Protocol of the Session on June 17, 2010

Wir haben von Ihnen nichts gehört. Es bleibt alles, wie es ist, und dafür geben wir eine Menge Geld aus. Kein Wort zur Struktur! Die Infrastrukturkosten der Charité von 60 Millionen Euro, die über InEK liegen, bleiben weiter, das kostet den Steuerzahler, kostet die Krankenkassen, kostet im Endeffekt auch den Patienten sehr viel Geld – für nichts. Dazu haben Sie keinerlei Antworten gegeben, nicht ein Wort dazu, wie Sie die Defizite langfristig wirklich abbauen wollen. Sie sagen, wir investieren jetzt hier, damit der Putz nicht mehr von der Decke fällt. Ein Krankenhaus in Mitte, der Neubau, auch da kein Wort dazu, wie das jetzt eigentlich weitergehen soll. Frau Schillhaneck hat hier genau richtig angemerkt, dass davon schon 80 Millionen Euro in die Vorklinik eingepreist sind. Auch das hat mit dem Hochhaus in Mitte nichts zu tun. Insofern erzählen Sie uns hier nicht, Sie hätten hier den großen Wurf gemacht!

Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr Kollege Albers hier immer zur Sache spricht,

[Martina Michels (Linksfraktion): Ist ja auch unser Doktor!]

seltsamerweise ideologiefrei bei diesem Thema, denn Sie haben vieles richtig gesagt.

[Martina Michels (Linksfraktion): Der weiß, wovon er redet!]

Sie haben gesagt, dass Vivantes – eben der zweite große Block in Ihrer Aktuellen Stunde, von dem hier sonst wenig die Rede war – hier auch nicht mehr länger aus eigener Kraft belastet wird. Aber wo sind da Ihre Antworten? – Keine einzige, ich habe nichts gehört. Das heißt, wir haben zwei Unternehmen: Dem einen geht es so weit gut, dass es in den letzten Jahren eine politische Null geschafft hat. Das hat aber auch viel damit zu tun, dass es tatsächlich ein reines Krankenhausunternehmen ist. Aber auch hier waren die Leistungen der Mitarbeiter und des Vorstands enorm. Sie waren extrem. Aber sie hatten halt bessere Chancen, eine bessere Ausgangslage. Nur nachhaltig ist die Finanzierung eben auch nicht. Wir wissen, was passiert, wenn in Neukölln eine größere Sanierung ansteht usw. Die Probleme von Vivantes werden hier de facto nur unter den Tisch gekehrt und einfach totgeschwiegen aufgrund der Prominenz der Charité. Davon haben wir übrigens auch nichts gehört, Herr Oberg.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt noch einmal zum Thema Charité: Sie haben unser Konzept als „weiß nicht was“ bezeichnet, war auch nicht so nachhaltig. Sie werden von vielen, von sehr vielen Leuten, die sich sehr genau damit auskennen, hören, dass die Struktur, die wir in der Charité haben, eigentlich eine aufgezwungene, keine natürliche ist – es war ja keine Evolution, wie Sie es meinten, sondern was Sie im Moment betreiben, ist eher die Evolution nach dem Dinosauriermodell, irgendwann kommt der Blitz, und alles ist weg.

[Lars Oberg (SPD): Komet!]

Ja, der Komet. Danach waren die Dinosaurier nicht mehr da, genau das haben Sie uns hier als Evolution verkauft.

[Lars Oberg (SPD): Sie sind der Komet!]

Das machen Sie besser als Komet, irrlichtern.

[Beifall bei der FDP – Lars Oberg (SPD): Sie sind maximal eine Sternschnuppe!]

Wenn Sie wirklich nachhaltig die Charité und die Struktur der Charité verändern wollen, müssen Sie einen Schnitt machen, müssen Sie sich entscheiden, Vivantes die normale Regelkrankenversorgung zu überlassen, und der Charité genau das geben, was ihre Stärke ist, die Maximalversorgung, Forschung und Lehre. Diesen Schritt hätten Sie gehen oder zumindest einen Weg dorthin weisen müssen, das haben Sie aber nicht getan.

Denn dann könnten wir uns weiter darüber unterhalten, was mit den Standorten passiert. Die Standortdebatte ist eine reine Phantomdebatte. Es geht hier ums Grundsätzliche. Aber diese Diskussion wollen Sie ja nicht führen. Wahrscheinlich sind Sie auch noch nie auf die Idee gekommen, diese Diskussion zu führen. Aber wenn wir hier nachhaltig etwas für die Charité, für Vivantes tun wollen,

dann müssen wir hier genau diese Entscheidung treffen. Die Charité ist für Universitätsmedizin, Maximalversorgung, Forschung und Lehre da. Das ist ihre Aufgabe. Das ist auch der Sinn, warum wir uns als Land so ein Unternehmen halten. Es ist nämlich eigentlich der Impulsgeber für das, was wir hiermit erreichen wollen, den Gesundheitswirtschaftsfaktor in dieser Stadt viel mehr zu stärken.

Wir haben nicht so viel Wirtschaft, die wirklich nachhaltig ist. Gesundheitswirtschaft hat sehr große Chancen und Perspektiven, gerade hier in Berlin. Aber die vergeigen Sie hier gerade mit Ihrer Einfach-weiter-so-und-schauenwir-mal-was-passiert-Taktik. Das machen Sie nicht nur so bei der Charité, das machen Sie beim ICC und bei der A 100. Da kann man zig Beispiele nennen, wie Sie einfach weiter taktieren. Wenn wir uns hier klar sind, dass wir eigentlich diesen Schnitt brauchten, dann ist es eigentlich auch konsequent zu sagen, dann brauchen wir auch keine drei Standorte mehr für Forschung und Lehre, dann reicht einer. Und genau das ist das Konzept der FDP und nicht irgendeine Abbruchbirne oder was Sie in Ihrem ideologischen Sprech dort von sich geben.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Denn wir haben, Herr Oberg, tatsächlich das Unternehmen Charité im Auge und nicht nur Ihre Wahl 2011. Das muss man ganz klar sagen.

[Lars Oberg (SPD): Na, bei 4 Prozent!]

Warten Sie es ab, Herr Oberg!

Aber ich möchte mich noch mal ganz kurz zu dem Antrag der Koalition einlassen. Es ist ja schon interessant, was Sie hier machen. Sie sagen, die Fusion des Großlabors Vivantes-Charité ist jetzt mal ein großer Wurf, das ist doch mal ein Beispiel für Kooperation. Wir können hier alle Brief und Siegel abgeben, es wird kein großer Wurf, es wird ein wahrscheinlich eher problematisches Thema in dem nächsten Jahr werden, vielleicht auch erst in zwei Jahren. Wir werden es sehen. Aber was Sie hier machen, das ist schon sehr bemerkenswert. Sie wollen einem neu zu gründenden Unternehmen von vornherein untersagen, Investitionsmittel einzuwerben und zu bekommen. Was für ein Verständnis von Unternehmen haben Sie eigentlich? – Scheinbar keines! Das ist doch die Grundlage dessen, es muss investiert werden. Und wir wissen auch, dass wir im Abgeordnetenhaus im Land Berlin nicht irgendwie ständig wieder mit dem Geldsegen da nachschicken.

[Lars Oberg (SPD): Sie wollen privatisieren, wir nicht!]

Es hat ja noch nicht mal etwas mit Privatisierung zu tun. Herr Bovelet von Vivantes hat einen ganz klaren Satz gesagt: Lass uns doch Vivantes als Kapitalgesellschaft machen, das Land Berlin als hundertprozentiger Eigner! – Es hätte keinerlei Auswirkungen, es hätte aber Auswirkungen auf die Investitionsfähigkeit von Vivantes.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Genau da wollen Sie hier schon wieder mit der Machete reinhauen: Auf gar keinen Fall! – Das ist doch eine rein ideologische Frage, die Sie hier beantworten. Sie wollen auf keinen Fall privates Geld anfassen. Das Wort „privat“ tut irgendwie körperlich weh. Ich verstehe es nicht.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie müssen dieses Geld bezahlen! – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Was Sie hier die ganze Zeit treiben, Sie verschwenden Steuergeld, Sie verschwenden Kassengeld, Sie verschwenden Geld ohne Ende und sagen dem Steuerzahler: Das muss so sein, denn wenn wir hier privates Geld in die Unternehmen holen, dann geht für euch die Welt unter, dann gehen hier die Lichter aus, dann ist der Weltuntergang und – jetzt können alle wieder wach werden – das schwarz-gelbe Ungeheuer an der Macht.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Jetzt sagen Sie mir aber, wie Sie die Zukunft gestalten wollen. Heute haben Sie nichts gesagt. Herr Albers hat viele Probleme angesprochen, die man noch zu lösen hat, hat aber auch nicht gesagt, wie man sie finanziert. Von Ihrer Dampfplauderei mal ganz abgesehen! Da ist ja nun gar nichts gekommen. Sie haben keinerlei Konzepte, keinerlei Angebote gemacht, wie es hier weitergehen soll, berufen dazu auch noch eine Aktuelle Stunde ein, und das war jetzt Ihr großer Sieg über die Unbilden des Lebens. Ich kann nur sagen, ich spare Ihnen jetzt die letzten Worte.

[Lars Oberg (SPD): Danke!]

Machen Sie nicht weiter so, denn es kommt diese Stadt teuer zu stehen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Gersch! – Das Wort für den Senat hat Senator Prof. Zöllner. – Bitte schön!

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Charité ist Eckpfeiler für die wissenschaftliche Exzellenz und die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt in Richtung Gesundheitsstadt. Aus dieser Überzeugung heraus steht das Land Berlin – übrigens im Gegensatz zu anderen Ländern – auch zu dieser finanzpolitischen Schwerpunktsetzung. Das bedeutet im Klartext, dass in der derzeitigen Situation – – Ich glaube, auch einige Redner an diesem Nachmittag haben vergessen, in welcher finanzpolitischen Situation wir uns insgesamt in dem öffentlichen Haushaltsbereich befinden,

[Zuruf von der Linksfraktion: Und warum!]

zu einem Zeitpunkt, in dem z. B. ein anderes Land bei einer ähnlichen Diskussionslage nicht nur sein Universitätsklinikum verkaufen will, sondern sogar so weit geht, seine Häfen zu veräußern. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit, die Charité sofort wieder handlungsfähig in Bezug auf Investitionen zu machen und ihr letzten Endes Planungssicherheit über die Legislaturperiode hinaus zu geben und diese sicherzustellen. Dies ist ohne Zweifel durch den Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010 gegeben. Ich will ihn jetzt in seiner Gänze nicht mehr wiederholen, weil er bekannt und schon mehrmals diskutiert und angesprochen worden ist. Ich will an dieser Stelle gerne auf einige Argumente eingehen, die die Durchschlagskraft dieses Senatsbeschlusses infrage gestellt haben.

Ein zentraler Punkt ist, dass durch die Größe dieses Betrags von 330 Millionen die investive Handlungsfähigkeit nicht gegeben ist und letzten Endes nicht die ausreichende Planungssicherheit über den Zeitraum des Doppelhaushalts und der entsprechenden Finanzplanung hinaus gegeben ist. Herr Czaja! Sie sagen, allein für Mitte braucht man 600 Millionen. Ist Ihnen bewusst, was Sie damit gesagt haben?

[Martina Michels (Linksfraktion): Nee!]

Der durchschnittliche Investitionspreis für Neubauten – und hier handelt es sich um eine Sanierung – pro Krankenhausbett im Universitätsklinikumsbereich bewegt sich in der Größenordnung von 280 000 Euro pro Bett bis in die Größenordnung – je nachdem – von 580 000, 600 000 Euro. Das bedeutet im Klartext, hier müssten Sie – es geht um 600 bis 700 Betten – mehr als goldene Hähne verbauen, wenn Sie diesen Betrag benötigen. Das bedeutet, realistisch gesehen, denn sechs mal vier ist 24, dass im Grundsatz, unter Beachtung der Tatsache, dass es sich um eine Sanierung handelt, dass sehr wohl eine Sanierung von Mitte ermöglicht wird und zusätzlich weitere Maßnahmen an diesem Platz noch möglich sind.

Dann geht es um den zweiten Punkt, der durch diesen Senatsbeschluss offensichtlich nicht geklärt ist, die Standortfrage – entweder zu viel in Richtung FDP oder aber in Richtung Grüne nicht verbindlich genug in Bezug auf die drei Standorte. Die Stärke und die internationale Leuchtkraft der Charité besteht sicher im Kern durch die exzellente Wissenschaft und die exzellente Medizin, die dort gemacht werden, aber – daran gibt es überhaupt keinen Zweifel – sie besteht auch aufgrund ihrer Größe. Und sie besteht in Berlin aufgrund der Tatsache, dass die Charité an drei Standorten verteilt ist, weil letzten Endes das entsprechende Einzugsgebiet, das das Rückgrat letzten Endes der Patienten bildet, die in der Charité versorgt werden, nur durch diese drei Standorte in dieser Großflächigkeit gesichert werden kann. Und nur durch die Größe selbst können sie letzten Endes als ein Universitätsklinikum Spezialisten in allen Fachgebieten auf dem obersten Niveau – und das ist der Anspruch der Charité – gewährleisten, weil der Spezialisierungsgrad in der Medizin so weit fortgeschritten ist.

Ich sage auch noch ein Wort zu einer realistischen Perspektive in Bezug auf eine stärkere Kooperation mit Vivantes. Die Festlegung in dem Beschluss, die in Absprache mit den beiden Vorständen erfolgt ist, dass wir sozusagen auf Sicht Einsparungen im Betriebsergebnis in der Größenordnung von 45 Millionen pro Jahr erwarten und uns letzten Endes darum bemühen werden, ist die realistische Voraussetzung, dass tatsächlich etwas passiert. Nur eine auch im investiven Bereich auf gesunden Füßen stehende Charité wird in der Lage sein, sich in eine Kooperation einzubringen, in welcher Form auch immer, zum Wohle der Medizin, zum Wohle der Wissenschaft und zum Wohle der Stadt. Und in dieser Kooperation ist sicher das Laborprojekt ein erster wichtiger Schritt, an dem sich sowohl die Ernsthaftigkeit als auch die Fähigkeit zeigen, es letzten Endes durchführen zu können. Ich unterstütze in diesem Zusammenhang nachdrücklich den Antrag der beiden Koalitionsfraktionen, weil das Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einem solchen Schritt gewährleistet sein muss. Man muss sie mitnehmen, um damit letzten Endes das Ganze auf eine gesunde Basis zu stellen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Durch diesen Senatsbeschluss erhält die Charité sowohl die sofortige Handlungsmöglichkeit im investiven Bereich als auch die dringend notwendige Planungssicherheit.

De facto sind diese 330 Millionen Euro mehr als 100 Millionen Euro mehr, als die Charité ursprünglich für diesen Sanierungsbereich gewollt hat. Denn Sie haben offenbar alle vergessen, dass in dem ursprünglichen Masterplan auch diese 330 Millionen Euro vorgesehen waren, für alle investiven Maßnahmen an anderen Standorten, sprich: im Virchow und Benjamin-Franklin. Es ist allerdings auch so, dass die Charité sich mehr wünscht. Aber es sind Zeiten, in denen letzten Endes auch ein Vortand unter Beweis stellen muss, dass er – wenn die Eckpunkte vorliegen, die er haben wollte – nun konkrete, umsetzbare Vorschläge auf den Tisch gehören, um den Investitionsstau zu durchbrechen und damit eine Perspektive für die Charité herzustellen.

Mit der Festlegung, dass über weitere notwendige Investitionen zur Aufstellung des Doppelhaushaltes 2014/2015 zu entscheiden ist, ist neben der zunächst im Vordergrund stehenden Finanzierung in Mitte auch eine positive und verbindliche Perspektive für alle anderen Standorte verbunden. Mit dieser Grundsatzentscheidung hat der Senat die Weichen für eine weiterhin zukunftsorientierte Entwicklung der Universitätsmedizin in Berlin für die kommenden Jahre gestellt. Wissenschaft ist Berlins Zukunft, und die Charité als eine der weltweit renommiertesten medizinischen Einrichtungen hat die Chance, in dieser Zukunft eine entscheidende Rolle zu spielen. Aber es ist jetzt auch ihre Aufgabe, die Chance zu ergreifen. – Ich bedanke mich!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Senator Zöllner! – Besteht weiterer Redebedarf? – Von der FDP wird Herr Schmidt noch einmal reden. – Bitte schön!

[Christian Gaebler (SPD): Haben die noch Zeit? – Martina Michels (Linksfraktion): Nicht schon wieder!]

Ja, sie haben noch Zeit, Herr Gaebler, sonst würden wir das nicht abfragen!