten. Wir sind aufgefordert, etwas dafür zu tun, dass der Klimaschutz im Vordergrund all unseres Handelns und Wirtschaftens steht. Da sind auch gerade wir Städte an vorderster Front gefordert, hier voranzugehen, weil wir genau wissen, dass wir im internationalen Maßstab – das haben wir in Kopenhagen sehr deutlich gesehen – keine großen Hoffnungen haben können, dass internationale Rahmensetzungen hier auch die entsprechenden Weichenstellungen vornehmen werden.
Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass sich Berlin auch Initiativen und Zusammenschlüssen anschließt, um genau diese Aufgabe zu bewerkstelligen und voranzugehen. Wir müssen schnell handeln. Wir müssen zielgerichtet handeln. Wir müssen auch strategisch handeln.
Wir müssen einfach sehen, dass dieser Umbau notwendig ist. Er bringt aber auch große Chancen für eine Stadt wie Berlin mit sich. Es ist einer der größten Wachstumsmärkte, die in der nächsten Zeit Chancen bieten, sich ökonomisch weiterzuentwickeln. Billionen von Euro werden weltweit investiert werden. Wir werden die Innovationskraft brauchen, die in der Wirtschaft steckt, um neue Technologien zu entwickeln. Wir werden die Innovation brauchen, um mehr Energie zu sparen. Wir werden die Innovation brauchen, um neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Es geht nicht nur darum, einen Elektromotor in ein Auto zu hängen, sondern modulare, aufeinander aufbauende Konzepte zu entwickeln. Wir werden die Technologien und Innovationen brauchen, um Energie anders zu produzieren, um diesem Wahnsinn der Atomwirtschaft endlich ein Ende zu setzen und dem, was uns die schwarz-gelbe Regierung gerade in dieser Woche wieder präsentiert hat.
Es ist die Chance für Berlin, mit Green Economy, ökologischer Industriepolitik, neben der Kreativwirtschaft und neben der Gesundheitswirtschaft ein weiteres Standbein aufzubauen. Aber das erfordert eine Strategie, eine politische Strategie und Vernetzung von Akteuren und politisch Handelnden. Ich glaube, Herr Senator, wenn man sich die Antwort auf die Große Anfrage anschaut, wird eines ganz deutlich: Eine Strategie des Senats für eine ökologische Industriepolitik und Green Economy gibt es heute noch nicht. Die gute Ausgangslage in Berlin, Sie haben sie zu Recht beschrieben, können wir nicht aufgrund der Senatspolitik, sondern trotz der Senatspolitik konstatieren. Die wirtschaftlichen Akteure haben sich trotz der Senatspolitik in diesem Bereich so weit nach vorn entwickelt. Es ist jetzt höchste Eisenbahn, nicht nur die einzelnen Felder aufzuzählen, wie Sie es in der Beantwortung der Großen Anfrage gemacht haben, sondern ein Leitbild zu entwickeln und es mit Leben zu erfüllen.
Ich kann es nicht sehen, weil in Ihren eigenen Initiativen und Ankündigungen das Thema Green Economy stief
mütterlich behandelt wird. In Ihrer Wachstumsinitiative kommt es gar nicht vor. In dem Masterplan Industrie musste es jetzt erst mit Mühe und Not hineingeboxt werden. Das Klimaschutzgesetz – das ein zentraler Baustein für diese Entwicklung werden wird – sehe ich noch nicht auf einem guten Weg. Frau Lompscher hat uns heute gerade den Dissens mit der SPD auf dem Tablett serviert. Wo soll das Gesetz also herkommen? Ich glaube, wer in Fragen der Mobilität einfach nur auf den STEP Verkehr verweist, wie Sie es in Ihrer Großen Anfrage gemacht haben, hat von einer strategischen, ökologischen Planung in der Verkehrspolitik noch nicht viel gehört.
Sie haben zu Recht die Netzfrage angesprochen. Das wird ein großes Thema werden. Ich erinnere Sie daran – wahrscheinlich wissen Sie es noch –, dass wir bereits 2006 darauf hingewiesen und gefordert haben, die Konzessionsverträge zu kündigen und wieder die Kontrolle über die Netze zu bekommen. Darin liegt ganz großes Potenzial. Ich finde es richtig, wenn Sie jetzt sagen, dass dort wieder kommunale Steuerung hinein muss. Aber wir müssen dann auch handeln und anfangen, die Schritte zu gehen. Diesbezüglich sehe ich noch nicht so viel auf ihrer Seite.
Ich weiß nicht, ob die Ankündigung, dass das jetzt Chefsache geworden ist – Herr Melzer, Sie haben es betont –, einen hoffnungsfroh stimmen soll. Neben Integration, Bildung, Klimaschutz, Kultur und was noch alles Chefsache ist, was nicht Markenzeichen dafür gewesen ist, dass sich die Dinge positiv entwickeln – –
Ich glaube, wir alle müssen die nötigen Impulse geben. Wir jedenfalls werden dieses Thema weiter für wichtig erachten. Für uns ist ganz klar: Berlin muss die Hauptstadt für ökologische Industriepolitik und Green Economy werden. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurzinterventionen sollen nur kurz sein. Deshalb, Herr Ratzmann, nur ein Satz: Wenn etwas schlecht läuft, ist der Senat schuld. Ich habe Probleme damit, wenn irgendetwas in dieser Stadt gut läuft, dass es dann immer heißt: trotz des Senats. Das lassen wir Ihnen nicht weiter durchgehen. Bei
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ratzmann! Jetzt enttäusche ich Sie sicher nicht gerade, aber wir sind tatsächlich nicht einer Meinung. Ich werde gleich ausführen, weshalb wir uns deutlich unterscheiden.
Zunächst einmal zu der Großen Anfrage. Ich habe diese mit großem Interesse durchgearbeitet und finde es schade, diese vielen dort enthaltenen Aspekte, die jedoch nicht zu Ende geführt worden sind, in fünf Minuten abhandeln zu müssen, und überlege, inwieweit wir Gelegenheit haben, Teile davon vertieft im Wirtschaftsausschuss nachzuarbeiten. In der Tat ist diese Antwort, das bitte ich Senator Wolf, in seine Verwaltung mitzunehmen, sehr bemerkenswert, detailliert und sehr lesenswert – zumindest für diejenigen, die das Thema interessiert.
Es gibt zwei Aspekte, die ich hier gern ansprechen möchte: das ist die verwandte Begrifflichkeit und des Weiteren ein Statement zur Nachnutzung von Tegel.
Allein der Titel „Ökologische Industriepolitik: Bedeutung der Green Economy für Berlin“ wirft die Frage auf: Was ist Industriepolitik und was ist eine ökologische Industriepolitik? – Industriepolitik ist in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Westeuropa intensiv im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss von Wirtschaftsräumen diskutiert worden. Damals gab es aus ordnungspolitischem Verständnis heraus Vorbehalte gegen eine Industriepolitik, weil sie immer ein Problem mit sich bringt: Sie fördert selektiv bestimmte Politik- und Wirtschaftssegmente. Das kann nicht im Interesse einer gesamtwirtschaftlichen Förderung liegen.
Sehr erschreckend ist für mich, dass diese Diskussion von vor 60 Jahren heute seit einigen Jahren wieder von den gleichen Ländern wie damals befeuert wird: vor allem von Frankreich und Italien. Wenn diese Länder in ihre Wirtschaftsgeschichte schauten, stellten sie fest: Der Eingriff des Staates durch Industriepolitik hat à la longue
dazu geführt, dass die davon betroffenen Unternehmen international nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen sind. Das ist eine der Miseren der französischen Wirtschaftspolitik der 70er- und 80er-Jahre gewesen.
Es ist immer in die Unternehmen hineingegriffen und auf der anderen Seite künstlich Protektionismus hochgezogen worden. Sarkozy ist auf der gleichen Linie. Das ist genau der falsche, nämlich kein liberaler Weg.
Darüber können wir uns gern auseinandersetzen, Herr Brauer. Ich meine es schlicht und einfach als ein Verhalten von ordnungspolitischem Sachverstand. Der ist nun einmal leider weder bei den französischen Politikern noch unbedingt bei der Linken groß gesät.
Ich möchte einen weiteren Aspekt nennen, den ich für wesentlich erachte, auf den aber gar nicht eingegangen wird. Was soll eine „ökologische Industriepolitik“ sein? – Das ist nichts weiter als eine Worthülse. Das ist eine Worthülse, die man gut verkaufen kann: Wir machen jetzt eine ökologische Industriepolitik. – Definieren Sie, was daran ökologisch ist. Weshalb nicht eine gerechte, eine gegenderte oder was für eine Industriepolitik auch immer